Freitag, 15. April 2011

Das Hochspannungsnetz an neue Lastflüsse anpassen

Die ersten Kraftwerkshersteller wie z.B. AEG betrieben ihr Kraftwerk noch selbst und zogen Leitungen zu den Verbrauchern. Der erste Verwendungszweck von Strom war Licht. Gasbeleuchtung war eine häufige Brandursache in Wohnhäusern, Strom bot hier die Aussicht auf Besserung. Die Drehschalter in den Kellern alter Häuser sind den Gasdrehschaltern nachempfunden, die sie ablösen sollten. Man drehte den Gasstrom auf oder zu, wie bei einer Wasserleitung. Die Kunden sollten sich beim Umstieg auf Strom möglichst nicht umgewöhnen müssen.

Das kann man z.B. sehr anschaulich bei Kurt Berlo (dem Gründer des Dortmunder Energiewendekomitee) und Hartmut Murschall-Zabel nachlesen (Link). Irgendwann hatte jemand die Idee, zwei "Inselnetze" zu verbinden, um sich gegenseitig bei Wartungsstillständen oder Ausfällen Backup zu liefern. Damit ein Kraftwerk für das andere einspringen konnte, musste dieses Reserveleistungen mobilisieren können, um die zusätzlichen Verbraucher mitversorgen zu können.

So entstand die Idee des Versorgungs- und später Verbundnetzes. Man baute große zentrale Kraftwerke, die einander aushelfen können. Je größer das einzelne Kraftwerk, desto mehr musste natürlich im Falle eines Ausfalls ersetzt werden. Andererseits, je mehr Kraftwerke man zu einem Verbund zusammenschloss, desto mehr konnten sich an der Abdeckung eines Ausfalls beteiligen. Unterm Strich entstanden so aber mehr Kraftwerkskapazitäten als die reine Addition der Verbraucher ergeben hätte. Das sind die sogenannten "Überkapazitäten". Stromim- und -export war schon immer Plan des Verbundnetzes, aber die Auslegung sollte so sein, dass sich jedes Energieversorgungsunternehmen im Normalfall selbst versorgen kann.

Die Kraftwerke wurden dort gebaut, wo die Verbraucher waren. Und die Verbraucher waren dort, wo es Arbeit und Rohstoffe gab. Im Ruhrgebiet z.B. Kohle und Erze. Da Großkraftwerke wassergekühlt sind, baut man sie vorzugsweise an einen Fluss oder Kanal mit natürlicher Strömung.

Da das Ruhrgebiet "mehr Kohle hatte, als es brauchte" (schönes Bild..) exportierte es sie, z.B. ins Agrarland Bayern. Da man Wind, Sonne und Wasserkraft aber nicht exportieren kann, wird man sie in Form von Strom exportieren müssen. Auch hier kommt der Verbundnetzgedanke zum Tragen: Die Küste hat mehr Windstrom, als sie selbst braucht. Spanien und Desertec werden mehr Sonnenstrom produzieren, als sie selbst brauchen. Die Übertragungsstrecken werden dabei länger, als zwischen den alten Großkraftwerken: Pro km Entfernung beträgt die wirtschaftliche Übertragungsspannung 1kV. Im Ortsnetz sind das 400V wegen durchschnittlich 400m Entfernung zur Trafostation. Unser 400kV Netz transportiert wirtschaftlich bis zu 400km. Diese Entfernung war früher die wirtschaftliche Grenze der Hochspannungstechnik in unseren Gefilden, darüber hinaus wurde es wirtschaftlicher, ein neues Kraftwerk zu bauen.

Das Problem ist heute: Das alte Verbundnetz stützt sich auf andere Verbindungsachsen, als wir sie für die Energiewende brauchen. Aber dann bauen wir es eben um. Es ist ja auch so irgendwann mal nach Bedarf entstanden. Der Bedarf ändert sich aber gerade, und das Netz ist eh in die Jahre gekommen. Die Netzbetreiber hatten sich nur daran gewöhnt, nichts mehr investieren zu müssen, weil so eine Leitung, Umspannstation samt Trafo eben Jahrzehnte hält.

Die Hochspannungstechnik ist inzwischen vorangeschritten. Dank der Weiterentwicklungen in der Leistungselektronik gibt es heute Möglichkeiten auch hohe Leistungen über mehr als 1.000km wirtschaftlich zu transportieren.

Übrigens meldet die Tagesschau, dass es mit den Bürgerprotesten gegen neue Freileitungen gar nicht so weit her ist, wie die CDU stets behauptet. Die meisten Netzbauprojekte lägen laut DENA voll im Plan. Der Grund dafür sei, dass die Bundesregierung selbst den Weg frei gemacht habe für Erdkabel in Siedlungsnähe und für Hochspannungsgleichstromübertragung (Link zur PM Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) )

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