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Freitag, 16. Juni 2023

Wie wir IT-Fachkräfte wieder mal von den Verwaltern gebremst werden..

Jetzt war ich endlich in meiner anvisierten Rolle angekommen: Im Programm-Management für die IT-Systeme unserer Projekt- und Produktdaten. Endlich konnte ich meinen Methodikvorschlag anbringen und umsetzen. Künftig würden wir ausgehend von fachlichen Prioritäten übergreifend vorausplanen. Anforderungen aufnehmen, in den Zusammenhang stellen, Abhängigkeiten erkennen und zu einer halbwegs vernünftigen Vorausplanung unserer Facharchitektur kommen. Schnittstellen zum Beispiel sollten künftig nicht an ihren beiden Enden in unterschiedlichen Quartelen oder gar Jahren eingeplant werden.

Freudig gingen wir in die Umsetzung. "Die IT" steuerte sogar ein Architekturmanagement Tool, das wie ein Wiki organisiert ist. Systeme werden dokumentiert und mit technischen und fachlichen und Statusattributen versehen. Als wir den ersten Stand hatten, generierte uns das Tool auf Basis einer ausgewählten Vorlage, vor allem aber auf Basis der gepflegten Attribute eine Facharchitektur, die man für verschiedene Blickwinkel filtern kann. Mal stehen die Farben der Boxen für den Finanzierungsstatus, mal für den Umsetzungsstatus, mal für die Geschäftskritkalität, mal für den erreichten Stand im Lebenszyklus.

"Mein" IT-Architekt und ich wollten gerade mit der ersten Planung beginnen und den dazu gehörenden Budgetanträgen, da wurden wir von oben gebremst:

  1. Der neue Vorstand für neue Geschäftsfelder (ein Maschinenbauer) gab uns eine Setzung für Tools rein, die er mit Unternehmensberatern erarbeitet hatte. Auf der letzten Folie stand: "Umsetzung erfolgt durch die Steuerungen der Fachdomänen".
  2. Diese von der Seite kommenden Setzungen sind nicht budgetiert. 
  3. Von der anderen Seite kam eine Targetsetzung, unser IT-Budgetdeckel. Gegenüber dem Vorjahr abermals hart reduziert.
  4. Und von oben kam die Ankündigung, die Organisation der Fachdomänen abermals umorganisieren zu wollen.
Seitdem:
  • Kümmern sich unsere Manager nur noch darum, in der künftigen Organisation auch ein Kästchen belegen zu können. Plötzlich sind sie alle "Business" oder "Product Owner".
  • Niemand interessiert sich mehr für unsere fachliche oder Budgetplanung bottom up.
  • Das einzige was wir von ihnen empfangen ist Termindruck für die Einstellung unserer Budgetanträge ins System.
Unsere Motivation fiel auf Null. Methodisch waren wir am Ziel. Als Berater hätten wir uns schon zurückziehen können. Aber wir wollen ja auch erleben, dass es fliegt.

In meiner vorherigen Rolle hatte ich all die Aufgaben, um die sich jetzt Manager kloppen, alleine inne. Und zwar als Ehrenamt nebenbei, ohne Mandat. Und ohne Interesse des oberen Management. Und trotzdem schaffte ich es mit einigen anderen Systemverantwortlichen wenigstens einige Schnittstellen besser zu planen.
Und ein übergreifendes Datenmodell einzuführen, das unserem Projektsteuerungsmodell entspricht. Und auf das wir uns über mehrere Systeme hinweg beziehen.

Um mich herum ist keiner mehr ansprechbar. Die süddeutschen Marken haben dauernd Feiertage, lange Wochenenden und Urlaub. Meine Manager sind unentwegt in Meetings. Der zugeordnete IT-Vertreter fragt mich, ob der Portfoliomanager, der zu seinem Team gehört (!), schon eine Urlaubsvertretung hat, um die Budgetzahlen rechtzeitig einzugeben. 

Ich empfinde das als dermaßen niveaulos. Für Ärger habe ich keine Muße mehr. Ich passe nur stets auf, dass ich nicht zu sehr verdumme und demotiviert werde. Wenn ich dann höre, dass von ganz, ganz oben "Effizienzprogramme" und "Entbürokratisierung" starten sollen, kann ich nicht einmal mehr lachen.. Ich weiß so viel: Ich muss das Ganze nicht ernster nehmen als meine Manager..

Sonntag, 5. Oktober 2014

Homo faber

"Der Mann wünscht sich die Frau als Rätsel, damit er sich an seinem Unverständnis berauschen kann."
Max Frisch in "Homo faber"


Der Ingenieur wünscht sich die Organisation als Chaos, damit er sich an seinem Durchboxer-Heldentum berauschen kann.
To whom it may Konzern

Freitag, 8. März 2013

Dank an den serviceorientierten Rene Obermann

Bevor Hartmut Mehdorn hinging und die Deutsche Bahn ruinierte, war die Deutsche Telekom das meistgehasste Unternehmen in Deutschland. Wir erinnern uns: Hohe Preise, lahmer Service, die Ära der 0190 Dialer, für die die Telekom dankbar das Inkasso machte. Die Verführung der Deutschen zur Aktie und die windige Kurspflege des Herrn Sommer durch Einflussnahme auf die Gewichtsverteilung im DAX.

Wer konnte, wechselte zu einem Alternativanbieter. Oft, um dann dort den nächsten Reinfall zu erleben. Wir gehörten dazu.

2008 zogen wir dann nach Berlin Mitte. Und mussten zurück zur Telekom. Was für uns eigentlich nicht in Frage kam, aber es ging nicht anders. Und siehe da: welch positive Überraschung! 2006 hatte ein gewisser Rene Obermann das Ruder bei der Telekom übernommen. Und offenbar neue Prioritäten gesetzt: Kunden zuerst. Zum ersten mal in der Geschichte der Telekom.

Die Telekom sagte uns im Shop einen Termin zu. Dann bekamen wir per Post auch noch die Uhrzeit für die Freischaltung genannt. Und es klappte genau so und zwar auf Anhieb. Und der DSL Anschluss funktionierte ohne Unterbrechung. Das nenne ich mal Service.

Voriges Jahr bestellten wir dann noch das ENTERTAIN Paket dazu. Wieder eher notgedrungen, weil Kabel Deutschland unserem Haus das Analogsignal gekündigt hatte. Fernsehen übers Internet, IPTV. Etwas, wovon ich 2006 schon beim Heinrich-Hertz-Institut gehört hatte. Aber nicht recht glauben wollte, dass sich das am Markt durchsetzen würde. Obermann nahm mehrmals Anlauf und ließ sich von der schleppenden Akzeptanz am Anfang nicht entmutigen.

Und auch das Fernsehen über die Telekom funktioniert einwandfrei. Auch der Service war wieder sehr gut: Wir bekamen Termin und Uhrzeit genannt und genau so kam es.

Danke, Rene Obermann. Und alles Gute in Holland.

Ein zufriedener Kunde

Dienstag, 12. Februar 2013

Probleme mit der Führungsqualität in Großprojekten

#BER
Was sich Wowereit, Platzeck und Ramsauer beim Flughafen #BER durch unterlassene Aufsichtspflichten geleistet haben, hat uns zurecht aufgeregt. Nicht nur, dass die unser Geld in den Sand setzen. Allen voran Wowereit brüstet sich auch noch mit seinem unterentwickelten Verantwortungsbewusstsein und zieht Stößchen auf Fashionweek und am Kudamm den Rechenschaftsberichten auf Aufschussssitzungen vor. "Was mir nicht berichtet wurde, konnte ich nicht wissen." sagt der Mann, den inzwischen auch Parteifreunde aus seiner Nähe gerne als "Atze Peng" bezeichnen.

Elbphilharmonie
Das ist aber keine Domäne der SPD, auch wenn man den Nürburgring hinzuzieht. Die Elbphilharmonie ist das Werk von Ole Beust, der rechtzeitig die Lust auf Politik verlor und das Kiel oben treibende Projekt lieber seinem Nachfolger überließ.

Die Kosten werden bei denen abgeladenen, die das Pendant zum Perpetuum Mobile in den öffentlichen Finanzen sind: bei den Steuerzahlern.

ThyssenKrupp
Es ist aber nicht einmal eine Domäne von Politikern in Aufsichtsräten öffentlicher Unternehmungen. Ein aktueller Beweis ist ThyssenKrupp. Wieder mal haben Vorstände deutscher DAX Konzerne ein Weltprojekt vermasselt. Eine Machbarkeitsstudie von McKinsey ergab, dass man westlich von Rio de Janeiro ein Stahlwerk samt Seehafen bauen kann. Wenn man günstige Anbieter nimmt. So kam es, dass obwohl Thyssen mit Uhde einen renommierten Anlagenbauer im eigenen Konzern hat,  den Bau ihres brasilianischen Stahlwerkes an einen chinesischen Anbieter vergab. Brasilien, Mc Kinsey, China. Man spielte global. Das Werk sollte auch nach Europa liefern, also den hiesigen Werken Konkurrenz machen. Aus den knapp 2 Mrd EUR sind inzwischen 8 geworden. Die brasilianische Tonne Stahl ist teurer als die deutsche. Das muss man Cromme und McKinsey erst einmal nachmachen. Vor der Billigkonkurrenz aus dem eigenen Konzern blieben die deutschen Stahlarbeiter also erstmal geschützt, dank der Unfähigkeit ihres Managements und dessen Berater. Dachten sie. Doch jetzt blitzte Zeus's Zorn von der Villa Hügel: Cromme und Beitz haben beschlossen, tausende von hiesigen Stahlarbeitern für die Fehler des Olymp bluten zu lassen.

Airbus, Boeing
Aber Missmanagement ist auch keine deutsche Domäne. Siehe Airbus. Und siehe Boeing. Es gibt einen Trend, die eigene Produktwelt so zu verkomplizieren, dass irgendwann keiner mehr durchblickt. Dazu kommt, das Personal viel zu kurz auf seinen Position arbeiten zu lassen und es stattdessen aus Angst vor zu engen Bindungen zu den Auftragsdienstleistern rotieren zu lassen. Die Rechnung kommt am Schluss, wenn getestet wird. Ein beim Test entdeckter Fehler ist je nachdem 1.000 mal oder um höheres Vielfaches teurer als eine Korrektur der Planung. Aber: "Die Zeit haben wir nicht."

Sonntag, 6. November 2011

Dirk, der Dolmetscher

Dirk "the DAX" Müller tut, was bei vielen Gelehrten verpönt ist. Er spricht so, dass ihn jeder versteht. Er erklärt die Zusammenhänge gut und wagt anhand seines roten Fadens auch Prognosen. Wir hatten uns vor zwei Jahren mal sein erstes Hörbuch "Crashkurs" angehört. Viele Prognosen von "damals" sind inzwischen eingetreten.

Müller unterscheidet sich von Volkswirtschaftsprofessoren dadurch, dass er sich auf dem "Floor" bewegt, im wirklichen Leben. Er unterscheidet sich von Bankvorständen darin, dass er nur eigene Interessen verfolgt, die sich aber mit unseren decken: Wir wollen aus der Sache möglichst heil wieder rauskommen. Und er unterscheidet sich von der Bundesregierung darin, dass er versteht, was vor sich geht - und warum.

Was ich besonders interessant finde: Er zieht sein Wissen aus seiner Berufstätigkeit (früher Deutsche Bank, danach Börsenhändler). Er riskiert den Unmut seines früheren Arbeitgebers. Niemand kann soviel offenlegen, wie der, der selbst vor Ort war. Und im gleichen Maße, wie er bei seinen Früheren in Ungnade fällt, gewinnt er bei seinem Publikum und natürlich auch seiner potenziellen Kundschaft (Bücher, Newsletter). Er ist ein Whistleblower auf hohem Niveau und der besonderen Art: Er spricht aus, was eh alle ahnen und was alle eigentlich von ihren Politikern hören wollen, oder von denen, die sie dafür bezahlen, Lösungen zu erdenken: Volkswirtschaftler an Instituten und Hochschulen. Doch von denen kommt nichts. D.h. wir sehen und hören sie zwar täglich in den Medien, aber nur um zu hören, dass man "ersteinmal abwarten muss", weil das Ganze derzeit "völlig unklar" ist. "Unklar" ist die Lieblingsvokabel derjenigen geworden, die für Antworten eingestellt wurden, aber dauernd mit Fragen davon ablenken.

"Dolmetscher" nennt Müller seinen Beruf in der SZ (Link). Vermittler zwischen den Welten. Eine Funktion, die mir bestens vertraut ist, von der ich aber normalerweise nur erlebe, dass sie nicht wertgeschätzt wird. Vor allem in hierarchischen Welten, in denen gezielt mit exklusivem Herrschaftswissen über das "Regierungs"handeln und eigene Versäumnisse die eigene Macht gesichert wird. Dolmetschen und gutes Kommunizieren gehört zu den Künsten, denn je klarer und verständlicher das Ergebnis ist, desto höher der Nutzen für alle, aber desto weniger sieht es nach Arbeit aus und desto weniger wird es wertgeschätzt.

Je mehr mutige und fähige Müllers es gibt, desto weniger Whistleblower und Hacktivisten brauchen wir. Wikileaks überspült uns mit Fakten aus dem C-Rohr, das können wir gar nicht verarbeiten. Whistleblower pfeifen, wenn der Mächtige in die Kasse gegriffen hat, aber solche Sachen werden meistens vor Gericht eingestellt und als einmalige Fälle dargestellt. Müller aber nennt die Zusammenhänge ohne Namen, die kann sich dann jeder selber herleiten.

Donnerstag, 11. August 2011

Der Unterschied zwischen Experten und Beratern

Ihre Selbstsicherheit konnten sie nur aus ihrer Unwissenheit beziehen.
Franz Kafka, "Der Process"



In der Beziehung Kunde - Berater/Fachmann gibt es ein Paradoxon, das fast immer zu Konflikten führt. Der selbstsichere, Führungsstärke ausstrahlende Anbieter bekommt den Auftrag. Später entpuppt sich diese Stärke als Schwäche und sogar als Hindernis.



Der in der Ausschreibungsphase stark Auftretende vermittelt, dass er sein Metier versteht, sein Kunde also kein Risiko eingeht. Er vermittelt Selbstsicherheit, wird sich also auch gegen andere Mitspieler, wie Lieferanten oder andere Spezialisten durchsetzen können, wenn das Projekt unübersichtlich werden sollte.



Nach der Beauftragung legt er schon bald einen Plan fürs Projekt vor. Und verkündet, wen und was er dafür braucht. Führungsstärke, Sicherheit. Dann kommt die erste Bodenwelle. Der Kunde erinnert seinen Dienstleister an die Besonderheiten, die er in der Ausschreibung genannt und im Gespräch wiederholt hatte. Und damit bringt er den selbstischeren Dienstleister von seinem geplanten Weg ab. Das will dieser nicht und versucht er zu vermeiden: "Das geht nicht." Er sieht seine Planung, sein Budget, seinen Zeitplan in Frage gestellt. Und er weiß vor allem noch nicht die Methode wie er bei diesem für ihn unbekannten Ziel landen soll.



Genau diese Kompetenz aber, Führung durch ein noch unbekanntes Gelände, suchen viele Kunden. Einen Partner, der ihnen zuhört, ihre Wünsche versteht und auf Machbarkeit prüft, unter Aufbietung all seiner -möglichst mannigfaltigen- Erfahrung.



Handwerker z.B. sind ein sehr konservatives Metier. Gegen sie haben kreative Architekten, Ausstatter, Designer auf der Baustelle nur selten eine Chance. Der Handwerker scheut den Umgang mit unbekannten Mitteln und lehnt ab. In der ersten Welle des Internet war es ähnlich. Viele gute und keinesfalls unrealistische Ideen wurden nicht umgesetzt, weil sie für SAP-Berater, Middlewarehandwerker und ihre Sponsoren in den IT-Abteilungen das Risiko des Unbekannten bargen: "Das ist unrealistisch."



Diese Dienstleister sind sicher, aber nur auf ihrem schmalen, ausgetrampelten Pfad. Sie sind auch nicht kundenorientiert. Spätestens im dritten Kundengespräch entpuppt sich ihre "Selbstsicherheit" als Sturheit. Sie "korrigieren" Aussagen des Kunden, wenn diese nicht in das Schema des standardisierten Dienstleisters passen. Sie vergessen ganz und gar den Charakter der entstandenen Beziehung: Kunde und Auftragnehmer.



Der Unterschied zwischen Beraten und Dienstleisten ist die Unklarheit des Lösungsweges, manchmal sogar der Aufgabenstellung zu Beginn des Projektes. Der Berater legt Wert auf die Analyse und sagt zu, eine Lösung zu suchen, sobald die Aufgabenstellung klar ist. Der Dienstleister erwartet eine klare Aufgabenstellung. Der Berater muss sicher in der Beziehung sein. Ihm ist klar, dass bereits die Klärung der Aufgabenstellung eine Leistung ist. (Diesen Typus gibt es auch unter Dienstleistern, Handwerkern, Werkstätten, aber eher selten. Findet man einen solchen, ist er Gold wert. Übrigens kommen immer mehr Baumärkte auf die Idee über Video handwerkliche Anleitungen zu ihren Produkten anzubieten..)



Im Unterschied zum Berater legt sich der Experte die Aufgabenstellung so zurecht, dass sie in sein Erfahrungsschema passt. Was seine Erfahrungen angeht, sucht er immer nur mehr vom Gleichen. Das ist seine Art, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln: Durch Unflexibilität. Weicht der Kunde davon ab, verunsichert er den Experten. Den empfundenen Druck versucht dieser mit Gegendruck abzuwehren: "Dann ist Ihr Termin gefährdet. Sie sind der Erste, der das so haben will. So sind wir alle nicht eingespielt. Am besten kaufen Sie bei meinem langjährigen Partner etwas aus dem Katalog, dann sind wir morgen fertig." Im schlimmsten Fall versucht der Experte, wenn er sich in Frage gestellt fühlt, seinen Kunden mit Fachwissen auszustechen, am besten noch vor anderen Projektteilnehmern, um deren Zustimmung einzuholen und sich endlich wieder stark zu fühlen.



Worauf ich hinaus will: Bei komplexen Projekten, in denen mehrere völlig unterschiedliche Kompetenzen zusammen spielen müssen, um herauszufinden, ob und wie nah an den Kundenvorstellungen man ein Projekt umsetzen kann, ist auffällige Selbstsicherheit zu Beginn ein Indiz für mangelnde Flexibilität und unter Stress vielleicht sogar auch für mangelnden Respekt (weil die Art der Beziehung vergessen wird) - im schlimmsten Fall muss man unterwegs diesen Experten gegen einen anderen auswechseln. Wer nur mit seinen Wettbewerbern gleichziehen will, braucht nur den Standardexperten. Wer sich differenzieren will, braucht einen guten Berater, der bei Bedarf einen Satz unterschiedlicher, aber guter Experten kennt. Zu erkennen am Feedback zur Aufgabenstellung und dem Fokus auf einer Vorgehensweise, in der man zwischendurch entscheiden kann, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht.



Für den Berater hingegen ist ein neues Projekt auch immer eine psychologische Hürde. In dem Sinne, dass man in der Frühphase, in der sich seine Beziehung zum Kunden erst bilden muss, gerne nur gute Nachrichten bringt. Er verwöhnt seinen Kunden damit allerdings. Es ist eine Hürde, erkannte Probleme sofort zu artikulieren. Aber das muss er tun, sofort nach der ersten Bodenwelle, die ihm die erste positive Annahme in Frage stellt.

Freitag, 10. Juni 2011

Zitat der Woche (Paul Krugman)


Hohe Jugendarbeitslosigkeit ist in Europa erschreckend weit verbreitet. Darauf hat die WELT heute hingewiesen. Die Grafik stammt aus dem Mittelstandsbericht der Bundesregierung. Der Sprecher der OECD sagte dazu, dass die Handlungsmöglichkeiten "der Volkswirte" inzwischen erschöpft seien. Mit anderen Worten: Gebt sie doch auf.

Das Zitat der Woche zu Jugendarbeitslosigkeit und Rekordschulden - von Paul Krugman:
So wie ich es sehe, versinken die Politiker aber in einen Zustand der gelernten Hilflosigkeit: Je mehr sie dabei versagen, das Problem zu lösen, desto überzeugter sind sie davon, dass sie nichts ändern können.
Quelle: Berliner Zeitung


Mittwoch, 6. April 2011

Nur die Grünen sind glaubwürdig

Keine eigenen Ideen, keine Marschrichtung, keinen inneren Kompass, Ausrichtung an den "Benchmarks" der anderen und innerlich nur mit dem nächsten, taktisch-opportunen Karriereschritt beschäftigt. Dieses Problem hat nicht nur die FDP. Das haben -außer den GRÜNEN. inzwischen alle Parteien. Ein Grund dafür ist natürlich das Führungspersonal. Wem kurzfristiger Aktionismus, der Ersatz der "Ideologie" durch "Problemlösungskompetenz" als Führungsqualität ausgelegt wird, der kommt in Parteien schnell in Amt und Würden. Aber er erreicht dort nichts. Er schielt auf den Erfolg der Wettbewerber und kopiert, was sich kopieren lässt. Er hört nicht auf den Bauch seiner Basis sondern auf die stündlichen Updates seiner Demoskopen und Berater.

So eine Strategie verschleisst sich schnell. Die GRÜNEN sind die Gewinner. Selbst wer den Trittin früher nicht ausstehen konnte, der nimmt ihm heute seine Kompetenz in Sachen Atomenergie ab. Mehr Glaubwürdigkeit geht nicht.

Und was für die Parteien gilt, gilt auch für viele Unternehmen. Wo sich Produkte immer ähnlicher werden, wo keine Märkte geschaffen werden sondern nur kurzatmig auf Trendveränderungen reagiert wird, und wo sich am Vordermann ausgerichtet wird, da sind ähnliche Leute am Ruder wie in der FDP.

Sonntag, 6. Februar 2011

Neue Erkenntnisse zum Tatmotiv des Managers

Vor einer Woche hatte ich hier am vermeintlichen Motiv des Managers Olaf H., der des Mordes an Mirco verdächtigt wird, gezweifelt und mich gewundert, warum der -eigentlich ja sehr erfolgreiche- SoKo-Leiter Thiel es so unreflektiert veröffentlicht hatte. H. hatte direkt nach seiner Festnahme angegeben, er sei am selben Tag von seinem Vorgesetzen am Telefon "zusammengefaltet worden" und habe sehr "unter Druck gestanden" und daraus sei spontan die Tat entstanden..

Ein paar Tage später berichtete BILD allerdings, dass Olaf H. einige Zeit nach dem angeblichen "Zusammengefaltet werden" von seinem Chef befördert worden war. Damit standen "Stress" und "Druck" als Tatmotiv in Frage.

Und jetzt kommt heraus, dass H. seinem Anwalt inzwischen gestanden habe, dieses auslösende Telefonat habe es nie gegeben. Aber er sei als Kind selbst sexuell missbraucht worden. Das erscheint viel plausibler. Der Fall hat somit nichts mehr mit der Telekom zu tun. Einerseits. Andererseits konnte jeder, der sich in ähnlichen Strukturen bewegt, erkennen, dass Motiv und Tat nicht zusammenpassten, wenn es sich bei H. um einen "normalen" Menschen handelt (also keinen Triebtäter).

Die SoKo ermittelt deshalb laut BILD weiter. Es haben sich inzwischen auch andere SoKos mit ungeklärten Fällen gemeldet.

Das interessante an diesem Fall ist für mich, dass er sich an der Grenze bewegt zwischen dem alltäglichen, vergleichsweise harmloseren aber trotzdem oft unfassbaren, Managerverhalten und einem Triebtäter.

Samstag, 22. Januar 2011

Die Psychopathencheckliste von Robert Hare

Habe lange nichts mehr über Führungsqualität geschrieben. Aufgrund der aktuellen Nachrichtenlage heute aber mal wieder ein Eintrag. Der kanadische Kriminalpsychologe Robert Hare hat sich mit den Erscheinungsformen und Ursachen der Psychopathie beschäftigt. Darunter versteht man die Unfähigkeit, sich in andere Menschen versetzen zu können oder auch Mitleid oder Mitgefühl empfinden zu können. Dieser Typus ist mit 6% dreimal so häufig unter Führungskräften und Investmentbankern zu finden, wie in der normalen Bevölkerung, hat Hare herausgefunden. Er führt sogar die unfassbaren Entscheidungen von Investmentbankern, Schrottpapiere zu verbriefen und weiterzuverkaufen, wohl wissend, was sie damit anrichten werden, auf Psychopathie zurück.

Hare hat folgende Psychopathy Checklist Revised entwickelt, mit der man Psychopathen erkennt. Die Liste findet man bei Wikipedia:

Faktor 1: Persönlichkeit "Aggressiver Narzissmus"
- Oberflächlicher Charme/guter Redner
- Überhöhtes Selbstbild
- krankhafter Lügner
- manipulativ
- Unfähigkeit Reue zu empfinden
- Unfähigkeit tiefer Gefühle
- Fehlende Empathie
- Unfähigkeit Verantwortung zu übernehmen

Faktor 2: Fallstudie "Sozial abweichender Lebensstil"
- schnell gelangweilt auf der Suche nach einem 'Kick'
- Lebt gern auf Kosten anderer Leute
- schlechte Selbstbeherrschung
- promiskes Sexualverhalten
- Fehlen realistischer langfristiger Ziele
- Impulsivität
- Verantwortungslosigkeit
-Jugendkriminalität
- Frühe Verhaltensprobleme
-Bewährungsversagen

Montag, 27. Dezember 2010

Portale für die Bewertung von Arbeitgebern

Zwischen den Jahren kann man sich auch Gedanken über seinen weiteren beruflichen Weg machen. Wer einen Arbeitgeberwechsel plant, kann neuerdings nachlesen, was deren Angestellte von ihm halten.

Hier eine Auswahl:
- Kununu http://www.kununu.com/
Achtung: Das Ziel dieses Anbieters ist es, seine gelisteten Unternehmen nicht zu schlecht aussehen zu lassen. Er blockiert dementsprechend allzu schlechte Bewertungen (vgl. Diskussion im Onlineforum). Die Messlatte für die Auszeichnung als "Top Arbeitgeber" ist niedrig.

- Jobvoting: http://www.jobvoting.de/

- BizzWatch: http://www.bizzwatch.de/

Donnerstag, 19. August 2010

Vertriebslöwen

Es war einmal ein Löwenrudel in der Savanne. Der Löwenkönig hatte seine Löwen zur Jagd eingeteilt. Sortiert nach Revieren und Beutetieren. Drei Tage in der Woche gingen die Löwen auf Jagd. Am vierten Tag versammelten sie sich um ihren König und berichteten ihm von ihren Jagderfolgen.

Die meisten Löwen strengten sich sehr an und einige von ihnen brachten mehr Beute nach Hause, als sie und ihre Familie vertilgen konnten. Das fiel einem Löwen auf, der selbst immer ohne Beute nach Hause kam. Er verlor irgendwann die Lust, weil Jagen auch sehr anstrengend war. Und weil er fürchtete, seine Erfolglosigkeit könne bald seinem Ansehen und Status schaden. Er entwickelte einen Alternativplan: Er ging nicht mehr selbst zur Jagd. Er wartete bis abends, wenn die anderen Löwen von der Jagd kamen. Wenn diese sich erschöpft von der Anstrengung des Tages erholten, ging er bei ihnen hausieren. Er schöpfte ihre Überschüsse ab, um sich und seine Familie davon zu ernähren. So wurden am Ende des Tages alle satt. Anderen erfolglosen Löwen machte er den Vorwurf, dass sie auf Kosten der Gemeinschaft lebten.

Den fleißigen Löwen fiel es irgendwann auf, dass einer von ihnen nicht mehr morgens mit zur Jagd zog. Sie entwickelten ersten Unmut. Das merkte der faule Löwe. Unmut bei den Löwen wollte er vermeiden, das hätte nur zu neuen Anstrengungen führen können. Deshalb begann er Statistiken darüber zu führen, welche Löwen wieviel Beute nach Hause brachten. Wer ihm abends viel abgeben konnte, der bekam ein oder zwei Sternchen. Wer nichts für ihn mitgebracht hatte, bekam ein Minus.

Seine Statistik berichtete er dem König, wenn die anderen zur Jagd waren. Der König war für die Statistik sehr aufgeschlossen. So erfuhr er, was er im einzelnen über seine Löwen noch nicht wusste. Mit der Zeit lernte der König, von dem faulen Löwen auch, wie die Jagd eigentlich funktioniert. Denn dieser entwickelte Theorien darüber, warum einige Löwen erfolgreicher waren, als andere. Er meinte z.B., das wichtigste bei der Jagd sei es, Reviere ohne Beutepotenzial zu erkennen, um unnötige Jagdgänge zu vermeiden. Auch Reviere mit Beutetieren, die schneller laufen können als ein Löwe, eignen sich nicht für die eigenen Jagdziele. Zudem hätten seine Familie und er selbst mit der Zeit Qualitäts- und Geschmacksunterschiede zwischen den Beuteergebnissen der Rudelkollegen festgestellt. Es wäre doch schön, wenn alle eine möglichst hohe Fleischqualität nach Hause brächten. Auch darüber, wo es es besonders gutes Fleisch geben müsse, entwickelte er eigene Theorien. Er verbrachte immer mehr Zeit mit dem König, der den Zielen des Löwen zustimmte, und entwickelte seine Überlegungen zu einer Jagdstrategie. Er stellte diese unter der Woche dem König vor, als die anderen auf Jagd waren.

Der König war so begeistert von seinem klugen, faulen Löwen, dass er ihn zum Jagdchef ernannte. Am vierten Tag stellte sich der neue Vertriebschef vor seine Rudelkameraden und erläuterte ihnen mit ausgetüftelten Exceltabellen und Powerpointfolien die neue Strategie. Er berichtete ihnen auch, welche Unterschiede er beim Erfolg der Kollegen beobachtet und geschmeckt habe. Und welche Maßnahmen er und der König beschlossen hätten, um die Erfolge des Rudels zu maximieren. Lowperformer würde man nicht mehr lange dulden, jeder müsse sich anstrengen, sagte er - nicht ohne sich mit einem Seitenblick auf den König nochmals dessen Rückendeckung zu versichern.

Als ihn einer der Kollegen mürrisch fragte, wie er -der er immer ohne Beute nach Hause gekommen sei, und am Ende nur noch bei den Kameraden geschnorrt habe, dazu komme, ihnen nun kluge Ratschläge zu erteilen, ergriff der König das Wort und verteidigte seinen Strategen. Er selbst war -was keiner wusste- auch nie wirklich zur Jagd gewesen. Aber was sein Schützling ihm alles erklärt hatte, das hatte er zumindest konzeptionell verstanden. Und so wurde der faule Löwe von der lästigen Pflicht der Jagd befreit. Der König ernannte ihn zu seinem persönlichen Berater, erhöhte seinen Status und stellte ihm unter vier Augen die Nachfolge auf seinen Thron in Aussicht.

So war es gut, denn so machte jeder das, was er am besten konnte...

Dienstag, 17. August 2010

Urheberrechtsmissbrauch für Zensurzwecke

Die berüchtigt Sekte, die mit "S" anfängt und für alberne Straßenauftritte bekannt ist, hat es getan. Heidi Klum, die vielleicht 'ne Marke ist, auch. Valentin Ceaucescu, der Sohn des rumänischen Tyrannen, hat es getan. Nun hat es auch Adolf Sauerland getan: Schutztrechte auf geistiges Eigentum für Zensurzwecke zu missbrauchen: Die Stadt Duisburg erhebt Klage gegen den Duisburger Blogger XtraNews mit Verweis auf §97 UrhrG. (Wenn dieser Blog überlastet ist, am besten bei den Ruhrbaronen mitlesen.)

Sauerland erhebt "Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz"

Die Erteilung eines Zitierverbots mit dem scheinheiligen Verweis auf das Urheberrecht ist auf den ersten Blick ein geeignetes Mittel, um jemanden den Mund zu verbieten: Wie soll man einen Diskurs, ein Plädoyer gegen jemanden führen, wenn man ihn nicht mal zitieren darf? Doch so ist das Recht gar nicht gemeint. Das Schutzrecht verbietet nur die gewerbliche Nutzung fremden geistigen Eigentums.

Ich darf z.B. jederzeit nach Belieben Patente benutzen, solange ich das privat tue oder zu Versuchszwecken und ich damit keinen gewerblichen Zweck verfolge (§11 PatG). Ich darf auch aus den Büchern einer Sekte zitieren, wenn ich einen Diskurs gegen sie führe.

Ich darf ein Theaterstück namens "Ceaucescu" aufführen, und wenn der Tyrannensohn dreimal Markenrechte auf seinen Familiennamen beantragt hat. Sogar, wenn ich mit dem Theaterstück einen gewerblichen Zweck verfolge. Denn der Name gehört zur Zeitgeschichte.

Und wenn ein Blogger Verwaltungsdokumente aus dem Fall Adolf Sauerland veröffentlicht, dann kann Sauerland ruhig versuchen, sein "Urheberrecht" durchzusetzen. Aber er wird damit scheitern. Urheberrechte auf Verwaltungsdokumente? Das wäre sehr praktisch für jeden Regierungskriminellen. Aber es wird nicht funktionieren, wenn es um Aufklärung geht. $50 des Urheberrechtgesetzes erlaubt die Berichterstattung über Tagesereignisse:

Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.


Außerdem regelt § 5, dass amtliche Werke keinen Urheberrechtsschutz genießen:

(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
(2) Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, daß die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.


Und sollte Sauerland gar glauben, er habe ein Urheberrecht an einem Gutachten, dass eine Kanzlei in seinem Auftrag erstellt hat, dann zeigt das zusätzlich das mangelnde Rechtsverständnis Sauerlands oder seiner Berater.

Nicht ins Bockshorn jagen lassen. Viele leitende Angestellte kennen ihre Rechte nicht und gehen dann gerne zweitklassigen Anwälten auf den Leim.

Montag, 26. Juli 2010

Totenstille

Vor zwölf Jahren geriet ich morgens auf der A3 Richtung Brühl in einen Stau. Auf der Gegenseite hatte es einen Unfall gegeben. Je näher ich an die Unfallstelle kam, desto deutlicher wurde die Schwere des Unfalls. Ein Rettungshubschrauber stieg vor uns auf unserer Spur in die Luft. Dann entdeckte ich das Ausmaß: Ein Kleinwagen war zwischen zwei LKWs geraten und zermalmt worden. Was zwischen den Lastern klebte, war nur noch ein Haufen Blech. Ich stand minutenlang auf Höhe der Unfallstelle und schaute rüber.

Zuerst versucht man das Aumaß rational zu erfassen: Große LKWs, kleines Opfer. Wie mag der Hergang gewesen sein. Und dann die überwältigende Erkenntnis: Hier ist vorhin ein Mensch gestorben. Oder sogar mehrere. Die Vorstellung, dass ein Mensch hier in eine Falle geraten war. Zufällig und ohne Chance zu entkommen, das bestürzt einen zu Tränen. Ein stiller Moment der Trauer. Es war einer der Momente, in dem alles Alltägliche unwichtig wird. Man wird herausgehoben und verneint, dass unser Einsatz für das tägliche Weiterkommen solche Risiken, gar einen Tod, zumal solch einen brutalen, wert sein könnte.

Man will trauern und muss dann doch weiterfahren. Totenstill und voller Mitgefühl. Und Machtlosigkeit und Demut. Und ganz großem Respekt vor dem Leben.

Man versteht, warum Hinterbliebene von Unfallopfern Kränze an der Unglücksstelle hinterlegen. Man will an den Ort, um ihn verneinen zu wollen, aber auch um ihn annehmen zu müssen. Man fährt lange nicht mehr an der Stelle vorbei, ohne "daran" denken zu müssen.

Wieviel schwerer muss es sein, Augenzeuge des Hergangs eines tödlichen Unfalls geworden zu sein? Und dabei sich selbst in Gefahr gewusst zu haben? Trauer um die bezeugten Opfer, und Schock über das eigene knappe Entrinnen.

Und wie zynisch, herzlos und respektlos war die Entscheidung der Veranstalter, die Loveparade einfach weiter laufen zu lassen? Das will mir nicht in den Kopf. Das war respektlos gegenüber den Opfern. Aber auch gegenüber den Ahnungslosen, die sich bei Kenntnis der Nachricht hinters Licht geführt fühlen mussten.
Nein, ich akzeptiere das Argument nicht, die Absage hätte eine weitere Massenpanik auslösen können. Das ist nur das Schuldeingeständnis, dass diese Loveparade von Grund auf falsch organisiert war. Wenn die befürchtete Massenpanik der Grund fürs Weiterspielen war, dann hat man genau diese Verantwortung bei der Massenpanik verfehlt.

Und wenn dann die Verantwortlichen, Manager wie Stadtoberhäupter, sich vor der Öffentlichkeit ausschließlich der Beweisführung ihrer Unschuld widmen und klüngelnd sicherstellen, dass sie die Ermittlungen über sich selbst ins Nichts lenken werden, dann ist das ein weiteres Allzeittief auf unserer nach unten offenen Richterskala für Führungsqualität.

Dieser OB, dieser Verwaltungschef, der Loveparade Sponsor, die Einsatzleitung der Polizei, der nur Zäune zur Beherrschung der Masse einfiel, und die Herren von der Prominenz haben genau so gehandelt wie der Bahnvorstand nach Eschede, der BP-Chef im Golf von Mexiko und wie so viele andere Manager: Egoistisch, brutal, über Leichen gehend.

Sie handeln mit Berechnung und in Zeitlupe so wie die, die die Panik erfasste. Aufs eigene, hier: politische und karrieremäßige, Überleben ausgerichtet. Die Verantwortung und Besonnenheit, die sie bei Erlangung ihrer Ämter zu haben vortäuschten, werfen sie über Bord. Obendrein wollen sie uns glauben machen, sie seien legitimiert, so zu handeln. Und sie wollen den Opfern und Hinterblieben den Umgang mit ihrer Tat vorschreiben. Und das macht sie so schlecht.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Zeugnisse und Bewerbungen

Cndr schickt mir den SPON Artikel über Frau Herbert, die Ihr Geld mit dem Schreiben von Arbeitszeugnissen verdient. Beauftragt wird die Freiberuflerin von überlasteten Personalabteilungen.

Das wirft zwei Fragen auf: Wie ernst nehmen Unternehmen Arbeitszeugnisse von Bewerbern, wenn sie diese selbst auslagern, wenn es um die Zeugnisse ihrer eigenen Ex-Mitarbeiter geht?

In diesem Zusammenhang gleich noch die Frage: Was interessiert den Arbeitgeber bei Bewerbern mehr: Zeugnisse oder was er bei Google findet?

Meine Erfahrung: Zeugnisse spielen fast keine Rolle mehr. Und Google spielt noch keine Rolle.

Ich habe im vergangenen Winter sogar mehrere Arbeitsverträge angeboten bekommen. Und einmal habe ich die Bewerbung schnell selbst abgebrochen. Meine Erfahrung: Nur das börsennotierte Unternehmen wollte alle meine Zeugnisse (bei dem habe ich früh abgebrochen, aber nicht deswegen). Bei den anderen drei war ich derjenige, der meine Zeugnisse anbot, weil meine Gesprächspartner nicht danach fragten. "Später", lautete deren Antwort. Mein Eindruck: Es kommt viel mehr darauf an, eine stimmige und interessante Story von sich zu erzählen, als den anderen mit "Pflichtzeugenaussagen", von denen wir eh alle wissen, wie sie zustande kommen, zu belasten. Stimmig heißt: Ich verfolge einen roten Faden, es gab und gibt etwas, worauf ich hinaus will und was ich erreichen konnte. Dabei ist nicht nur wichtig, was, sondern auch warum. Ich schmücke positiv aus, übertreibe vielleicht, unterdrücke die nicht so guten Seiten. Aber ich lüge nicht. Ich bin in Bewerbungsgesprächen auch schon angelogen worden. Das ist etwas, was man nie vergisst und immer nachträgt.

Und Google? Nein, keine Hinweise darauf, dass sie mich gegoogelt haben. Im Gegenteil. Ich betreibe ja noch einen reinen Patentblog, auf den ich in Bewerbungen hinweise. Bin nicht mal sicher, ob sie da reingeschaut haben. Es ist wie immer: Nennst Du alle Details, interessiert es keinen. Versuchst Du zu verheimlichen, fangen sie an zu wühlen. Dazu kommt: Wer zehn Jahre lang öffentlich diskutiert und präsentiert hat, dessen Stoff kann man unmöglich komplett nach recherchieren. Man muss dann sehr konkret wissen, wonach man suchen will, um nicht irgendwelche sondern relevante Treffer zu kriegen.
Und umgekehrt: Habe ich meine Gesprächspartner gegoogelt? Manchmal, aber nicht gründlich. Und nur nach Präsentationen, die sie vielleicht mal gehalten haben, um zu wissen, mit welchen Themen sie sich gerade herumschlagen.
Und nach Fotos. Ich sende ja selbst auch ein Foto von mir mit. Ansonsten: Auch Googeln kostet Zeit. Auf beiden Seiten. Und wenn man noch sowas wie ein Anstandsgefühl hat, dann gebietet es der Respekt vor dem anderen, ihn nicht sofort durchleuchten zu wollen. Das tut man nicht. Ich will bei Bewerbungen immer herausfinden, ob man einander in eine positive Aufbruchstimmung versetzen kann. Phantasie über gemeinsame Vorhaben erzeugen kann. Sieht man die Dinge ähnlich? Inspiriert man einander? Ist man einander sympathisch, weil man schon ähnliches erlebt hat oder erleben will? Das ist mir wichtig. Diese vielleicht etwas naive -aber im positiven Fall kraftvolle- Herangehensweise würde durch Wühlen und Ermitteln bei Googeln nur verdorben werden.

Welche Bedeutung haben also Arbeitszeugnisse? Die gleiche, wie Produktbroschüren. Man weiß, was man davon zu halten hat. Die harten Fakten stimmen sicher: Dass man in einer bestimmten Zeit dort war und in einer Abteilung xy gearbeitet hat. Aber wie gut man dort war, muss man an Ergebnissen messen können, oder an einer Reputation, die man sich aufgebaut hat: Ich habe dieses oder jenes Produkt mit entwickelt. Ich habe unsere Agentur auf diese und jener Veranstaltung präsentiert. Ich habe mit Herrn Y zusammen eine Initiative gestartet.

Wir werden in der Schule so erzogen, dass unsere Hierarchen, und nicht diejenigen, die mit uns etwas erreichen wollen, Zeugnisse über uns schreiben. Da stehen nur "objektive" Punkte für Fächer drin. Da steht nie drin, ob wir in der Pause in die Fussballmanschaft gewählt wurden (wäre übrigens mal sehr interessant, wenn man als Projektleiter so seine Leute zusammenstellen könnte...), welche Beiträge wir im Unterricht geleistet haben, ob wir nur nachgeplappert oder selbst gedacht haben usw. Und ob der Einser in Physik und Mathe nachher nutzbringend in eine Ingenieursstelle eingebracht wird, dass muss ich im Bewerbungsgespräch selbst herausfinden. Dazu muss ich Menschen kennen und dafür muss ich mich für Menschen interessieren.

Das Zeugnissystem führte dazu, auf die Gunst von Hierarchen hinzuarbeiten, und nicht auf echte Ergebnisse, die einen Unterschied machen. Doch nur, wer mit uns zusammen die Arbeit geleistet hat und unsere Dienstleistung oder Produkte gekauft hat, weiß wie gut wir sind.

Trotzdem: Wer das Schreiben von Arbeitszeugnissen ausgliedert, hat sich nie für seine Mitarbeiter interessiert. Bei solchen Unternehmen sollte man ebenso vorgestanzte Bewerbungen schreiben. Oder schreiben lassen.

Sonntag, 30. Mai 2010

Beyond BP

Wie ein Boomerang kehrt sich die auf Öl und Spekulation basierende Doktrin der USA binnen zehn Jahren nun zum vierten mal gegen sie selbst. Und jeder Boomerang attackierte eine andere Dimension ihrer Politik:

Der 11. September war der Boomerang für die langfristig angelegte eurasische Geostrategie des Sicherheitsberaters Brzinsky: Einflussnahme auf die Region mit den größten Öl- und Gaslagerstätten. Zu Zeiten des kalten Krieges unterstützten sie die Mudschahedin gegen die Sowjets. Seit deren Niederlage nahmen die USA direkten Einfluss. Den Rebound des 11. September nahmen sie nur noch zum Anlass, einmal voll aufzudrehen und offen militärisch zu operieren. Dass dabei die Machtstrukturen der amerikanischen Öldynastien sichtbar wurden, nahmen diese achselzuckend hin. Von außen kann ihnen militärisch niemand zu nahe rücken. Und dass es innenpolitisch eine riesige Umverteilung darstellt, Ölkriege aus Steuergeldern der schwindenden Mittelschicht, aber vor allem aus Anleihen zu finanzieren, nur um private Profite der großen Ölgesellschaften zu finanzieren, ja da könnte sich der eine oder andere proviziert fühlen. Deshalb war es notwendig, gleichzeitig eine beispiellose Big-Brother Gesetzgebund auf den Weg zu bringen. Ebenfalls vom Steuerzahler finanziert und die Freiheit dieser Steuerzahler einschränkend. Und zum Wohle der großen IT-Konzerne.
Die USA leisteten sich unter Bush eine Administration, deren Mitglieder aus der Ölindustrie rekrutiert wurden. Nach einer von ihnen, der ehemaligen Chevrondirektorin Condoleeza Rice, ist sogar ein Tanker benannt. Und Sir Lou Gerstner wechselte vom IBM Chefsessel ins Board der auf Rüstungsfirmen spezialisierten Private Equity Gesellschaft Carlyle Group. Aus der Krise vom 11. September ging die Schicht, deren Interessen vorübergehend angegriffen wurden, gestärkt hervor..

2005 kam Hurrikan Katrina auf die Südküste der USA. Als der Grüne Politiker Trittin dies als Rebound der amerikanischen CO2-Emissionen bezeichnete, wurde er dafür -auch von deutschen- Politikern scharf angegriffen. Aber ist dieser Zusammenhang so abwegig?
Immerhin traf es die ärmeren Staaten der Südküste. Texas blieb verschont. Deshalb musste man Präsident Bush auch erst zum Mississippi tragen, um dort mal "Flagge" zu zeigen. Ein wirtschaftliches Interesse hatte er dort, anders als am Golfkrieg, nicht. Ein Symbol dafür, wer für den CO2-bedingten Klimawandel, wenn es ihn gibt, bezahlt und wer von ihm nur profitiert.

2007 und 2008 geriet das Finanzsystem der USA ins Wanken. Just, als sich der nach oben spekulierte Ölpreis auf einem historischen Höhepunkt befand, drohte das Spielhöllensystem einzubrechen. Der Dollar verlor an Vertrauen. Dabei ist ein hoher Dollar die Grundlage dafür, weltweit billig einkaufen zu können und sich dafür auch noch billig verschulden zu können. Aber damit ist Schluss, wenn jemand den Stecker rauszieht und dem Dollar den Saft abdreht, aus dem dieser seine Stärke bezieht. Solange es weltweit eine Nachfrage nach Dollars gibt, können sich die vereinigten Staaten eine gewisse Übertreibung ihrer Schuldenpolitik leisten. Doch wenn jemand auf die Idee kommt, den Dollar als offizielles Zahlungsmittel nicht mehr zu akzeptieren, würde dies die Nachfrage nach Dollars reduzieren. Und wenn ein erdölexportierender Staat vorschlägt, dass Öltanker künftig nicht mehr in Dollar sondern in EURO bezahlt werden, dann hört der Spass auf. Dann wird fehlendem Vertrauen mit etwas Strategie nachgeholfen. Welch ein Glück, dass auch andere starke Länder abhängig vom Dollar sind, und diese Flauseln wieder ausgetrieben werden konnten. Solange Öltanker in Dollars bezahlt werden, ist der Dollar mit einem Realwert gedeckt.

All diese Attacken auf den Dollar, und damit den Wohlstand der USA, waren gerade pariert, da passierte es ausgerechnet dem schwarzen Schaf der britischen Krone für eine neue Herausforderung zu sorgen. Die seit ihrer Gründung glückloseste Ölfördergesellschaft BP hat geschafft, was Katrina und Alkaida nicht geschafft haben: Die USA von der gesamten Südflanke her zu destabilisieren. Ein dilletantischer Stoß in eine tief liegende Öllagerstätte genügte dafür. Hierfür arbeiten drei Unternehmen zusammen: BP als Auftraggeber und Leasingnehmer für die Bohrplattform Deepwater Horizon. Die Plattform ist ein Entwurf der texanischen Firma Falcon. Gebaut hat sie Hyundai, Korea. Später wurde Falcon von Transocean übernommen. Und, also starring: Halliburton als Auftragnehmer von Transocean.

Die Vorgeschichte:
BP exploriert Ölfelder in den Tiefen des mexikanischen Golfes und wird fündig. Doch BP wäre nicht BP, wenn nicht wieder etwas schief laufen würde. Die Horizon Plattform muss außerplanmäßig eine beschädigte Plattform ersetzen. Zumindest für die Durchstoßbohrung. Und hier treten Probleme auf. Die berüchtigte Dienstleistungsfirma Halliburton wird mit der Abdichtung des Borhlochs beauftragt. Halliburton meldet an Transocean: "Bohrloch ist dicht." Transocean meldet an BP: "Dicht." Doch Drucktests bestätigen dies nicht. Gas dringt ins Bohrrohr. Doch eine Reparatur würde mehrere Millionen Dollar kosten. BP beschließt, das Druckrohr ohne Reparatur abzuziehen...
Gas steigt auf. Weil der Datenschreiber ausfällt, bekommt dies niemand mit. Wenig später kommt es zu zwei Explosionen, mit vielen Todesopfern. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre eine Klage gegen das BP-Management gerechtfertigt, weil sie aus Kostengründen das Leben ihrer Mitarbeiter riskiert haben.

Dann gibt es eine dritte Explosion, in deren Folge die Plattform sinkt, und das Bohrrohr abgerissen wird. Weil daraufhin der BP-Aktienkurs ebenfalls in die Tiefe zu sinken beginnt, fangen die Manager in der BP-Hauptverwaltung an, sich um das Problem zu kümmern: SIe verbieten den von einem Versorgungsschiff geretteten Mitarbeitern der Dienstleistungsunternehmen den Kontakt zur Außenwelt.
Am 14. Mai eine weitere Maßnahme: BP Chef Tony Hayward sagt in einem Interview, der Ölteppich sei im Vergleich zum großen Ozean eher winzig. Alle Maßnahmen, die er befiehlt, scheitern in der Praxis. Wegen des Pfingswochenendes unterbricht BP seine Maßnahmen übers Wochenende. BP will erst einmal Kassensturz machen: Die Maßnahmen haben bereits eine dreiviertel Milliarde Dollar gekostet. Die Quartalsdividende ist gefährdet!

Gestern Abend meldete BP, auch die "letzte" Maßnahme sei gescheitert..Jetzt weiß keiner mehr, was man noch probieren könnte. Bei BP überlegt man, ob es nicht besser wäre, Insolvenz anzumelden. Der Vorteil wäre, dass die Kosten für das Abdichten des Bohrlochs und die Reinigungsarbeiten beim US-Steuerzahler hängen bleiben würden. (An die Sozialisierung privater Risiken sind die Amerikaner inzwischen gewöhnt.) Danach könnte man BP neu gründen. Sozusagen unvorbelastet.

Wahnsinn.

Der Unterschied zwischen den Al Kaida Funktionären und dem CEO von BP ist: Der Angriff von BP ist nachhaltiger.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Wie man Verbesserungsvorschläge abwehrt

Kritik und Verbesserungsvorschläge sind lästig. Hier ein Tip, wie man sie abwehrt:

- Bugzilla einführen.
- Zwang zur Zuordnung kryptischer Themen. (Sonst kein Absenden möglich)
- Möglichst viele Gutachter einbinden.
- Als erstes die Themenzuordnung prüfen. Wenn falsch: Zurück an den Absender.
- Danach den Vorschlag mindestens ein halbes Jahr durch die Organisation kreisen lassen.
- Feedbacks zwischendurch versenden. Aber immer nur formale Informationen wie: Zuordnung einer Ticketnummer, Bekanntgaber der Nummer desjenigen, der sie bearbeitet.

- Sicher ist: Nach einem halben Jahr hat der Mitarbeiter seinen Vorschlag vergessen oder ist gar nicht mehr Mitglied der Organisation.

- Der Verbesserungsvorschlag kann dann ohne Folgen abgelehnt werden.

Nicht vergessen: Regelmäßig über das Vorschlagswesen berichten!

Dienstag, 27. April 2010

Manager- und Politikerdeutsch

Aus den Charts verschwunden:

Sicht, ich/wir fahren auf. Aus dem Sprachgebrauch verschwunden seit Aufhebung der Flugverbote durch die Vulkanasche, weil es zu populär wurde. Auch das gemeine Touristenvolk flog seitdem ->auf Sicht. Nicht mehr elitär genug.

Neueinsteiger im April:

Liefern, die Abteilung/der Projektleiter/der Grieche muss. Abwertende Managerfloskel für die produktive Klasse. Wird neuerdings auch zur Kaschierung der eigenen Ratlosigkeit, Urteils- oder Entscheidungsschwäche von Politikern wie z.B. Reiner Brüderle verwendet.

Elektromobilität, Deutschland wird Leitmarkt für. Hype, der die Tatsache ignoriert, dass wir mit Straßenbahn und Zug längst eine -wenn auch leitungsgebundene- Elektromobilität haben und nutzen. Die Floskel ist derzeit Tür- und Budgetöffner für Lobbyisten beim Bundesforschungsministerium. Immer mehr -> treiben das Thema, aber immer weniger verstehen, worum es dabei geht.

Treiben, das Thema; Verweis auf jemand anderen, der verantwortlich für den Fortschritt eines -meist ungeliebten- Vorgangs ist, über den man selbst schon lange den Überblick oder die ->Sicht verloren hat.

Alternativlos. Floskel denk- und diskussionsfauler Politiker. -> Unklar bleibt dabei, ob es keine Alternative gibt, oder ob sie nur tabu ist.

"Social Profit". Unsägliche Wortschöpfung des Maserati fahrenden Vorsitzenden der Berliner Treber-(Obdachlosen-) Hilfe, die suggerieren soll, man müsse privaten Großspendern mit deren vermeintlichen Codes gegenüber treten, um für die Bedürftigen den größtmöglichen Nutzen zu -> generieren. Dient in Wahrheit der Verschleierung des eigenen Luxus ("Profit") auf Kosten von Bedürftigen ("Social").

Diese(s), Stadt/Land. Früher: "Unser(e) Stadt/Land". Pronomen von Berufspolitikern, die damit ihrer inneren Distanz und damit ihrem Angestelltenverständnis von ihrem Mandat, Ausdruck geben.

Menschen, die. Beispiel: Besser für die Menschen draußen im Lande. Distanzierende Bezeichnung von Berufspolitikern für unsere Gattung. Wir sind draußen, der Politiker ist drin.

Samstag, 10. April 2010

Über das selbstbestimmte Leben (Teil 1)

Das Ideal des Liberalen ist das freie Individuum. Die Freiheit ermöglicht das selbstbestimmte Leben. Fremdbestimmt dagegen ist, wer tatsächlichen Zwängen Einfluss auf sein Leben einräumen muss. Insofern ist jeder Mensch auch fremdbestimmt. Und hier liegt der erste Irrtum der orthodoxen Liberalen. Zu glauben, dass man autonom leben könne. Das gilt nur für die oberen Zehntausend, die unter Liberalismus nur die Legalisierung ihrer Steuerhinterziehungen und sonstige Entsolidarisierungen verstehen. Selbstbestimmt ist man nach meiner Vorstellung als Einkommensabhängiger bereits, wenn man die meiste Zeit auf eigene Ziele und Zwecke hinarbeiten kann.

Den Feudalismus haben wir formell abgeschafft, deshalb fühlen wir uns alle selbstbestimmt. Wir fühlen uns auch dazu aufgerufen, uns selbst zu verwirklichen. Doch wenn man Leute, die vorgeben, genau dies zu tun, nach ihren Motiven befragt, kommen oft Vermeidungsmotive zum Vorschein. Das Loswerden irgendwelcher Zwänge oder Risiken.

Doch wie real (oder wie ich bei den Philosophen gelernt habe: "aktual", also der Fall) sind diese Zwänge und Risiken?

Subjektiv fremdbestimmt ist doch auch, wer irrtümlich meint, Sachzwängen Einfluss auf sein Leben einräumen zu müssen.

Und merkwürdigerweise ist es gerade der Neoliberalismus, der die Mittelschicht von einem selbstbestimmten Leben abhält. Indem er negative Motive für mehr Liberalismus transportiert: Das Abschütteln der Steuerlast, die selbstständige Vorsorge fürs Alter, die "Fitness" für den Arbeitsmarkt. Der deutsche Liberalismus agiert mit negativen Motiven. Und das macht ihn so unfrei.

Zu den eingebildeten Sachzwängen gehören genau diese Ängste, die uns über die Medien vermittelt werden. Früher schürten Zeitungen die Kriegsangst. Heutzutage schüren sie permanent Angst vor Klimawandel, Arbeitslosigkeit und Altersarmut. Alle drei halte ich für fingierte Ängste. Sie entpuppen sich als Scheinriesen, die bei der Annäherung kleiner werden.

Angst #1: Der Klimawandel
Ich habe nur wenig einem klimaverträglichen Leben bewusst geopfert, aber es mir jedes mal innerlich gut geschrieben, wenn ich mich "klimafreundlich" verhalten habe. Z.B. bin ich das gesamte Studium lang mit der S-Bahn zur Uni gefahren. Später fuhr ich drei Jahre lang mit dem Regionalexpress von Dortmund nach Essen. Bis ich nach Essen zog und zu Fuß ins Büro ging. Mann, dachte und erzählte es Freunden, mein CO2-Konto ist dick im Plus. Und selbst heute produziere ich mit 6,5t nur halb so viel CO2 wie der durchschnittliche Deutsche.
Wir stellten uns aber nie die einfachsten Fragen: Z.B.: ist dies der erste Klimawandel in der Erdgeschichte? Ist er von uns ausgelöst? Wem wird er schaden? Was können wir tun, damit er weniger Schaden anrichtet? Worauf müssen wir uns vorbereiten? Wurde nie diskutiert. Vielmehr wurde die Angst vor dem Klimawandel kultiviert und sich jeder Spaß abgewöhnt, z.B. Autofahren und Fernreisen. Bis heute hören wir in den Nachrichten immer nur die Frage, wer künftig wieviel CO2 in die Luft blasen will. Aber noch nie haben wir erfahren, was das für uns konkret bedeuten wird. Absurde Diskussionen wie z.B. über moralisch gute und schlechte Benzinpreisüberhöhungen bleiben einfach so im Raum stehen. Werden von ein und demselben Politiker einerseits verteufelt und andererseits gut geheißen. So schizzophren ist das Regierungsviertel inzwischen.

Und jetzt lesen wir immer öfter, wie dieser Popanz allmählich relativiert, wenn nicht entzaubert wird. Egal, wie diese wissenschaftlichen Kontroversen noch ausgehen mögen. Eines halte ich für gewiss: Es wird anders kommen, mit anderer Ausprägung als wir denken. Es wird uns andere Prioritäten setzen. VIele unserer unreflektiert übernommenen Annahmen werden sich als falsch entpuppen.

Angst #2: Altersarmut
Immer klarer wird mir: Das gleiche gilt für das Thema kapitalgedeckte Altersvorsorge. Ich muss mir nur zwei Zahlen anschauen, um zu verstehen, dass ich einem riesengroßen Schwindel aufgesessen bin. Und dass das irgendjemandes Interesse dient. Diese beiden Zahlen sind: Meine bisher erworbenen Rentenansprüche. Und die Performance meiner Lebensversicherungen, die ich mal abgeschlossen habe. Es droht mir Gott sei Dank doch keine Altersarmut. Denn wenn das so wäre, würden meine LVen das nicht ändern können. Denn sie performen nicht. Ich bin einem Geschwätz von Schwindlern aufgesessen, die sich folgender Manipulationen bzw. Lügen bedienen:
- Sie "als Akademiker" werden ... blablabla einen "Lebensstandard"... Pustekuchen: Das war einmal. Akademiker werden im Niedriglohnland Deutschland genau so knapp gehalten wie früher die Facharbeiter.
- "Ihnen entsteht eine Rentenlücke". Und sie wollen doch im Alter keine "Abstriche" machen... Schließen Sie die Rentenlücke! - Ja klar, Lücken schließt der Deutsche ja gerne, denn er räumt gerne auf und sichert sich gerne gegen Risiken ab, damit er gut schlafen kann.
Die nahe liegende Frage, die nie einer gestellt hat, lautet: Wenn die Umlage finanzierte Rentenversicherung an der schwindenden Bevölkerung Hunger leiden wird, wird das nicht genau so für die Aktienmärkte gelten? Werden auf einem demographisch absteigenden Ast nicht immer mehr Akteure verkaufen als kaufen? Werden wir nicht, wenn es aufs Rentenalter zugeht, immer in fallende Kurse verkaufen müssen? Und was bedeutet es, dass der frühere Wirtschaftsweise Bert Rürup nach der Erfindung der gleichnamigen Rentenversicherung beim Finanzdienstleister AWD anheuerte und später mit dessen Gründer sogar ein neues Beratungsunternehmen gründete..?

Von den Herzinfarkten, die die Leute, die uns das alles andrehen, bei diesem System immer wieder auslösen, habe ich dabei noch gar nicht gesprochen.

Angst #3: Arbeitslosigkeit
Deutschland ist ein Niedriglohnland. Das sagte ich vor drei Jahren dem Manager eines Herstellers von Navigationssystemen beim Mittagessen auf einer Tagung: "Warum verlagern Sie ihre Entwicklung nicht von den USA nach Deutschland? Wir sind schließlich ein Niedriglohnland mit bestens qualifizierten Ingenieuren und Informatikern." Das fasste dieser deutschgebürtige Amerikaner als Provokation auf. Heute kann er im WSJ lesen, dass ich recht hatte.
Staat und Arbeitgeber haben sich geeinigt: Wir entlasten die Unternehmen und den Staat, indem wir die Reallöhne brutto stagnieren und netto absenken. Und damit alle mitspielen, bauen wir einen neuen Bullemann namens Hartz IV auf. Ende vom Lied: Wir haben im vergangenen Jahrzehnt eine galoppierende Inflation hingenommen (Benzin, Lebensmittel, Restaurants), aber die Erhöhung unserer Einkaufspreise nicht an unsere Kunden -die Arbeitgeber - weiter gereicht. Nee, wir waren schon froh, nicht arbeitslos zu werden.
Die meisten Arbeitsplätze in Deutschland wurden im vergangenen Jahrzehnt nicht durch Verlagerung in Billiglohnländer zerstört - auch wenn der frühere FDP Politiker und DIHK Vorsitzende Braun, den deutschen Mittelständlern dazu immer wieder geraten hat. Nein, die meisten Arbeitsplätze werden in Deutschland inzwischen durch schlechtes Management (schlecht=kurzsichtig, produktfern, kundenfern, mitarbeiterfern, zahlengläubig, urteilsschwach, fantasielos, veantwortungslos) zerstört. Doch das führt bei denen überhaupt nicht zu Demut und neuer Bescheidenheit. Im Gegenteil. Die kämpfen vor Gerichten für die Auszahlungen ihrer Boni und Abfindungen.
Inzwischen droht man den abhängig Beschäftigten auch mit Google, als wäre dies ein neuer "lieber Gott", der alles sieht. Doch auch das ist eine übertriebene Angst. Man muss seine Außendarstellung nicht permanent so frisieren, dass sie sich auch unbedingt für das nächste Vorstellungsgespräch eignet, vor dem der Personaler einen googlen wird. Das findet nicht statt, ich habe das gerade selbst mehrfach ausprobiert.
Im Gegenteil: Ich werde heutzutage eher stutzig, wenn ich über einen mir vorgestellten zukünftigen Manager im Internet überhaupt nichts finde. (Dazu später mehr in einem gesonderten Beitrag.) Dieser Spruch von Google: Wenn Sie von etwas nicht wollen, dass man es über Sie herausfindet, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun, dieser Satz war ein Traumtor für alle Personalabteilungen. Daran halten muss man sich aber nicht, denn es ist ein Scheinriese.

Meine Devise lautet fortan: Zurück zum normalen, instinktgesteuerten Leben. Weniger Medienkonsum, jedenfalls was die kommerziellen Medien angeht. Denn die bedienen nicht meinen Informationshunger und Wissensdurst, sondern vor allem meine Ängste. Das Internet wird uns als Aufklärung verkauft, doch zumindest sein kommerzieller Teil ist das Gegenteil davon. Wer viel Zeitung liest und im Internet surft, wird nicht informierter, aufgeklärter und emanzipierter. Sondern im Gegenteil. Gibt sich mehrmals täglich eine Dosis Angst, die ihn zu einem fremdbestimmten Menschen macht.

Fazit: Abhängig Beschäftigte haben keinen Grund für übertriebene Bescheidenheit. Sie müssen sich vielmehr neu emanzipieren, von den sorgsam gepflegten Ängsten. Müssen ihr Leben wieder in die Gegenwart verlagern.

Es ist deshalb nahe liegend, dass uns nicht der neoliberale Zeitgeist, sondern die Emanzipation von diesem einem selbstbestimmten Leben wieder näher bringt.

PS: Einige werden Einwänden, dass es doch eher ein linkes Projekt ist, Ängste zu schüren, für deren Regelung dann ein Apparat geschaffen werden muss, der einen in noch tiefere Unmündigkeit führt. Dem stimme ich nur im zweiten Teil zu. Die Ängste selbst entstehen aber nicht aus einem solidarischen Menschenbild, sondern aus der liberalen Vorstellung des jeder gegen jeden.