Samstag, 29. Dezember 2012

Problemaufsteiger

SPD Regierungsmitglieder, die der Öffentlichkeit ihre Bestechlichkeit als Aufstieg verkaufen, verraten die Idee der Sozialdemokratie.

Ja wir fallen in vordemokratische, also wilhelminische Gesellschaftsstrukturen zurück, getrieben von den oberen fünf Prozent. Das wäre aber so ruhig nicht möglich ohne unsere Vorzeigeaufsteiger. Denn das Ideal der alten Bundesrepublik dient immer noch nicht den Aufstiegswilligen, sondern den Recruitern der Machteliten.

Sowohl an der Spitze mancher Wirtschaftsunternehmen als auch in Regierungsämtern haben wir gezeigt bekommen, wie man den Ruf des Aufsteigers ruiniert und den Gegnern einer durchlässigen Gesellschaft Argumente liefert. Da war der Herr, der die Welt AG schmieden wollte, und etwas von Shareholder-Value dozierte. Am Ende hatte er soviel Kapital vernichtet, dass ihm der größte Tagesgewinn gelang, als er seinen Rücktritt ankündigte.

Da war der Bundeskanzler, der sich -die Angebote seines Landes nutzend- nach oben arbeitete. Oben angekommen erklärte er der Schicht aus der er stammt, den kalten Krieg: "Es gibt kein Recht auf Faulheit." Nein. Aber auf Arbeit? Es gibt vor allem keinen Grund, sich siegestrunken selbst zum Maßstab für alle zu machen und womöglich zum Vorbild zu erklären.

Was läuft in den Köpfen solcher Problemaufsteiger ab?

Was ich selbst kenne ist: Wenn du der erste warst, der in deiner Familie, Verwandschaft Abitur machte und studierte, dann warst du auf dich alleine gestellt. Dann hat dich schon früh keiner wirklich verstanden, außer deiner Grundschulllehrerin. Aber immer gab es auch den einen Onkel, oder die Großmutter, die dich doch verstand, weil sie selbst mal in der Situation war, mehr zu wollen - aber dann nicht zu dürfen.

Du gehst aufs Gymnasium, machst aber deine Hausaufgaben allein. Deine Mutter kommt bei dem Stoff nicht mehr mit, sie hat auch keine Lust, ihn mit dir zu lernen. Sie hat zu tun. Du schaffst das Abi, und alle sind stolz. Stolz auf etwas, das sie aber nicht verstehen. Von dem sie aber wissen, dass dir jetzt "alle Türen offen stehen" und du mehr erreichen kannst als sie selbst. Damit meinen die meisten dann aber nicht so etwas wie Horizont oder ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben. Viele meinen damit nur: den größeren Fernseher, das größere Auto. Nicht mehr auf den Pfennig gucken. Weil du später nicht am Band oder der Drehbank oder im Lager arbeiten wirst, sondern "auf dem Büro", wo sie den ganzen Tag nur Telefonieren und am Computer sitzen..

Kann sein, dass du ein Gefühl der Isolation entwickelst, vielleicht auch einer diffusen Schuld, weil du offenbar mehr Chancen bekommen wirst, als sie, die immer nur vom Kriegsende und den Ruinen erzählt haben.

Auf dem Spielplatz wurdest du von prügelnden Nachbarskindern verfolgt. Natürlich nur von älteren. Du entwickeltest Strategien, Gewalt aus dem Wege zu gehen. Aber ganz kamst du nie drum herum. Hier legst du, nein legen sie vielleicht die Saat für deine spätere Abgrenzung, wenn es dir mal besser geht als ihnen.

Beim Bund warst du derjenige, der mit "beiden" konnte: mit den höheren Söhnen und den "Proleten". Also kamst du in die Problemgruppe und durftest den Trupp führen.

Später auf der Uni musstest du dich alleine organisieren, weil dir niemand aus Verwandtschaft und Freundeskreis helfen konnte. Deinen Traum vom Studium in Berlin oder München schiebst du vorerst auf. "Wie willst du dich denn da über Wasser halten?". Du ackerst dich durch, fragst dich, wie man sich dem vermeintlichen Studentenleben hingeben kann, wenn man nebenbei jobben muss, um nicht bis Ende zwanzig zuhause leben zu müssen. Als du dann auch anfängst, dein schon quasi immer vorhandenes Interesse für Politik auszuleben, gucken sie dich alle schief an: deine Familie, aber auch die Kommilitonen aus deinem Ingenieursstudium. Nach dem Abschluss promovieren die Guten weiter, aber du sagst -was gerne gehört wird: Ich will jetzt erst mal Geld verdienen. Und das kannst du auch, weil du schon seit dem Hauptdiplom Beziehungen in die Industrie aufbaust. Eigene natürlich, weil dich deine Familie nirgendwohin vermitteln kann.

Du trittst ins Berufsleben und denkst: Geschafft. Das verdanke ich nur mir. Und meinen Kommilitonen, oder wie du sie nennst: Studienkollegen. Du hast eine Antenne dafür entwickelt, wie man weiterkommt, wenn einem nichts geschenkt wird. Du weißt, wie man gefällt - aber auch, wie man sich dabei entfremdet. Du machst deine Sache gut ('good job!'), bekommst mehr Gehalt (mehr als du brauchst) und deine Arbeit interessiert dich.

Deine Eltern sind stolz auf dich. Erzählen gerne, was aus dir "geworden ist", haben aber nie verstanden, oder sich nie interessiert, was du jetzt machst. Für ihre Gespräche mit Nachbarn und Freunden genügt die Information, dass du "auf der Arbeit" Krawatte trägst und viel unterwegs bist. Und du erzählst gerne rum, wenn dein Chef dich lobt und du eine Gehaltserhöhung kriegst.

Du hälst die Zügel in der Hand und geniesst deine materielle Freiheit. Du hälst es für Freiheit, weil du dein eigenes Leben lebst. Und hier scheiden sich irgendwann die Geister.

Es gibt die, die die Ziele anderer verfolgen, als wären es eigene. Das Arbeiterkind glaubt an das Ethos der Leistungsgesellschaft. Es hat aber kein liberales Modell davon entwickelt, sondern eine Mischung aus protestantisch-mystischem Belohnungs- und Strafsystem und irdischem Obrigkeitsdenken. Die unbewusste Motivation ist das Lob von oben, kein innerer Maßstab. Man bekommt Zielvorgaben und entwickelt deshalb keine eigenen. Das aufsteigende Arbeiterkind will oben dazu gehören. Schulterklopfer bekommen, und das möglichst breit herum erzählen. Statusdenken bedienen.

Und diese Angebote kommen. Hast du erst auf dich aufmerksam gemacht, laden sie dich auf eine Zigarre ein und machen die Tür hinter dir zu. Machen dir Angebote. Es sind die, die anders als du wissen, dass das Leistungsprinzip bei Hofe nur ein Spiel ist, in dem man seine Rolle spielt. Den Unterschied zwischen Rolle und Persönlichkeit kennst du noch gar nicht. Aber jetzt lernst du es von den Kindern der oberen Mittelschicht und unteren Oberschicht. Die es verinnerlicht hat, danach zu fragen, was für sie drin ist, wenn sie einen Raum betritt. Erst recht, wenn man etwas von ihnen will.  Allein schon aus Selbstachtung. Dem Aufsteiger stellen sie schöne Belohnungen in Aussicht. Ein iPad, den Parkplatz, mehr Geld. Alles, was die anderen sehen lässt, dass sie dich gut (also nützlich) finden. Aber der Preis ist hoch. Nicht nur der persönliche Einsatz von Zeit und Kraft. Du wirst Menschen führen, d.h. verwerten müssen. Und aussortieren, wenn es mal nicht so läuft. (Jetzt kannst du es den Typen aus dem Sandkasten, auf dem Schulhof heimzahlen..)

Wer die Einladung in den exklusiven Club annimmt, muss die Mitgliedschaft in seinem alten Club kündigen und sich diesem als Vorbild empfehlen: "Ihr versteht, ich bin jetzt keiner mehr von euch. Ist nichts gegen euch. Ich weiß ja, dass ihr genau so handeln würdet, wenn ihr an meiner Stellt wärt." So denken die Führungsspitzen der deutschen Sozialdemokratie.

Die Denkfehler und Anmaßungen darin sind:
1. Sie halten sich für selbstbestimmt, verfolgen aber verordnete Ziele. Solange, bis ihnen die Entfremdung auf den Magen schlägt. Die Verstellung und Eitelkeit reicht sogar soweit, Menschen, die ihnen Haarfärbemittel unterstellen, juristisch zu verfolgen.
2. Sie unterstellen ihrer Umwelt den gleichen Charakterfehler, den sie selbst kultiviert haben.
3. Sie glauben ernsthaft, sie gehörten nach dem Jawort tatsächlich zum inneren und oberen Kreis.

Ein FROG sagt ja und erklärt denen, die er verlassen hat, anschließend die Welt. Zum Wohlgefallen derer, die die Einladung ausgesprochen haben. Wenn er zur Werke geht, zeigt er zuerst, dass er von keinen Sentimentalitäten mehr belastet ist und beginnt mit der Umverteilung von unten nach oben. Er saugt seine Einsichten in den Liberalismus geradezu auf. Er hält sich ja selbst auch für einen Glücksschmied. Wer kein Glücksschmied sein will, na gut, der will halt nicht. Der soll denn Willigen, den Aufsteigern, die er auf dem Schulhof belästigt hat, aber nicht auf der Tasche liegen.

Das mit den politischen Lagern rechts und links erklärt er für unmodern. Ein rhetorischer Kniff, der es ihm erspart, Position beziehen zu müssen. Modern ist, die neuen Chancen zu ergreifen, sich selbständig zu machen, an die Börse zu gehen, sich "etwas aufzubauen". Unmodern ist, sich dem Lamentieren hinzugeben, und dem Neid.

Dieser Typus stürzt irgendwann ab. Was sie für Eigenleistung hielten, war Gunst der Stunde. Das Husarenstück misslingt, es wird abgebrochen, rückgängig gemacht. Oder sie werden abgewählt. Beides natürlich ein Irrtum der Geschichte, der Gesellschaft, der Obrigkeit. Gut, gut. Die da oben sind ja nicht so, und wissen, wie viel (eigentlich: wie wenig) es braucht, um seinen Schmerz zu betäuben. Er privatisiert, gibt sich dem Weinberg oder der Schuhmanufaktur hin. Oder geht in den Aufsichtsrat. Er belästigt vielleicht noch zehn Jahre lang seine Nachfolger. Die Öffentlichkeit, die ihn eigentlich nicht vermisst, erinnert er regelmäßig daran, dass es ihn noch gibt. Wenn ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fällt, mischt er sich wieder in seine Partei, oder schickt seine Frau.

Aufsteigertum im Sinne dieser SPDler heißt, zu beweisen, dass man die SPD irgendwann nicht mehr braucht, dass das sogar das Ziel eines Aufsteigers sein muss. Sich verkaufen zu können, und das auch durchzuziehen. Von zu Hause zu wissen, dass nur unten ist, wer unten sein will. Niemandem etwas schuldig zu sein. Oder zu glauben, durch den eigenen Aufstieg schon etwas zurückgegeben zu haben: Dem Land, dem Unternehmen. Dank zu erwarten, dafür dass man hinter sich die Zugbrücke zwar hoch gezogen hatte, sie aber nun wieder ein bisschen herunterlässt. Vorgeblich, um sich mit den Bauern zu identifzieren. In Wahrheit aber aus Heimweh, aus Einsamkeit, aus Sehnsucht nach Aufmerksamkeit.

All das hat nichts mit Peer Steinbrück zu tun. Steinbrück gehört zu einer anderen Gruppe, nämlich der, die in der SPD nicht rekrutiert werden sondern, die die sie entführen.

Die Rückkehr von Platten- und Buchläden

Am zweiten Weihnachtstag fuhr ich mit dem Auto nach Dortmund und hörte Radio1. Der Moderator, ein DJ und Musikfreak alter Schule, interviewte einen anderen Musikfreak: Stell Dir vor, in England gibt es wieder Plattenläden, in die man geht, um mit seinem Musikgeschmack weiterzukommen. Das Thema iTunes habe sich allmählich erledigt.

Man wolle aus dem Musikhören wieder was Lebendiges machen, Gleichinteressierte treffen, sich Tipps vom Plattenladenbetreiber holen. (mein früherer Plattenladen in Dortmund ein: LIFE in der Dyckhoffpassage und für Bootlegs ein paar Läden im Kreuzviertel, Möllerbrücke und Umgebung.) Die Empfehlungsalgorithmen auf iTunes haben uns nicht weiter gebracht und man sei unterm iPod vereinsamt. (Zu Schul- und Unizeiten: Tüten voller Platten mitbringen, um sie Freunden zu leihen und im Gegenzug deren Tips mit nach Hause zu nehmen. Heute gilt so eine verkaufsförderende Maßnahme als Piraterie.)

Ok, iTunes legalisierte MP3s und machte Onlinemusik benutzbar. Wir sparten Regalmeter für Platten, CDs und die Stereoanlage. Im Schrank brauchen wir auch keine Reihe mehr für Fotoalben und Dias. Wir gewannen eine ganze Wand im Wohnzimmer für neue Zwecke. Und wenn mit den ebooks jetzt das gleiche passiert und danach der Fernseher durch Google Glasses ersetzt wird, brauchen wir gar kein Wohnzimmer mehr.

Dann sind wir smart. Was so viel heißt wie: Unseren Geschmack entwickeln wir anhand von Algorithmen weiter.

Und genau dann kippt es wieder um: Wir merken, dass Effizienz öde ist und einsam macht. Dann eröffnen auch in Berlin und im Ruhrgebiet wieder Buch- und Plattenläden.

Aber auch das Medium selbst wird wieder wichtig: Vinyl ist angesagt, und auch Musikcassetten. Ich ergänze: Einen alten, offenen HD-Kopfhörer von Sennheiser braucht man dann auch wieder. Der harte Bassdrumkicksound ist nicht mehr so mein Ding. Gut, dass ich unsere alten Platten, den Grundigplattenspieler und die Cantonboxen vor unserem Umzug nach Mitte damals verkauft habe..  oh, Mann.

Und auch im Radio tut sich was. Abends laufen wieder Programme mit richtigen Moderatoren, sowohl im RBB als auch bei Privaten.

Mir wird klar, dass Moderatoren und Händler für eine funktionierende Szene wichtig sind. Als Kulturkonsument brauche ich einen Reiseleiter. Ich will mich nicht komplett lenken lassen, aber ich will wissen, was es Neues gibt und was davon die Evolution meines Geschmackes sein kann. Ich bin mit meinem knappen Zeitbudget damit überfordert. Die liberale Vorstellung, ich könne meine Wahl selbst und souverän treffen, ist naiv, weil die Annahme, mir lägen dafür alle Informationen vor, falsch ist.

Hier eine gegoogelte Top10 von Berliner Plattenläden: Link

Freitag, 28. Dezember 2012

Tucholsky Kabarett im Theater BIMAH

Links neben dem Admiralspalast am Bahnhof Friedrichstrasse gibt es ein kleines Theater. Es heißt "Jüdisches Theater Bimah".

im Dezember steht dort ein "Kurt Tucholsky Kabarett" auf dem Programm. Eine sehr gute Idee, dachte ich, und kaufte zwei Tickets. Tucho stand bei uns in diesem Jahr sowieso ganz oben auf dem Programm: Besuch im Museum in  Rheinsberg, die Entdeckung der "Weltbühne" und all die Erkenntnisse, wie sehr unsere Zeit den Weimarer Jahren ähnelt. Tucholsky-"Fans" wissen: Man muss in seinen Werken und Schriften nur wenig aktualisieren - z.B. die Offiziere durch Banker ersetzen- dann passt es 1:1 auf die heutige Zeit. 

Und ein Kabarettabend, das muss ja noch besser sein: Man freut sich auf bissige Kommentare, Adaptionen, Dialoge, Ironie etc., also das, wonach es einem als Zeitungsleser, abhängig Beschäftigten und SPD-Mitglied dürstet.

Mit dem Anliegen von Intendant Dan Lahav, den Berlinern die jüdische Kultur näher zu bringen (Link), freundet man mich sowieso an, wenn man es nicht schon ist. 

So gingen wir also gestern Abend mit Vorfreude dahin. 

Mit der Glocke wird zum Einlass geläutet. Der Intendant selbst reißt die Karten ab und begrüßt jeden einzelnen Gast persönlich. Was will man mehr? :-)

Im Theater: Kronleuchter beleuchten die Stuhlreihen. Auf der Bühne ein roter Vorhang, davor ein altes Sofa, Stuhl, ein Lesetisch, eine alte Stehlampe und ein Klavier.

Es treten auf: der Kabarettist (Link) und seine Klavierbegleiterin. Jetzt geht's los! - denken wir. Und es geht wirklich los. Mit bekannten Werken. Die er rezitiert, in Kapitel einteilt, aneinander reiht, als Lieder intoniert. Mehr aber auch nicht. Er erklärt uns, dass es die Weltbühne gab. Das wissen wir schon. So, wie manches andere. Wir sind doch nicht hier, weil wir Tucholsky lernen wollen, sondern weil wir ihn uns als unser Sprachrohr in die heutige Zeit wünschen. Ihn und seine Weltbühne- und andere Kollegen. Doch hier bekomme ich ein leises Gefühl, in einem Weiterbildungsabend für Touristen gelandet zu sein (Entschuldigung).  Dann wieder ein Gedicht. "Das Beste am Sonntag, ist der Sonnabend-Abend davor." Dann singt er "Augen in der Großstadt". Und da wird mir nun glasklar, was mich an der Vorstellung heute Abend stört:

Udo Lindenberg verrockte genau dieses Stück 1987. Und zwar mit einer eigenen Haltung und Position, in der die Melancholie und leise Verzweiflung Tucholskys zum Ausdruck kam, in der Großstadt nie allein zu sein, aber einsam zu bleiben. Ich kann "Augen in der Großstadt" nicht mehr lesen, ohne Udos Melodie und Stimme zu hören. Darin liegt die Kunst, ein Stück zu "covern", in eine Form zu bringen, Leben einzuhauchen usw. Der Text, die Musik, die Performance.

Man kann es aber auch zurückhaltend in-den-Raum-stellend mit einer Ihr-müsst-wissen-was-ihr-damit-macht Haltung (und ob ihr etwas damit macht) bringen. Und mir wird klar, was diesem Kabarettabend fehlt: Lebendigkeit, Committment, Provokation, die Adaption auf unsere Zeit, die Parallelen, die Unterschiede. Chance vertan. Für einen Moment denke ich: "Bleiben oder gehen?"

Dann ist Pause. Wir gehen ins Foyer. Da die Bar und die Toiletten rechts liegen, fällt auf, wie viele Gäste nach links, Richtung Ausgang abwandern. Wir unterhalten uns am Stehtisch, wie es uns gefällt, beziehungsweise nicht gefällt. Dann der Satz: "Dann können wir ja auch gehen." In dem hören wir einen älteren Herrn zum Intendanten sagen "... und das finden Sie gut?" Aha, wir sind nicht die einzigen. Das war der letzte Ruck, wir gehen. 

An der Garderobe steht wieder der Intendant. Der Garderobenmann reicht uns die Jacken und fragt "Ihr kommt aber wieder, oder..?" Etwas pikiert, uns so direkt zu fragen, reichen wir ihm eine Ausrede. Die Herren schauen einander ungläubig an.

Hätten sie uns gefragt "warum", hätte ich es ihnen gesagt. So aber fühlte ich mich ein bisschen herausgefordert und sagte nichts (im Nachhinein ein Fehler von beiden Seiten..). 

Raus auf die Friedrichstrasse, Einkehr im Fritz. Und dann eine Flut von eigenen Gedanken, was wir von einem Tucholsky Kabarett erwarten würden. Ironie, Selbstironie. Provokation. Es kann nicht bei gedämpfter Pianomusik und Stubengesang bleiben. Da muss was kommen. Fast könnte man sagen, der Künstler hat genau so leise getreten, wie es auch Tucho stets ein Unbehagen war. 

Trotz der Enttäuschung waren wir nicht zum letzten mal in diesem Theater. Die jüdische Kultur, all die Werke der großen Meister die passen heute wieder so gut. Die muss man bringen. Und man darf dabei für meinen Geschmack genau so forsch, ironisch, feinsinnig sein, wie sie gemeint waren. Und man darf sie aus einer eigenen Haltung bringen und ihnen einen Stempel aufdrücken. Man schaue nur auf Max Raabe, das müsste eigentlich Ermutigung genug sein.

Dienstag, 25. Dezember 2012

Drei Geister für Wowi

Meine folgende Weihnachtsgeschichte haben die Ruhrbarone.de freundlicherweise am Hl. Abend als Gastbeitrag zu ihrer Reihe "Arm, aber sexy - was kann das Ruhrgebiet von Berlin lernen?" gepostet :-)

Klaus Wowereit könnte heute Nacht Besuch von drei Geistern bekommen. Der von der vergangenen Weihnacht zeigt ihm dann Berlin 2001, in dem wir noch arm, aber sexy waren. Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht erzählt vom Allzeithoch der Grunderwerbsteuereinnahmen (Dank an die EURO Krise und Rettungspakete!) und dem Allzeittief deutscher Projektplanung in Schönefeld. Eigentlich ein Unentschieden, aber nach dem Tiefschlag der Tip Redaktion ihn zum peinlichsten Berliner 2012 auszurufen und dem letzten Platz im Armutsbericht eine gefühlte Niederlage. Das törnt ab. Sind wir jetzt alle „planlos und kraftlos, also unsexy“? Deshalb wird Klaus W. die künftige Weihnacht nicht mehr interessieren. Er kuriert lieber seinen Kater aus und rekapituliert, wie das alles anfing.  (Weiter geht es bei den Ruhrbaronen..)

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Die Melancholia Flugbahn

Bekanntlich steht uns die letzte Nacht auf der Erde bevor.
Hier die berechnete Flugbahn von Melancholia:


Sonntag, 16. Dezember 2012

Was kostet ein Porsche?



Wünsch Dir was. Wann, wenn nicht vor Weihnachten? Flüchte in Qualität, morgen bricht der Euro zusammen. Mit diesem Alibi ab zum Schaufenster bei Porsche. Ich hab mal abgesurft, was die Sportgeräte so kosten - kurz vor dem Crash.

Beginnen wir dem Heckmotortyp, der nächstes Jahr seinen 50. feiern wird:

911
Neupreise (mit Navi)
Basisversion Carrera, 350 PS:             92.000 EUR
Carrera Turbo, 500 PS:                     150.000 EUR
Carrera Cabrio startet bei:                 100.500 EUR

Ganz recht: Ein neuer Elfer kostet soviel wie eine Single-Altbauwohnung am Ku'damm. Aber muss es ein Neuer sein? Was kosten die Gebrauchten? Und sind die alten nicht schöner?

Gebrauchte von Porsche Zentren:
Günstigstes Angebot: 911 Carrera 4 (also Allrad) Cabrio, Bj. 99:   18.750 EUR
1 weiteres Angebot unter 20.000, dann noch 12 Angebote zw. 20 und 30.000 EUR.

Ältestes Modell : 911 Cabrio, Bj. 88:    42.800 EUR

Ich erinnere mich, bei Lundt in Steglitz waren die aufgepeppten 911 aus den Sierbzigern und Achtzigern alle für 30.000 plus x im Angebot. Wer soviel hinblättert, kann dann erst einmal eine Weile fahren. Also: Es muss kein neuer Neunelfer sein. Muss es denn überhaupt eine "Heckschleuder" sein? Viel eher passten doch schon immer die ausgeglichenen Typen in die Philosophie von Porsche:

Mittelmotortypen:
Neupreise mit Navi:
Basis Boxster (Roadster, Typ 981), 265 PS:     52.000 EUR
Basis Cayman (Coupe), 275 PS:                       55.000 EUR

Gebrauchte von Porsche:
Boxster
Produktionsstart 1996 als Typ 986 mit 2,5l Motor, 204 PS.
Ab 2000 aufgewertet auf 2,7l Motor mit 220 PS.
Günstigstes Angebot: Bj. 02:                                            14.900 EUR
Insgesamt gibt es 12 Angebote unter 20.000 EUR - bemerkenswert. 
Die zweite Serie (ab 2005, Typ 987, 240 PS) gibt es ab:  23.000 EUR

Den mit dem Motor des Cayman 2007 (245 PS) aufgewerteten 987 gibt es ab: 25.000 EUR
2009 gab es eine erneut modellgepflegte Version mit 255 PS. Zu haben ab:     30.000 EUR

Ein gebrauchter Boxster muss also kein Luxus mehr sein. Der Boxster ist ein sehr geräumiger Roadster. Er ist der einzige Roadster, in dem ich nicht die Beine anziehen muss. Was mich trotzdem stört: Ab 100km/h muss ich ich mich ducken, weil der Fahrtwind zu stark wird. Aber so ist das eben: Entweder sitzt man tief hinter Glas, oder man ist näher dran.

Cayman
Günstigstes Angebot: Bj. 06 (Typ 987c, 245 PS):  25.490 EUR
Es gibt insgesamt 8 Cayman Angebote unter 30.000 EUR.
Das Facelift von 2009 (265 PS) gibt es ab:            30.000 EUR

Der Cayman ist (neben dem Panamera) das Modell, das ich noch nicht Probe gefahren bin. Ich finde ihn aber Porsche-typischer als den 911, weil er auf Performance durch Gestaltung (Mittelmotor erlaubt schnellere Kurvenfahrt) statt Leistung konstruiert ist.

Frontmotortypen:
Neupreise:
Cayenne (SUV) mit Navi:
Basisversion, 300 PS:        62.000 EUR
Diesel, 245 PS:                  65.000 EUR
S Hybrid, 380 PS:             85.000 EUR
Turbo S, 550 PS:             152.000 EUR

Der 6-Zylinder Diesel ist der Bestseller, er wäre auch mein Favorit. Sein Normverbrauch liegt mit 7,2 l/100km einen Liter unter dem Hybrid, dabei ist er 20.000 EUR günstiger als dieser. Dafür bietet der Hybrid mehr Drehmoment und Höchstgeschwindigkeit. Ich bin den Cayenne Diesel selbst gefahren. Er hat mit 550 Nm ein starkes Drehmoment (Hybrid: 580 Nm). Die Höchstgeschwindigkeit ist mit ca. 220km/h (Hybrid: 242) ausgeschöpft, das finde ich allerdings völlig ausreichend. Ich finde es erstaunlich, wie viel Performance Porsche aus 245 PS in einem 2,1 Tonnen schweren SUV bei so geringem Verbrauch zaubert. Wobei man sagen muss: Der Motor (Hardware) stammt von Audi.

Geradezu brachiale Werte bietet der 8-Zylinder Turbo S: 750 Nm, 283 km/h.

Gebrauchte von Porsche:
Günstigstes Angebot: S Tiptronic, Bj. 06:         15.000 EUR
Es folgen 16 weitere Angebote unter 20.000 EUR.
Interessanter sind die Modelljahre ab März 2007, da der Verbrauch um etwa 8% gesenkt und die Leistungen um 45 - 50 PS gesteigert wurden. Die Modelle von 2002 bis 2006 waren die, die mit ihrem Verbrauch Negativschlagzeilen machten.
Angebote ab 2007 ab:                                        30.000 EUR
Den Diesel gibt es seit 2009. Angebote ab:        38.500 EUR


Panamera (4-Türer) mit Navi:
Basisversion, 300 PS:                                         81.000 EUR
Turbo S, 550 PS, mit Navi:                              169.000 EUR

Günstigstes Angebot Panamera: S, Bj. 06:         55.650 EUR

Gebrauchte Frontmotor 4 Zylinder:
944 Turbo, 250 PS, Bj. 90:                                35.880 EUR
Da staune ich...

Mobile.de
Boxster
Angebote: 2078
Einstiegspreise für Modelle aus der ersten Serie: 8.000 EUR

Aber Vorsicht: Unter 15.000 EUR wäre ich sehr misstrauisch.

924 2.0l, 125 PS
Angebote: 74.
Preisrange:
Günstigstes Angebot:                                     1.300 EUR
Angebotspanne:                                 2.000 - 9.000 EUR
Sondermodell "Le Mans", Bj. 81:                13.600 EUR
Sondermodell "Martini", Bj. 77:                  32.900 EUR
Zwischen den Preismarken ist alles möglich. Ich erinnere mich, dass man die Sondermodelle noch vor wenigen Jahren quasi im Vorbeigehen mitnehmen konnte. Entweder sind sie entdeckt worden, oder es ist viel Geld in Restaurierungen geflossen. Bildschön ist vor allem der "Martini" allemal.

924 Turbo, ab 170 PS
Angebote: 16
Preisrange:
Günstigstes Angebot: Bj. 80 (100.000km):                3.300 EUR
Teuerstes Angebot: Bj. 79 (6.100km):                     37.500 EUR
Hier ziehen die Preise in den letzten Jahren deutlich an. Erstens haben nur wenige Modelle überlebt, den Turbo muss man fahren und warten können. Zweitens sind besonders die zweifarbigen Modelle auch optisch besonders schick.

924 S, ab 150 PS
Angebote: 25
Günstigstes Angebot: Bj. 88 (150.000km):                 2.450 EUR
Angebotsspanne:                                           3.000 - 12.000 EUR
Teuerstes Angebot: Targa, Bj. 88 (109.000km):       13.500 EUR
Kleines Angebot trifft hier auf kleine Nachfrage. Sollte er je "entdeckt" werden, werden die Preise wegen der nur noch kleinen Stückzahl sicher anziehen.

944, ab 150 PS
Angebote: 203
Angebotsspanne:                                             4.000 - 20.000 EUR
S2 Cabrio:                                                               ab 15.000 EUR
Die erste Serie wurde von 1981 bis 1991 gebaut.
Bis 1987 hatte dieser 2,5l Motor  ohne Kat 160, mit nur 150 PS. Danach wurden die Leistungen vereinheitlicht.
1986 kam der 944 S mit Vierventiltechnik, die die Leistung auf 190 PS hochschraubte.
1988 wurde für den 944 S2 der Hubraum auf 3,0l erhöht, die Leistung auf 211 PS.
Der 944 Turbo hat bis 1988 220 PS. 1988 gab es eine limitierte Turbo S Serie mit 250 PS und einigen Übernahmen des Porsche Cup Fahrzeugs. Ab 1989 hatte auch der "normale" 944 Turbo 250 PS.
Das sog. S2 Cabrio wurde von 1989 bis 1991 gebaut, Stückzahl: 7.000
Teuerste Angebote:
Turbo, Bj. 90, (250 PS, 84.000km, Berlin):           s.o.: 35.880 EUR
Turbo GTR (Rennwagen), Bj. 88, 460 PS:                   78.900 EUR
noch 3 weitere Angebote ab 30.000 EUR,
12 Angebote zw. 20 und 30.000 EUR

Fazit:
Die Preise für die frühen Boxster bis zum Bj. 04 fallen merklich. Man muss hier keine 20.000 EUR hinblättern, um einen offenen Porsche fahren zu können. Kenner empfehlen: frühestens ab Modelljahr 2000 zuzugreifen. Wenn es geht: Modelljahr 2005. Ein Mitglied unseres Stammtisches ist neulich den neuen Boxster Probe gefahren. Er bekam das Grinsen nicht aus dem Gesicht und wirkte merklich jünger :-) Vor allem vom Doppelkupplungsgetriebe war er begeistert.

Die Preise für die Klassiker 924 (drei Jahre hintereinander auf Platz 3 der stärksten Wertzuwächse) und 944 steigen. Besonders schnell bei gut erhaltenen 924 2,0l Turbos, 2,0l Sondermodelle und 944er inkl. Cabrios.
Nach wie vor zeigen die Porsche Zentren allerdings wenig Interesse an diesen Modellen, weil die Szene hier immer noch klein ist. Interessenten müssen sich deshalb in die Fahrerszene einarbeiten und Kontakte knüpfen. Ich bin selbst Mitglied eines losen Stammtisches und weiß von niemandem, der derzeit verkaufen will. Deshalb würde ich den Angeboten auf Onlineportalen tendenziell kritisch begegnen und einen Kenner mit zur Probefahrt nehmen.

Quellen:
www.porsche.de
www.mobile.de

Samstag, 15. Dezember 2012

Petition für eine Reform des §13, Eisenbahnverkehrsordnung

Viele Fernverbindungen der Deutschen Bahn sind chronisch überfüllt. Ich fahre das ganze Jahr über immer die gleiche Strecke Berlin - Wolfsburg, zu verschiedenen Uhrzeiten. Mit ICE und IC. Meine Erfahrung: Egal, wann man fährt, die Züge sind -man muss sagen: planmäßig- überfüllt. Das gilt zumindest für die 2. Kl. Wer beim Einstieg nicht dreist genug gedrängelt hat, hat meist keine Chance auf einen Sitzplatz. Reiseprofis bleiben beim Einstieg meist an der Tür stehen und setzen sich hier, wo man niemandem im Weg sitzt, auf den Boden. Allerdings ist das im Winter das Abo für permanente Erkältungen.

Nicht selten habe ich Zugchefs gefragt, ob ich mich kulanterweise in die 1. Kl. setzen kann. Denn dort sind immer reichlich freie Plätze vorhanden. Antwort der meisten männlichen Zugchefs: Nein, darauf habe ich keinen Anspruch. Antwort von ca. jeder zweiten Zugchefin: Ja, aber behalten Sie es für sich.

Als Bahncard100 Nutzer ist man Stammkunde. Von jedem anderen Unternehmen ist man es gewohnt, einen Ausgleich zu bekommen, wenn die Lieferung oder Leistung schlecht ist. Die Bahn hingegen blockt hart ab. Mit Verweis auf die Gesetzeslage. Die genaue Stelle konnte mir aber nie jemand nennen. Erst neulich auf Twitter machte mich ein früherer Kollege auf die Stelle aufmerksam:

In der 1938 von Nazis verfassten, sog. Eisenbahn-Verkehrsordnung EVO (Quelle) heißt es:

§ 13 Unterbringung der Reisenden 
(1) Der Reisende hat Anspruch auf Beförderung in der Klasse, auf die sein Fahrausweis lautet. Ein Anspruch auf einen Sitzplatz oder aufUnterbringung in der 1. Klasse bei Platzmangel in der 2. Klasse besteht nicht. Der Tarif kann Ausnahmen zulassen. Das Eisenbahnpersonal ist berechtigt, den Reisenden Plätze anzuweisen. Auf Verlangen der Reisenden ist es verpflichtet, für deren Unterbringung zu sorgen. 
(2) Der Reisende hat keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn er keinen Sitzplatz findet und ihm keiner angewiesen werden kann.

Dieser Paragraph bewirkt zweierlei:
1.) Überlegung = Reiner Profit
Er gibt dem Bahn Management einen Freifahrtschein bei der Kapazitätsplanung. So wie auf der Strecke  Berlin - Hannover nachgewiesenermaßen kann die Bahn überall mit Unterdeckung arbeiten. Sie verkauft mehr Fahrkarten als Plätze vorhanden sind - und zwar wissentlich, denn ihre Informationstechnik gibt das längst her. Zu den 70 Sitzplätzen eines ICE Großraumwagens kommen auf der Strecke Berlin - Hannover zwischen 5 und -zu Spitzenzeiten gezählt: 20 stehende Fahrgäste. Diese 7 bis 28% zusätzlicher Umsatz wirken für die Bahn als reiner Profit, weil ihnen keine Kosten für Kapazitäten entgegenstehen. Kein Wunder, dass die Bahn glänzende Geschäftszahlen meldet.

2.) Steigende Reservierungskosten
Es ist die Grundlage für das Geschäftsmodell mit Reservierungen. Anfangs gab es sie für Onlinekunden gratis, inzwischen nimmt die Bahn sage und schreibe 4 EUR für eine Platzreservierung in der 2. Kl. - pro Strecke.

Der §13 gehört abgeschafft oder stark überarbeitet. Er muss so umformuliert werden, dass die Bahn einen Malus erfährt, wenn sie ICEs und ICs planmäßig überfüllt, bzw. mit Unterkapazitäten arbeitet. Es muss ausnahmsweise erlaubt sein, nicht allen Fahrgästen einen Sitzplatz anbieten zu können. Die Sitzplatzreservierung muss im Preis begrenzt werden, mindestens halbiert werden und nur die Funktion erfüllen, zwischen Fenster und Gang sowie Großraum und Abteil wählen zu können, solange möglich.
Ferner muss der Fahrgast einen Entschädigungsanspruch haben, wenn er keinen Sitzplatz in seiner Wagenklasse findet. Mindestens muss ihm ein Sitzplatz in der 1. Kl. angeboten werden.

Nur so kann man Druck auf das Bahnmanagement aufbauen, für nachfragegemäße Kapazitäten zu sorgen.

Neuvorschlag für den §13:

§ 13 Unterbringung der Reisenden 
(1) Der Reisende hat Anspruch auf Beförderung in der Klasse, auf die sein Fahrausweis lautet. Der Reisende hat grundsätzlich einen Anspruch auf einen Sitzplatz in der Wagenklasse seines Fahrausweises. Bei Überbelegung der 2. Klasse muss ihm das Eisenbahnpersonal ohne Mehrkosten einen Sitzplatz in der 1. Klasse anbieten.Ein Anspruch auf einen Sitzplatz oder auf Unterbringung in der 1. Klasse bei Platzmangel in der 2. Klasse besteht nicht. Der Tarif kann Ausnahmen zulassen. Das Eisenbahnpersonal ist berechtigt, den Reisenden Plätze anzuweisen. Auf Verlangen der Reisenden ist es verpflichtet, für deren Unterbringung zu sorgen. 
(2) Der Reisende hat einen Anspruch auf Entschädigung, wenn er keinen Sitzplatz findet und ihm weder in der 1. Klasse noch der 2. Klasse einer angewiesen werden kann.
Diesen Vorschlag habe ich als e-Petition an den Bundestag eingebracht. Derzeit wird sie geprüft und ich hoffe, in kürze veröffentlicht.

UPDATE 19.12.2012
Auf Twitter bekam ich von @Elektronews den Hinweis, dass die EVO von den Nazis in Kraft erlassen wurde. Deshalb atmet sie auch diesen Geist, der den Fahrgast der Bahn zu einem fast rechtlosen Untertan macht. Beförderungsbedingungen von Bahnen regelt der Bund auch heute noch an den sonst gültigen Verbraucherrechten vorbei. Interessanter Hintergrundartikel bei Der-Fahrgast.de (Pro- Bahn): Link

Sonntag, 9. Dezember 2012

Erfahrungen mit Telekom Entertain (UPDATE 15.12.)


Als unser Hausvertrag mit Kabel Deutschland über Kabelfernsehen auslief, hörten wir von so viel schlechten Erfahrungen mit Individualverträgen, dass wir zur Telekom wechselten: Einmal das volle Programm von "Entertain". Und da ich in BvB Doublejubelstimmung war, das LIGA Total Paket noch oben drauf. 

Ein bisschen skeptisch war ich, ob das technisch funktioniert, weil wir eine WLAN Strecke zwischen WLAN Router und Medienreceiver schalten mussten, die sog. "WLAN Bridge". 
Aber siehe da: Es funktionierte alles auf anhieb. Und zwar überpünktlich. Da hat sich die Telekom unter Herrn Obermann dramatisch verbessert. 

Wir zahlen für das Gesamtpaket nur wenig mehr als vorher für das Highspeed Paket mit allen Flatrates. 

Dafür bekamen wir:
  • VDSL50 Anschluss,
  • Entertain Comfort inkl. mehrere HD-Sender, TV-Archiv, Videorekorder, Videothek,
  • LIGA Total, Fussball Bundesliga, mit Archiv, individueller Konferenzschaltung,
  • Media Receiver, wird zwischen WLAN Router (bzw. WLAN Bridge) und Fernseher (HDMI) geschaltet,
  • Einen neuen WLAN Router.
Das ganze ließ sich ohne einen einzigen Anruf im Callcenter in Betrieb nehmen. Dafür gebe ich eine 1+.

In der vergangenen Woche aber dann ein Rückschlag. Nicht von sehr hoher Bedeutung, eigentlich nur, weil er bei mir viel Lauferei ausgelöst hat, ohne zu einem Ergebnis zu führen.

Das lief so:
Ich bekomme vor zwei Wochen einen Promotion-Gutschein im Wert von 5 EUR für die Videothek zugemailt.
Wir wollen den Gutschein Samstagabends einlösen. Für den Film "Drive". Der Film ist im Angebot, ich wähle ihn aus, dabei gebe ich den Gutscheincode ein.
Danach werde ich überraschend nach einer "Erwachsenen PIN" gefragt. Nie davon gehört, habe ich nicht.

Der Gutschein ist verbraucht. Antwort vom Callcenter: "Da müssen sie in den T-Shop." Also am Montag. Dann kommt eine Email vom Callcenter mit einem Post IDENT Formular: Bitte die Volljährigkeitsbestätigung bei der Post abholen. 

Ich stehe Montagabend in der Mitte Berlins um viertel vor sieben vor einer großen Postfiliale. Sie ist hell erleuchtet. Aber geschlossen.  Am nächsten Abend bin ich wieder spät dran, deshalb will ich es direkt im T-Shop probieren. Doch leider ist der überfüllt, ich ziehe von dannen.
Freitagabend dann endlich Glück: Der T-Shop ist frei, ich erfahre: Das kann ich auch im T-Shop abwickeln, ohne Post. Gestern Abend dann wieder versucht den Gutschein einzulösen. Leider vergeblich: Fehlermeldung vom System. 

Ich habe jetzt keine Lust mehr. 

Ich frage mich:
Warum weiß die Telekom nicht, dass ich erwachsen bin? Ich bin immerhin Vertragspartner.
Warum wird erst der Gutschein verbraucht und dann geprüft, ob ich das durfte?
Warum werde ich zur Post geschickt, obwohl das nicht nötig ist?

UPDATE: 15.12.2012
Alte Regel: Was funktioniert, sollte man nie öffentlich loben. Seit dieser Woche haben wir massive Probleme mit dem Media Receiver: Nachts trennen wir alle Standby-Geräte vom Netz. Seit neuestem fährt der Media Receiver nur nach dem dritten oder vierten Versuch hoch und funktioniert. Danach: Fehlercode 0, wenn man versucht, eine Funktion aus dem Menü auszuwählen.
Die Lösung: Wir hatten vor kurzem eine DVD Kompaktanlage über den zweiten HDMI Port angeschlossen. Wenn wir den wieder entfernen, fährt der Media Receiver wieder hoch. Jedenfalls bis jetzt. Aber jetzt habe ich etwas positives gepostet, mal sehen wie lange es hält..

Freitag, 7. Dezember 2012

Ab in die Cloud?

In der IT-Welt ist das Cloudcomputing das nächste große Ding. User gehen mit verschiedenen Geräten ins Netz (LAN, Internet) und immer häufiger drahtlos. Warum also nicht eine IT-Umgebung aufbauen, die das unterstützt?

Das anschaulichste Beispiel für Privatanwender bietet Apple: Du kannst auf dem iPad unterwegs weitersurfen, wo Du mit dem Rechner aufgehört hast. Ebenso kannst Du den Song weiterhören, wenn Du das Gerät wechselst.

Auch in Unternehmen kann man so einen Dienst gebrauchen, weil wir hier im Übergang vom Notebook zu Tablets und Smartphones sind und derzeit beides benutzen. Ich will z.B. im Zug hauptsächlich weg-lesen, wovon ich im Büro abgehalten wurde. Da brauche ich keine 2,5kg Eisenkugel, sondern etwas, was in die Manteltasche passt. Aber es soll den aktuellen Stand aller Dokumente haben, ohne dass ich dafür Knöpfe drücken und warten muss.

Die Cloud bringt aber auch jede Menge Risiken mit sich. Unternehmen wissen das und zögern, ihre Unternehmensdaten in eine Cloud zu verlagern, die "bequem und zuvorkommend" zugänglich ist.

Privatanwender und Kulturschaffende sollte sich auch Gedanken machen. Wer seine Bücher, Fotos oder Musik- und Videosammlung nicht mehr lokal halten sondern bei Bedarf aus der Cloud beziehen will, verändert Welten. Seine eigene und unsere:

Eigene Welt:
  • Schon beim klassischen iTunes, von dem man Songs und Bücher auf den Rechner herunterkopiert, fungiert Apple als Zensor - nennt es aber euphemistisch: "Kurator". In der Papierwelt und im bisherigen Internet les ich die Zeitungen, die ich will. Bei Apple, nur was der "Kurator" für unbedenklich hält. Nun haben Unternehmen selten besondere kulturelle oder religlöse Interessen, aber sie wollen auch keinen Ärger und sie kommen mit dem Mainstreamgeschmack allein auch gut zurecht.
  • Was Du auf dem Rechner hast, kann Dir keiner mehr wegnehmen. Streamen kannst Du aber nur solange, wie Dein "Kurator" Deinen Medienkonsum für unbedenklich hält...
  • Wenn Du leihst statt kaufst, läuft im Hintergrund oft ein Zähler und irgendwann hast Du Dein Kontingent aus dem Kleingedruckten erschöpft.
Unsere Welt:
  • In der alten Welt werden Kulturgüter in weltweit verteilten Kopien vorgehalten und verfügbar gemacht. Ein "Kurator" allein kann ein Werk nicht aus der Welt schaffen. Doch inzwischen gibt es manche Kunstwerke nur auf dem Rechner des Künstlers und dem Server des Cloudbetreibers. Das Kulturgut im öffentlichen Bewusstsein hängt am guten Willen eines Anbieters. Wir haben es versäumt, Archive zu schaffen. 
  • Weil wir keine Archive geschaffen haben, ist schon jetzt das Aussehen des Web 1.0 kaum noch im Bewusstsein: Die Websites der New Economy, viele Foren und Umgebungen - alles weg.
Wer ein "kuratiertes" Programm will, hat heute Radio und Fernsehen. Da ist klar, wer bestimmt und filtert. Sollen wir aber das Web zum gleichen Modell umbauen, nur weil es bequem ist?

Das Zeitungssterben zeigt, wie schwer es Medienanbieter haben, im Internet auf eigene Faust zu bestehen. Sie sind auf Gönner angewiesen, wie z.B. die FTD, die aber mit dem heutigen Tag die Geduld ihres Verlages erschöpft hat. 

Es ist ein bisschen wie mit der "Kuratierung" unserer täglichen Einkäufe. Es gibt immer weniger Läden, die Unikate sind und auf eigene Faust bestehen. Dafür immer mehr "Kuratoren", die Arkaden und Citygalerien betreiben und irgendwie über die Auswahl bestimmen, die wir darin haben. Mit der Zeit ist das weltweit uniform zum unbedenklichen, aber langweiligen Standardprogramm geworden.

Das will ich nicht auch für Medien. Auch wenn das Geld kostet und unkomfortabler ist.

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Wie man die Bahnfahrt übersteht

Buch Lesen? - Zu anstrengend.
Zeitung lesen? - Geht.
Musik hören? - Nervt die anderen.
Podcasts hören? - Geht am besten.

Das Angebot an Podcasts ist breiter als das Zeitungsangebot. Man kann sich auf dem Laufenden halten. Tagesaktuell oder mal eine Hintergrundstory. Ich staune oft, wie viel Qualität z.B. in Hintergrundberichten vom Dradio steckt. Das erspart mir viel Zeitungslektüre und natürlich die Abendnachrichten im Fernsehen.

Aber auch Entspannen kann man mit Podcasts sehr gut. Z.B. Kabarett vom WDR: Die "Zugabe" habe ich inzwischen abonniert. Der Tip kam von jemanden, dem ich auf Twitter folge.

Ich habe auch Musik auf meinem iPod. Aber meist vertue ich mich mit der Einschätzung, welche Musik ich morgen hören will. Was nicht mehr funktioniert: Der Glaube, dass ich mich mit Musik gezielt in eine bestimmte Stimmung oder Motivation versetzen kann. Das gelingt nur selten. Meistens ist es umgekehrt: Ich suche Musik passend zu meiner Stimmung. Und ich kann Minuten damit verbringen, mich zu einem bestimmten Song durchzuklicken. Da ist der Fußweg vom Bahnhof zum Bus oft schon erledigt.

Lesen bietet sich auf den ersten Blick am meisten an: Addiert man die Stunden, die man jährlich im Zug verbringt, meint man, locker nebenbei ein Fernstudium absolvieren zu können. Aber meistens bin ich dazu zu müde. Lesen, um etwas zu lernen und zu behalten, erfordert Aufmerksamkeit und Energie. Als Pendler muss man genau damit mehr haushalten als andere. Deshalb lese ich, wenn, nur Sachen, die mich genau jetzt interessieren oder zerstreuen und entspannen.



Dienstag, 4. Dezember 2012

Was Berlin-Wolfsburg-Pendler so mitmachen

Ich mache es seit sechs Jahren. Früher nur zwei oder drei Tage die Woche. Seit einigen Monaten täglich. Und ich muss sagen: Es wird schwieriger. Meine Güte, sind wir alle tapfer. "Wir", das sind inzwischen einige hundert Berliner, die täglich mit der BahnCard100 zur Arbeit nach WOB pendeln.

Doch das Pendeln mit der Deutschen Bahn bedeutet echte Einbuße von Lebensqualität:

1. Tägliche, planmäßige Überfüllung
Mit Glück bekommt man einen Sitzplatz auf dem Boden an der ICE-Tür (wenn man nicht täglich 8 EURO für Reservierungen ausgeben will).

Die Gründe für die Überfüllung auf dieser Strecke: Die Wagenkonfiguration. Vorne werden leere 1. Klasse Waggons mitgeführt. Hinten gibt es zu wenig 2. Klasse Waggons. Wir hätten alle mühelos Platz, wenn die Bahn ihre ICEs nach der tatsächlichen Nachfrage konfigurieren würde. Aber sie schlägt viel lieber Kapital aus der Verknappung: Die Nachfrage nach Reservierungen treibt deren Preise. Als das Onlineticket eingeführt wurde, kostete die Reservierung nichts. Dann nahmen Mehdorn und Homburg 2,50 EUR pro Strecke. inzwischen sind sie bei sage und schreibe 4 EUR (8 DM!) angelangt.
Der zweite Grund für die Überfüllung der ICEs zwischen Berlin und Wolfsburg gilt für jeden zweiten ICE auf dieser Strecke: Ins Rheinland bindet die Bahn zwei Teil-ICEs aneinander, die sie in Hamm teilt. Auf der gesamten Zuglänge werden damit 1 Speisewagen und 2 Triebwagen mehr eingesetzt. Würde die Bahn die Strecken Richtung Köln und Düsseldorf mit eigenen, kompletten Zügen fahren, könnten diese also 3 Waggons der 2. Klasse mehr mitführen. Den Bedarf für einen zusätzlichen Zug gibt es locker.

Inzwischen weiß ich mehr über die Prozesse des Fernverkehrs der Bahn als die in Wolfsburg. Verantwortlich für die Zugkonfiguration ist das Flottenmanagement in Frankfurt. Angeblich erfolgt es auf Basis der Verkaufszahlen und der Meldungen der Zugchefs über die tatsächliche Aus- bzw. Überlastung entlang der Strecke. Aber Anpassungen an den tatsächlichen Bedarf dauern, weil das Eisenbahnbundesamt die Betriebserlaubnis für einen ICE angeblich immer nur für eine Konfiguration erteilt. Mal eben die Kapazitäten an den Bedarf anzupassen, das geht so nicht..

Gestern habe ich mal gezählt: Pro Waggon waren es 15 bis 20 Leute, die auf dem Boden saßen. 70 SItzplätze hat so ein Waggon. Die fast 130% ige Auslastung beschert dem Bahnvorstand Ulrich Homburg einen satten Profit (und Bonus?).

2. Verspätungen
Das zweite Ärgernis für Pendler sind die fast täglichen Verspätungen. In letzter Zeit gehen diese auch schon mal in mehrere Stunden, z.B. wenn eine Oberleitung abgerissen wird oder das Stellwerk in Spandau wegen Stromausfall ausfällt. Und wie immer gibt es dann nicht nur keine Leistung, sondern auch keine Information.

Verspätungen, über die im Internet nicht informiert wird, sind in beiden Richtungen ärgerlich: Morgens hätte man sich zu Hause etwas mehr Zeit lassen können. Man verbringt diese dann auf dem unwirtlichen Hauptbahnhof Berlin. Hier wird mit Bänken gegeizt und die Lounge für Bahncardkunden ist inzwischen auch überfüllt. Und zum Feierabend hätte man die Zeit, die man auf dem Bahnsteig verbringt, lieber im Büro als produktive Arbeitszeit verbracht.

So summieren sich an 200 Arbeitstagen im Jahr locker 100 x 20 Minuten = 2.000 Minuten = 33,3 Stunden allein an unbezahlter Doofzeit auf Bahnsteigen. Rechnet man die Stunden hinzu, in denen man wegen Überfüllung des Zuges nicht an seinem Rechner arbeiten kann... kommt man zu dem Schluss: Das lohnt sich nicht.

3. Schlafmangel und Krankheiten
Dazu kommen körperliche Belastungen wie Hitze und Kälte wegen nicht funktionierender Heizungen und Klimaanlagen. Und bei Erkältungswellen sorgen die geschlossenen, durchströmten Abteile wie Ansteckungsgarantien.

Oder der Schlafmangel. Seitdem ich täglich pendle mache ich zum ersten Mal seit Jahren wieder die Erfahrung, unausgeschlafen auf der Arbeit zu sein. Das hat nun nichts mit der Bahn zu tun, sondern mit der Reisezeit. Steht man als Berliner vor der Entscheidung, ein Jobangebot in Wolfsburg anzunehmen, neigt man dazu, sich die Reisezeit schön zu rechnen. Man stellt hauptsächlich die Zeit auf dem Gleis in Rechnung, die nominell (ohne Verspätung) ca. 1h beträgt. "Die ist mancher ja sogar innerhalb von Berlin unterwegs." habe ich schon oft gehört.

Die ICE's fahren ab Berlin Hbf um 06:31 (Ankunft WOB 07:38h) und 07:48h (Ankunft 08:54h). Zurück fährt man um 16:18h oder 17:05h. Dazwischen fahren ein paar IC's. Für den IC sprechen die bequemeren Sitze und manchmal sind sie leerer als die ICE's. Dagegen sprechen die längere Fahrtzeit und die Tatsache, dass man hier nicht gut auf dem Boden sitzen kann. Der Grund hierfür sind die Schiebetüren zwischen den Waggons, die nicht über eine innere Schiene laufen, sondern innen.

4. Shuttlebusse ins Werk
Aber hinzu kommt: Die Anreise zum Hbf Berlin beträgt mindestens 15 Minuten, locker auch 30. Dazu kommt die Busfahrt vom Bhf WOB ins Werk. Und die dauert locker nochmal 20 Minuten zwischen Ankunft am Bhf und der Haltestelle, an der man aussteigt. Immerhin hat die Taskforce-Verkehr (Link) inzwischen werksinterne Shuttlebusse organisiert. Man läuft entlang des Kanals über Tor 17 ins Werk. Die große Schleife über Tor Ost überspringt man so.

So kommt man auf eine Reisezeit pro Richtung von fast 2h. 4 Stunden Reisen für 7, 8 oder 9 Stunden Arbeit, das ist ein schlechter Wirkungsgrad. Ich kann sagen: Das macht sich körperlich bemerkbar. Und seelisch: Man lebt eigentlich nur noch am Wochenende in Berlin, weil man unter der Woche überhaupt nichts mehr erledigt bekommt.



Warum tue ich es trotzdem? Weil das Paket ansonsten stimmt: Das Lohnniveau ist außerhalb des von desindustrialisierten Berlins höher, die Arbeit ist interessant und die Kollegen sehr in Ordnung. Ich kann als Ingenieur in Berlin nur schwer einen solchen Job finden, das weiß ich inzwischen.

Allerdings sollte ich mir mein Gehalt mal auf einen Bruttostundensatz inkl. Reisezeiten umrechnen. Aber das traue ich mich noch nicht..

Freitag, 26. Oktober 2012

Ist der CO2 neutrale Antrieb ausgeträumt?

Foto: 911er mit Elektroantrieb

Noch gar nicht lange her, da gab es in Talkshows und Blogs Statements wie: Strom wird das neue Öl. 100 Jahre nach der Erfindung von Carl Benz erfinden wir das Auto neu. Und ein Mann namens Shai Agassi wollte zeigen, dass man beim Elektroauto nur wollen muss. Die CDU, nein Frau Merkel, gab sich als Energiewendepartei (ein geistiger Diebstahl, der bis heute ungeahndet geblieben ist).

Die Realität hat alle eingeholt. Die Schlagzeilen der letzten Wochen lauten:
  • Die Industrie zweifelt an den Zielen des Regierungsprojektes Plattform und Leitmarkt Elektromobilität. 
  • Gründer Shai Agassi legt das Vorstandsamt bei seinem Projekt Betterplace nieder.
  • Toyota verkündet das Ende der Batterieautos und fokussiert sich auf den Hybridantrieb.
  • Berliner und Brandenburger Solaranlagenhersteller sind pleite.
  • Siemens steigt komplett aus dem Solarzellengeschäft aus.
  • Bosch Solar überlegt nach der Schließung seines Werkes in Erfurt, dies ebenfalls zu tun.
  • Beim Wüstenstromprojekt Desertec ist "Sand im Getriebe" (FTD).
  • Das Küstenwindkraft-Projekt droht an Netzanschlussproblemen zu scheitern.
  • Tesla Motors hat seine Umsatzprognose gesenkt.
  • Biodiesel, E10 (als CO2-neutrale Treibstoffe) stehen vor dem Ende.
Damit sind die beiden Konzepte für einen CO2-neutralen Individualverkehr erstmal in der Boxengasse angekommen: Das mit Ökostrom angetriebene Elektroauto und der mit Biokraftstoff angetriebene Verbrennungsmotor.

Ich gebe zu, ich war angetan von der Vorstellung mein Stadtauto in Berlin mit Windstrom aus Brandenburg anzutreiben. Windmühlen im Havelland, deren Energie über das Stromnetz und Bordbatterie als langen Transmissionsriemen die Welle meines Autos antreiben.

Ohne nachzuschlagen erinnere ich mich nun an Kommentare, die Leser David damals gepostet hatte, als ich die neuen Projekte hier feierte. Er prognostizierte, was jetzt eingetreten ist. Er kennt unsere Pappenheimer länger und besser als ich.

Ich wurde erst pessimistisch, als ich lernte, wer sich in all die Projekte drängt. Wer sich auf den Schoß der Bundesregierung setzte, wer im Berliner Senat erst strickt dagegen war und dann quasi zum Erfinder der Elektromobilität wurde. Und wer jung und "innovativ" oder eine Führungskraft war, die gerne -ungetrübt von Fachkenntnis- mitredet und die Diskussion aufhält, drängte sich in die Szenerie. Hier ging es weniger um Kompetenz als vielmehr um Prestige und Status.

Und trotzdem oder erst recht jetzt frage ich mich: Wie geht es denn dann weiter? Ich bleibe eigentlich bei meiner Prognose, die ich schon in heftigen Wortgefechten mit den Stadtgymnasiasten im Physikleistungskurs abgab: Wir werden es noch erleben, wie sich die Autohersteller vom Öl verabschieden.

Und die nächste Autoabsatzkrise ist ja schon da. Diesmal kann man sie nicht auf den hohen Ölpreis schieben. Deshalb wird man von der Regierung keine neuen Anschubprojekte erwarten können. Ok, den meisten deutschen Premiumherstellern geht es gut. Und wenn jetzt andere Hersteller, also die ohne finanzielle Polster, ihre Werke, schließen, haben alle "etwas davon". Denn es geht ja darum, "Überkapazitäten" (Analysten) abzubauen, und zwar möglichst nicht die eigenen.

Haben wir denn Überkapazitäten? Nein, so denken Betriebswirte und Unternehmensberater. Wir haben vielmehr eine Nachfragekrise wegen der Bankenkrisen.

Unsere gesunkenen (Deutschland) oder gerade rapide sinkenden (Südeuropa) Reallöhne sind der Grund dafür, unsere Kaufkraft reicht nicht mehr aus, um uns unsere eigenen Produkte leisten zu können. Das ist nicht das Ergebnis nur der letzten zehn Jahre. Das habe ich neulich auch in der "Weltbühne" aus der Zeit der Weimarer Republik lesen können. Schon Kurt Tucholsky beklagte die einseitige Exportorientierung der deutschen Wirtschaft. Und wie heute war auch damals das gesunkene Einkommensniveau der Grund dafür.

Auch so gesehen ist Wirtschaft ein anderes Mittel für Herrschaft. Im eigenen Land werden mit dem Verweis auf unsere Export"abhängigkeit" die Löhne gesenkt. Draußen "sichern" wir mit Hilfe der Bundeswehr unsere "Handelswege" (Köhler) zu Rohstoffländern. Und das Kapitel erzielt dort zunehmend auch seine Umsatzmargen.

Wenn Deutschland schon mangels Kaufkraft kein Absatzmarkt für Privatkunden von Neuwagen ist, wie sollte es da ein "Leitmarkt" für die in der Anschaffung teurere Elektromobilität werden?

Samstag, 20. Oktober 2012

Festival of Lights 2012

Bilder vom Festival of Lights in Berlin Mitte. Ich muss sagen: Die Show wird jedes Jahr noch besser. Vor allem am Brandenburger Tor werden inzwischen richtige Geschichten erzählt..







Sonntag, 30. September 2012

Top 10 der Autohersteller und Zulieferer 2011

Quelle: Handelsblatt/VDA

Top 10 der Autohersteller (weltweit)

1. Toyota (185 Mrd. EUR Umsatz)
2. VW Konzern (159)
3. Renault-Nissan (125)
4. General Motors (109)
5. Daimler (107)
6. Ford (99)
7. Hyundai-Kia (78)
8. Honda (71)
9. BMW (69)
10. PSA (60)

Demnach setzen die deutschen Hersteller 335 Mrd EUR um.
Die wichtigsten Absatzmärkte deutscher Autohersteller:

1. Großbritannien (649 tsd. Fzg.)
2. China (566 tsd.)
3. USA (526 tsd.)
4. Frankreich (350 tsd.)
5. Italien (349 tsd.)
6. Spanien (183 tsd.)
7. BeNeLux (164 tsd.)
8. Russland (150 tsd.)
9. Türkei (119 tsd.)
10. Japan (107 tsd.)

2011 wurden in deutschen Fabriken 5,9 Mio Autos produziert.

Top 10 Zulieferer

1. Bosch (40 Mrd. EUR Umsatz)
2. Denso (34)
3. Continental (31)
4. Magna (28)
5. Aisin (27)
6. Faurecia (23)
7. Johnson (21)
8. Hyundai Mobis (19)
9. ZF Friedrichshafen (18)
10. Thyssen Krupp (16)


Samstag, 22. September 2012

Neuer Vorplatz am U-Bahnhof Wittenbergplatz

Nach jahrelanger Baustelle endlich fertig: Der Vorplatz des U-Bahnhof Wittenbergplatz am KaDeWe. Das andere Ende der Sichtachse ist noch Baustelle: Die Gedächtniskirche ist wegen Sanierung noch eingerüstet und dahinter wartet das neue Hotel Waldorf Astoria (Link).






Samstag, 15. September 2012

Vergrabt Euer Gold nicht!

Aus "Aus Teuschland Deutschland machen - Ein Weltbühne Lesebuch" (amazon)

Im Oktober 1918 schrieb Alfred Polgar in der Weltbühne, was uns auch heute in unserer Kapitalismuskrise, Orientierung geben kann: Man muss einfach immer nur das Gegenteil von dem tun, was die Regierung empfiehlt oder anordnet. Betonung auf Tun.

"Wer von Laster und Ausschweifungen zermürbt, schwächliche Kinder in die Welt setzte, der hat sie noch. Die wohlgeratenen düngen längst des Krieges Acker.

Wer seine Jugend in Debauchen verbrachte, wer sich vorzeitig alt und müde soff und liebte, der sitzt in der Kanzlei. Wer seinen Körper und seine Seele achtete und mit seinen Kräften gut wirtschaftete, der sitzt im Trommelfeuer.

Wer, als es zu Kriegsbeginn hieß: Vergrabt Euer Gold nicht! sein Gold dennoch vergrub, der ist jetzt doppelt so reich, als er in Friedenszeiten war.

Wer, als es hieß: Hamstert nicht! hamsterte, der hatte für sich und die seinen noch Nahrung, als die Anderen schon längst hungerten..

Wer in Friedenszeiten leichtsinnig und verschwenderisch wirtschaftete, mit Kleidern, Schuhen, Wäscher in übermäßigen Mengen seinen Schrank füllte, der hat jetzt Kleider, Schuhe, Wäsche. Alle anderen gehen barfuß, schmutzig und zerrissen.

Wer roh und brutal und stumpfsinnig ist, der erträgt die Greuel des Krieges - jene, die ihm selbst, wie jene, die den Anderen widerfahren- relativ leicht. Die Anderen schwanken zwischen Irrsinn und Verzweiflung."

Es geht noch weiter. Es ist auch nur ein Beispiel aus der Weltbühne von den vielen, die aktueller denn je oder beängstigend prophetisch erscheinen.


Mittwoch, 12. September 2012

Produktgattung in ihrem Spätherbst: Smartphones

Kein Wow-Effekt beim iPhone5? Ich glaube, das ist ein Zeichen dafür, dass auch diese Gerätegattung auf ihrem Zenit steht. Die Smartphones werden sogar wieder größer, eine Umkehrung der Minitiarisierungsrichtung. Es ist inzwischen so, dass wir die Geräte nicht kleiner machen können, ohne sie benutzerunfreundicher zu machen. Noch kleinere Tasten und wir vertippen uns beim Emailen noch häufiger. Auch kann man es uns kaum noch recht machen, wie lang das Ohrhöhrerkabel sein soll, wie man ein Smartphone in der Jackentasche einerseits vor versehentlicher Fehlbedienung sichert aber Lautstärke und Vor- und Zurück-Tasten blind bedienbar macht.

Noch mehr aber fängt mich an zu nerven, dass ich unterwegs nur entweder laufen oder aufs Gerät gucken kann. Wenn man sich auf Bahnhöfen oder auf Straßen so umschaut, immer mehr Leute mit gesenktem Kopf, die auf ihrem Smartphone etwas ablesen oder erkennen wollen. Wenn sie es nicht gerade auf irgendwas halten, um es zu fotografieren.

Und das ist der Hinweis auf das nicht mehr allzu ferne Ende dieser Gerätegattung. Die Datenbrille und die sog. Kopf-hoch-Anzeigen (Head-up-Displays) aus Autos kommen. Anstatt Retinadisplay das Bild gleich ins Auge projizieren oder, wenn vorhanden, eine Frontscheibe. Den Kopf nicht von der Realität abwenden müssen und den Lautsprecher auf dem Brillenbügel, ohne lange Kabel. Clicken tun wir dann auf imaginäre Tasten oder mit den Augen. Das ist die Zukunft.

Und mit diesen neuen Produktgattungen kommen wieder neue Herausforderungen an gute Bedienbarkeit. Bin gespannt, ob und was wir da in einigen Jahren von Apple sehen werden. Davor kommen Google und Ericsson.

Sonntag, 9. September 2012

iPhone für Diagnosezwecke

Meine bessere Hälfte saß im Zug neben einem alten russischen Arzt. Er hatte ein Stethoskop um und erklärte, dass er das als Hörgerät benutze. Er halte den Kopf des Gerätes, den man sonst auf Brust oder Rücken hält, einfach in Richtung des Sprechenden.

Bemerkenswert an dieser Zweckentfremdung ist, dass man damit ein Hörgerät ohne Batterie hat. Der Nachteil sei, dass es viele Störgeräusche aus der Umgebung einfange.

Das brachte mich auf die Idee, dass das iPhone ja ein Mikro (zum Telefonieren) und einen Lautsprecherausgang hat. Kann man dafür eine App entwickeln? Bei iTunes nachgeguckt und siehe da: Es gibt sowohl den Hörtest als auch das Hörgerät als App. Ok, noch mit mittleren Kritiken. Aber der Anfang ist gemacht.

Auch Sehtests gibt es.

So wie wir früher im Web nachschauten, ob dieses Unternehmen oder jene Behörde schon im Internet ist, lohnt es sich in immer mehr Lebenslagen mal zu gucken, ob es schon eine App dafür gibt.


Und wo wir bei Diagnosen sind. Man könnte auch die Expertensysteme und neuronalen Netze der 90er Jahre reaktivieren, die mal entwickelt wurden, um Maschinendefekte durch Frage-und-Antwort-Spiele oder gleich direkte Verarbeitung zu diagnostizieren. Dazu müsste man eine zentrale Datenbank führen, in der Geräuschmuster mit Fehlerquellen verknüpft sind. Bei defekten Maschinen ist nichts  verräterischer als das Geräusch.

Samstag, 8. September 2012

Wie Google Patentrecherchen popularisieren wird


Produktneuheiten findet man zuerst in Patentdatenbanken. Warum wühlen Technik- und Börsenjournalisten trotzdem nicht dauernd in Patentdatenbanken? - Weil man wissen muss, wie das geht. Wie man Patentanmelder oder Patentfelder beobachtet und durchsucht. Das ist was für Spezialisten. Etwas für Patentingenieure und Patentprüfer. Noch.

Denn wie so viele Berufsfelder wird auch der 'Patentresearcher' vom Internet "bedroht", seiner hat sich vor längerer Zeit schon Google angenommen.

Patente recherchiert man aus Neugier, weil man z.B. wissen will, was amazon, Apple oder Porsche in ihren Entwicklungsabteilungen gerade so treiben. Oder man hat eine eigene Erfindung oder Idee und will wissen, ob man damit der Erste wäre..

Früher ging man in die Recherchesäle des Patentamtes wie z.B. in Berlin Kreuzberg und durchwühlte Microfilme. Ende der 90er baute das Deutsche Patentamt für seine Prüfer sein DEPATIS (DEutsches PATent InformationsSystem) auf und öffnete es 2000 fürs Internet (www.depatisnet.de).

Seitdem hat das Patentamt immer mehr Services entwickelt, die es dem Benutzer leichter machen mit dem komplexen Patentsystem umzugehen. Patentinformationen bestehen aus technischen und rechtlichen Informationen. Nicht nur was ein Patent abdeckt ist interessant, sondern auch, wem es gehört, bis wann es gilt und ob es überhaupt noch in Kraft ist.

DEPATISnet bietet zwar auch Einsteigerrecherchen, aber die eignet sich nur für sehr konkrete Abfragen, z.B. die Liste aller Patente und -anmeldungen eines bestimmten Unternehmens oder Erfinders. Wer den Stand einer bestimmten Technik recherchieren will, muss aufwendige Terme entwickeln mit vielen UNDs und ODERs, Platzhaltern etc.. Ein Fall für Patentrechercheure.

Oder für Google. Denn es ist so: Entweder legt man seine Daten gut sortiert ab und kennt sich darin anschließend auch aus. Oder man hat eine gute Suchmaschine, die sich selbst einen Index bildet.

Man kennt das von ebay. Wenn Du weißt, wo Dein Produkt im Schlagwortbaum abgelegt ist, entgeht Dir dort nichts mehr. Wenn Du das nicht weißt, musst Du das Suchfeld solange benutzen, bist Du halbwegs sicher bist, alle Schreibweisen zu kennen. Oder Du findest den ersten Treffer und klickst dann auf das angezeigte Schlagwort.

Google bietet seit 2006 die Suche in US Patenten. Danach schlichen sie sich ans Europäische Patentamt ran und kamen zuerst mit einem automatischen Übersetzungsservice ins Geschäft (Link). Denn siehe: Europäische Patente sind vor allem deshalb so teuer, weil man Übersetzungsspezialisten für Techniksprachen braucht, um sie in die Amtssprachen der EU zu übersetzen. Google macht diese gerade arbeitslos. Jetzt hat Google die Suche nach EP Patenten eröffnet: Link



Der Service dient der Stand-der-Technik-Recherche. Klickt man oben rechts auf den blauen "Stand der Technik suchen"-Button durchsucht Google alles, was es indiziert: Webseiten, Bücher, andere Patente... Auf der Trefferseite werden die benutzten Suchworte angezeigt, man kann eigene ergänzen und weitersuchen. Man kann von hier auch ins Espacenet springen, um in der Patentdatenbank des Europäischen Patentamtes weiterzusuchen. Im Patentregister könnte man dort für das gefundene Patent den Rechtsstand abfragen.

Klickt man das Dropdown Menü mit dem Zahnrad runter, kann man in gewohnter Google Art "erweiterte Patentsuche" nutzen. Hier muss man keine IKOFAX Abfragesprache können, sondern benutzt die UND und ODER Felder.


Das ist ein mächtiges Tool, das Patentrecherchen populär machen könnte. Alles was mit Patenten zu tun hat, stellt für Ingenieure und Informatiker ja immer eine Barriere da. Patentrecherchen verströmen für manche den Esprit eines Amtsbescheides. Diesen Nimbus konserviert der Stand der Patentanwälte natürlich auch gerne, rechtfertigt er doch nicht zuletzt ihr Monopol auf Rechtsberatung. Doch so exakt, dass man sich damit vor einem Patentgericht verteidigen könnte, will man es oft gar nicht wissen. Es reicht oft eine kurze Recherche, um einen ersten Überblick zu bekommen oder eine konkrete Frage zu beantworten.

Ich habe einige Jahre IKOFAX Recherchen für Entwickler gemacht (nicht hauptberuflich), weil ich vom Wert der Patentinformationen überzeugt bin. Hat man erst mal seine Schlagworte in dem Wust ausfindig gemacht (allein für das Finden seines Schlagwortes im 80.000-teiligen IPC Katalog gibt es eigene Suchmaschinen..), wird es leicht, sein Technikgebiet zu verfolgen. Aber seitdem ich Tags und Tagclouds zum ersten mal sah, fragte ich mich, ob man die Verschlagwortung von Patenten nicht demokratisieren sollte. Soll doch jeder, der ein Patent gefunden hat, selbst einen Tag hinterlegen. So wie mit Büchern bei amazon. Social Bookmarking für die Verschlagwortung von Patenten.

Genau diese Idee brachte ich im Frühjahr beim Bürgerdialog der Kanzlerin ein (Link). Ich bekam sogar eine Antwort vom Ideenbüro: Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Idee ans Patentamt! Gesagt getan, bekam ich Anfang August aber den "Ablehnungsbescheid": Das Patentamt öffne sich im Sinne einer Open-Data-Strategie, werde die Patente aber weiterhin im international abgestimmten IPC System ablegen.

Aber, so schrieb mir der zuständige Leiter der "Informationsdienste für die Öffentlichkeit", man werde die Entwicklungen im Crowdsourcing und Social Bookmarking aufmerksam verfolgen.

Das Patentamt wird als Informationsquelle und als Instanz, welche den Status Patent verleiht, unersetzlich bleiben. Zumindest für Maschinenbau, Chemie und klassische Elektrotechnik. Bei den Softwareentwicklern bin ich mir da nicht so sicher.

Aber Patentrecherchen werden immer häufiger über Google laufen, da bin ich mir sicher. Google geht hier klug vor, und kämpft nicht gegen die Patentmämter sondern kooperiert Schritt für Schritt.

Ich aber überlege, ob ich meinen fertig getippten Ratgeber "Patentrecherchen für Mittelständler" überhaupt noch veröffentlichen soll.

Wie Google Patentrecherchen popularisieren wird

Patentdatenbanken als Infoquelle
Produktneuheiten findet man zuerst in Patentdatenbanken. Warum wühlen Technik- und Börsenjournalisten trotzdem nicht dauernd in ihnen? - Weil man wissen muss, wie das geht. Wie man Patentanmelder oder Patentfelder beobachtet und durchsucht. Das ist was für Spezialisten. Etwas für Patentingenieure und Patentprüfer. Noch.

Denn wie so viele Berufsfelder wird auch der 'Patentresearcher' vom Internet "bedroht", seiner hat sich vor längerer Zeit schon Google angenommen.

Patente recherchiert man aus Neugier, weil man z.B. wissen will, was amazon, Apple oder Porsche in ihren Entwicklungsabteilungen gerade so treiben. Oder man hat eine eigene Erfindung oder Idee und will wissen, ob man damit der Erste wäre..

DEPATISNET (Deutsches Patentamt)
Früher ging man in die Recherchesäle des Patentamtes wie z.B. in Berlin Kreuzberg und durchwühlte Microfilme. Ende der 90er baute das Deutsche Patentamt für seine Prüfer sein DEPATIS (DEutsches PATent InformationsSystem) auf und öffnete es 2000 fürs Internet (www.depatisnet.de).

Services
Seitdem hat das Patentamt immer mehr Services entwickelt, die es dem Benutzer leichter machen mit dem komplexen Patentsystem umzugehen. Patentinformationen bestehen aus technischen und rechtlichen Informationen. Nicht nur was ein Patent abdeckt ist interessant, sondern auch, wem es gehört, bis wann es gilt und ob es überhaupt noch in Kraft ist.

DEPATISnet bietet zwar auch Einsteigerrecherchen, aber die eignet sich nur für sehr konkrete Abfragen, z.B. die Liste aller Patente und -anmeldungen eines bestimmten Unternehmens oder Erfinders. Wer den Stand einer bestimmten Technik recherchieren will, muss aufwendige Terme entwickeln mit vielen UNDs und ODERs, Platzhaltern etc.. Ein Fall für Patentrechercheure.

Oder für Google. Denn es ist so: Entweder legt man seine Daten gut sortiert ab und kennt sich darin anschließend auch aus. Oder man hat eine gute Suchmaschine, die sich selbst einen Index bildet.

Man kennt das von ebay. Wenn Du weißt, wo Dein Produkt im Schlagwortbaum abgelegt ist, entgeht Dir dort nichts mehr. Wenn Du das nicht weißt, musst Du das Suchfeld solange benutzen, bist Du halbwegs sicher bist, alle Schreibweisen zu kennen. Oder Du findest den ersten Treffer und klickst dann auf das angezeigte Schlagwort.

Google
Google bietet seit 2006 die Suche in US Patenten (Link). Danach schlichen sie sich ans Europäische Patentamt ran und kamen zuerst mit einem automatischen Übersetzungsservice ins Geschäft (Link). Denn siehe: Europäische Patente sind vor allem deshalb so teuer, weil man Übersetzungsspezialisten für Techniksprachen braucht, um sie in die Amtssprachen der EU zu übersetzen. Google macht diese gerade arbeitslos. Jetzt hat Google die Suche nach Europäischen (EP)  Patenten eröffnet: Link



Der Service dient der Stand-der-Technik-Recherche. Klickt man oben rechts auf den blauen "Stand der Technik suchen"-Button durchsucht Google alles, was es indiziert: Webseiten, Bücher, andere Patente... Auf der Trefferseite werden die benutzten Suchworte angezeigt, man kann eigene ergänzen und weitersuchen. Man kann von hier auch ins Espacenet springen, um in der Patentdatenbank des Europäischen Patentamtes weiterzusuchen. Im Patentregister könnte man dort für das gefundene Patent den Rechtsstand abfragen.

Klickt man das Dropdown Menü mit dem Zahnrad runter, kann man in gewohnter Google Art "erweiterte Patentsuche" nutzen. Hier muss man keine IKOFAX Abfragesprache können, sondern benutzt die UND und ODER Felder.


Bewertung von Google Patents
Das ist ein mächtiges Tool, das Patentrecherchen populär machen könnte. Alles was mit Patenten zu tun hat, stellt für Ingenieure und Informatiker ja immer eine Barriere da. Patentrecherchen verströmen für manche den Esprit eines Amtsbescheides. Diesen Nimbus konserviert der Stand der Patentanwälte natürlich auch gerne, rechtfertigt er doch nicht zuletzt ihr Monopol auf Rechtsberatung. Doch so exakt, dass man sich damit vor einem Patentgericht verteidigen könnte, will man es oft gar nicht wissen. Es reicht oft eine kurze Recherche, um einen ersten Überblick zu bekommen oder eine konkrete Frage zu beantworten.

IKOFAX in Depatisnet
Ich habe einige Jahre IKOFAX Recherchen für Entwickler gemacht (nicht hauptberuflich), weil ich vom Wert der Patentinformationen überzeugt bin. Hat man erst mal seine Schlagworte in dem Wust ausfindig gemacht (allein für das Finden seines Schlagwortes im 80.000-teiligen IPC Katalog gibt es eigene Suchmaschinen..), wird es leicht, sein Technikgebiet zu verfolgen. Aber seitdem ich Tags und Tagclouds zum ersten mal sah, fragte ich mich, ob man die Verschlagwortung von Patenten nicht demokratisieren sollte. Soll doch jeder, der ein Patent gefunden hat, selbst einen Tag hinterlegen. So wie mit Büchern bei amazon. Social Bookmarking für die Verschlagwortung von Patenten.

Bürgerdialog der Kanzlerin
Genau diese Idee brachte ich im Frühjahr beim Bürgerdialog der Kanzlerin ein (Link). Ich bekam sogar eine Antwort vom Ideenbüro: Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Idee ans Patentamt! Gesagt getan, bekam ich Anfang August aber den "Ablehnungsbescheid": Das Patentamt öffne sich im Sinne einer Open-Data-Strategie, werde die Patente aber weiterhin im international abgestimmten IPC System ablegen.

Antwort des Patentamtes
Aber, so schrieb mir der zuständige Leiter der "Informationsdienste für die Öffentlichkeit", man werde die Entwicklungen im Crowdsourcing und Social Bookmarking "aufmerksam verfolgen".

Das Patentamt wird als Informationsquelle und als Instanz, welche den Status Patent verleiht, unersetzlich bleiben. Zumindest für Maschinenbau, Chemie und klassische Elektrotechnik. Bei den Softwareentwicklern bin ich mir da nicht so sicher.

Aber Patentrecherchen werden immer häufiger über Google laufen, da bin ich mir sicher. Google geht hier klug vor, und kämpft nicht gegen die Patentmämter sondern kooperiert Schritt für Schritt.

Ich aber überlege, ob ich meinen fertig getippten Ratgeber "Patentrecherchen für Mittelständler" überhaupt noch veröffentlichen soll.

Sonntag, 2. September 2012

Porsche Sports Cup in Oschersleben

Heute ging es rund in Oschersleben (bei Magdeburg). Zu Gast war der Porsche Sports Cup, die Kunden- und Clubsportserie von Porsche. Und wir.







Samstag, 1. September 2012

Tastatur oder Mobilität? Die Hybridcomputer kommen

Steve Jobs wird quer durch die Industriebranchen abgeklopft: Was können wir von ihm lernen, was müssen wir tun, damit sich unsere Kunden um unsere Produkte reißen? Welche Ideen haben wir, was hätten wir längst umsetzen sollen? Auf welche Probleme hat noch keiner eine Antwort gefunden?

Währenddessen haben sich Konkurrenten von Apple auch mal umgeschaut. Bei den Automobilherstellern. Und dabei eine Antwort auf ein Problem gefunden.

Autoherstellers Antwort auf die Verbrauchssenkung auf Autobahn UND Stadtverkehr bei gleichzeitiger Eliminierung der Reichweitenangst war und ist der Hybrid. Ganz egal, ob oder wie oft man mit einem Batterieauto im richtigen Leben TATSÄCHLICH liegen bleiben würde... bei der Kaufentscheidung genügt es, Angst vor dem Liegenbleiben zu haben. Also baut man am Ende beides ein: Verbrennungsmotor und Elektroantrieb und man nennt es Hybrid.

Zurück zu Apple. Ich überlege schon länger, ob mein nächster Rechner ein Notebook oder ein Tablet sein soll. Ganz überwiegend brauche ich etwas zum Klicken in allen Lebens"lagen". Schreiben muss ich meistens nur Kurzgetipptes, z.B. Emails. Aber manchmal schreibe ich doch mehr. Z.B. in diesem Blog, oder einen Brief. Oder ein Buch. Wie weit komme ich da mit einem Tablet? Es geht mir also nicht um Statistik, wie lange ich TATSÄCHLICH eine Tastatur brauche. Es reicht, dass ich hin und wieder eine brauche und mich dann nicht über Touchsreentastaturen ärgern will (was eine Annahme ist, denn ich habe kein Tablet).

Und mitten in diese Überlegungen platzen zur IFA die Meldungen von Hybrid Notebooks. Bei denen ist der Bildschirm als Touchscreen ausgeführt und man kann ihn von der Tastatur trennen. Genau das ist es!

Ein gutes Video über das Hewlett Packard envy x2 gibt es bei Engadget: Link



Aus diesem geht auch hervor, wie leicht Trennen und Andocken geht, weil es magnetisch unterstützt wird (Achtung Apple...?). Auch sieht man, dass das envy von der Seite trapezförmig ausgeführt ist, wenn das mal keine Designkonflikte mit Apple's Airbook auslöst ;-)

Außerdem gut zu sehen auf dem Video: Das kommende Windows 8, das auf Kacheln basiert, die mich spontan an die Apps Icons auf dem iPhone erinnern, aber doch ein bisschen anders funktionieren.

Was folgt daraus? Ich weiß jetzt, dass ich einen Hybrid Rechner brauche und erstmal kein iPad oder Airbook kaufen werde. Vielleicht bringt Apple ja noch einen Hybrid. Ich klebe ziemlich an dieser Marke. Emotional, aber auch ganz praktisch. Mit meiner Musik- und Fotosammlung.

Jedenfalls wird die IT Saison spannend. Die Windows-HP-Dell Fraktion gibt sich nicht geschlagen, sondern erfindet und entwickelt.

Samstag, 25. August 2012

Lehrreiches Interview

Einer großen Kontroverse geht meist eine Informationsphase voraus. Wir erfahren zuerst beiläufig, dann immer häufiger Neuigkeiten über ein wachsendes Problem. Dann kommen die ersten Politikermeinungen über die Relevanz der Problemsymptome. Und dann setzt die Diskussion ein. Weil wir uns dank Internet gut informiert fühlen, beteiligen wir uns an der Diskussion. Zu diesem Zeitpunkt sind wir aber (durch Filterung und Wiederholung) bereits gelenkt worden ohne dass wir es bemerkt haben. "Abweichende" Meinungen erscheinen uns dann meist völlig abseitig, unüberlegt oder schlicht als Zeichen von Inkompetenz.

So ist das auch in der Finanzkrise und der Frage, ob Deutschland weitere Rettungsgelder bereitstellen soll.

Mir schien das Problem der Griechen z.B. völlig hausgemacht. Mit frisierten Zahlen haben sie sich in die EU gestohlen. Die Oberschicht hinterzieht -wie überall in der Welt- Steuern und die normalen Griechen beziehen Renten für Tote. Die Konsequenz konnte nur lauten: Kommt mal runter, spart und treibt Eure Steuern ein.

Das Argument von Sigmar Gabriel, wir sollten weiter retten, weil wir damit unsere Exporte und Arbeitsplätze stützen schien mir eine typische Milchmädchenrechnung der Sozen. Rechte Tasche linke Tasche, das ist kein nachhaltiges Wirtschaften.

Wie sollen wir diese Sicht eigentlich bewerten, wenn wir doch über die wahren Gründe, Kalküle und Ziele deutscher Europapolitik nie etwas erfahren haben? Schon immer hörten wir, unser Anliegen sei "der Frieden in Europa". Klar. Das gilt ja auch für den nahen Osten und den arabischen Frühling, nicht wahr? Und das galt auch beim Zerfall Jugoslawiens, nicht wahr?

Falsch. Fischer waren die Muslime in Bosnien egal, Westerwelle die Bürger auf den Marktplätzen des Maghreb und Schröder und Kohl wussten, wie wir unseren Nachbarn den EURO als Zugeständnis verkaufen, aber in Wahrheit profitieren werden. Wobei das zweierlei "wir" sind.

Das große "wir" war das in den Zeitungsanzeigen, -artikeln und Wahlplakaten. Klar, ohne Währungsumtausch wird Europa ja viel einfacher. Und mit einer große Währungsunion werden wir endlich so stark wie die USA.

Über die Wahrheit wurde nie gesprochen. Wie immer, wenn es ums Geld geht. Auf Offenbarungen wie die Rede des damaligen Dresdner Bank Vorstandes Reichenbach über den Börsenboom der New Economy im Hotel Adlon stößt man immer nur zufällig.

Eine große Ausnahme ist das Interview der Süddeutschen mit einem griechischen Finanzexperten namens Panagiotou (Link). Er malt das große Bild von Deutschland in der Krise nach dem Börsencrash nach 2001. Demnach war es deutsche Politik, die EU zu erweitern um die beitretenden Länder mit billigem Geld zu versorgen so dass sie sich den Import deutscher Waren leisten können. Das hat auch Sigmar Gabriel so gesagt, aber nicht so, dass wir die Zusammehänge richtig verstanden hätten. Er war ja damals auch Teil des Kabinetts von Schröder, und auch wie er, Niedersachse.

Das billige Geld verleitete die EU Länder parallel zu wachsenden Ausgaben. Mit Anleihen, die auch deutsche Banken gerne zeichneten.

Die zweite Finanzkrise des letzten Jahrzehnts brachte das Kartenhaus zum Einsturz. Deutsche Politik war es nun, die im Feuer stehenden Anleihen in deutschen Depots zu retten. Merkel und Schäuble verhinderten konsequente Schuldenschnitte zulasten privater Gläubiger. Es folgte eine Verlagerung der Risiken der Privaten auf öffentliche Kassen. Und nun ist Deutschland so weit, Griechenland fallen zu lassen.

Es ist von vorne bis hinten eine Story, bei der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden und die Öffentlichkeit früh genug in die falsche Richtung gelenkt wurde. D.h. eine typisch deutsche Story.