Sonntag, 6. Februar 2011

Kommentar zum Auftritt von Monica Lierhaus bei den Springers

Meine Vorbehalte gegen Monica Lierhaus sind seit gestern bestätigt.

Eine beliebte Sportjournalistin und Moderatorin wurde von einem Schicksalsschlag heimgesucht. So weit, so unglücklich und bedauernswert. Kein Zweifel. Die erste Maßnahme nach dem Blitzschlag aber war die Verhängung einer bis gestern andauernden Nachrichtensperre über das weitere Schicksal der Medienfrau. Eine wasserdichte Mediensperre über die Art, Hintergründe und Schwere ihrer Verletzung bzw. Krankheit. Sie, die von anderen immer alles wissen wollte, und die für und von ihre Öffentlichkeit lebt, verbietet anderen den Mund, über sie zu sprechen.

Gestern kehrte sie zurück. Auf eine -wie ich finde- unpassende Art. Unpassend aus mehrere Gründen: Sie und die Springermischpoke wussten um den Sensationsgehalt, der dem ersten Fernsehauftritt nach fast drei Jahren innewohnen würde. So inszenierten sie das Comeback gestern im Rahmen der turnusmäßigen Selbstbeweihräucherungssymbiose zwischen Springer und unseren Fernsehsternchen auf GEZ-Zahler Kosten: Der güldenen Kamera. Ich frage mich: Wenn die Zeit so schwer war, die Gesundheit oder vielleicht sogar das Leben auf dem Spiel stand, ist einem dann nicht nach einem bescheideneren, privateren Auftritt? Hätte es nicht besser gepasst, im Rahmen einer Sportschau aufzutreten? Das ist natürlich Geschmackssache und ich kann das nicht wirklich beurteilen, weil ich noch nie in dieser Situation war. Aber dass sie nun ausgerechnet ein Format wählt, dass ein wenig an den letzten Auftritt von Rudi Carrell erinerte, wirft für mich die Frage auf, wie groß ihre Sorge -oder die ihrer Berater- gewesen sein muss, dass einen die eigenen Fans vielleicht schon vergessen haben?

Friede Springer und Matthias Döpfner hatten sich einen Ehrenpreis für ihren Stargast ausgedacht. Als Laudator hatte sich die Ausgezeichnete Günter Netzer gewünscht. Der begann seine Rede, wissend, welch eigentlich anrührender Moment der Auftritt von Frau Lierhaus sein würde, mit dem Geständnis, dass er sich sehr unwohl fühle, und jetzt sogar lieber einen Elfmeter in der 90. Minute schiessen würde.. Das klang ehrlicher, als es den Veranstaltern lieb sein konnte.

Der Bühnenauftritt von Monica Lierhaus rührte dann auch jeden an, der menschlicher Regungen fähig ist. Vorsichtig, kleine Trippelschritte machend und am Mikro mit einer ziemlich veränderten Stimme. Die Kamera schwenkte auf Gäste, die sich sichtlich bewegt die Hände vor den Mund hielten.

Aber dann wurde es typisch Springer, typisch BILD, typisch niveauloser Kitsch. Monica Lierhaus bat am Ende ihrer Dankesrede ihren Lebensgefährten auf die Bühne und machte ihm einen Heiratsantrag. Dazu Fanfarenklänge aus dem Hause Springer.

Ich weiß nicht. Ich versuche es mir vorzustellen. Hätte meine bessere Hälfte monate- oder jahrelang Spitz auf Knopf, sehr ernst erkrankt, gelegen, hätte ich mir einen privateren Moment gewünscht, als solch einen Auftritt.

Monica Lierhaus hat es geschafft. Jeder, der sie gestern gesehen hat (oder das bei BILD hier noch tun will), ist erleichtert, sie wieder auf den Beinen zu sehen. Aber war sie es ihren Fans nicht auch ein bisschen "schuldig", sie wissen zu lassen, sobald es ihr besser geht?

Sie zeigt nicht nur, dass man es schaffen kann. Sie ist auch Botschafterin für alle vom Schicksal gesundheitlich hart geprüften Menschen (um das Wort "Behinderte", das ich irgendwie zu diskriminierend finde), die um ihre Rückkehr in den Beruf kämpfen. Dass sie solch einen pompösen, grenzwertigen Rahmen dafür gewählt hat, zeugt vom schlechten Geschmack der Veranstalter und von den Prioritäten der Monica Lierhaus.

Sage mir jetzt keiner, ich hätte ja wegschauen können. Nein, ich bin zwangsverpflichteter GEZ-Zahler und mische mich ein, wenn mit meinen Geldern PR Betrieben wird. Unterstelle mir auch niemand Herzlosigkeit oder fehlende Empathie. Im Gegenteil. Mich hat der Auftritt geschmerzt, weil ich glaube, dass man sich so nicht hergeben muss.

Friede Springer und Matthias Döpfner haben das untere Ende der Geschmacklosigkeitsskala wieder etwas tiefer gelegt.

12 Kommentare:

  1. Na was meinste wird bei der nächsten oder übernächsten Wetten-Dass-Sendung passieren? Wer wird da wohl reingeschoben und sagen, dass jetzt ja alles gut wird?

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  2. Voller Zuspruch! Treffend formuliert, was auch ich empfunden habe!

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  3. Anonym6.2.11

    Danke dafür, das mein Gefühl in Worte gefasst wurde. Unpassend-die treffende Bezeichnung, geschmacklos - wenn ich entdecke, dass Bild zeitgleich zum Auftritt ein Interview on stellt. Das war reine PR - die mit unserem Mitgefühl spielt. Meins hat sie durch den Auftritt verspielt!

    LG an den Autor

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  4. Braut6.2.11

    Volle Zustimmung. Ohne Not passt man sich im ZDF an das nach unten offene Niveau der Privaten an. Niemand zwingt die öffentlich - rechtlichen Sender, solche Fremdschäm-Inszenierungen zu senden. Das schwere Schicksal der Frau Lierhaus wird hier auf dem Altar des Geldmachens und der Popularität ad absurdum geführt.

    MB

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  5. Mir sind diese Gedanken auch durch den Kopf gegangen. Ich habe mich aber zu einer unkritischen Kommentierung durchgerungen. Die menschliche Seite hat in meiner Abwägung letztlich überwogen. Es war eine Inszenierung. So naiv, etwas anderes zu glauben, sollte niemand sein. Aber es ging trotzdem um Monica Lierhaus, um einen Menschen also, dem ein großes Leid widerfahren ist. Der Gedanke hat überwogen. Ich bin aber überrascht, dass (heute noch) kritische Kommentare zu dieser Präsentation rar sind.

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  6. Anonym6.2.11

    Gott was haben DIE mit dieser Frau gemacht,zeitweise wie ein Roboter!
    Es wird Zeit das Die Schulmedizin abdankt!Einfach nur krank!

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  7. @Alle: Vielen Dank für Eure Kommentare und Euren Zuspruch!

    @Horst: Danke für die Offenheit. Ich war zugleich gerührt und irritiert.

    Ich glaube, wenn Frau Lierhaus einfach heute morgen als Co-Moderatorin in Oberstdorf aufgetreten wäre, mit einleitenden Worten, wären ihr alle Herzen zugeflogen. Das wäre ohne doppelte Bedeutung gewesen.

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  8. Anonym6.2.11

    Wenn man sich dann noch in Erinnerung ruft, wie rücksichtslos die BILD kurz nach der Erkrankung mit Monica Lierhaus umgegangen ist, könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Deal so ging: wir lassen dich jetzt in Ruhe, aber wenn es dir wieder besser geht, bekommen wir die Story, den Auftritt ...

    siehe BILDblog, 16.1.2009
    "Bild läßt Lierhaus keine Ruhe"
    http://www.bildblog.de/5216/bild-laesst-lierhaus-keine-ruhe/

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  9. Anonym6.2.11

    Ich habe den Lierhaus Auftritt und die Netzer Laudatio bei Youtube gesehen. Es war erschreckend und beschämend. Frau Lierhaus derart vorzuführen.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese das freiwillig getan hat. Das ist die Macht der BILD. Dieser Macht der BILD und der Macht von Tr. Springer hat sich Frau Lierhaus geopfert. Frau Springer ist, nicht umsonst, zusammen mit Liz Mohn (Bertelsmann) Deutschlands mächtigste Frau. (Noch weit vor Frau Merkel).
    Es war erschreckend. Aber BILD hat so die Medienpräsenz, die BILD braucht. Und alle Gutmenschen werden sich nicht trauen, dagegen (gegen den Lierhaus Auftritt) etwas zu sagen, weil man dann ja etwas gegen Behinderte sagen würde.

    BILD ist gräßlich und hat heute wieder einmal seine FRATZE gezeigt.

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  10. Anonym7.2.11

    Danke für Ihr Kommentar! Ich fand den Auftrit von M. Lierhaus penlich, geschmacklos, kitschig... und leider sagt es fast niemand in den Medien laut, oder jemand von den Anwesenden im Publikum. Die Gäste aus Hollywood haben sich sicher wie zu Hause gefühlt, dort ist es üblich, eigene Krankheiten zu vermarkten. Das ganze war berechnet und unangenehm, bleibt klebriger Nachgeschmack. Der Frau ML fehlt Demut, ihre Sache ist Privatsache und ein professioneller Fernseharbeiter benimmt sich anders.

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  11. Anonym7.2.11

    Guter Blogbeitrag, Frank. Dein Empfinden entdpricht der Rechtsprechung, diese spricht von "widersprüchlichem Verhalten" Habe ich vor kurzem gerade gelesen:
    http://www.zeit.de/2005/24/Medienopfer
    cndr

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  12. Nochmals vielen Dank für all Eure Kommentare und Hinweise. Ich bin überrascht, welche Wellen mein Blogpost geschlagen hat. Von der Ostseezeitung über die Stuttgarter Zeitung bis zum Brigitteforum war mein Posting Thema.

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