Donnerstag, 27. Juli 2023

Wissenschaft und Politik

Ab dem Moment, in dem eine Regierung ihre Machtausübung mit "der Wissenschaft" begründet, sind die Wissenschaftler in diesem Land nicht mehr unbefangen sondern gelenkt.

Das gilt ganz offensichtlich für Wissenschaftler, die direkt vom Staat oder regierungsnahen Organisationen finanziert werden, wie z. B. die Stiftung Wissenschaft und Politik, die vom Bundeskanzleramt finanziert wird (Quelle). Man darf hier plausibel von einer direkten Setzung von Themen und Bewertungen ausgehen.

Die zweite Stufe der staatlichen Lenkung besteht darin, bestimmte Forschungsthemen zu setzen und zu finanzieren, und andere nicht. Dies lenkt Forschungsaktivitäten sofort auf diese Themen und erzeugt blinde Flecken bei nicht finanzierten Themen. 

Forscher, die einmal Begründungen für Regierungsentscheidungen geliefert haben, werden dafür mit Prominenz belohnt. Ich vermeide bewusst den Begriff "Reputation", denn diese bezieht sich ja auf Anerkennung innerhalb der Fachwelt. Aber diese ist durch das Regierungshandeln inzwischen zweitrangig geworden. Der prominente Forscher dominiert nach dem Lob von der Regierung sein Metier und richtet andere, konform gesinnte oder finanziell abhängige Forscher nach seiner Linie aus.

Bekannte Forscher hierfür sind Drosten, Kemfert und Schellnhuber.

Je konformer und opportunistischer aber die Forschung danach wird, desto höher wird das Potenzial für eine neue Reputation durch qualifizierten Widerspruch. Wer sich traut, regierungstreuen Forschern zu widersprechen, sobald er belastbare Befunde oder Kritik an Interpretationen bestehender Beobachtungen hat, erarbeitet sich einen neuen Ruf. 

Beispiele hierfür sind Streeck und Sinn (ifo).

Es können Situationen entstehen, in denen die Regierungslinie und die ihnen zustimmenden Wissenschaftler nicht belegte Befunde und Bewertungen zum Stand "der Wissenschaft"erheben und die von konformen Massenmedien hierzu Zustimmung Volk erzeugen. Das ganze wird dann zu einer Wissenschaft, in der Erkenntnisse nicht mehr bewiesen und verteidigt werden müssen, sondern per Mehrheit entstehen.

Wissenschaftler, die an den hohen, bewährten Standards von Wissenschaftlichkeit festhalten, werden über kurz oder lang zu Dissidenten. Und nutzen irgendwann Chancen, ins Ausland zu gehen. So dass die Konzentration von konformistischen Wissenschaftlern im eigenen Land immer weiter zunimmt und die Qualität der Forschung abnimmt.

Ein subtile Form von Widerstand oder Kritik unter Forschern ist es, der Regierung nicht zu widersprechen, sondern "weiteren Forschungsbedarf" anzumelden und möglichen Zuspruch zur Regierungslinie nur anzudeuten. So antwortete mir ein Informatikprofessor für Geodaten einmal vor zehn Jahren auf die Frage, ob der menschengemachte Klimawandel inzwischen belegbar sei mit: "Die Zahlen geben das nicht her."

Somit spaltet sich die Wissenschaft in Forscher, die Zahlen, Daten und Fakten liefern und ihre Ergebnisse einander kritisch bewerten und solche, denen die Kritik anderer Forscher egal ist und die auf Parteien und Medien setzen. 

Die gleiche Spaltung droht der industriellen Forschung und Entwicklung. Natürlich gibt es die Unternehmen, die von der Regierungslinie profitieren. Die sogar vorher als Lobby auf die Regierung eingewirkt haben und sogar politische Gruppen aktivieren können (#MarchForScience #LetzteGeneration).

Beispiele hierfür: Habeck, Graichen, Spahn, Biontech, von der Leyen, Pfizer, Braun

Mutig auch hier die Unternehmen, die weiter in die Zukunft schauen und weiterhin auf belastbare Wissenschaft setzen. Sie wissen, man kann auf Lügen und Propaganda keine Produkte setze kann. Man kann zwar böswillig an gutgläubige Kunden verkaufen. Aber nur solange bis der Betrug sichtbar wird und das Gebäude zusammenbricht.

Beispiele: BMW (Technologieoffenheit), eFuels Hersteller

Die Politik entwertet somit einen ganzen Berufsstand. Und zwar genau den, mit dem Deutschland vor und nach zwei Weltkriegen sich einen guten Ruf und einen hohen Wohlstand erarbeitet hatte. Es gibt Leute, die daran nicht teilnahmen und die es kaum erwarten können, die Bildungs- und Leistungsträger endlich fallen zu sehen. So eine Verwahrlosung und Charakterlosigkeit gab es nicht einmal unter den Stalinisten..

Mittwoch, 26. Juli 2023

Unser Elektrikermeister denkt jetzt ans Aufhören

Unser Elektrikermeister, der unsere Ladebox für’s Elektroauto angeschlossen hatte, ist inzwischen Ende 50. Neulich trafen wir ihn wieder: 

Wir: "Elektroautos, Wärmepumpen - Sie müssen sich ja vor Aufträgen kaum retten können."

Er: "Hör'n se uff. Ja, Anfragen gibt es genug. Aber ich habe keine Leute dafür."

Wir: "Was ist mit den Schulabgängern? Und den Flüchtlingen?"

Er: "Hör'n se uff. Mit den Schulabgängern kann ich überhaupt nichts mehr anfangen. Die wissen nichts und können nichts. Unter den Flüchtlingen gibt es schon einige, die man mit Weiterbildung weiter bringen könnte. Aber: Sprachprobleme. Und oft dürfen die gar nicht arbeiten. Ich hatte einen, der durfte bei mir anfangen. Er kam aus der staatlichen Vollversorgung in meinen Betrieb. Und war motiviert und lernbereit. Er unterschrieb den Arbeitsvertrag mit Blick auf sein Bruttogehalt. Als er die erste Abrechnung bekam und seine Abzüge sah, hatte er keine Lust mehr! Staat ist Dieb, hat er gesagt."

Wir: "Oha. Und jetzt? Verkaufen Sie ihre Firma doch."

Er: "Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich will ja eigentlich nicht aufhören."

Wir: "Aber Ihre Firma ist intakt. Hat Kunden und Personal."

Er: "Ja, noch haben wir Personal. Einer meiner Besten hat neulich gekündigt und ist zu einer größeren Firma gewechselt, weil er dort mehr verdienen kann."

Wir: "Sehen Sie? Die Großen machen jetzt das Rennen. Jetzt ist bestimmt die Zeit, wo sie das meiste für Ihre Firma kriegen. Und wer weiß, was unsere Regierung den Mittelständlern noch alles reindrücken wird."

Er: "Darüber muss ich mal nachdenken. Danke für die Anregung.."

Freitag, 14. Juli 2023

Bester Arbeitstag des Jahres

Wenn Freitag der schönste Tag einer Arbeitswoche ist, dann ist der Freitag vor dem Urlaub der schönste Tag des Jahres. Der ganze Urlaub liegt noch vor einem. Es ist die präholidare Euphorie und diese Wortschöpfung ist von mir :-).

Und was haben wir dieses Jahr für einen Sommer, mit viel Sonne aber auch Regen. Ich bin neulich mit der U2 über den Gleisdreickpark in Kreuzberg gefahren. Und er war saftig grün. Ich habe den Park seit Jahren nur sonnenverdorrt gelb in Erinnerung. Jetzt wirkt er wie im April. 

Und die Temperaturen sind genau richtig. Man kann in Kurz herumlaufen, aber auch ohne Schweißband. Man kann etwas machen ohne zusammen zu brechen, aber man kann auch im Garten auf der Liege liegen. Ich finde das perfekt.

Wenn dann auch noch ein paar Tage Urlaub an der Ostsee gebucht sind, dann können die 3 Wochen Urlaub doch kommen. Schon ist es auch, wenn alle Kollegen gleichzeitig in Urlaub gehen. Genannt Werksurlaub. Diesem Tag freuen wir uns alle entgegen wie früher auf den letzten Schultag. Und zum Abschied spielt am Werkstor das Werksorchester. Eine der letzten Traditionen.

Jetzt liegt alles vor uns. Reisepläne, Bücher. Wir müssen erstmal runter kommen. Noch schwirrt alles in meinem Kopf: Budgetrunden, Steuerkreisagenden, Architekturabstimmungen. Jeder will am letzten Tag seinen Schreibtisch leer haben und jeden Ball weiter oder zurückgespielt haben, bevor er geht.

Gerade habe ich den Rechner herunter gefahren, der Rest läuft über das Smartphone. 

Nachher fahren wir erstmal einkaufen. Morgen soll es ja über 30 Grad geben, da planen wir erst einmal Garten - und nichts tun. Vielleicht die Gemüsebeete etwas nachdüngen. Ansonsten aber vor allem das nächste Buch vom Stapel nehmen. Jetzt kommt die Science Fiction dran: "2054". Aber vielleicht ist es auch keine Science Fiction.

Dienstag, 11. Juli 2023

Urkunden für alle - die Bundesjugendspiele senken ihre Maßstäbe

 Bei den Bundesjugendspielen kam ich erst spät auf den Geschmack. Da traten wir längst im Stadion Rote Erde an. Und ich hatte mich nach Jahren am Homecomputer doch mal durchgerungen, regelmäßig Sport zu treiben. Hauptsächlich Fußball. Irgendwann auch Tennis und Squash. Und ich ging mit Kumpels regelmäßig zu Borussia ins Westfalenstadion.

Vielleicht war es das Gefühl, einmal im Jahr selbst in einem Stadion auftreten zu können. Ich fühlte mich als "Mehrkämpfer". Denn über Sprint, Wurf und Weitsprung waren inzwischen auch Hürdenlauf und Hochsprung dazu gekommen. Und da war ich besser als viele erwartet hatten - vielleicht weil es hier auch auf Technik ankam?

In ganz jungen Jahren war es mir eher verhasst. Nie holte ich auch nur eine Siegerurkunde. Aber in den letzten Schuljahren dann doch irgendwann die erste. Und da freute ich mich wie Bolle, endlich auch mal dazu zu gehören. Das muss so um 1986 gewesen sein.

Das Punktesystem galt ja bundesweit. Man musste sich anstrengen. Und man strengte sich an. So wie auch unsere Vorbilder im Sport: Die Nationalmannschaft, die Tennisspieler und die Leichtathleten. Irgendwie war Deutschland (bzw. die Bundesrepublik) oft vorne dabei.

Das hat sich geändert. Nationalmannschaft? Nach dem Weltmeister 2014 mittlerweile aus drei Turnieren in der Vorrunde ausgeschieden. Tennis? Rausgeflogen - aber "mit mir zufrieden". Leichtathletik? Oft zwischen den großen Veranstaltungen gut, aber selten wenn es drauf ankommt. Und Wintersport?

Wir sind nicht mehr vorne. Aber wir sind immer noch zufrieden mit uns. Das höre ich ganz oft in Interviews nach einer Niederlage. Man misst sich nicht mehr mit der Welt, sondern nur noch mit sich selbst. Ähnlich wie in der Politik. 

Und damit auch die Jugend in diese neue Vorstellung von Leistung reinwächst werden jetzt die Maßstäbe für die Urkunden bei Bundesjugendspielen geändert. Fortan muss man keinen objektiven Spitzenleistungen mehr bringen, sondern nur relative. Man muss nur noch zu den Besten der eigenen Schule gehören. Also so ähnlich wie beim SPD Programm "Abitur für alle".  „Bewegungsorientierter Wettbewerb“ statt „leistungsorientierter Wettkampf“. Damit sich weniger sportliche Schüler weniger diskriminiert fühlen. Und das Spektrum wird erweitert: Nicht mehr nur Weitwurf, sondern auch Zielwurf. 

Einige diskutieren schon, ob die Bundesjugendspiele überhaupt noch zeitgemäß seien. (Ist das nicht irgendwie Nazi?) Ulf Poschardt schlug dann gleich mal Urkunden fürs Rutschen und Rollerrennen vor. Oder für alle zum Abschluss der Skisaison. Ohne Urkunde für erfolgreiches morgens Aufstehen und in die Firma kommen verlangen ja auch schon einige.

Systematisch trainiert uns die Politik das Leistungsprinzip ab und suggeriert, Erfolg sei nur eine Frage der "Gerechtigkeit". Am besten auch einklagbar. Am Anfang mag das noch lustig sein. Aber irgendwann sickert das als Lebenseinstellung ein: Es muss reichen, dass ich hier bin.

Ein Kollege erzählte mir neulich, seine neue Kollegin im Bereich Forschung und Entwicklung sei Krankenschwester. Sie habe sich aus dem Gesundheitsdienst bei ihm in der Abteilung beworben, weil sie mal was anderes machen wollte. Und weil es keine anderen Bewerber (oder keine anderen weiblichen) gab, wurde sie genommen. "Es kommt doch nicht nur auf Qualifikation an, sondern auf Leidenschaft. Auf PASSION." Er müsse sie nur richtig anlernen, dann klappe das schon.

Ich weiß noch, wie ich 1979 aufs Gymnasium kam. Ich war stolz, ich war der erste aus der Familie. Aber von meinen Großeltern hörte ich die Frage, ob ich demnächst auf Matratzen gammeln und Hasch rauchen wolle? Ich verstand die Frage überhaupt nicht. Ich wusste nicht viel von den 68ern. Aber sie befürchteten  damals, was heute, 44 Jahre später, das Selbstverständnis von Schulen und Politikern geworden ist. Ich hätte das nie für möglich gehalten..


Sonntag, 9. Juli 2023

Wie Haupt- und einfache Abteilungsleiter die Digitalisierung lähmen

Bei uns geht es seit Anfang diesen Jahres in die Vollen. Prozesse, Methoden und Tools (IT-Systeme) sollen programmartig geplant und implementiert werden. Nicht mehr isoliert jeder kämpft für seins. Schnittstellen sollen an beiden Enden synchron finanziert und umgesetzt werden. Was wir eine Selbstverständlichkeit anmutet, ist für unsere Organisation eine kleine Revolution.

Bis vor kurzem waren dafür noch "ehrenamtliche" Fachkoordinatoren verantwortlich, die sich Zeit und Einsatz dafür von ihrer Kapa fürs eigene Projekt abknappsen mussten. Unsere Chefs sahen es aber nie gerne, wenn wir für eine Sache arbeiteten, die nicht nur ihnen selbst sondern ein bisschen auch anderen nützte. Wie oft hatte ich versucht, sie vom Sinn einer Programmplanung zu überzeugen. Wie oft versucht, Tools und Prozesse Hand in Hand anzugehen und dafür auch die Aufmerksamkeit unserer Bereichsleitung zu wecken? Es war ein mühseliges Geschäft.

Jetzt hat der Vorstand erkannt: Das ändert sich nur, wenn wir die HALs und ALs selbst in die Programmleitungen setzen. Gleichzeitig führen wir mehrere neue Vorgehensweisen ein, die in anderen Industrien seit Jahren und Jahrzehnten etabliert sind: Systems Engineering und das Scaled Agile Framework. 

Ich zog mit in die Programmleitung einer der Fachdomänen mit ein. Da die Herren aber sogleich mit der Absicherung ihrer Macht und weniger mit dem Verständnisaufbau wie es künftig gehen soll, beschäftigt waren, blieb die fachliche Arbeit sogleich bei genau einem Mitglied der Fachdomäne liegen: Bei mir. 

Und während ich mich durch den Parcour der Planungsrunde mühte und die sich umorganisierende IT gleich mit vertrat, überlegte es sich der Vorstand noch einmal anders. Vor kurzem verkündete er sein ORG Chart 2.0 und dazu auch gleich noch eine Liste gesetzter Tools, die wir bitte mit in die Planungsrunde zu nehmen hätten. Unser Finanzvorstand begleitete diese Mehrbedarfe parallel mit einer Budgetkürzung. 

Vorige Woche kam dann unsere Fachdomänenleitung zu dem Schluss, dass es für sie jetzt langsam ernst würde. Bald würden sie ihre neuen Organisationsrollen aufnehmen und vor allem spielen müssen. Unruhe machte sich breit. Und sie suchten Hilfe: Und anstatt zum ersten Mal ihre eigenen Fachleute einzubinden engagierten sie Unternehmensberater. Als die ihnen klar machten, was sie künftig können müssten, reagierten sie noch einmal: Jetzt suchen sie Mitarbeiter, an die sie die Sache delegieren können. Wohlgemerkt nur die Arbeit, nicht die Entscheidung und nicht ihre Vergütung. 

Wer für solche Leiter arbeitet, setzt nicht einfach Aufträge um. Er erklärt den Leitenden zuerst, worum es überhaupt geht. Erarbeitet dann Powerpointfolien mit Umsetzungsvorschlägen und läuft tagelang hinter diesen Leitenden für die Freigabe her. Und dann macht er sich an die Arbeit. Und sucht seine Pendants in den anderen Konzernmarken - wo ähnliches stattfindet. Am Ende haben wir die gleiche Organisation wie immer: Gremien, Regeltermine, Anträge, Freigaben und ein Ausmaß an Delegation, bei der die Führungskräfte am Ende glauben, nicht einmal verstehen zu müssen, was sie an ihre Mitarbeiter delegieren.

Lustig, wenn man dann am Wochenende wieder Artikel über die Digitalisierung in Deutschland liest, in denen Manager und Politiker betonen, dass dies ganz wichtige Themen in der "Transformation" seien...