Ich biege mit meinem Polo GTI durch das aus Pylonhütchen gebildete "Tor" und halte an. So wie ein Pilot, der sein Flugzeug an die Startbahn gerollt hat und auf Starterlaubnis wartet. Mein "Tower" trägt eine rote Jacke und steht in hundertfünfzig Metern Entfernung. Da, wo der Hydrant die Dynamikfläche nass hält, damit sich die Reifen bei der Vollbremsung, die ich in ein paar Sekunden hinlegen werde, nicht zu stark abnutzen.
Ich muss blinzeln, weil die morgendliche Oktobersonne tief über meiner Zielmarkierung steht. Dann hebt er den Arm. Ich gebe Vollgas. Erster Gang. Zweiter Gang. Dritter Gang. Ich habe Mühe, auf der kurzen Strecke auf 95 zu beschleunigen. Dann endlich erreicht. Ich passiere das "Eingangstor" und versuche, einen konsequenten Bremsschlag hinzulegen. "Bremsschlag" heißt: Voll auf die Bremse drücken und gedrückt halten. Einen gelungen Bremsschlag erkennt man daran, dass beide Achsen gleichzeitig blockieren. Die Aufgabe lautet: Dem Hindernis ausweichen, die freie Gasse nehmen und dahinter wieder zurück auf die eigene Spur. Ich bremse also voll, trete gleichzeitig die Kupplung und rutsche durch die Pfütze auf die Absperrung zu. Die Räder blockieren, ich rutsche geradeaus. Der Hydrant gießt Regen auf meine Windschutzscheibe - ich habe vergessen, die Scheibenwischer einzuschalten und sehe nur noch verschwommene Hütchen.
Knapp eine Sekunde später löse ich die Bremse und lenke auf die freie Gasse zu. Als ich die Bremse loslasse, schleudert der Wagen ein wenig, denn ich habe instinktiv schon mit dem Lenken begonnen, bevor ich die Bremse losließ. Fatal! Denn der Wagen kann jetzt übersteuern und dann wird es schwierig, ein sicheres Ausweichmanöver hinzulegen. Und welche Kräfte man braucht: Zuerst zum Bremsen, die den Fuß scheinbar abschütteln will - und dann zum Lenken.
Nur wenn man es richtig macht, sich voll konzentriert: -erst Bremse loslassen, dann lenken, - kommt man sicher und einfach ums Hindernis herum. Das ist schon schwierig, wenn man es sich vornimmt. Was aber tut man, wenn auf der Landstraße plötzlich ein Hindernis auftaucht?
Das ganze einmal mit und ohne ABS. Und wir lernen: Eine Vollbremsung ist mit ABS mitnichten einfach irgendwohin steuerbar. Es wird nur etwas leichter, aber man kann sich da nicht drauf verlassen.
Nächste Übung: Dem Hindernis ohne Bremsen ausweichen. D.h. einmal konsequent auf die Überholspur lenken und sofort gegenlenken. Ab Tempo 95 quietschen die Reifen wegen der Querbeschleunigung.
Wenn man keinen Verkehr und keine Bebauung um sich herum hat, ist es ein leichtes, ein Auto in den Grenzbereich zu fahren. Man steckt sich einen Kurs, fährt Slalom oder einfach eine enger werdende Kurve. Und gibt Gas. Es ist verblüffend, wie schnell die Grenzen erreicht sind, wenn man keine Hemmungen haben muss. Wenn diese Hemmungen auch im Straßenverkehr fallen, ist die Grenze schnell überschritten, ab der die meisten ihr Auto nicht mehr beherrschen.
Während man den Kollegen bei deren Manövern zuschaut, sieht man in der Ferne andere Fahrer ihre Runden drehen. D.h. man hört mehr, als man erkennt. Unablässig hört man die Reifen quietschen, obwohl die Manöver nicht besonders kritisch aussehen.
Es ist auch sehr erhellend, mal ein Auto mit Tempo 100 an sich vorbei "rasen" zu sehen. Es ist ein tödliches Tempo, wenn es zu einem Crash kommt. Ein Wildunfall auf der Landstraße mit Tempo 100 ist ein Inferno für das Tier. Für den Unfallfahrer kann es das auch sein. Frappierend auch: Das gleiche, eng gesteckte Ausweichmanöver, das man mit Tempo 95 gerade noch beherrscht, ist mit 110 nicht mehr zu schaffen.
Das Fahrsicherheitstraining hat mir heute Respekt vor der Geschwindigkeit beigebracht. Und ich habe Fahrdynamik noch nie so in den Händen gehalten wie heute. Mir war nicht klar, welche Kraft und Konsequenz es erfordern kann, einen Unfall zu vermeiden.