Dienstag, 29. März 2011

Plutonium

In den Medien werden immer zwei Eigenschaften hervorgehoben: 1. Es ist der giftigste Stoff der Welt. 2. Es ist radioaktiv, es darf nicht in die Nahrungskette gelangen.

Das 1. stimmt nicht. Es gibt Stoffe, die in noch geringeren Dosen giftig sind. Gemeint ist aber wohl: Geringste Aufnahme in den Körper verursacht Krebs. Dazu genügen wenige Mikrogramm, und damit weniger, als chemisch giftig wäre.

Wie die japanische Atomaufsicht zu dem Urteil gelangen kann, die auf dem Kraftwerksgelände gefundenen Plutoniummengen seien nicht gesundheitsgefährdend, ist deshalb schwer nachvollziehbar. (Reuters meldet, TEPCO habe gesagt, die Mengen seien nicht höher als nach Atomwaffentests in der Atmospähre..)

Paradox erscheint, dass die bloße Berührung von Plutonium nicht gefährlich sein muss. Man unterscheidet drei Arten radioaktiver Strahlung:
1. Alphastrahlung: Bestehend aus Heliumkernen, also Bestandteilen des Atomkerns, also bestehend aus Masse.
2. Betastrahlung: Bestehend aus freien Elektronen.
3. Gammastrahlung: Bestehend aus elektromagnetischen Wellen, also masselos.

Plutonium ist ein Alphastrahler, aber lt. Wikipedia, schon die abgestorbenen Hautzellen, die unsere äußerste Schicht darstellen, bremsen es ausreichend ab. Solch einen Schutz haben wir im Körperinneren aber nicht. Und deshalb muss die Einatmung oder Aufnahme in Nahrung oder Wasser auf jeden Fall verhindert werden. Achtung, auch abgeriebene Partikel (Staub) können eingeatmet werden.

Wie könnte es in die Nahrung gelangen? Nach einem Reaktorunfall, vor allem nach einer Kernschmelze. Plutonium schmilzt bei 640°C und verdampft bei 3230°C. D.h. wenn es durch beschädigte Brennstabhüllen einfach heruntertropft muss das Containment des Reaktors es auffangen. In der Regel ist der Reaktor aber (hoffentlich noch) mit Wasser gefüllt und der Weg ins freie wäre der Weg über ein Leck im Reaktordruckbehälter oder dem Wasserrohrsystem. Der Weg mit dem Wasser wäre früher oder später der Weg in den Boden.

Wenn die Kernschmelztemperatur den Siedepunkt des Plutoniums übersteigen sollte, und es verdunsten sollte, wäre auch ein Weg in die Atmosphäre denkbar, und zwar ebenfalls über Lecks im Behälter. Da es sich in der Atmosphäre aber schnell abkühlen würde, müsste es sich in der Kraftwerksumgebung niederschlagen und in den Boden versickern.

Vom Boden kann es ins Grundwasser oder ins Meer gelangen. Es kann auch an der Bodenoberfläche bleiben und mit Staub aufgewirbelt werden. Jedenfalls ist die Aufnahme durch Pflanzen früher oder später wahrscheinlich, und damit der Weg in die Nahrungskette.

Das Leben wird auf jeden Fall komplizierter und gefährlicher, wenn Plutonium im Umlauf ist oder sprichwörtlich in die "Unterwelt" gelangt.

Quellen:
Wikipedia (Link)
Reuters (Link)

Lastwechselbetrieb von Atomkraftwerken bei Zubau von Windkraft

Die Energieversorger haben ihre Gründe, Windkraftanlagen zu verhindern. Dazu gehört die schlichte Konkurrenzsicht. Atomkraftwerksbetreiber haben darüber hinaus noch ein einen speziellen Grund: Materialermüdung durch ständiges Nachfahren der Windkraftschwankungen.

Denn, sollte der Zubau von Windkraftanlagen (WKA) so weiter gehen, wird man die Atomkraftwerke, die eigentlich für gleichmäßigen Grundlastbetrieb ausgelegt sind, stärker in ihrer Leistung regeln müssen, abhängig von der WKA-Einspeisung ins Netz - denn Wind hat gesetzlich Vorrang. (Die Einspeisung aller Kraftwerke wird anhand der Beobachtung der Netzfrequenz von 50Hz dem momentanen Verbrauch nachgefahren.)

Bislang galt die ausgeprägte Leistungsregelung nur für Spitzen- und Mittellastkraftwerke, also Gas und Kohle. Zu dieser Auslegung gehört die Berücksichtigung der Materialermüdung von Kessel, Wasserrohren, Turbine und Generator durch ständiges Erhitzen und Abkühlen.

Die meisten deutschen Atomkraftwerke sind nicht auf einen solchen Lastwechselbetrieb ausgelegt - sagen Kritiker. Doch der Lastwechsel - oder -folgebetrieb werd umso häufiger, je mehr Windkraft wir ins Netz bekommen.

Nur die drei "neuesten" Atomkraftwerke, Isar2, Neckar-Weistheim 2 und Emsland, sind auf solchen Lastwechsel- oder Lastfolgebetrieb ausgelegt: 2x pro Monat dürfen sie auf 20% Leistung heruntergehen und alle 36 Tage auf 0. (Spezifikation Konvoibauweise laut Gesellschaft für Reaktorsicherheit GRS, 1990).

Wenn die Regierung an der Laufzeitverlängerung und gleichzeitig an dem Ausbau der regenerativen Energien festhält, wird sogar diese Auslegung der Konvoikraftwerke überschritten werden. Das sagt der Sachverständigenrat für Umweltfragen: Die GRS habe nur für eine Anlage für drei Szenarien durchgerechnet und danach empfohlen, dass alle Kraftwerke für 25 Störfallszenarien hinsichtlich ihrer Belastungen für Thermik und Chemie im Reaktor durchgerechnet werden.

Wolfgang Renneberg vom Sachverständigenrat sieht im Lastwechselbetrieb eine wesentliche Änderung der Betriebsweise der Anlagen und hält neue Genehmigungen für die Kernkraftwerke erforderlich. Dabei verweist er auf das Atomgesetz.

Die Szenariorechnungen und neue Genehmigungen sollten seiner Meinung nach Ergebnis des Moratoriums sein. Biblis A, Unterweser, Neckar-Westheim 1 sind bereits im Lastwechselbetrieb gefahren. Doch der ist in der Liste der geplanten Sicherheitsüberprüfungen bis jetzt nicht aufgeführt.

Die Kraftwerksbetreiber sind da anderer Meinung. Sie haben die Auswirkungen des Lastwechselbetriebes vom Kraftwerkshersteller untersuchen lassen. Ergebnis: Kein Grund zur Sorge!

Unabhängig vom Reaktortyp gilt: Die populäre Annahme, dass ein Kernkraftwerk "von null auf hundert" ein bis zwei Tage brauche, gelte nur für ein Runterfahren zum Brennelementewechsel. Wenn es nur darum ginge, kurzfristige Leistungsschwankungen, wie z.B. bei einer Windflaute, auszugleichen, sei ein AKW viel schneller zu regeln. Es kühle sich auch nicht wesentlich dabei ab.

Siedewasserreaktoren (SWR):
Die Leistungsregelung erfolgt hier hauptsächlich über die Drehzahl der Umwälzpumpen für den Wasserkreislauf. Erhöhe man den Wasserdurchsatz, nehme der Dampfanteil im Reaktorkern ab und der Wasserpegel zu. Da das Wasser nicht nur Kühlmittel sondern auch die Kettenreaktion unterstützender "Moderator" ist, nehme auch diese zu. Und umgekehrt: Pumpen runter fahren, heißt: Dampfanteil erhöhen, Moderatorbedeckung senken, Leistung herunterfahren. Auf diese Weise könne man den Siedewasserreaktor zwischen 60 und 100% regeln, ohne die Brennstäbe selbst verfahren und diese somit thermischen Belastungen aussetzen zu müssen. (Einwand: Kann man das so sagen? Es macht schon einen Unterschied, auch thermisch, ob der Brennstab von Wasser oder von Dampf bedeckt ist.) Bis zu 10% der Nennleistung könne der Reaktor so pro Minute rauf- oder runterfahren. Nur für den Bereich zwischen 20 und 60% müsse man auch die Brennelemente selbst ansteuern. Dies komme in den Szenariorechnungen Windkraft jedoch praktisch nicht vor, wenn alle Kernkraftwerke mit regeln. (Übrigens nebenbei: Man sieht hier, dass der SWR in gewissen Grenzen eine Eigensicherheit hat: Wenn die Temperatur steigt, steigt der Dampf, sinkt der Wasserpegel, sinkt die Bedeckung der Brenstäbe mit Moderator, sinkt die Leistung.)

Druckwassereaktor (DWR):
Hier lässt sich nichts über den Dampfanteil regeln, weil der Primärwasserkreislauf, der durch den Reaktor, unter so hohem Druckgehalten wird, dass das Wasser nicht verdampft. Deshalb wird der DWR über Verfahrprogramme für die Brennelemente geregelt. Dabei muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu lokalen Überschreitungen der Leistungsdichte kommt. Dafür ist eine genaue Beobachtung jedes einzelnen Brennelementes erforderlich. Dies sei in deutschen DWR gegeben.

Zu zyklischen Beanspruchungen des Reaktors durch Lastwechsel heisst es:
Lastwechsel in dem vorstehend beschriebe- nen Rahmen sind ganz überwiegend mit nur geringen Änderungen von globalen An- lagenparametern wie Druck und Tempera- tur im Reaktorkühlsystem verbunden. Die dadurch bedingten geringen Wärmespan- nungen sind für die Ermüdung der betrof- fenen Komponenten unerheblich. Größere Temperaturgradienten mit entsprechend höheren Beanspruchungen können auftre- ten, wenn in einzelnen Komponenten unterschiedlich heiße Medien aufeinandertreffen.
..
Deutsche KKW sind für die mit Lastwechseln verbundenen Belastungen ausgelegt. Dabei ist eine bestimmte An- zahl von Lastfällen (in diesem Fall Lastwechselvorgängen) unterstellt, die die über die Lebensdauer der Anlage zu erwarten- den Häufigkeiten abdeckt.

Die Frage ist hier, ob die zu erwartenden Lastwechsel bei der Planung schon so waren, wie wir sie heute erwarten? Dazu verweist die Studie auf laufende Überwachung und regelmäßige Prüfungen aller relevanten Materialien und Bauteile..

Fazit:
Die Fragestellung ist komplex. Konzeptionell kann man den Darstellungen der Kraftwerksbetreiber zwar folgen. Aber was zeigt die Praxis?
Man könnte auch andersherum argumentieren: Je mehr und verteilter Windparks in Deutschland installiert sind, desto mehr verwischen sich auch die Flauten und damit der Effekt. Nur längere, tagelange, Flauten, womöglich verbunden mit niedrigen Wasserständen in Flüssen bei hohen Sommertemperaturen und das ganze zyklisch wiederholt, könnten für die Kernkraftwerke Stress bringen.

Quellen:
Deutschlandradio Wissen und Natur,
Studie Renneberg Consult (Link),
Regelwerk der GRS (Link)
Internationale Zeitschrift für Kernenergie "Lastwechselfähigkeiten deutscher Kernkraftwerke" (Link)

Montag, 28. März 2011

Mappus und Homburger missbrauchen Fukushima schon wieder - als Alibi

Schuld sind immer die anderen, oder was Höheres. Vor der Wahl warnten Mappus und Konsorten davor, Fukushima für den Wahlkampf zu missbrauchen. Dann missbrauchten sie es selbst mit einer schlecht getarnten Heuchelei und einem nie da gewesenen Opportunismus, der ihre Atompolitik als verantwortungslosen Lobbyismus entpuppte.

Gestern missbrauchten die Konservativen Fukushima schon wieder: Als Alibi für ihre desaströse Wahlniederlage in Baden-Württemberg. Wo man gestern Abend auch hin schaltete: Überall erklärte ein Funktionär aus dem Politbüro von Angela Merkel oder Guido Westerwelle, dass alle Landesthemen von Japan in den Hintergrund gedrängt worden waren.

Das kann als bürgerlicher Selbstbetrug durchaus so hängen bleiben, dafür hat man ja seinen Glauben, dass andere die Verantwortung für eigenes Handeln übernehmen, ist aber für rational denkende Menschen zu ungenau: Nicht Japan, sondern die Reaktion auf Japan kann als Ursache für die Wahlniederlage gelten. In BaWü kommt noch dazu, dass Mappus wie kein Zweiter vor ihm, Milliarden zum Fenster rausgeschmissen hat, in dem er sich von seinem Parteifreund Notheis, einem Investmentbanker bei Morgan Stanley, zum unlegitimierten Erwerb der EnBW verführen ließ. Zum Wohle von Notheis' Bank. Und zum Schaden von Mappus.

Zu den Leuten, die Mappus nicht gewählt haben, gehören sicher auch die, die Mappus mit Polizeiknüppeln und Wasserwerfern von ihrem Hauptbahnhof in Stuttgart vertreiben ließ.

Die FDP ist in BaWü leider mit einem blauen Auge davon gekommen. Es gibt dort anscheinend genügend Leute, für die zuviel auf dem Spiel stünde, wenn in Subventions- und Finanzamtsbüros frischer Wind einziehen würde. Aber auch für die hat es nicht gereicht. Man darf gespannt sein, was in den nächsten Jahren alles so ans Licht kommen wird, im verfilzten Ländle.

Bis dahin schauen wir uns an, wie es den liberalen Vorzeigeintellektuellen Pieper, Homburger und Brüderle ergeht. Bin gespannt, ob das Spitzenpersonal der FDP das Leistungsprinzip mal auf sich selbst anwenden wird. Es wäre ein Novum. Als Brüderle gestern in RLP mit dem Spitzenkandidaten ans Mikro trat, den er mit seiner Affäre gerade aus dem Landtag gekegelt hatte, dachte ich schon, er würde den einen oder anderen Rücktritt von seinen Ämtern verkünden. Aber das hat er auf heute vertagt. Brüderle wirkte um Jahre gealtert. Bei den anderen passte die Pose nicht zur Performance. Westerwelle gab uns ein Deja vu mit dem Satz "WIr haben verstanden." An wen er den richtete, sagte er nicht. Typischerweise lenken bürgerliche Parteifunktionäre Siege in die eigene Tasche und Niederlagen in die der Parteifreunde. Dann heißt es "Herausforderung für jeden einzelnen von uns." So wird er heute reden, der Guido. Früher nahm er Prozentpromille, die die FPD dazu gewann als Beweis seines Erfolges. Seit einiger Zeit geht es nur noch abwärts für die FDP. Aber das steckt er sich vorsichtshalber nicht ans Revers.

Sonntag, 27. März 2011

Das EPA hat seine Onlineservices modernisiert

Ab sofort neu oder mit neuer Benutzeroberfläche:

- Patentrecherche Espacenet: Link

- European Patent Register (Abfrage des Patentierungsstatus): Link
- Anleitung zu Register Plus: Link
- Register Alert (Meldung, wenn sich im Status beobachteter Patente etwas geändert hat): Link

- Kostenlose Patentmanagementsoftware IP Score des EPA: Link

- Offene Abfrageschnittstelle für automatisierte Abfragen (Open Patent Services OPS): Link

Die kleine Bundestagswahl heute

Ich fasse mal die Leistungen von Schwarz-Gelb zusammen, damit es nicht zu lang wird, nur die letzten Wochen:

1. Westerwelle weiß als Außenminister, der sich gerne staatstragend gibt, nicht, dass er der Flugverbotszone zustimmen kann, OHNE eigene Truppen zu stellen. Und niemand traut sich, ihn darauf hinzuweisen? Was hat dieser Dilettant für eine Führungskultur etabliert?

2. Brüderle outet das AKW-Moratorium als Politaktionismus, der den Wahlen geschuldet ist. Dann dementiert er das gesagt zu haben. Danach muss der Überbringer der Wahrheit auf -wie man hört- Brüderles sanften Druck zurücktreten.

3. Schäubles Berater schlagen die Hände über den Köpfen zusammen, weil Schäuble weiteren EURO-Rettungsmilliarden zugestimmt hat, ohne Gläubigerverzichtsoption. Nur die Banken jubilieren.

4. Die misslungene E10-Einführung an den Tankstellen mündet in Preiserhöhungen und misstrauen überall - sogar im Innenministerium: Polizei und Innenminister tanken E10 nicht. (Ähnlich ihrer Ausnahmegenehmigungen in der sog. "Umweltzone".)

An den Überlegenheitsposen der handelnden Personen hat sich aber nichts geändert. Unkenntnis steigert das Selbstbewusstsein.

Genug Schlechtleistung für einen Denkzettel heute, oder?

Samstag, 26. März 2011

120.000 auf Berliner Anti-AKW Demo (Fotos)

Bundesweit fanden heute Demonstrationen gegen die Nutzung der Atomenergie statt. Allein in Berlin waren 120.000 auf den Beinen. Wir waren dabei. Anlass war der Super-GAU in Fukushima. Die Demonstration der Umweltverbände wurde auch von den Parteien SPD, Grüne und Linke unterstützt, jedoch überraschenderweise nicht von den sich zuletzt ebenfalls atomenergiekritisch gebenden Regierungsparteien CDU und FDP..

Auf der Kundgebung sprach sich auch DGB-Vorsitzender Sommer für einen "Fahrplan zum Ausstieg aus der Atomenergie" aus. Die Gewerkschaft seien sich sehr wohl bewusst, dass daran auch Arbeitsplätze hingen. Aber das sei schon bei ethisch motivierten Protesten gegen die Rüstungspolitik der Konservativen in den 80er Jahren der Fall gewesen und man habe hier auch geordnete Rückzüge organisieren können. (Naja, zumindest teilweise.) Gut, weil sachlich fundiert, auch die Rede von Hubert Waiger, Vorsitzender des BUND.

Die Reden waren insgesamt inhaltlich eher defensiv und mitfühlend mit den Opfern in Japan. Das Verhalten der deutschen Bundesregierung hätte viel hergegeben für manche berechtigte Polemik, aber das schenken sich die Erwachsenen unter den Rednern. Nur schwer zu ertragen eine ziemlich hysterisch vorgetragene "Betroffenheitsrede" einer Aktivistin. Gut, vielleicht ist man da als Ingenieur dann doch zu rational. Nach Sommer spielten dann Wir-sind-Helden und wir gingen nach Hause. Ich hatte gestern gesagt, wenn zu den Demos insgesamt mehrere Hunderttausend kommen, dann ist die Mappusregierung am Sonntag weg vom Fenster. Ich hoffe, dass ich recht behalte, denn die Bedingung hat sich heute erfüllt..








Brüderle sagt im Bundestag die Unwahrheit

Er sorgt für Heiterkeit im Plenum, weil er sich inzwischen mit Dementis vom Dementi verheddert hat. Unterm Strich sagt er die Unwahrheit:

Freitag, 25. März 2011

Fukushima Update

Da die IAEA die Zustandsübersicht nicht mehr liefert, nehme ich zwei Wochen nach dem Tag 0 die Übersicht von der "Gesellschaft für Reaktorsicherheit" (Link).

Man sieht: Die Anzahl der roten Felder hat zugenommen. Die Brennstäbe von 1- 3 sind beschädigt. Was heißt das anderes, als dass die Kernschmelze im Gange ist? Wenn das so wäre, ist die nächste wichtige Frage, ob sich diese in einem geschlossenen Reaktorbehälter abspielt. Dies ist für 2 und 3 unbekannt. Die GRS setzt die Flaggen aber trotzdem auf grün und gelb. Merkwürdig statistischer Umgang mit unbekannten Risiken.

1-3 haben keine funktionierende Kühlung, die Brennstäbe liegen ganz oder tlw. frei. Die Brennstäbe in den Abklingbecken von 1- 4 sind in unbek. Zustand oder wahrscheinlich "beschädigt".

Wir hören seit fast zwei Wochen, dass in dem einen oder anderen Reaktor "evtl. eine Kernschmelze im Gange ist". So einen Nachrichtenzustand, dass evtl. der Super-Gau im Gange ist, hält man kaum aus oder er nutzt sich ab.

Meiner Meinung nach hat dieser Schwebezustand vor allem die Funktion, nicht zugeben zu müssen, wie schwerwiegend die Katastrophe bereits ist. Und andererseits die Bevölkerung bereits abgestumpft zu wissen, wenn man vom Konjunktiv auf den Indikativ umschalten wird. Es kann sogar etwas erlösend wirken, endlich Gewissheit zu haben. Auch wenn diese negativ ist.


Quelle: GRS (zum Vergrößern, reincklicken)

Nach BP nun TEPCO: Der Verantwortliche haftet für nichts

Zwei Meldungen, die ich über Twitter bekam, werfen ein Schlaglicht auf den Umgang mit der Verantwortung für den GAU oder SuperGAU in Fukushima.

Der Stern (Link), Kölner Stadtanzeiger und andere berichten, Kraftwerksbetreiber TEPCO gebe den drei betroffenen Arbeitern selbst die Schuld an ihrer Verstrahlung. Sie hätten den Alarm ihres Strahlenmessgerätes "ignoriert". Zuvor gab es Meldungen, nach denen ein japanischer Minister die Arbeiter zu dem Feuerwehreinsatz in unmittelbarer Nähe der zerstörten Blöcke angewiesen hätte.

Das TEPCO Management delegiert also die Verantwortung für die Verstrahlung der Mitarbeiter an diese selbst zurück.

Die Verantwortung im Großen und Ganzen, die Haftungsfrage also, ist bereits geregelt. Und zwar gesetziich: TEPCO wird maximal mit 1 Mrd EURO haften.

Und jetzt kommt's:
lle darüber liegenden Kosten werden vom japanischen Staat getragen. Sollte die japanische Regierung das Erdbeben und den Tsunami als höhere Gewalt klassifizieren, müsste der Kraftwerksbetreiber TEPCO unter Umständen sogar gar keine Entschädigungen zahlen.
Quelle: Wikipedia

Auch hier werden Verluste bzw. Schäde sozialisiert. Wie bei BP im Golf von Mexiko. Wie bei so vielen anderen Fällen.

Donnerstag, 24. März 2011

Brüderle outet AKW-Moratorium als Alibiveranstaltung

DIe Süddeutsche veröffentlich heute Protokollauszüge aus einer Rede von Wirtschaftsminister Brüderle vor dem BDI: Link

In dem Artikel heißt es über die Reaktion von Brüderle als die Nachricht vom Moratorium im BDI bekannt wird:
"Der Minister bestätigte dies", steht darin, "und wies erläuternd darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien." Im Übrigen sei er, Brüderle, ein Befürworter der Kernenergie.
..
"Es könne daher keinen Weg geben, der sie in ihrer Existenz gefährde", befindet Brüderle laut Protokoll.

Es ist jetzt nicht nur raus, dass es sich bei diesem Moratorium um eine Showveranstaltung handelt. Interessant ist auch, wie Brüderle und der BDI miteinander umgehen: BDI-Vorsitzender Keitel stellt Brüderle quasi zur Rede, als er an dem Montag vom sogenannten Moratorium erfährt. Und Brüderle antwortet der Versammlung, als würde er zu seinem Inner Circle sprechen.

Es ist also die Bundesregierung, die Fukushima für den Wahlkampf missbraucht. Und zwar aufs Heftigste. Sie outet, Demokratie nur zu simulieren und die Simulationen für Manipulationen einzusetzen.

Dienstag, 22. März 2011

Zitat der Woche (zu Fukushima)

Zitat von Günther Anders, gehört im philosophischen Radio WDR 5:

Der Utopist kann nicht herstellen, was er sich vorstellt,.

Wir hingegen können uns die Folgen von dem, was wir herstellen, nicht vorstellen.

Tesla setzt auf Supercaps

Tesla Chef Musk sieht wenig Sinn darin, in Batterien zu investieren. Er setzt auf Supercaps, auf deutsch: Hochleistungskondensatoren: Link

Ich hatte 2008 schon mal darüber geschrieben (Link). Kondensatoren eignen sich vor allem besser zum Einspeichern hoher Leistungen bei starken Verzögerungen. Batterien speichern die Leistungsvernichtung einer Vollbremsung nicht ein, Supercaps sehr wohl, weil sie praktisch keine Ladezeit haben. Weiterer Vorteil: Sie altern kaum. Und: sie sind nicht so hitzeempfindlich wie Batterien.

Genau so schnell wie man sie laden kann, kann man sie auch entladen. D.h. man kann mit ihnen gut beschleunigen. Damit eignen sie sich gut für Hybridautos, vor allem Hybridsportwagen: Das Bremsen vor der Kurve lädt den Supercap, die Beschleunigung aus der Kurve kann sofort wieder vom Supercap gespeist werden. Mit wenigen Verlusten. Bei künftigen 24h-Rennen müsste sich dieser Effekt in eingesparten Tankstops bemerkbar machen.

Nutzt man Batterien und Supercaps in Kombination, kann man die Batterie kleiner auslegen und Gewicht (und Kosten) sparen. Auch verschont der Kondensator die Batterie gerade vor den stressigen Ladespitzen und verlängert damit ihre Lebensdauer.

Supercaps lohnen sich um so mehr, je mehr Beschleunigungs- und Bremsvorgänge im persönlichen Fahrzyklus liegen. Als Versorgungskonzept für ein reines Elektroauto kann ich sie mir aber noch nicht vorstellen. Aber vielleicht hat sich hier in drei Jahren viel getan..

Ansonsten wächst Teslo Motors stark in Europa. Nach Unternehmensangaben wurden in Europa bis jetzt 400 Roadster verkauft.

Elektromobilität in Berlin :-) und München :-(



Zwei Meldungen zum Theme Elektroautos, die gegensätzlicher nicht sein können:

1. Erich Sixt nennt erste Erfahrungen mit Elektroautos katastrophal (Süddeutsche Link)
2. Wowereit will 100.000 Elektroautos für Berlin (WELT Link)

Sixt hat in München vier umgebaute Fiat 500 vermietet. Viele Kunden seien liegen geblieben, weil sie die Reichweite unterschätzt hatten. Dann gab es Anrufe bei Sixt. So hatte sich Erich Sixt das nicht gedacht..

Während also aus München viel Pessimismus zu hören ist, hat Berlin das Thema für sich entdeckt. Lehnte die Senatsverwaltung die Unterstützung für Elektroautos 2008 noch ab, setzt Klaus Wowereit nun voll auf das Prestigepotenzial. Die Zahl der Elektroautos in Berlin soll binnen 10 Jahren von 100 auf 100.000 steigen. Berlin soll Zentrum für Elektromobilität werden. Dazu haben die üblichen Verdächtigen (Berlin Partner und die Technologiestiftung Berlin) eine Initiative gestartet und das Land eine neue Agentur (eMo Link) gegründet: Relevante Fachbereiche an Berliner und Brandenburger Hochschulen sollen eingebunden werden.

Ein Fürsprecher für das Ganze war McKinsey (weil die Propheten im eigenen Lande kein Gehör finden, musste da erst McKinsey kommen..) und auch die CDU reklamiert ein Urheberrecht auf das Konzeot..

Nach seiner Stilllegung 2012 soll der Flughafen Tegel in ein Entwicklungszentrum für Elektromobilität umgebaut werden. Elektroingenieure können das kaum erwarten :-) Auf dem Gelände des stillgelegten Flughafens Tempelhof soll eine Erlebniswelt Elektromobilität entstehen.

Und plötzlich ist in Berlin nach hundert Jahren wieder was los in Sachen Elektrotechnik :-)

Blick in die Psyche einiger Kernkraftanhänger

Ich habe gestern Abend Blogs und Zeitungsforen und ihre Leserkommentare zu Fukushima gelesen. Eine mutige Gastbloggerin , Laura Hennemann, berichtet z.B. (Link) über das große Schweigen der "Dürrenmatt-Physiker" auf der Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Prompt hagelte es Kommentare, als Naturwissenschaftler habe man sehr wohl zu schweigen, solange keine "Fakten" auf dem Tisch liegen. Diese Logik verleiht einem dann anschließend wohl auch das Recht, über die Medien herzufallen, wenn die sich die Nachrichten für ihre Leser aus spärlichen Informationen zusammenreimen müssen. Das ist das Selbstbild der Physiker, immer noch: Über den Befund tauscht man sich mit seinesgleichen aus, seiner Gesellschaft fühlt man sich nicht verpflichtet. Ich sage: Wem Fakten fehlen, um eine existenziell wichtige Angelegenheit bewerten zu können, der muss das öffentlich artikulieren. Wenn nicht die Physiker, wer dann? Kein Physiker hat im Sinne unserer Demokratie das Recht, sich jetzt einer öffentlichen Diskussion zu entziehen. Egal, auf welcher Seite er steht.

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat bei den Bürgern eine "Hysterie" ausgemacht, weil die ihm unangenehme Fragen stellen. Z.B. warum die FDP noch im Herbst im Kabinett für eine Senkung der Betreiberhaftung bei gleichzeitiger Senkung der Sicherheitsstandards bei Altreaktoren gesorgt hat.

SPIEGEL "Dorfsaukolumnist" (der jede Woche eine andere Sau durch's Dorf jagt) und Atomkraftbefürworter Jan Fleischhauer frönt hingegen, wie derzeit viele seiner Gleichgesinnten, dem Bashing der Atomkraftgegner mit den Worten,
dass der Kernkraftgegner im tiefsten Inneren seines Herzens immer den Unfall herbeisehnt, weil dieser auf drastische Art seine Befürchtungen bestätigt, vorausgesetzt natürlich, er ereignet sich nicht vor der eigenen Haustür.
(Quelle: SPIEGEL)

Da hat einer mit Inbrunst in die Herzen derjenigen geschaut, denen er es bekennendermaßen neidet, nun leider Recht behalten zu haben. Seine Unterstellung ist flegelhaft.

Ähnlich äußern sich einige Leser auf FAZ.de. Das ist ein neues Verhaltensmuster, das wahrzunehmen, wir noch nicht allzuviel Gelegenheit hatten. Wenn der sich selbst "Bürgerlich" nennende Politiker oder "Bürger" bei einer Tat ertappt wird, oder ein prominenter Vertreter seiner Kohorte, so verweist er sogleich -ohne eine Sekunde der Reflexion- auf das "noch schlimmere Verhalten der anderen." Wobei die anderen häufig die sind, denen sich der so Sprechende ansonsten überlegen, wenn nicht als Elite, fühlt. Da wird dann schon mal die organisierte Steuerhinterziehungskriminalität eines Klaus Z. mit dem Verweis auf das flunkernde Lieschen Müller relativiert, wenn es seine Steuererklärung ausfüllt. Wenn Herr Baron mit dem organisierten Plagiat seiner Doktorarbeit aufgegriffen wird, feuern BILD und Co. aus allen Rohren, dass wir doch in der Schule alle abgeschrieben haben.

Geht es um noch größere Verbrechen, wird die Schuld der Organisatoren gerne anonymisiert. Es hat dann keinen Schuldigen und Verantwortlichen gegeben, außer den äußeren Umständen. Gerne verbunden mit der offensiven Frage: "Was hättest Du denn getan? Sei froh, dass Du das nicht erleben musstest."

Fleischhauer hingegen trampelt einen neuen Pfad für die Rechthaber unter den Widerlegten: Er wirft denen, die recht behalten haben, als sie vor der Katastrophe warnten, nun vor, sie würden sich an dieser Bestätigung laben, ohne Rücksicht auf die Opfer. Selbstredend offenbart auch das nur ein gelerntes Verhalten, dessen sich Fleischhauer unbewusst schämt und das er deshalb auf die anderen projiziert. Was einer beteuert zu sein, ist er nicht. Was einer seinem Nächsten an niederen Beweggründen unterstellt, ist nur die Offenbarung des eigenen Makels. (Kennen wir auch aus der kath. Kirche und CDU-Wählern auf dem Lande.)

Diese Rhetorik hat natürlich auch die Funktion, denjenigen, die nun recht bekommen haben, ihr wichtigstes Argument im Wahlkampf aus der Hand zu schlagen. "Missbrauch" nennen es Leute wie Fleischhauer, Mappus und andere Intellektuelle, wenn man im Wahlkampf über die wahren Themen Tacheles redet. Sie ziehen es offenbar vor, Demokratie nur zu simulieren.

Ich hoffe auf den kommenden Sonntag.

Montag, 21. März 2011

Fukushima-Lageübersicht der IAEA

Hier die aktuelle Übersicht über die Zustände der Reaktoren in Fukushima:

Grün: Ohne Besorgnis
Gelb: Besorgnis erregend ("Concern")
Rot: Ernster Zustand ("Severe condition")


Quelle: IAEA

Man sieht: Die Selbstversorgungsnetze der Reaktoren 1-3 sind zwar wieder ans öffentliche Netz angeschlossen. Aber die Kühlpumpen sind noch nicht wieder einsatzbereit.

Das Innere der Reaktordruckbehälter (Reactor Pressure Vessel) 1-3 ist mit Meerwasser gefüllt. (Allerdings, laut anderer Medienberichte, z.B. Wallstreet Journal) sind die Brennelemente nur halb mit Wasser bedeckt.). Dieses Wasser zirkuliert nicht.

Die aktuelle Bewässerungsaktionen der Hilfskräfte beziehen sich auf die Abklingbecken mit abgebrannten Kernelementen der Reaktoren 2-4.

Die wichtigste Größe über die Zustände der Reaktoren ist der Druck im Reaktordruchbehälter (Pressure of Reactor Pressure Vessel): Über Reaktor 2 liegen keine verlässlichen Daten vor, im Reaktor 3 ist der Druck erhöht.

Positive Entwicklung: Die Abklingbecken der Reaktoren 5 und 6 werden wieder gekühlt.

Hier zum Vergleich die Übersicht vom 19.03.2011

Sonntag, 20. März 2011

Erstaunlich realistisch: "Das China-Syndrom" mit Jane Fonda

Das "China-Syndrom" hat seinen Namen von der Fiktion, dass sich der geschmolzene Kern eines amerikanischen Atomkraftwerks immer tiefer in die Erde durchfrisst, bis er in China wieder ans Tageslicht tritt. In Japan müsste man dieses Syndrom also logischerweise als Europasyndrom bezeichnen. Was genau gegenüber von Fukushima liegt, kann uns OSM-Mapper Werner sicher sagen?

Es gibt auch einen gleichnamigen Film (Wikipedia Link). Er handelt von einem Störfall in einem Atomkraftwerk in Kalifornien. Er kam 1979 kurz vor Bekanntwerden des Störfalls in Three Mile Island in die Kinos, sein Drehbuchautor bewies damit ebenso prophetische Fähigkeiten (oder Insiderwissen) wie der Film "Wage the dog". Zum Zeitpunkt des Unfalls befindet sich zufälligerweise ein Reporterteam im Kraftwerk und lässt sich dessen Funktionsweise erklären. Plötzlich zittert das ganze Gebäude, als habe es einen -Achtung:- Erdstoß gegeben. Die Mannschaft im Kontrollraum reagiert schnell. Aber sie reagiert - wie sich später zeigt- auf widersprüchliche Anzeigen der Leitwarte. Der Wasserpegel im Reaktorraum wird mal zu hoch und mal zu tief angezeigt. Die Mannschaft wird damit für einen Augenblick zu genau entgegensätzlichem Verhalten von dem animiert, was eigentlich richtig wäre. Später zeigt sich, dass ein fehlerhaftes Generatorrelais der Auslöser des Ganzen war. Das klingt harmlos (und beruhigend, wenn man nicht mehr erfährt), brachte das Kraftwerk jedoch im weiteren Verlauf nahe an den GAU.

Damit zielt der Film auf die stets verharmlosende Rhetorik in offiziellen Meldungen, hier oder da habe man eine defekte "Schweißnaht" oder eine "nicht anspringende Pumpe" entdeckt. Die Berichterstattung macht sich da stets die Komplexität eines solchen Kraftwerks zunutze und den damit vorraussetzbaren populären Irrtum in der Bevölkerung, ein einziger Befund werde schon nicht so dramatisch sein. Denn es wird ja selten in den Vordergrund gestellt, welche Bauteile die Schweißnaht verbindet, oder welchen Wasserstrom die Pumpe betreibt. Doch es geht dabei um die Schweißnaht des Reaktordruckbehälters und es geht um den Kühlkreislauf, der ein schnell abgeschaltetes Kraftwerk von der Kernschmelze abhält.

Auch darum geht es in dem Film. Und darauf richten sich derzeit unsere Hoffnungen bei der aktuellen Entwicklung in Fukushima.

Der leitende Ingenieur in dem Film geht dem Unfall gründlich nach und findet Pfusch bei der Genehmigung des Kraftwerks. Der zuständige Gutachter hat nicht von jeder Schweißnaht eine Röntgenaufnahme gemacht, sondern von einer. Und hat Kopien von dieser als Aufnahmen aller anderen Schweißnähte ausgegeben. Als der Ingenieur den zuständigen Gutachter darauf zur Rede stellen will, droht dieser ihm mit den nicht zimperlichen Gepflogenheiten des Kraftwerkssicherheitsdienstes.

Wir lernen: Es ist die Kombination aus technischem Versagen (das Relais, die fehlerhafte Anzeige) und menschlichem Versagen (der Pfusch bei der Genehmigung, die richtige Reaktion auf falsche Anzeigen), die aus einem kleinen Störfall einen großen macht.

Hinter den Kulissen findet ein dramatischer Kampf zwischen den Kraftwerksbetreibern und dem Nachrichtensender der Reporterin statt. Denn unbemerkt hat der Kameramann den Leitstand des Kraftwerks gefilmt, als die Mannschaft versuchte, den Reaktor abzufangen. Doch der Chefredakteur weigert sich, mit Verweis auf das Strafrecht, das Material zu senden. Dem Kraftwerksbetreiber geht es währenddessen darum, die Genehmigung für ein baugleiches zweites Atomkraftwerk nicht zu verzögern. Das würde ihn Millionen kosten.

Diese Finanzinteressen entpuppen sich als mindestens genau so mächtig wie die Urantablette, die der Reporterin zu Beginn ihres Drehs gezeigt wurde. Es werden Männer fürs Grobe eingesetzt, um zu verhindern, dass die Sache mit dem Pfusch und dem wahren Ausmaß des Unfalls ans Licht kommt. Zum Schluss wird der leitende Ingenieur vom Sicherheitsdienst erschossen, und vom Vorstandsvorsitzenden als psychisch labiler Mensch dargestellt, der unter Alkoholeinfluss versucht habe, das Kraftwerk in seine Gewalt zu bringen.

Mir fällt auf, dass wir in den Medien derzeit von Eon stets den Vorstandsvorsitzenden Teyssen sehen, von RWE aber immer nur den für die Kraftwerke zuständigen Vorstand Dr. Jäger. Ob das etwas mit dem Thema Unternehmerhaftung oder mit dem an Grad an Fachkenntnis zu tun hat, spielt auf den ersten Blick keine Rolle. Ich will dann aber auch wissen, wer bei einem Störfall in Biblis eigentlich das letzte Wort über Rettungsmaßnahmen hätte: der Vorstandsvorsitzende Grossmann oder Dr. Jaeger? Der letzte Verantwortliche RWE Vorstand, dem ich persönlich vertraut hätte, ist leider schon 1999 gegangen: Prof. Dr. Werner Hlubek war ein Vollblutkraftwerker und Wissenschaftler. 1999 verließ er RWE, nachdem zuvor sein Unmut über nachlassende Investitionen in die Kraftwerke laut geworden war.. Sein Nachfolger wurde der vorherige Chefcontroller -und damit mutmaßlicher Gegenspieler: Dr. Jaeger. (Wenn dem Leser nun Ähnlichkeiten zum Investitionsverhalten der Deutschen Bahn im Vorfeld ihres Börsengangs in den Sinn kommen, muss er das selbst verantworten..)

Was wir aber auf jeden Fall lernen: Die andere Seite, das sind die Kraftwerksbetreiber und die Bundesregierung, spielt Fukushima nun insofern herunter, als wir in Deutschland keine Naturkatastrophen a la Japan zu erwarten haben. Jedenfalls hat sich laut WAZ (Link) Kanzleramtsminister Pofalla (ein ausgemachter Kernkraftexperte, der nebenbei Sozialpädagogik und Jura studiert hat, wenn man Wikipedia glaubt) im Wahlkampf so geäußert. Pofalla wäre der Mann, der uns ein defektes Relais entgegenhalten würde, um zu beweisen, dass nicht die Kernenergie versagt hat, wenn mal was passieren sollte.

Die andere Seite lernt offenbar nur aus Erfahrung. Wie Werner mal sagte: Sie verändern lieber die Wahrheit als ihren Business Case. Die einzige positive Überraschung im konservativen Lager sind für mich die Redaktionen der FAZ und der Welt. Sie halten die kognitiven Dissonanzen und die fortwährenden Beleidigungen ihres Intellekts durch Figuren wie Guttenberg, Merkel, Westerwelle, Brüderle, Homburger und nun auch Pofalla schon seit langem nicht mehr aus.

FAZ Kommentator Volker Zastrow bringt es sehr gut auf den Punkt (Link) , wenn er der Kanzlerin entgegenhält:
Das illustriert ihr Satz, in Japan sei das „Unmögliche möglich“ geworden – eine absurd romantische Wendung; wobei niemand die Bundeskanzlerin für naiv genug halten kann, dass sie nicht wüsste, was in Japan geschehen ist: Nicht das Unmögliche ist möglich, sondern das Mögliche ist wirklich geworden.


Wie ich heute morgen auf SPIEGEL Online (Link) mit einer gewissen Hoffnung auf sich einstellende Lerneffekte lese: Am Mittwoch soll der Wahlkampfhubschrauber von Bundeskanzlerin Merkel beinahe abgestürzt sein. Nachdem er sie abgesetzt hatte. Beide Triebwerke seien ausgefallen, der Hubschrauber sei ins Trudeln geraten. Die Piloten fingen den Hubschrauber im letzten Moment ab. Was mag sie bei der Nachricht gedacht haben? Ich will jetzt nicht hören, dass die Kanzlerin das Sicherheitskonzept ihrer Hubschrauberstaffel in Zweifel zieht. Es kann schließlich sein, dass nur ein einziges Relais seinen Dienst versagt hat.

Donnerstag, 17. März 2011

Vorlesungsskripte zu Kernprozesstechnik I+II

Die Skripte zur Vorlesung "Kernprozesstechnik" von Prof. Schwarz, ehemals VEW, die ich 1994/95 gehört (und geprüft!) habe, gibt es im Internet zum Download: Link

Fukushima

Einer der Siedewasserreaktoren im Bau:




Schnittbilder:






Statusübersicht der Reaktoren mit Komponenten:




Quelle: IAEA-Präsentation (Link)

Prof. Roßnagel: Schwarzgelb hat eigenes Atomgesetz ausgehebelt

Interessantes Interview im Deutschlandradio mit Prof. Alexander Roßnagel, Uni Kassel (Link). Er klärt über die rechtlichen Zusammenhänge auf.

Keines der europäischen Atomkraftwerke verfügt über einen "Corecatcher", der eine Kernschmelze auffangen könnte. Deshalb seien die von Oettinger bzw. Merkel angekündigten Stresstests ein "Placebo".

Was Atomkraftwerke eigentlich brauchen:
- Einen externen Leitstand, der benutzbar ist, wenn der reaktornahe Leitstand nicht mehr benutzbar ist.
- Vorrichtungen, die auch bei Kernschmelzen, nach außen Sicherheit gewährleisten. Z.B. redundante Kühlsysteme und einen Corecatcher.

Rechtlich steht für ihn außer Frage, dass Merkels und Westerwelles Moratorium nicht rechtmäßig ist. 1994 verabschiedete die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung ein Gesetz, nachdem neue Atomkraftwerke nur genehmigungsfähig sind, wenn die Auswirkungen eines Unfalls in jedem Fall auf das Kraftwerksgelände begrenzt bleiben. 2010 verlängerte sie die Laufzeiten für Kraftwerke, die das Gesetz von 1994 eben nicht erfüllen. Bzw. ohne zu prüfen, ob sie es erfüllen. Die Laufzeitverlängerung war demnach gesetzeswidrig, bzw. im Widerspruch zu einem bestehenden Gesetz. Dagegen lässt sich klagen und das hat die Opposition ja auch angestrengt.

Deshalb sei das "Moratorium" ein nicht funktionierender Versuch, die unrechtmäßige Laufzeitverlängerung rückgängig zu machen. Man könnte ergänzen: um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.

Die jetzt außer Betrieb gehenden Atomkraftwerke sind schon seit 1983 nicht mehr genehmigungsfähig.

Wenn ich es richtig verstehe, leitet sich das aus $7, Abs. 2, Punkt 3 des Atomgesetzes (Link) und der zur Umsetzung erlassenen Verfahrungsordnung (Link) ab:
(2) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn
1.
keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers und der für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Personen ergeben, und die für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Personen die hierfür erforderliche Fachkunde besitzen,
2.
gewährleistet ist, daß die bei dem Betrieb der Anlage sonst tätigen Personen die notwendigen Kenntnisse über einen sicheren Betrieb der Anlage, die möglichen Gefahren und die anzuwendenden Schutzmaßnahmen besitzen,
3.
die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist,

4.
die erforderliche Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen getroffen ist,
5.
der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist,
6.
überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Umweltauswirkungen, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen.


Wenn Merkel und Lindner diesen Zusammenhang nun als "spitzfinding" bezeichnen, zeigt das, wie wenig ernst sie unser Rechtswesen nehmen, wenn es drauf ankommt.

Quellen
Atomgesetz: Link
Verfahrensordnung: Link
Interview im Deutschlandradio: Link

Kraftwerk, "Radioaktivität"

Kraftwerk, auf dem Stand der 70er Jahre:

Mittwoch, 16. März 2011

Innenminister Zimmermann schließt eine Gefährdung aus

Bundesinnenminister Zimmermann am 29.04.1986 (Minute 3:33): Als gerade mal die ersten spärlichen Meldungen über einen Unfall in Tschernobyl bekannt waren, schloss er alles aus: Dass von Tschernobyl eine Gefährdung für die Bundesrepublik ausgehen könnte. Und dass es einen solchen Unfall auch bei uns geben könnte.

Wörtlich sagte er, eine Gefährdung gebe es nur im Umkreis von 30km um das Kraftwerk..

TÜV-Vertreter: "Cut - Wir hatten gesagt: Keine Nachfragen!"

Warum die TÜV Süd AG ein Interesse am Weiterbetrieb auch der ältesten Reaktoren hat: Den Kraftwerksbetreibern gehören 25,1% der Aktien, sie haben damit die Sperrminorität..

Was passiert mit der Kernschmelze?

In Fukushima dreht sich jetzt alles um die Frage: Wohin geht es mit der flüssigen Nachzerfallsmasse?

a) Gibt es ein Auffangbecken, dass die Masse jahrelang halten kann, bis sie so abgekühlt und ausgestrahlt ist, dass man sie weiterbehandeln kann?

b) Wie groß sind die Löcher im Reaktorkessel, wie stark kann also strahlende Materie durch Konvektion (Massentransport) in die Atmosphäre gelangen?

c) Kann man weitere Explosionen verhindern, die die strahlende Masse nach oben schleudern würden, wo dann die Windrichtung und die Luftdrucklage bestimmen, wer in welchen Dosen verstrahlt würde?

Jetzt hilft nur noch die Flucht #fukushima

Was in Fukushima im weiteren Verlauf passieren wird, ist absehbar. Nachdem wohl mehrere Reaktordruckbehälter beschädigt sind, wird die Radioaktivität der Nachzerfallsprodukte in die Atmosphäre gelangen. Jede weitere Explosion an einem defekten Reaktorbehälter wird mehr Radioaktivität hochschleudern. Und die Winde werden das in ihre Richtung tragen.

Wir haben Tschernobyl als weitflächige Verseuchung der Ukraine in Erinnerung. Doch in Japan wird sich die Seuche wohl mehr konzentrieren, aufgrund der Wetterlage, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Menge an Radioaktivität, die übers Land verteilt werden kann, ist die Menge in den Reaktoren. Die kann sich entweder weit verteilen, mit entsprechend reduzierter Dosis pro Opfer. Oder sie verteilt sich nicht so weit und kommt in konzentrierter Dosis herunter.

Die Menschen sollten grösstmöglichen Abstand zu Fukushima suchen. Das habe ich schon am Wochenende gepostet. Jeden Meter, den man schon gewonnen hat, muss man sich nicht mehr auf der Autobahn erkämpfen. Und Jodtabletten einnehmen. (Aber wie soll man Jodtabletten besorgen, wenn man von der Regierung wird, zu Hause zu bleiben..?)

Uns stehen Bilder von Flüchtlingsströmen aus Tokio bevor. Nach der Schockstarre kommt die panikartige Flucht.

Prof. Jentsch: Erdbebenrisiko = Stärke mal Nähe

Im Dradio (Link) hat Prof. Gerhardt Jentsch folgenden wichtigen Hinweis gegeben: Bei der Bewertung von Erdbebenrisiken für einen Kraftwerksstandort muss man das Produkt aus Erdbebenstärke und -nähe heranziehen. Wir dürfen uns nicht von dem Argument irre führen lassen, dass es "bei uns nicht so starke Beben gibt wie in Japan." Sondern man müsse berücksichtigen, dass das Erdbebenzentrum sehr weit draußen vor Japans Küste statt fand, und die Erschütterungen vor Ort trotzdem stark genug waren, die Atomkraftwerke in Schnellabschaltung gehen zu lassen.

In Deutschland sei die Situation genau anders herum: Die Stärke zu erwartender Erdbeben sei eher schwach. Dafür stehen unsere Kraftwerke teilweise in unmittelbarer Nähe der zu erwartenden Epizentren. Die Erschütterungen am Kraftwerksstandort selbst muss deshalb nicht wesentlich geringer sein, als sie es an den Kraftwerksstandorten in Japan gewesen ist! Und für die zu erwartenden Erschütterungen im Erdbebenfall seien die deutschen Atomkraftwerke nicht ausgelegt.

Da sei der Hinweis erwähnt, dass der heutige Vorstand von RWE Kraftwerke, Dr. Jaeger mit seinen damaligen Kollegen das AKW Mülheim-Kärlich genau in so ein zu erwartendes Erdbebengebiet plante.

Prof. Gerhardt war übrigens auch in der Planungsgruppe der Bundesregierung zur Untersuchung geeigneter Standorte für die Endlagerung. Er sagt: Ihre Erkenntnisse über die geologischen Anforderungen an geeignete Endlager würden in unseren Nachbar- und anderen -ländern verwendet. Nur in Deutschland nicht.

Dienstag, 15. März 2011

Bundeskanzlerin Merkel zur Neubewertung der Kraftwerkssicherheit

Merkel: "Ich finde, an so einem Tag darf man nicht einfach sagen, unsere Kernkraftwerke sind sicher. Sie sind sicher."

Wie der Ausfall sieben deutscher AKWs kompensiert werden kann

Die Lobby der Atomwirtschaft, das frühere Atomforum, hat heute eine Pressemitteilung zu den Folgen einer schnellen Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke veröffentlicht (Link). Mal sehen, wie seriös die ist.

Also, heute sind 17 Atomkraftwerke in Betrieb. Quelle: Wikipedia, Liste der Kraftwerke (Link).

Im deutschen Strommix machte die Kernenergie 2009 einen Anteil von 22,6% aus, das sind etwa 140.000 GWh. Quelle: Wikipedia (Link) und bdew.


Grafik: Sepp, für Wikipedia

Die Lobby schreibt, die Abschaltung würde einen Verlust von rd. 10% der deutschen Stromerzeugung ausmachen. Das stimmt: Etwas weniger als die Hälfte der Kraftwerke (sieben von 17) erzeugen etwas weniger als die Hälfte des deutschen Atomstroms, es entfallen also rd. 65.000 GWh..

Dann:
Ein erheblicher Teil der Erzeugung müsste importiert werden.

Zusätzlich wissen wir: Deutschland ist ein Nettoexportland von Strom. Nun kann man Strommengen nicht einfach gegeneinander aufrechnen, aber interessant wäre schon zu wissen, wie groß der Export in den vergangenen Jahren im Mittel war. Die Antwort finden wir beim bdew, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (deren Hauptgeschäftsführerin Müller übrigens früher Merkels Staatsministerin war.):


Quelle: bdew (Für Vergrößerung in die Grafik klicken)

Wir sehen einen deutlichen Exportsaldo von ca. 16 TWh, also 16.000 GWh (Gigawattstunden). Aber wir haben auch einen Export von ca. 54.000 GWh! Daraus folgt: Würden wir unsere Stromexporte -rein theoretisch- einstellen, würden wir -rein energiemengenmäßig- bis auf 10.000 GWh die ausgefallenen Reaktoren kompensieren.

Nächste Frage: Mit welchen Nachbarländern tauschen wir wieviel Strom aus? Das folgende Bild des UCTE (dem Verband der Hochspannungsnetzbetreiber) zeigt die Antwort im Überblick. Darunter die Im- und Exporte in Zahlen, wieder vom bdew :


Quelle: UCTE (Link)


Quelle: bdew

Wir importieren derzeit den meisten Strom aus Frankreich (13.000 GWh Atomstrom!), Tschechien (7.500 GWh) und Österreich (etwas über 5.000 GWh).

Deshalb schreibt das Atomforum in seiner Pressemitteilung auch:
Muss Deutschland während des Moratoriums Strom importieren?
Ein erheblicher Teil der fehlenden Erzeugung müsste importiert werden. Darunter wäre wiederum Strom aus Kernenergie v. a. aus Frankreich und Tschechien, von denen Deutschland bereits heute Strom importiert.

Und das klingt angesichts der Zahlen plausibel. Man würde einfach von den Nachbarländern, von denen wir schon jetzt die größten Importe haben, noch mehr Strom beziehen.

Aber: Das ist nicht unsere einzige Option! So ist etwa eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung an norwegische Wasserkraft in Planung (Projekt NORGER, WIkipedia Link). Leistung: 1.400 MW. Das entspricht einem Kernkraftwerk. Auch in Sibirien ließe sich ein gigantisches Potenzial an Wasserkraft für Europa erschließen, wenn wir nur wollten, und wenn es nicht russischen Gasexportinteressen entgegenstünde (Projekt GLOABL LINK, Prof. Povh). Die sog. Flexible AC Transmission macht den Transport großer Mengen elektrischer Energie auch über tausende Kilometer hinweg wirtschaftlich. In großen Flächenländern wird sie längst eingesetzt. Es ist in Europa nur politisch aufwendiger, sie durchzusetzen.



Doch regenerativen Energien räumt das Atomforum immer noch eine nur geringe Rolle ein:
Erneuerbare Energien tragen auf Grund ihrer witterungsabhängigen Verfügbarkeit nur in geringem Ausmaß zur gesicherten Leistung bei.

Das gilt nur adhoc. Schreibt man das Wachstum der regenerativen Stromerzeugung aber fort, und erschließt weitere große Mengen wie Norwegen und Nordsee-Offshore-Windparks und später weitere Quellen, wäre die Lücke der Sieben, und darüber hinaus, einfach zu kompensieren.

Worst Case: Erneute Explosion reisst Leck in Reaktorbehälter 2

Jetzt ist passiert, was die letzte Hoffnung nimmt: Unter Berufung auf eine Meldung von Tepco berichten verschiedene Zeitungen, u.a. NYT (Link) und FOKUS (Link) folgendes (Die Pressemeldungen der IAEO kommen leider nur stark verzögert, Link.):

Reaktor 2:
Die Befürchtung, die nach Reparatur eines Dampfablassventils und beim Fluten des Reaktors, auftrat, nämlich dass ein Leck die Ursache für den nur langsam ansteigenden Wasserpegel im Reaktor sein könnte, hat sich bewahrheitet: Die Reaktorhülle von 2 ist beschädigt. Die höchstwahrscheinlich im Gange befindliche Kernschmelze wird nun anfangen, die Umgebung mit starker Strahlung zu verseuchen.
=> Man kann sagen: Sollte es noch mal eine (Wasserstoff-) Explosion geben, die die Reaktorhülle weiter beschädigt oder zerreisst, würden Teile der Kernschmelze nach außen geschleudert, das wäre ein neues Tschernobyl.

Reaktor 4:
War bereits vor Ausbruch des Erdbebens außer Betrieb und enthält "nur" abgebrannte Brennelemente, die aber stark strahlen. Das am Morgen ausgebrochene Feuer wurde inzwischen gelöscht. Ob Reaktor 4 durch den Brand, der möglicherweise die Reaktorhülle beschädigt hat, eine der Quellen für die stark ansteigende Strahlung ist, wird noch untersucht.

Die stark ansteigende Strahlung wird auf der Anlage nun zum großen Problem, weil sie die Arbeiter stark behindert, wenn nicht die Arbeit komplett unmöglich macht. Die meisten Arbeiter und Ingenieure wurden bereits "nach Hause" geschickt. Aber auch die verbleibenden 50 werden ihre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wasserstände in den Reaktorbehältern wohl nicht mehr lange aufrechterhalten können.

Dann wird das Kraftwerk sich selbst überlassen. Die "Resthitze" der Brennelemente ist wohl auch vier Tage nach der Schnellabschaltung weitaus höher als gedacht. Es besteht das Risiko weiterer Wasserstoffexplosionen.

Montag, 14. März 2011

TEPCO Ingenieuren gelingt Flutung des Reaktors 2

Die NY Times berichtet (Link):

Reaktor2:
Bevor Meerwasser zur Kühlung eingeleitet werden kann, muss über die Außenventile des Reaktors aufgestauter Dampf abgelassen werden. Diese Ventile sind überhaupt das wichtigste Instrument, um die Reaktorhüllen intakt zu halten. Die Hitze der schmelzenden Kernbrennstoffe und Nachzerfallsprodukte erhöht den Druck permanent. Doch die Ventile streikten bis in die Nacht (japanischer Zeit). Kein Dampfablass, kein Kühleinlass. Das Risiko, dass die Hülle berstet, steigt. Das wäre Tschernobyl. Erst am frühen Dienstagmorgen gelang es ihnen, eines der Ventile gangbar zu machen und später Wasser einzuleiten.

Neues Problem: Der Wasserpegel im Reaktor steigt nicht so, wie es der eingeleiteten Wassermenge entsprechen würde. Das deutet im schlimmsten Fall auf ein Leck hin. Doch dafür sind angeblich die gemessenen Strahlungswerte zu niedrig.

Reaktoren 1 und 3:
Beide haben inzwischen keine Außenhülle mehr. Aber sie sind mit Meerwasser gefüllt.

Merkel: "Wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort. Das Moratorium"

Ich könnte es mir heute Abend einfach machen: Es muss erst etwas passieren -wie schon beim Ausbruch der Finanzkrise- bevor die Konservativen Handlungsbedarf sehen. Jedenfalls bei den Themen, die ihrer Klientel unwillkommen sind.

Es war unaufrichtig, als Herr Töpfer gestern im ARD Presseclub sagte, diese Katastrophe habe sich bis "gestern niemand vorstellen können." Atomkraftgegner führen schon seit Jahrzehnten das Argument, angesichts der drohenden Schadenshöhe müsse man auch das Unwahrscheinlichste ins Kalkül ziehen. Als sie 1990 forderten, Atomkraftwerke müssten auch sicher sein vor Terroristenangriffen und Flugzeugabstürzen, ahnte noch niemand, dass wir irgendwann mal auch von der Kombination von beidem ausgehen müssten. Wer aber damals so redete, dem wurde Panikmache vorgeworfen. Auch von Klaus Töpfer, der damals Bundesumweltminister war.

Jetzt haben wir den Fall. (Wobei ich seit gestern immer noch Hoffnung habe, dass die Reaktorbehälter aller Kernschmelzreaktoren halten werden. Dann würde Japan um die weitflächige Verseuchung herumkommen.)

Und prompt reagiert die Kanzlerin, die Landtagswahlen im Nacken. Sie merkt anscheinend nicht, dass das, was sie heute vorgab zu tun, von der Mehrheit der Deutschen gefordert wird, dass sie ihre Glaubwürdigkeit damit aber auch wieder einmal ramponiert. Wer einschneidende und sehr kontroverse Gesetze einfach durchpaukt, von dem erwarte ich zumindest, dass er nach Prinzipien handelt, dass er von dem was er tut, innerlich überzeugt ist. War sie das bei diesem Auftritt im Bundestag als sie die Laufzeitverlängerungen begründete?



Merkel hat heute bewiesen, dass sie nicht nach Prinzipien handelt. Sie dreht sich wie eine Fahne nach dem Wind. Dabei vermeidet sie konkrete Aussagen und leistet Akrobatisches. Sie will für drei Monate die gesetzliche Laufzeitverlängerung aussetzen. "Und was bedeutet das Konkret? Werden dann alte Kraftwerke sofort abgeschaltet" fragte eine Journalistin (ab Minute 10:15 im offiziellen Video der Pressekonferenz, Link) in der Pressekonferenz.

Und Merkel schaute verwirrt -wie damals Günter Schabowski - und sagte so etwas wie, 'wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort.' Was soll das sein, ein dreimonatiges Moratorium der Laufzeitverlängerungen? Merkel: Was das bedeutet, werden wir jetzt ausarbeiten.

Da darf man gespannt sein. Denn entweder heißt es, dass durchs neue Sicherheitsraster fallende Reaktoren sofort abgeschaltet werden, und die Opposition argwöhnt, dass sie nach drei Monaten -also nach den Landtagswahlen- dann wieder ans Netz gehen, die Volksnähe also nur simuliert wurde. Und was heißt es für die Kraftwerke, deren Laufzeit auch ohne Verlängerung noch nicht abgelaufen war? Für die heißt es gar nichts.

Bemerkenswert auch die Wendung: Gesetzliches sei -wie sagte sie genau?- nicht so wichtig, man werde jetzt erstmal mit den Energieversorgern reden.

Guido Westerwelle glaubt, eine neue Erkenntnis zu verbreiten, als er auf der Pressekonferenz sagt, in Japan sei der Ausfall der Kühlsysteme die entscheidende Problemursache gewesen. Und jetzt müsse man in Deutschland prüfen, ob wir auch solche Risiken in unseren Atomkraftwerken haben - auch wenn wir keine Erdbeben und Tsunamis zu befürchten haben. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis und zum Erreichen der Ballhöhe, auf der die Kritiker seit Jahrzehnten sind.

Der Frage, wie sie es unter den Hut bekomme, die Laufzeitverlängerungen auszusetzen und gleichzeitig dem Finanzminister die Brennelementesteuer in voller Höhe zu garantieren (wie dieser das fordert), beantwortete Merkel nicht und Westerwelle entlarvend: "An drei Monaten Moratorium werden die Staatsfinanzen nicht scheitern." Aha, der Weiterbetrieb danach ist also doch eingeplant?

Gestern sagte Merkel so etwas wie: "Unsere Kraftwerke sind sicher. Aber weil sie vielleicht doch nicht sicher sind, prüfen wir noch mal." Was ist das für eine verwirrte Politik?

Gestern warfen Konservative den Parteien, die schon immer die Befürchtungen der Atomkraftgegner vertreten haben, vor, sie würden die Lage "politisch missbrauchen". Und heute sind es Merkel und Westerwelle, die auf Antiatom machen. Das ist unredlich, unseriös und man sieht beiden förmlich an, wie sie schwimmen, dass sie nicht fest im Sattel sitzen. Sie wissen nicht um die Bedeutung und die Folgen von dem was sie da ankündigen. Von den unsäglichen, gestrigen Auftritten einer Birgit Homburger und der Staatssekretärin im Umweltministerium (!), Katherina Reiche will ich da noch höflich schweigen. Die haben sich gestern in ihren Rollen ebenfalls disqualifiziert. Stefan Mappus brüstete sich gestern noch im Wahlkampf, mit dem Bierglas in der Hand, es sei unanständig, "jetzt" über Atomkraft in Deutschland zu diskutieren, das gebiete der Resepekt vor den Japanern. Heute Abend sagte er, die Aktion der Kanzlerin sei richtig, man könne über die Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.. Das ist der Stil von Schwarz-Gelb.

Auch das Argument, wenn wir aussteigen, dann bleiben unsere Nachbarn trotzdem drin. kann vernachlässigt werden. Das spielt ja auch keine Rolle, wenn wir Deutschland wegen konservativer Paranoia zu einem Überwachungsstaat hochrüsten. Wir werden aussteigen aus Überzeugung, aus Erkenntnis. Das wird bei unseren Nachbarn etwas auslösen, wenn das überhaupt nötig ist. Merkel hat selbst gesagt, man könne jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Das sagen sich unsere Nachbarn auch.

Und doch: Die Meinung wird sich in wenigen Wochen wieder drehen können. Wenn nämlich die Containments aller Kernschmelzen halten und die Strahlung auf das Innere der Reaktorhüllen begrenzen, dann werden die Atomkraftwerksbetreiber verkünden können, dass der SuperGAU beherrschbar ist. Der Gang durch die Hölle könnte dann das Bewusstsein verändern. Das Unvorstellbare wäre passiert - und man hätte es überstanden. Angesichts dessen, könnten die Konservativen es also in einigen Wochen bereuen, zu früh -nur wegen naher Wahlen, nachgegeben zu haben. Aber vielleicht ist genau das Geniale an dem, was Merkel heute gesagt hat.

Sonntag, 13. März 2011

Etwas Hoffnung für Fukushima

Als die Sensorik des AKW Fukushima die Erdstöße registrierte, schaltete sie wie vorgesehen den Reaktor ab, indem sie die Einfuhr der Steuerstäbe auslöste. Das hat wie vorgesehen funktioniert. Wir haben erfahren, dass die Stärke des Erdbebens um 0.7 Punkte auf der Richterskala nach oben korrigiert wurde. Da die Richterskala logarithmisch aufgeteilt ist, war das Beben um ein Vielfaches, nicht um Prozente höher, als gedacht und als das Kraftwerk ausgelegt ist.

Wie berichtet geht der Zerfall der bereits gespaltenen Atome aber weiter und produziert die Nachzerfallswärme. Diese muss von den Wasserpumpen durch den Kreislauf gepumpt werden. Da ein abgeschaltetes Kernkraftwerk selbst keinen Strom mehr erzeugt, braucht man externe Energie für die Pumpenantriebe: Notstromdiesel. Sie waren vorhanden (das klang am Freitag erst noch anders) und funktionierten.

Zu den Nachzerfallsprodukten des Urans in den Brennstäben gehört das radioaktive Cäsium, das später in der Umgebung des Kraftwerks gefunden wurde. Innerhalb von Tagen wird dieser Nachzerfallsprozess abgeklungen sein. Solange wird Kühlung durch Wasserumwälzung benötigt.In dem Wasserbad/Dampf/Luft-Gemisch entstehen durch den "Neutronenbeschuss" der Strahlung aus den Brennstäben ebenfalls radioaktive, jedoch sehr kurzlebige, Isotope von Stickstoff und Xenon.

Die Dieselpumpen liefen solange, bis nach einer Stunde der Tsunami kam und sie außer Gefecht setzte.

An dieser Stelle müssen wir also festhalten: Nicht das Erdbeben, sondern der Tsunami hat die Ereignisse in Gang gebracht..

Die letzte Reißleine nach dem Ausfall der Diesel waren die am Freitag viel zitierten Batterien. Wir lasen, dass die nur für 2h ausgelegt waren. Deshalb rechneten alle, die die Medien verfolgten, auch ich, damit, dass nach zwei Stunden die Kernschmelze einsetzen musste, weil es keine Kühlung mehr gab.

Doch die Batterien waren nicht für zwei sondern für acht Stunden ausgelegt. Die Ingenieure bescherten (wie Stefan es so richtig sagte) den Behörden also acht Stunden, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Und sie schenkten sich selbst acht Stunden, sich um eine Ersatzstromversorung der Pumpen zu kümmern. Auch diese konnte man beschaffen, doch man hatte keine passenden Kabel, um sie anzuschließen.

Wir halten fest: Es geht beim Durchspielen von SuperGAU-Szenarien auch um so läppische Dinge wie passende Kabel. Man kann nicht so dumm denken, wie es dann kommt. Man bemisst Reaktorhüllen, baut Wahnsinnstechniken und dann passen die Kabel für die Dieselgeneratoren nicht!

Aber auch: Die Betriebsingenieure konnten sich auf die Entwicklungsingeniere des Kraftwerks bis zu diesem Punkt mehr als geplant verlassen.

Jetzt, ohne Wasserkühlung, müssen die Ingenieure den sich aufbauenden Druck im Reaktor beobachten und handhaben. Denn die Reaktorhülle (nicht zu Verwechseln mit der Gebäudehülle) ist die letzte massive Barriere zwischen der Radioaktivität und der Außenwelt. Der Reaktor hat mehrere Außenventile, um den Druck von Zeit zu Zeit abzulassen. Wie bei einem Schnellkochtopf. Man muss das Ganze nur stabil halten, die Hitzeentwicklung klingt ja über die nächsten Stunde und Tage ab. Irgendwann wäre man dann unten. Und genau das taten die Ingenieure gestern: SIe ließen buchstäblich Dampf ab. Auch die hierfür vorgesehenen Ventile funktionierten.

Und mit dem Dampf ließ man auch die kurzlebigen radioaktiven Stoffe mit ab. Wie kurzlebig die sind, hatte ich gestern nicht präsent. Ihre Strahlung klingt aber innerhalb von Sekunden und Minuten ab.

Ich korrigiere mich und wir halten fest: Die Meldung, dass eine geringe Strahlung vor dem Kraftwerk gemessen wurde und dass diese im Tagesverlauf geringer wurde, ist plausibel!

Aber genau währenddessen explodierte etwas - zwischen Reaktor- und Gebäudehülle. Das Bild ging um die Welt und wird morgen das Titelbild des SPIEGEL schmücken. Das Bild ist falsch interpretiert. Aber es wird als 11. September der Atomenergie im Gedächtnis bleiben.

Wir wissen immer noch nicht, was und warum was explodierte. Aber es könnte sein, dass die gewissenhaften Ingenieure den Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen Reaktor und Gebäude abließen. Eigentlich müsste es hierfür einen Extrakondensator geben. Doch weil der Wasserdampf von der Nachzerfallswärme auf zu hohe Temperaturen getrieben wurde, war er schon zu Wasserstoff und Sauerstoff wie man sagt "dissoziiert". Als er dann außerhalb mit Luft in Berührung kam, gab es wahrscheinlich eine Wasserstoffexplosion. Und die Reaktorhülle blieb intakt.

Ich interpretierte das gestern als das Nachgeben der Reaktorhülle auf die Hochdruckkernschmelze, die ebenfalls einen immensen Druck aufbaut.

Das waren zu diesem Zeitpunkt also zwei Meldungen, die ich der Regierung nicht glaubte: 1. Die draußen gemessene Radioaktivität klingt schon wieder ab. und 2. Die Reaktorhülle ist trotz der Explosion und der sichtbar beschädigten Gebäudehülle intakt.

Im Reaktor senkt sich der Druck. Aber auch der Wasserpegel. Und damit werden die Brennstäbe von oben nach unten nach und nach bloßgelegt. Und dann sinkt die Wärmeabfuhr von den Brennstäben ins Wasserbecken. Und die Temperatur der nach zerfallenden Brennstäbe steigt wieder.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ingenieure noch keinen Ersatz für die Batterien oder Notstromdiesel aufgetrieben. Und deshalb starteten sie die Aktion, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen.

Rangar Yogeshwar hat uns im ZDF vorhin erklärt, dass das Meerwasser nicht in direkt in den Reaktor sondern in die Zwischenhülle eingeleitet wurde. Aber warum wurde dann Borsäure mit ins Meerwasser gegeben? Bor ist ein Mittel, dass Neutronen absorbiert und Kettenreaktionen zum Erliegen bringt. Das macht nach meinem Verständnis nur Sinn, wenn man es direkt in den Reaktor gibt.

Wichtige Frage: War zu diesem Zeitpunkt eine Kernschmelze im Gange? - Vermutlich ja, das hat auch die Regierung so kommuniziert: Teilweise Kernschmelze.

Ist die Kernschmelze beherrschbar? - Wenn das Containment an seinem Boden dafür ausgelegt ist, ja. Wenn nicht? Dann kommt es darauf an, wie weit sie schon voran geschritten war, als das mit Bor versetzte Wasser eingelassen wurde.

Aber die wichtigste Voraussetzung für all das ist, dass die Reaktorhülle vollständig unversehrt ist.

Alles in allem sieht es demnach schlimm genug aus in Fukushima, aber nicht unbedingt unbeherrschbar. Ich habe wieder etwas Hoffnung.

Quellen: Wikipedia, World Nuclear News,

Samstag, 12. März 2011

Sicherheitsbereich

Regierungsviertel Berlin am Abend des 12. März 2011:






Auch von der WAA Rokkasho droht Radioaktivität

Via Twitter:

Nördlich von Fukushima befindet sich die Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho (Wikipedia Link). Hier lagern (lt. Mycle Schneider, FOCUS Link ) "3000 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennstoff“.

Der hochradioaktive Müll, bestehend aus verwerteten Brennelementen, muss permanent gekühlt werden, damit sich die Elemente nicht selbst entzünden. Auch die Kühlung dieser Anlage läuft auf Notstrom.

Misstrauen gegenüber TEPCO ist angebracht

Gegenüber der Kommunikation von Atomkraftwerksbetreibern muss man misstrauisch sein. Das gilt auch für den japanischen Betreiber TEPCO. Laut Wikipedia wurde 2002 aufgedeckt, dass TEPCO 16 Jahre lang Berichte gefälscht und Inspektionen aus Kostengründen verschleppt wurden. 2007 wurde ein Unfall vertuscht (Wikipedia Link).

Auch Vattenfall hat in der Vergangenheit über Unfälle auf seinen Kraftwerksgeländen nicht seriös kommuniziert (Wikipedia Link).

Was mich an den Berichten über Fukushima irritiert ist: Man hat Wasserdampf aus dem Reaktor abgelassen. Aber wohin? In die Atmosphäre? Oder in einen für solche Zwecke eigentlich vorzuhaltenen Konsensationsbehälter? - Jedenfalls wurde in der Umgebung radioaktives Cäsium gefunden. Stammt dieses aus dem Reaktorraum? Wenn der Kontrollraum schon mit "1.000-facher Radioktivität" kontaminiert ist, ist die Kernschmelze höchstwahrscheinlich schon im Gange. Der Druckablass soll Zeit gewinnen für das Abklingen der Nachzerfallswärme, die das Reaktorwasser nach wie vor aufheizt.

Was sich im Reaktor derzeit abspielt ist etwa folgendes: Die von den Brennstäben ausgehende neue Kettenreaktion ist gestoppt. Aber die zum Zeitpunkt der Abschaltung bereits im Gange befindliche Zerfallskette geht weiter und heizt das Reaktorwasser auf. Eigentlich müsste der Reaktor deshalb immer noch gekühlt werden, d.h. die Umwälzpumpen, die das Wasser durch den Reaktor pumpen, wo es verdampft und dann die Generatorturbinen antreibt und danach im Kühlturm wieder zu Wasser wird, müssten in Betrieb gehalten werden. Aber es steht (oder stand) nur Batteriestrom zur Verfügung, der inzwischen erschöpft sein dürfte.

Die Tagesschau berichtet.
Die Regierung bezeichnete die freigesetzte Menge an Radioaktivität als "sehr gering". Weil bereits Evakuierungen angeordnet seien und der Wind Richtung Meer wehe, "können wir Sicherheit garantieren".



Die einzige gute Nachricht, der einzige Vorteil des Siedewasserreaktors ist es, dass mit dem verdampfenden Wasser auch die moderierende Funktion des Wassers wegfällt. Das Wasser kühlt nämlich nicht nur. Es bremst die Kettenreaktionen der Brennstäbe auch so ab, dass sich eine stabile Kettenreation überhaupt erst aufbauen kann. Im Umkehrschluss bremst fehlendes Wasser die ablaufende Kettenreaktion. Allerdings fehlt damit auch die Kühlung.

Wenn die Kernschmelze im Gange ist, und die Reaktorhülle nicht hält, wird es zu einer Wasserstoffexplosion kommen. Das ist dann der GAU.

Die letzte PM von TEPCO lautet:

Press Release (Mar 12,2011)
Plant Status of Fukushima Daini Nuclear Power Station (as of 1PM March 12th )


Unit 1 (shut down at 2:48PM on March 11th)
- Reactor is shut down and reactor water level is stable.
- Offsite power is available.
- At 8:19am, there was an alarm indicating that one of the control rods
was not properly inserted, however, at 10:43am the alarm was automatically
called off. Other control rods has been confirmed that they are fully
inserted (reactor is in subcritical status)
- Status of main steam isolation valve: closed
- Injection of water into the reactor had been done by the Reactor Core
Isolation Cooling System, but at 3:48AM, injection by Make-up Water
Condensate System begun.
- At 6:08PM, we announced the increase in reactor containment vessel
pressure, assumed to be due to leakage of reactor coolant. However, we
do not believe there is leakage of reactor coolant in the containment
vessel at this moment.
- At 5:22AM, the temperature of the suppression chamber exceeded 100
degrees. As the reactor pressure suppression function was lost, at 5:22AM,
it was determined that a specific incident stipulated in article 15,
clause 1 has occurred.
- We decided to prepare implementing measures to reduce the pressure of
the reactor containment vessel (partial discharge of air containing
radioactive materials) in order to fully secure safety. This preparation
work started at around 9:43am.


Quelle: TEPCO

Deutscher Wetterdienst: Globale Verteilung von Radioaktivität unwahrscheinlich

Vie Bundesumweltministerium meldet der Deutsche Wetterdienst eine erste Prognose: Demnach verhindert die Hochdruckwetterlage über Japan eine globale Verteilung ausgetretener Radioaktivität. Die Windrichtung gestern sei Richtung Westen gewesen, der Wind könne aber noch in Richtung Philippinen drehen. Eine Verteilung darüber hinaus sei unwahrscheinlich.

Umweltminister Röttgen lässt verbreiten: Für Deutschland besteht keine Gefahr.

Quelle: BMU

Freitag, 11. März 2011

UPDATE: In Japan droht eine Kernschmelze

UPDATE: s.u.

Ruhrbaro Stefan Laurin recherchiert derzeit die Entwicklung und das Risiko, dass aus der Stromversorgungsunterbrechung des japanischen Kernkraftwerkes Fukushima Daiichi droht. Dieses liegt direkt an der Ostküste, quasi vis a vis zum Tsunami. Laut Wikipedia (Link) haben seine drei Reaktorblöcke eine Nennleistung von 4.700 MW.

Leider handelt es sich hier um den -älteren- Reaktortyp Siedewasser, bei dem der kontaminierte Wasserdampfkreislauf direkt durch die Turbine geführt wird. Bei dem modernen Druckwassertyp hätte man zwei Wasserkreisläufe mit einem Wärmetauscher, über den man eine weitere Option zur Kühlung hätte.

Eine Schnellabschaltung, die so konstruiert ist, dass sie auch bei Stromausfall funktioniert, stoppt nur die Entstehung neuer Kettenreaktionen. Die bereits angestoßenen klingen erst über Tage ab. Solange müssen die Umwälzpumpen in Betrieb bleiben, denn die Reaktorkerne leisten hier anfänglich immer noch 5-10% sogenannte Nachzerfallswärme, das sind hier über 200 MW. Die wirken auf das still stehende Reaktorkühlwasser wie eine gigantische Heizung. Wenn -wie Stefan schreibt- die Batterien den Kühlbetrieb nur noch 2h aufrecht erhalten können, dann kann man nur hoffen, dass die Wärme bis dahin nicht zur Kernschmelze oder gar Beschädigungen der Reaktorhülle geführt haben. Wenn das passiert, dann gute Nacht, dann braucht Japan, vor allem das nur 200km entfernte Tokio Hilfe.

Ob uns der Fallout in Europa erreichen kann, wird in erster Linie von den Winden abhängen. Stefan schreibt, dass die deutschen Atombehörden und die IAEO "alarmiert" sind. Die Situation ist ernst.

Das einzige, was die Situation noch retten kann, ist eine rechtzeitige Wiederherstellung einer Stromversorung für alle Umwälzpumpen. Oder die Inbetriebnahme von Diesel getriebenen Pumpen.

UPDATE:
Mittlerweile hat Kraftwerksbetreiber TEPCO kontrolliert Druck aus der Reaktorhülle (in einen geschlossenen Kondensationsbehälter?) abgelassen. Dies wohl, um eine Hochdruckkernschmelze zu verhindern, die zu unkontrollierten Brüchen der Reaktorhülle führen könnte. Wenn das passierte, wäre die nächste Stufe dass der aus dem Wasserdampf dissoziierte Wasserstoff unkontrolliert mit Sauerstoff reagiert, eine Knallgasreaktion. Dann würde die Radioaktivität aus dem Reaktor in die Atmosphäre geschleudert.

Positiv ist, dass man mit dem Ablassen von Wasserdampf auch die Energie aus dem System nimmt.

n-tv meldet, dass der Leitstand inzwischen stark kontaminiert sei: 1.000fache Radioaktivät.

Links:
IAEO
Atomforum/Schnellabschaltung
CNN
Wikipedia: Siedewasserreaktor, Kernschmelze

Donnerstag, 10. März 2011

Kandidaten zum European Inventor Award 2011

Das Europäische Patentamt gibt die 15 Nominierungen zum diesjährige Erfinderpreis bekannt. Ein deutsches Unternehmen befindet sich nicht darunter:

Kandidaten zum European Inventor Award 2011

Das Europäische Patentamt gibt die 15 Nominierungen zum diesjährige Erfinderpreis bekannt. Ein deutsches Unternehmen befindet sich nicht darunter:

Wir sollen uns qualifizieren, nicht bilden

Was einer immer wieder beteuert zu sein, ist er nicht. Was er beteuert zu tun, tut er nicht. Sondern das Gegenteil. Als Bildungsministerin Buhlmann 2003 eine "Innovationsoffensive" im deutschen Hochschulsystem startete, dachten viele irrtümlich, es stehe eine neue Wertschätzung von Bildung und Kreatitivität bevor und ein Geldsegen für die Reparatur der angerichteten Schäden. Als konservative Bundesländer Studiengebühren einführten, glaubten die Studenten notgedrungen die Einnahmen würden der Qualität der Lehre zu gute kommen, z.B. in Form von mehr Hochschullehrern und neuen Hörsäälen. (Nur die weniger talentierten aber gut begüterten Abiturienten freuten sich -aber auch irrtümlich- die Konkurrenz würde nun weniger werden.)

Nichts davon war wahr. Oder wird wahr. Denn egal, wer Bundesbildungsministerin ist, sie hat auch nur die Bürokratie der EU umzusetzen, die sich als gigantisches Ent-Bildungsprogramm entpuppt.

Im Deutschlandradiopodcast hörte ich das Zitat von Klaus Staeck, nachdem "wer solche Fussballer, Rennfahrer und Tennisspieler habe", eben "keine Uniwersitäten" brauche. "Brauchen" muss man hier aus Sicht der Regierungen verstehen. Ein Volk, dass sich für solche Qualitäten begeistert, und zwar mehrheitlich, dem ist es auch nicht wichtig mit Aufklärung und Selbstverantwortung. Das träumt sein Leben lang den Traum anderer.

Ich möchte heute kein Student sein. Mein Ingenieursstudium an der Uni war schon reichlich verschult. Aber im Hauptstudium blieb noch Zeit für AG-Arbeiten und Seminare und Beiträge zur Fachschaftszeitung "Klemme". Aber heute wird anscheinend nur noch reingestopft in die Köpfe. Nach dem Motto: Merk Dir das, verstehen musst Du es nicht. Dafür muss man dann auch noch Gebühren berappen. Das Versprechen der Roland Kochs und Konsorten ist längst gebrochen, die Studiengebühren landen woanders.

Aber auch die Forschung geht ziemlich am Stock. Die FAZ hat hierzu gestern einen interessanten Artikel veröffentlicht ("Exportweiltmeister beim akademischen Überschuss", Link). Dieser Apparat kreist nur noch um sich und seine Verwaltungs- und Regierungsbürokratie. Das Ministerium legt Forschungsprogramme auf, die von Modethemen handeln, die von MBA-Absolventen (Also Meistern der Geschäftsverwaltung) zusammenkopiert worden sind. Die Professoren tun so, als hielten sie diese Programme für an der Speerspitze der Forschung und schreiben eifrig Projektanträge. Ihr Ziel: nicht der Ruhm mit einer neuen Erkenntnis (Geisteswissenschaftler) oder Erfindung (Ingenieure). Sondern die Vergrößerung des eigenen Apparates. Noch nie hatten deutsche Forscher den Fortschritt für die Menschen, die sie finanzieren, im Blick. Sondern stets den Eindruck, den sie bei ihren Kollegen machen können. Immerhin das gelang ihnen früher nur durch bahnbrechende Veröffentlichungen.

Heute aber geht es nur noch um die Kopfzahl ihres Lehrstuhls oder Institutes. Publiziert wird immer noch, aber nur weil man muss. Im Rahmen der Verwertungsoffensive. Das führt dann auch eher zu Menge denn zu Relevanz. Wer soll das alles lesen, wer setzt es in einen Zusammenhang und zieht eine Erkenntnis von Bedeutung daraus?

Und zur Verwertungsoffensive gehört auch, die Forscher immer mehr zu Drittmitteleinnahmen zu drängen, zu Aufträgen aus der Industrie. Auch das ist im Grunde lobenswert. Aber wir leben leider auch in einer Industriekultur, die dazu neigt, in Akademikern keine geistigen, sondern nur wohlerzogene Ressourcen zu sehen. Forschung Beratung ist hierzulande in erster Linie leider "Leiharbeit für Akademiker", wie es mal ein Projektkollege formulierte. Und deshalb machen Akademiker viel zu oft Arbeit, die sie nicht geistig sondern nervlich fordert. Die aus Kompensation von Managementversäumnissen besteht.

Unser Forschungssystem simuliert Innovation, um den Verwaltungsköpfen aus Prenzlauer Berg und Bonn zu gefallen.

Unser Bildungssystem liefert diesen Hochschulen deshalb auch keine gebildeten Menschen mehr, sondern qualifizierte. Das ist schön doppeldeutig. Es klingt wichtig, klingt nach Befähigung. Aber auch nach Auswahl, nach Filterung, nach "Qualifying". Und das ist auch der Zweck der Veranstaltung.

Die Verachtung unserer Regierung für das Akademische, den Geist, den eigenen Anspruch an Qualität haben wir ja in den vergangenen Wochen überdeutlich vor Augen geführt bekommen. Wir haben geradezu eine anti-intellektuelle Regierung und Gesellschaft. Wir sind im Gegenpol der 47er und 68er angekommen.

Das ganze läuft wie ein Uhrwerk aus bewusstlosen, hoch qualifizierten Humanressourcen. Wir lernen und liefern nur noch was bestellt wird, und das möglichst akkurat und immer billiger.

Dienstag, 8. März 2011

Hintergrund Flexi Fuel Fahrzeuge #E10

In einigen amerikanischen Ländern wird seit langem sogar E85 angeboten - und gekauft. Seit kurzem übrigens auch in Schweden. Autos für diese Märkte sind besonders präpariert: Alles was mit dem Kraftstoff in Berührung kommt, muss den Alkohol ab können. Der Tank muss größer sein, weil Ethanol weniger Energiegehalt hat. Die Kraftstoffpumpe muss mehr Kraftstoff fördern und wird deshalb größer ausgelegt.

Es kommt noch eine Anforderung hinzu: Da es in diesen Ländern kein flächendeckendes E85 Angebot gibt, und die Angebote zeitlich schwanken, muss das Auto auch mit geringerem Ethanol- oder Methanolanteil auskommen und sogar reines Benzin verwerten können. Die Kraftstoffpumpe muss also abhängig vom Alkoholgehalt mehr oder weniger fördern.

Auch die Kraftstoffmenge und der Zündzeitpunkt müssen abhängig vom Alkoholgehalt eingestellt werden. Damit dies überhaupt geregelt werden konnte, musste ein geeigneter Alkoholsensor erfunden werden. Dieser besteht aus einem elektrischen Kondensator, der seine Kapazität abhängig vom Alkoholgehalt verändert. Er ist eine Gemeinschaftserfindung von Siemens, Daimler und Volkswagen. Inzwischen kann man den Alkoholgehalt auch aus dem Abgas ermitteln, die Lambdasonde kann das heute leisten.

Der Ethanolanteil bleibt übrigens immer unter 100%, weil ein reiner Alkoholmotor schlecht startet. Man mischt also ein Minimum an Benzin bei, damit der Wagen kalt anspringt.

Des weiteren muss -wie am Wochenende schon der BMW Chefmechanikentwickler verlautbarte- das Motoröl an den Alkoholgehalt des Kraftstoffs angepasst werden. Und am Ende der Kette auch der Katalysator.

Diese Flexible oder Multi Fuel Fähigkeit wird vielleicht auch irgendwann bei uns gefordert? Für die Autohersteller ist eine Umrüstung auf Ethanol oder Methanol viel günstiger als die Entwicklung von Hybrid- und Elektroantrieben. Allerdings ist -wie heute morgen schon berichtet- die CO2 Bilanz des verwendeten Ethanol sehr speziell. Solange wir Lebensmittel extra dafür anbauen, ist kaum etwas gewpnnen.

Was man aber aus oben gesagtem schon ahnen kann ist, die Verträglichkeit von Alkohol im Auto muss rein entwickelt werden. Die Verträglichkeit muss langfristig gelten. Es soll nicht zu Lebensdauerverkürzungen des Motors oder erhöhtem Verschleiß kommen.

Brasilien hat übrigens einige Turbulenzen mit der Akzeptanz und der Verfügbarkeit seines ursprünglichen E85 erlebt. Zuerst gab es starke Anreize. Dann stieg die Nachfrage so stark, weil die Leute auf Ethanolmotoren umstiegen, dass Brasilien Ethanol im Ausland ankaufen musste. Der Preis stieg und die Nachfrage sank wieder. Daran erkennt man, welch hohen Standard unsere Versorgung mit streng definierten Benzin- und Dieselsorten hat. Unsere Motoren hierzulande sind stark auf diese Spezifikationen optimiert.

Was mich an dem Thema nervt ist, dass ich alle zwei Jahre eine Attacke der Politik abwehren muss, um mein Auto weiter fahren zu dürfen. Und das, obwohl all die Gesetze und Verordnungen überhaupt nichts bringen: Mein Auto emittiert keinen erhöhten Feinstaub (weil es kein Diesel ist), ich hatte aber endlose Rennerei wegen der grünen Plakette. Dann kam E5 und ich musste wieder recherchieren. Jetzt kommt E10, das das Preisgefüge wieder in Bewegung bringt, mit Tendenz nach oben.


Quellen: Wikipedia, Volkswagen