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Dienstag, 19. April 2022

Verbote als europäische "Innovationstreiber"

Ein Freund gebliebener früherer Kollege fragte mich nach seiner ersten Testfahrt mit einem Tesla, wie ich die Zukunft der deutschen Automobilindustrie sehe. Er fragte nach einer Erfahrung, die ihn wohl begeistert hatte und gleichzeitig besorgte. Denn er hängt auch heute noch mittelbar von der deutschen Automobilindustrie ab. Die Frage, die 50+ ler umtreibt lautet: Werden wir es bis zur Rente schaffen, oder müssen wir doch auf Blockchains umsatteln?

Meine Antwort lautet: Wir haben die innere Stimme und Innovationskraft verloren. Ich könnte auch sagen: Den Lebenswillen. Denn nicht mehr sind Kreativität und Leistungswille der Fortschrittsmotor unserer Branche. Sondern Verbote und Gebote, die das Auto in den Dienst des "Wir statt ich" stellen wollen. Ich höre Sie jetzt fragen: "So wie früher beim VEB in Zwickau?" Und ich würde antworten: Ja genau.

Die nachrückenden Generationen sind unter Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Katrin Göring-Eckardt groß geworden. Sie kennen nur hängende Mundwinkel als Lebensgefühl, den verurteiltenden Zeigefinger als Geste und die Inkompetenz, die man leicht durch moralische Überlegenheit ersetzen kann, ohne dass man kritische Fragen fürchten muss.

Folgende Werte wurden völlig umgewertet:

- Können durch Sollen

- Kompetenz durch Moral

- Leistung durch Quote

Und so weiter, Ihr kennt das. Und da die neuen Leute nichts wissen, nichts entdecken, nichts erkennen außer über das Fehlverhalten ihrer Nachbarn müssen im Wirtschaftssystem neue Triebkräfte installiert werden. Produktentwicklung folgt inzwischen nur mehr gesetzlichen Vorgaben, die als moralische Vorgaben betrachtet werden. Und Produkte müssen nicht mehr ihre Käufer begeistern, sondern die Frauen auf der Kanzel, denen es ein Wohlgefallen ist, wenn die Gesetze sogar noch übertroffen werden.

Frage in diesem Land nicht, was die Naturgesetze für den Menschen tun können. Frage, was die Naturgesetze für die Moral tun können. Oder wie es grüne Spitzenpolitikerinnen in Ministerämtern gerne formulieren: "Den deutschen Ingenieuren wird schon etwas einfallen, da bin ich sicher." Und sie meint den edlen Wettstreit zwischen den unwissenden Inquisitorinnen auf der Kanzel und den ratlos umherblickenden Ingenieuren.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie das in Zukunft funktionieren soll. Aber so ging es früheren Ingenieuren auch schon, Wenn Stalin sagte, er brauche nur Elektrizität um die Leute zu beherrschen, dann meinte er sicherlich auch schon, dass seinen Ingenieuren schon etwas einfallen würde. Am Ende waren Zwangsarbeiter die Lösung, um die eigene Ideologie überlegen aussehen zu lassen. Vielleicht wird es ja wieder so kommen. Vielleicht werden alle die, die wirklich noch etwas können, von denen, die nichts können, aber moralisch überlegen sind, in Zwangsarbeit geschickt. Oder wie man es heute nennen würde: Ihr Renteneintrittsalter würde permanent "angepasst" werden.

Aber bis es den Leuten dämmert, wird noch ein Weilchen vergehen. Nach den Autos werden sich die "neuen deutschen Macherinnen" der "Digitalisierung" widmen. Gegen das, was sie sich noch ausdenken werden, werden Cookie Popups nur ein Staubkorb gewesen sein. 

Samstag, 3. März 2018

Motive gegen Veränderung

Die Innovationsberater reichen im Internet einen Cartoon herum, auf dem ein Anführer die Versammlung fragt, wer von ihnen FÜR Veränderungen sei. Alle Hände gehen hoch. Dann fragt er, wer von ihnen bereit sei, sich selbst zu verändern. Und alle Hände bleiben unten.

Es ist leicht zu sagen, "genau so ist das". Aber warum? Und warum sind so viele dagegen, sich selbst zu verändern und erwarten Veränderungsbereitschaft nur von allen anderen? 

Einmal abgesehen von der Binsenweisheit, dass Veränderung kein Wert an sich ist, erlebe ich folgende Fälle:

- Die Mächtigen haben etwas zu verlieren: Budget, Einfluss, Macht, Ansehen. Die Veränderungsprotagonisten hingegen können oft mehr gewinnen als verlieren. Beide unterstellen einander unter vier Augen vor allem diese Motive, bei denen es nicht um das gemeinsame Unternehmen, Bereich etc. geht, sondern persönliche Ziele.
- Die "Operativen" haben auch etwas zu verlieren: den Wert ihrer jahrelang gewachsenen Erfahrungen, Spezialisierungen und Optimierungen. Die Alteingesessenen bezeichnen die Veränderungsprotagonisten als "ahnungslos", was in Bezug auf die alten Verhältnisse ja auch zutrifft.

Es gibt noch ein drittes Motiv, das vor allem auf mich zutrifft:
- Vorsicht hinsichtlich der unbewussten Annahmen, die wir gerade alle treffen.

Gehe ich in ein neues Projekt, erwarten die Sponsoren oder mein eigener Programmleiter häufig einen sofortigen Stimmungsumschwung von mir. "Bringen Sie frischen Wind darein." - Aber das riecht mir zu sehr nach Aktionismus. Und ehrlich gesagt etwas zu simpel, heroisch, manchmal auch naiv. Ich bin zwar der "Agent" des Neuen. Aber zuerst schaue ich mich mal um.

Ich reite also sozusagen in die Stadt und schaue mir als erstes die Leute an. Manche treffe ich in Gruppen, manche unter vier Augen. Und ich höre erstmal rein. Denn ich weiß, ich selbst komme mit tausend Annahmen, die auf bisherigen Erfahrungen basieren. Allzu leicht packt man Leute und Dinge in Schubladen und fängt an mit falschen Annahmen zu operieren. 
Deshalb baue ich als erstes Beziehungen auf.

In dieser Phase höre ich dann manchmal, ich bewege mich zu langsam und fordern mich zu mehr "Beraterarroganz" auf. Wer so spricht offenbart mir vor allem die Angst, mit der er selbst in neue Situationen geht: Wie ein Hund, der erst mal alle anderen anbellt. Und auf der Straße sehe ich nur kleine Hunde, die große Hunde anbellen. Umgekehrt sehe ich das nur sehr selten.

Oder wenn man es in Westernmetaphern will: Ich bin eher Scharfschütze als Revolverheld. Mir reichen ein oder zwei Patronen, ich trage keinen Patronengürtel um meinen Oberkörper. Aber eigentlich passen Westernfiguren überhaupt nicht. Eher schon Kommissare aus Krimiserien. Poirot, der die Leute mit Rückfragen prüft, ob sie über Annahmen oder Erfahrungen sprechen: "Der Bosporus ist um diese Jahreszeit sehr ruhig, Sie werden sehen." - "Hm, haben Sie ihn um diese Jahreszeit schon einmal selbst überquert?" - "Nein."
Oder Columbo, der die Leute in Sicherheit wiegt und dann mit einer letzten Frage Schachmatt setzt: "Ach ähm, eine Frage noch...:" Insbesondere hierbei nutze ich das psychologische Phänomen, dass man Menschen entlang des Kennenlernens in bestimmten Phasen nur bestimmte Dinge Fragen kann. Es gibt Dinge, die erfährt man nur am Anfang und Dinge, die erfährt man nur später.

Also bewege ich mich langsam, aber sehr aufmerksam durchs Projektdorf. Treffe Leute im Salon und am Brunnen. Treffe große und kleine Leute. Und allmählich baut sich mir ein Bild auf aus Dingen und Leuten, Beziehungen zwischen Leuten, die die Dinge behandeln um die sich alles dreht. 

Meine Bewegungen werden dann allmählich schneller und zielgerichteter, wenn ich der Meinung bin, dass ich nun den höchst möglichen Themeneinstieg gefunden und geöffnet habe. Es ist dann auch viel einfacher, Argumentationsketten aufzubauen die die höchste und die niedrigste Ebene adressieren.


Freitag, 19. Januar 2018

Aufbruchstimmung im Januar

Der Januar ist für mich der Monat, Neues zu planen und innere Aufbruchstimmung zu erzeugen. Auch wenn die Tage noch kurz sind, und es draußen kalt und stürmisch ist. Im engsten Kreis entwickle ich dann neue Pläne und Zielbilder.

November und Dezember waren großartig verlaufen. In beiden Projekten konnte ich Ergebnisse liefern, die anerkannt wurden.

In dem schwierigeren von beiden war ich schon mit der Entscheidung des Kunden zufrieden, mein Konzept zu beschließen und es ab sofort in der neu gegründeten Organisationseinheit umzusetzen. Das Umfeld in diesem Projekt war und ist äußerst herausfordernd. Sowohl auf Kunden- als auch der eigenen Seite. Wir waren ohne fachliche Kenntnis in ein "strategisches" Modernisierungsprojekt gestartet und unsere Leitung meinte, als Stratege brauche man von der Sache her nicht so viel zu verstehen, weil es nur um Strukturen gehe. Dazu kann ich nur sagen: So redet nur jemand, der sein Leben ausschließlich als Berater verbraucht hat. Strategie folgt immer aus den Zielen des Geschäftszweckes, egal ob es um Produkte in einem Markt oder interne Verbesserungen geht.
Meine Empfehlung lautete: Dann helfen wir dem Kunden eben herauszufinden, was seine Ziele sind, und wie er dort hinkommt. Mein Beitrag war ein möglichst konkretes Konzept und Handbuch für ein agiles Anforderungsmanagement. Gegeben waren nur die jahrzehntealten Altsysteme und ihre Betreuer bzw. Programmierer. Inzwischen haben wir die ersten Geschäftsprozesse analysiert, Anforderungen geklärt und testen prototypenhaft die Umsetzbarkeit mit Standardsoftware.

Extern lief es also gut, intern weniger. Denn meine Projektleiter hat bis heute den Zusammenhang der Dinge nicht verstanden oder gar anerkannt. Sie konnte auch nicht gut damit umgehen, dass ich besseres Feedback bekommen habe als sie. Ich meine: Wenn wir dem Kunden "agil" empfehlen, können wir nicht gleichzeitig Distanz und die Arroganz des Beraters exerzieren.

Mein zweites Projekt war ein konzeptioneller Turnaround bzw. eine Feuerlöschaktion. Der Kunde konnte mit seinem Konzept seine Abstimminstanz nicht überzeugen. Die meiste Zeit war im Herbst verbraucht und bis Weihnachten sollte ein neues Konzept her und die Zustimmung der Abstimminstanz ebenso.
Auch hier ging es um Anforderungsmanagement, aber weniger um Systemmondernisierung sondern Konsolidierung und Standardisierung. Wir besetzten unser kleines Team optimal und konnten mit Erfahrung und Sachkenntnis einsteigen. Auch die Zusammenarbeit mit Projektpartnern startete gut. Interviews und Workshops liefen gut, weil das Kundenteam sofort verstand, dass wir wussten wovon wir sprachen. Und in weniger als zwei Monaten entstand ein neues Konzept, dem die Mitglieder der Abstimminstanz zustimmten. Danach stimmte auch noch das erste Entscheidungsgremium zu. Und diese Woche hörten wir, dass nicht nur nicht gemeckert wurde, sondern sogar gelobt :-).

Was will man als Berater mehr? Was kann mehr bestätigen, dass Beratung nicht von abstrakter Strategie sondern angewandter, systematisierter Erfahrung lebt? So wie Hubraum beim Automotor ist im IT-Geschäft Erfahrung durch nichts zu ersetzen :-)

Zur positiven Erfahrung des vorigen Jahres zähle ich auch die Weiterbildung, die ich genießen durfte. Die meisten Erkenntnisse hatte ich im Architekturmanagement nach TOGAF. Dies versetzt mich noch besser in die Lage, mich künftig mit Architekten abzustimmen.

Also, gut gerüstet und ohne Kater sondern mit Aufbruchstimmung gehe ich ins neue Jahr. Ich sehe es positiv, dass das neue Jahr vor mit liegt. Ich freue mich darüber umso mehr, weil ich lange gegen Widerstände, externe wie interne, ankämpfen musste. Am Ende ging die Runde an mich.

Freitag, 18. März 2016

Vertrauen beschleunigt Arbeits- und Informationsflüsse

Verabschieden wenn es am schönsten ist hat einige Vorteile:
  • Man behält gute Erinnerungen.
  • Man bleibt in guter Erinnerung.
  • Man hat sich seinen neuen Job nicht nach Vermeidungskriterien gesucht, sondern nach neuen Zielen.
Wenn man geht, ist man auf dem Höhepunkt seiner Erfahrung und Expertise. Das geht nicht anders. Man hat aber auch seine Beziehungen zu Kollegen und Projektpartnern maximal entwickelt. 

Wenn wir ein Vergrößerungsglas auf den Zeitraum halten zwischen der "Beichte" bei unserem Chef, dass wir gehen wollen, und dem letzten Tag im alten Job,  entdecken wir noch mehr:

Ich war Product Owner eines Datenbanksystems für die Technische Entwicklung. Die Migration verlief am Anfang unterproportional. Dann, mit den positiven Erfahrungen der ersten User, proportional, danach überproportional. Meine Anwender konnten freiwillig von Excel aufs System umsteigen, so wie es für die Terminlagen ihrer Projekte am günstigsten war.

Als ich jedoch kommunizierte, dass ich in einigen Wochen gehen werde, wollten die noch nicht umgestiegenen plötzlich alle rein. Hätte sich mein Gehalt nach verkauften Lizenzen oder Marktanteilen gerichtet, dann wäre mein letzter Monat der beste meiner gesamten Zeit gewesen.

Doch auch die Vertrauensbasis erweiterte sich schubartig. Ich hatte eine belastbare Vertrauensbasis zu den Anwendern der ersten Stunde aufgebaut. Sie investierten damals ihre Zeit, ohne Garantie auf "Return". Ich gab ihnen den Return durch Erfüllung, manchmal auch Übererfüllung, ihrer Erwartungen. Manchmal erfüllte ich diese nicht sofort, aber korrigierte mich, wo wir uns missverstanden hatten. Positiv ausgetragene Konflikte stärken das Vertrauen vielleicht noch mehr als geradlinige positive Entwicklung, weil man den anderen von einer zusätzlichen Seite kennen gelernt hat: nämlich, ob er sich unter Stress noch an seine Zusagen gebunden fühlt.

Ich machte aber nach der Offenbarung meiner Kündigung noch eine Erfahrung: Einige Kollegen, die ich seit mehreren Jahren kannte, aber nie direkt mit ihnen zu tun hatte, sprachen plötzlich ganz offen zu mir. Von Mensch zu Mensch sozusagen. Darunter Einflussnehmer, Themenchefs sozusagen, aber auch Leitende oder im Aufstieg befindliche Kollegen. Diese öffneten sich mir erst, als klar wurde, dass wir nie Konkurrenten sein werden. 

Es ist schade, dass solch eine Öffnung immer erst dann kommt, wenn sie keinen Nutzen mehr stiften kann. Denn die Arbeit gewinnt enorm an Schub, wenn man offen miteinander umgeht. Der Informationsfluss beschleunigt sich, über Abläufe, Daten und Personen. Wir arbeiten effektiver, wenn wir einander vertrauen. Protokolle, Verträge, Prozesse braucht man um so weniger, je größer das Vertrauen ist.

Die Kollegen, die sich erst zum Schluss öffnen, geben aber nicht nur Ängste auf. Einige von ihnen versuchen auch noch, Informationen zu bekommen. Jeder überlege sich aber selbst, was er auf den letzten Metern noch offenbart oder preis gibt.



Mittwoch, 24. Juni 2015

Wie man als Product Owner neue User gewinnt..

Ihr wisst, dass man vieles erst zu schätzen weiß, wenn man es nicht mehr hat. Sigmund Freud erklärte sich das damit, dass der Mensch (bzw. alle Lebewesen) vorrangig den Unterschied sehen, und nicht das, was sie kennen. Die Fokussierung auf den Unterschied diente in der Evolution der Erkennung von Gefahren.

Wenn wir also über Werte, oder Preise, einer Sache sprechen, ist das subjektiv. Nämlich abhängig davon, ob man es hat oder nicht. Wenn man es nicht hat, ist es abhängig davon, ob wir es kriegen können. Das kennt man ja auch: Wer in der Nähe einer Sehenswürdigkeit wohnt, schiebt ihre  Besichtigung auf ewig hinaus. "Das kann ich immer noch machen." sagt man sich, bis zu dem Tag an dem man aus der Stadt wegzieht.

Auch wenn man um diese Zusammenhänge weiß, kann man sich ihnen kaum entziehen, weil sie nicht über den Kopf sondern das Gefühl funktionieren. Trauer um Verlust, oder antizipierend die Verlustangst, kann man kaum durch Nachdenken verkleinern. Sondern durch Erleben, dass es auch ohne geht, oder die Angst unbegründet war.

Man kann sich diese Effekte allerdings auch zunutze machen, wenn man von anderen etwas will. Wer jemanden etwas verkaufen will, muss es seiner Zielgruppe zeigen. Sobald sie Interesse signalisiert, muss man Hürden aufbauen. Das steigert das Interesse und regt Phantasien über das Produkt an. Der, dem wir es vorenthalten beginnt, das Produkt zu idealisieren. Es sich als Lösung für immer mehr Probleme auszumalen. Er wird es um jeden Preis bekommen wollen.

Wenn das jetzt verlockend klingt, muss ich allerdings bremsen. Es ist schwer, seine Rolle als Verkäufer so zu spielen, weil es gegen das eigene Ziel gerichtet ist, verkaufen zu wollen. Hier muss der eigene Kopf den eigenen Bauch beherrschen. Das gelingt nur durch Experimente und erste Erfolge.

Ich erlebe das seit längerem als Product Owner einer Softwarelösung. Zuerst rannte ich allen potenziellen Usern quer durch unseren Konzern hinterher. Ich machte die typischen Demotermine. Und hakte nach, wie ich das vor zehn Jahren bei IBM mal gelernt hatte: "Dran bleiben, nachhaken, anrufen, nerven." Das hat bei mir nur selten funktioniert, nämlich bei denen, die von Anfang an mitmachten. Die also schon überzeugt waren.

Bei den meisten anderen erntete ich Fragen und Einwände. Immer wieder, und es vergingen Monate. Erst als ich aufhörte nachzufragen und daran zu denken, kamen sie zu mir. Plötzlich wollten sie Testzugänge, stellten konstruktivere Fragen, schickten mir Checklisten und Anforderungswünsche.

Ich habe das mehrmals so erlebt. Diese User sahen den Unterschied zwischen meinen Nutzenversprechen und ihrer Arbeitswelt erst, als ich den Raum wieder verlassen hatte. Und dann gingen sie weiter. Sie dachten selbst nach, entwickelten eigene Szenarien. Bis sie es nicht mehr für meine Idee hielten, sondern zum Teil auch ihre eigene.

Und damit sind wir bei einem weiteren psychologischen Effekt: Der Zustimmung zu einer Idee erst dann, wenn man sie für die eigene hält. Aber davon erzähle ich beim nächsten Mal...

Dienstag, 9. Juni 2015

Die "Erregermaschine" abschalten

Ich habe "Sorge dich nicht, lebe!" nie gelesen, lebe aber inzwischen nach diesem Titel. Bevor etwas Neues Einlass in mein Bewusstsein begehrt, frage ich es: Was hast du mit mir zu tun?

Und zack, werden die meisten Nachrichten und Neuigkeiten herausgefiltert. Das entlastet Prozessor und Speicher, Bewusstsein und Gedächtnis. Anderer Leute Probleme belegen bei mir keine Ressourcen mehr. Ich entlerne sogar Empathie, also die Empfindung von Schmerz, wenn ich ihn bei anderen sehe. Denn Empathie quält nur, wenn man doch nichts helfen kann.

Ich verliere an Breite und gewinne an Tiefe. Mal Jahre lang ein Projekt weiterentwickeln. Einfach am Ball bleiben und sehen, wie es wächst. Und wie ich selber wachse. Kollegen kommen und gehen, ich bleibe. Und immer wenn ich dachte, so - jetzt bin ich auf dem Höhepunkt, oder sogar über den Berg, dann kam danach ein noch größerer Hügel von dem aus ich noch mehr sah.

Ja, man klebt an alten Gewohnheiten wie tagesschau, heute journal im Fernsehen und den notorischen Webseiten mit Neuigkeiten und auch den Medien, auf denen man Austausch und Feedback bekommt. Aber es geht auch ohne. Dazu braucht es vielleicht einen Ruck, wie ihn uns die Telekom vor einigen Wochen verabreichte: Abends fiel in Kreuzberg/Mitte ein ganzer Netzbezirk aus. Wir waren nicht nur telefonisch nicht erreichbar, wir hatten auch keine Emails und kein Internet. Und sogar das Hintergrundrauschen für unser Onlinegeplapper fiel aus: das Fernsehen. Denn bei uns kommt alles über "das Netz".

Stattdessen lauschten wir vor der Terrassentür einem aufziehenden Gewitter und beobachteten die zunehmende Dunkelheit. Als wären wir im Urlaub, wo wir ja stets feststellen, ohne was man alles leben kann und wie viel stattdessen schon da ist. Gut, anfangs schalteten wir das Radio ein, weil wir annahmen, der Grund für den Ausfall sei ein Blitzeinschlag bei der Telekom. Wir lauerten also auf Nachrichten mit Bedeutung für uns. Aber stattdessen kam nur das übliche. Und deshalb schalteten wir es irgendwann auch aus. Da hörten wir nur noch, wie der Regen in Bäume und Hecken rauschte.

Mein Religionslehrer in der fünften Klasse begann seinen Unterricht immer mit den Worten "Sammelt euch." Dann mussten wir aufstehen, die Hände falten und auf die Stille warten. Heute verstehe ich, was er mit "sammeln" meinte: die verstreute Aufmerksamkeit, die überall herumspringt, nur nie bei uns selber ist.

Vertiefe dich auf dich und deine ureigenen Angelegenheiten und du wirst überrascht, wie viel Gehalt da ist. Auf der Arbeit meide ich Großraumbüros, auch das Büro, in dem mein Schreibtisch steht. Der immer wieder behauptete Vorteil des Großraumbüros es würde alle Mitarbeiter automatisch up-to-date halten stimmt nicht. Es dient vielmehr der Aufwertung geeigneter Arbeitsbedingungen (Stille, Konzentration..) zu einem Statussymbol. Ich nutze freie Besprechungsräume oder belege welche, wenn ich mit jemanden etwas besprechen muss. Ich bin mit meinem Projekt beschäftigt, mit der Suche nach leeren Räumen oder auf den Weg zu ihnen. Ich schaue nicht mehr ins Internet oder bin neugierig auf noch mehr neue Emails.

Und wenn es Konflikte gibt, bin ich heute willens und fähig, sie sofort anzusprechen und damit auszuräumen. Konflikte belegen bei mir heute deutlich weniger Ressourcen, weil ich sie konzentriert angehe.

Ich frage mich seitdem, warum ich jetzt erst darauf gekommen bin. Denn ich gewinne ungemein an Stärke, Konzentration und brauche für Arbeiten erheblich weniger Zeit. Die Erregermaschine arbeitet unablässig daran, uns von uns selbst abzulenken, und uns damit zu schwächen. Die Medien verstehen sich nicht mehr als Aufklärer, sie wollen uns nur noch erregen. Wie Nörgler, denen nicht an der Lösung von Problemen und Störungen gelegen ist, sondern an der Aufmerksamkeit, die sie von anderen auf sich lenken zwecks Bestätigung ihres Daseins.

Seitdem ich so arbeite und lebe erlebe ich immer häufiger den Flow und ein fideles Körpergefühl. Ich bin in meiner Mitte. Ich glaube, das ist es wo ich all die Jahre, als ich glaubte mich selbständig machen zu wollen, hinwollte.

Freitag, 27. April 2012

Resümee über Kreativität nach sechzehn Ingenieursjahren


Resümee aus meinen Ingenieursjahren in Konzernen und kleinen Organisationen:

  • Ja, ich habe mir angewöhnt, Erfindungs-und Verbesserungsideen schriftlich festzuhalten und einzureichen.
  • Ja, ich habe ein Skizzenbuch, in dem ich auch noch nach Jahren Werdegänge von Ideen verfolgen kann und immer wieder erstaunt feststelle, wie schnell "utopische" Annahmen von der Realität übertroffen werden.
  • Nein, meine besten Inspirationen hatte ich nicht in Brainstormingsitzungen, sondern wenn ich einen Mangel oder Bedarf entdeckte, den man durch Transformation von Erfahrenem oder Gelesenem bedienen könnte.
  • Ich hatte gleich mit der ersten Idee den größten Erfolg. Es hat mich ermutigt, Ideen nicht wegzuschmeißen, sondern zu entwickeln. 
  • Besser als eine Brainstorminggruppe ist das Gespräch mit einem oder zwei Gleichgesinnten, die aus unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen kommen. Ungefilterte Assoziationen kommen nur in vertrauenswürdiger Umgebung oder wenn klar ist, dass die Ideenurheber als solche anerkannt bleiben (d.h. wenn der Chef teilnimmt, der aber selbst als starker Filter wirkt).
  • Im trockenem Konzernumfeld fliegt mir mehr Inspiration zu als in einer aufgekratzten  "Kreativagentur" oder "Beratung". Eitle Konkurrenz stachelt nicht an, sondern törnt ab. Die Antwort auf die Frage liegt nicht darin, das Fragezeichen wegzuwischen.
  • Viele Manager, sogar solche, die Ideenwettbewerbe organisieren, dementieren es, selbst auch kreativ sein zu müssen. Als "unsere Kreativen" bezeichnen sie nämlich gerne die unteren Gehaltsbänder in der FuE.
  • Politiker verstehen nicht, dass Kreativität erst dann wirtschaftlich zündet, wenn sie zu Massenprodukten führt, die sich exportieren lassen. Sie halten eine "kreative" Dienstleisterszene aus Auftragsprogrammierern bereits für Erfolg.
  • Viele wahrhaft kreative Menschen unterschätzen ihre Ideen und trauen sich nicht, eine Erfindungsmeldung einzureichen. 
  • Bring Funktionenerfinder mit Technologieerfindern zusammen. 
  • Bring ITler mit Prozessorganisatoren zusammen. 
  • Bring Absolventen mit Seniorberatern zusammen.
  • Vorsicht: Der Ideenklau geht um. Ein Kollege reichte einen fremden Beratungsthemenvorschlag  als Beitrag zu einem Ideenwettbewerb ein. Und verlor ;-)
  • In der Wertschöpfungskette der Piraterie folgt nach dem Ideenklau der Kampf um die Projektleitung. Ok, das Management hat das Go! gegeben. Und wer setzt es nun um? 
  • Die Geschäftsführung (und der Parteivorstand) tendieren dazu, die Organisatoren der Workshops auszuzeichnen, nicht die, die entscheidende Impulse geben. Jedenfalls eine Zeit lang. 
  • Andererseits: Eine solche Arbeitsteilung ist sinnvoll (vgl. Thomas Edison), die Rollenbesetzung gehört aber in den Nachspann.
  • Hinweis: Wenn das Patent des Angestellten "in Serie geht", bekommt er zusätzlich zu dem Gehalt eine Erfindervergütung. Das ist Gesetz, wissen aber die wenigsten! (Wo das nicht der Fall ist: den Betriebsrat ansprechen.)
  • Alte Erfinderhasen wissen, wie man seine Patente in Serie bringt ;-)
  • Sei nicht stolz auf Deine erste Erfindungsmeldung und Dein erstes Patent. Sei stolz, wenn Dein erstes Patent in Serie geht. Dazu brauchst Du voraussichtlich zig  Erfindungsmeldungen.
  • Finanziere die Umsetzung Deiner Idee in konzentrischen Kreisen: Wärst Du bereit, eigenes Geld zu investieren (nur dann glaubst Du wirklich an sie)? Könntest Du Verwandte und Freunde überzeugen, mit Dir zu investieren? Gehe erst danach zum Chef oder zur Bank.
  • Businesspläne schreibt man vor allem für sich selbst. Wie man überhaupt nur schreibt, um sich selbst etwas klar zu machen. 

Donnerstag, 2. Februar 2012

Labor oder Schreibtisch: Ideen muss man teilen

Die Erregung über Ideendiebstahl, der Kampf ums Urheberrecht, die Anklage auf Patentverletzung, aber auch der Unmut über desinteressiertes Management, das sind alles Zeichen verletzten Stolzes. Genau genommen: einer unausgewogenen und unfairen Verwertung von Ideen, oder ihrer Missachtung.

Man schreibt und erfindet immer für andere. Aber man will als Urheber der Idee bekannt und anerkannt sein. Mögen andere den Schrieb zwischen zwei Buchdeckel pressen, mögen andere die Produktidee realisieren und wieder andere auf die weltweiten Märkte bringen. Mögen andere damit verdienen. Man selbst will zwei Dinge: Mitverdienen und als Ideengeber erkennbar sein.

So denken nicht alle, und so denkt nicht jeder immer. Man kann einem stolzen Erfinder oder Redenschreiber auch mit Geld das Maul stopfen. Es muss nur genug sein, dann schweigt er. Es gibt auch den Typus, dem die Reputation von vorne herein nicht wichtig ist. Aber in einer Welt, in der die Armen sexy bleiben und die Reichen uninteressant, muss man auf beides achten: Die Reputation macht den Marktwert, die Marke, ist immaterielles Ergebnis des Invests in sich selber, das die Lizenzeinnahmen von morgen ermöglicht. Denn nur von den Lizenzeinnahmen lebt man.

Ich habe den Zorn selbst erlebt über den, der sich mit einer Idee auf und davon machen will. Aber ich wusste Wege, ihn vom Pferd zu holen.

Aber der Kreative muss auch etwas anderes erkennen, was gerade typisch für unsere Zeit ist: Man muss Ideen teilen. Mitteilen. Das Wagnis, den Vogelkäfig zu öffnen, damit der Vogel die Welt kennen lernen und sich anreichert. Das Wagnis, dass er nicht zurückkommt, aber die Hoffnung, dass er etwas mitbringt.

Das Internet bietet beides: Wege der Verbreitung einer Idee. Aber auch Mittel, das Feedback der zugedachten Empfängergruppe zu testen und zu dokumentieren. In quantitativer Form als OK-Klicks unter einem Beitrag und in qualitativer Form als Kommentare und weitergehende Ideen unter einem Beitrag.

Auf diesem Weg sind ja die besten Werke entstanden. Ingenieursarbeit zum Beispiel ist immer Teamwork. Und zwar nicht nur von Ingenieuren unter denen man Tüftler braucht aber auch disziplinierte Konstrukteure. Man braucht auch die, die außerhalb des Labors leben und wissen, was die Leute gebrauchen können. Und man braucht die, die wissen, wie man eine Sache produziert und verkauft. Nicht gebrauchen kann man hingegen Manager, die sich als nacheilende Propheten entpuppen. Die hinterher erklären, warum es vorher klar war, dass etwas passieren würde.

Aber auch Musik ist ein gutes Beispiel. Es gibt Poeten, die Texte schreiben. Oder einer Melodie auf den Leib schreiben. Die "Meister der Kompression". Es gibt Musiker, die komponieren. Die beim Spielen neue Linien entdecken.. Bob Dylan hat Songs geschaffen, die andere erst popularisiert haben, indem sie für den richtigen Sound sorgten. Und so weiter. Die Bands, die neue Stilrichtungen geschaffen haben, sind nur selten reich damit geworden, sondern die, die das Neue popularisiert haben, indem sie es der Masse zugänglicher, also einfacher, machten. Dafür haben die Pioniere immer den Ruhm geernet, zumindest bei denen, die ihnen wichtig waren.

Ich glaube, das Urheberrechtsding im Internet will auch Fairness. Wer etwas hochlädt, will als Absender bekannt bleiben. Aber damit er als Absender relevant wird, muss er loslassen können und anderen erlauben, sein Ding weiterzuentwickeln. So schaffen alle gemeinsam etwas Großes, wozu sie allein nicht alle benötigten Fähigkeiten gehabt hätten. Der Lohn dafür muss dann fair aufgeteilt werden. Und dabei ist es nicht selten so, dass der Ideengeber verstehen muss, dass ohne ihn zwar nichts passiert wäre, er alleine es aber nie aus seiner Werkstatt heraus geschafft hätte. Der Verwerter im Vertrieb muss aber ebenfalls verstehen lernen, dass er loslassen muss, damit andere neue Möglichkeiten nutzen, um auch dieses Werk weiter zu entwickeln.

Irgendjemand, man weiß nicht mehr wer, dachte sich die Geschichte vom Aschenputtel aus. Die Brüder Grimm banden fremde Geschichten zu einem Buch, das sie im Lande verteilten. Aber erst Disney machte daraus eine weltweit erzählte Bildgeschichte Cinderella. Aber auch Disney muss zulassen, dass andere die Geschichte weiterentwickeln, und dabei neue Möglichkeiten des Netzes nutzen.

Montag, 9. Januar 2012

Warum der kleine rote Kreis mit weißer Ziffer gut fürs IT-Geschäft ist

Auf einer Demo am Samstag habe ich es so richtig zu spüren bekommen. Ein überlastetes Smartphone, das im wesentlichen mit der Sanduhr kämpft und ein langsamer Chip in der Kompaktkamera machen einen rasend, wenn man gerade mal "echtzeit"-fähig sein will.

Die Softwarestände unserer Apps sind aktuell, weil wir alle Updates mitgemacht haben. Unser Betriebssystem ist nur so aktuell, wie es für unser Smartphonemodell gerade noch unterstützt wurde - also nicht aktuell. Aber auch für ältere Betriebssystemversionen werden immer wieder Aktualisierungen mit zusätzlichen oder renovierten Funktionen veröffentlicht und ich habe sie installiert. Und irgendwann ist es zu spät, das Gerät ist nach dem Update plötzlich überlastet. Z.B. Twitter. Es scheint ununterbrochen mit Laden beschäftigt zu sein. Zuviel für ein drei Jahre altes Smartphone. Und bei unserem Notebook ist das das gleiche. Fotobearbeitung dauert immer länger oder wird gar nicht mehr unterstützt.

Und so fängt man schon wieder an, die Anschaffung eines neueren Gerätes zu überlegen. Aber eines schwöre ich: Beim nächsten achte ich auf ausreichend Ressourcen und mache nicht mehr jedes Update mit.

Es sind die kleinen roten Kreise, die uns zum Anklicken erzogen haben. Anklicken, weil es hier was Neues gibt, das man nicht verpassen darf. Soll. Will. Es ist kein Zufall, dass das Symbol dasselbe ist wie für neue Emails. Genau das ist der beste Umsatztreiber für die Gerätehersteller.

Donnerstag, 17. November 2011

Produktaufwertung in zwei Zügen

Ist schon länger Trend, ist mir aber erst jetzt auch bei anderen aufgefallen: Immer mehr Autohersteller gehen dazu über, technische und gestalterische Verbesserungen nacheinander auf den Markt zu bringen.

Früher galt z.B. bei Porsche das Motto: Ein neues Modell muss seine technischen Neuerungen auch optisch verkörpern. Heute wertet Porsche seine Modelle oft erst technisch auf, und zieht Designneuheiten ein oder zwei Jahre später nach. So lässt sich zweimal als neu verkaufen, was früher EINE Innovation war. Als die Autoabsatzkrise tobte, investierte Porsche massiv in effizientere Motoren, zog z.B. Direkteinspitzung, Dieselantrieb und Hybridantrieb sowie StartStop nach. Äußerlich blieben Boxster, Cayenne und 911 unverändert. Jetzt feiert Porsche ein Facelift nach dem anderen. Den Anfang machte der Cayenne, im Herbst der 911 und aktuell kursieren Fotos von einem kantigeren Boxster durchs Internet.

Der Trick macht seine Kunden nicht unbedingt unglücklich. Normverbräuche unter 10 Litern waren ein wichtiges Kaufargument für viele Porschekunden, wie ich aus Gesprächen mit dem Service und dem Verkauf in einem Berliner Porschezentrum erfuhr. Wer einen Porsche aus Imagegründen kauft, will nicht länger auf astronomische Verbräuche angesprochen werden. Aber auch andere Innovationen, die dem Komfort dienen, ziehen bei der Gelegenheit ins aufzuwertende Modell ein. Kurz gesagt, könnte man diese Modelle für Understatement orientierte Kunden auf den Markt bringen.

Später schiebt man dann das optisch neue Modell nach, für die Designfans. (Oft senkt man den Verbrauch dann noch mals etwas, weil mehr Leichtbauteile zum Einsatz kommen.)


Im Herbst seines Lebens: Porsche Frontmotormodell, das erst zum 924S aufgewertet wurde, und dann den 944 Hut bekam

Wer diese Taktik übrigens auch übernommen hat, und sogar die Namensgebung von Porsche dafür benutzt, ist Apple. Die iPhones sind nach numerischen Baureihen benannt. Nach einer Modellpflege wird einfach ein "S" angehängt. Das "S" kann schon der Technologieträger für die nächste Baureihe sein, hat aber noch das alte Design.

Dienstag, 1. November 2011

Phil McKinney geht

Steve Jobs galt als genialer Erfinder, Designer und Kommunikator seiner Produkte. Doch in die Karten schauen ließ er sich nie. Ganz im Gegensatz zu Phil McKinney, dem Cheftechnologen bei HP. Noch-Cheftechnologen muss nun sagen. Denn er hat seinen Rücktritt angekündigt.

McKinney betreibt seit Jahren einen Blog und Podcast namens "Killer Innovations". Darin gibt er u.a. Anleitungen zu ziemlich allen Phasen des -wenn es das gibt- Innovationsmanagement. Die Bewertung von Erfindungen, und wie man überhaupt zu guten Erfindungen kommt. Darüber hinaus tritt er seit kurzer Zeit auf Erfindermessen als Redner auf.

Als Figur, aus der er alle seine Erkenntnisse und TIps ableitet, hat er seine Killer-Questions ersonnen. Eine Reihe von Fragen, die einen auf die Spur vielversprechender Produktentwicklungen bringen soll. Die Killerfragen zielen oft auf Annahmen, die wir bislang unbewusst treffen. Dann fragt er: "Welche Auswirkung hätte es auf Ihr Geschäft, wenn das Gegenteil dieser Annahme wahr würde?"

In seinem Podcast finden sich auch sehr interessante Interviews mit erfolgreichen Innovatoren in Rente, z.B. HP-Managern. Dolle Geschichten wie die aus der Taschenrechnerentwicklung geben wertvolle Hinweise, auch für heute.

Von McKinney habe ich auch das ganz einfache Prinzip der Gründungsfinanzierung verstanden: Man bekommt umso leichter Geld von anderen Institutionen, je mehr Kapital man schon beschafft hat. Wie aber bekommt man das erste Kapital, wenn man selbst keines hat? McKinneys Antwort: "Friends and Family". Man beteilige die Familie und den Freundeskreis an seiner Gründung. Völlig ungewöhnlich für Deutschland. Hier liefe es eher umgekehrt: Die Familie und Verwandschaft beteiligt sich, NACHDEM man es geschafft hat, die Bank oder Sparkasse zu überzeugen. Aber sein Prinzip stimmt: Investoren lesen Business Pläne nicht en detail, das tun nur Förderinstitutionen von Landesbanken. Sie schauen, wer sich schon an der Firma beteiligt hat und wer sich noch in diesem Markt tummelt und ob der Wettbewerbsvorteil glaubhaft ist. Wenn alles stimmt, bekommen sie Angst, etwas zu verpassen... ;-)

Und so ähnlich läuft es auch innerhalb von Großunternehmen.

Warum ich das alles schreibe? Weil solche Typen wie Jobs und McKinney Seltenheitswert haben. In den USA. Aber vor allem in Deutschland. Dabei sind sie der Maßstab, an der sich Manager zu messen hat. Es knirscht oft, wenn deutsche Erbsenzählermentalität auf amerikanischen Unternehmergeist trifft. Richtige Wogen schlägt es, wenn es ein deutscher Erbsenzähler auf den CEO Posten im Abfindungsparadies USA schafft. Leo Apotheker brauchte nur Monate, um HP all seiner Substanz und Motivation zu berauben. Er verkündete den Rückzug aus dem PC- und Smartphonegeschäft. Das hat HP Geld gekostet, zum Schluss vor allem dafür, um ihn wieder loszuwerden. Einigen Innovatoren scheint er auch den letzten Nerv geraubt zu haben. Denn heute hat McKinney auf seinem Blog verkündet, dass er HP zum Jahresende verlassen wird.

Donnerstag, 11. August 2011

Der Unterschied zwischen Experten und Beratern

Ihre Selbstsicherheit konnten sie nur aus ihrer Unwissenheit beziehen.
Franz Kafka, "Der Process"

In der Beziehung Kunde - Berater/Fachmann gibt es ein Paradoxon, das fast immer zu Konflikten führt. Der selbstsichere, Führungsstärke ausstrahlende Anbieter bekommt den Auftrag. Später entpuppt sich diese Stärke als Schwäche und sogar als Hindernis.

Der in der Ausschreibungsphase stark Auftretende vermittelt, dass er sein Metier versteht, sein Kunde also kein Risiko eingeht. Er vermittelt Selbstsicherheit, wird sich also auch gegen andere Mitspieler, wie Lieferanten oder andere Spezialisten durchsetzen können, wenn das Projekt unübersichtlich werden sollte.

Nach der Beauftragung legt er schon bald einen Plan fürs Projekt vor. Und verkündet, wen und was er dafür braucht. Führungsstärke, Sicherheit. Dann kommt die erste Bodenwelle. Der Kunde erinnert seinen Dienstleister an die Besonderheiten, die er in der Ausschreibung genannt und im Gespräch wiederholt hatte. Und damit bringt er den selbstischeren Dienstleister von seinem geplanten Weg ab. Das will dieser nicht und versucht er zu vermeiden: "Das geht nicht." Er sieht seine Planung, sein Budget, seinen Zeitplan in Frage gestellt. Und er weiß vor allem noch nicht die Methode wie er bei diesem für ihn unbekannten Ziel landen soll.

Genau diese Kompetenz aber, Führung durch ein noch unbekanntes Gelände, suchen viele Kunden. Einen Partner, der ihnen zuhört, ihre Wünsche versteht und auf Machbarkeit prüft, unter Aufbietung all seiner -möglichst mannigfaltigen- Erfahrung.

Handwerker z.B. sind ein sehr konservatives Metier. Gegen sie haben kreative Architekten, Ausstatter, Designer auf der Baustelle nur selten eine Chance. Der Handwerker scheut den Umgang mit unbekannten Mitteln und lehnt ab. In der ersten Welle des Internet war es ähnlich. Viele gute und keinesfalls unrealistische Ideen wurden nicht umgesetzt, weil sie für SAP-Berater, Middlewarehandwerker und ihre Sponsoren in den IT-Abteilungen das Risiko des Unbekannten bargen: "Das ist unrealistisch."

Diese Dienstleister sind sicher, aber nur auf ihrem schmalen, ausgetrampelten Pfad. Sie sind auch nicht kundenorientiert. Spätestens im dritten Kundengespräch entpuppt sich ihre "Selbstsicherheit" als Sturheit. Sie "korrigieren" Aussagen des Kunden, wenn diese nicht in das Schema des standardisierten Dienstleisters passen. Sie vergessen ganz und gar den Charakter der entstandenen Beziehung: Kunde und Auftragnehmer.

Der Unterschied zwischen Beraten und Dienstleisten ist die Unklarheit des Lösungsweges, manchmal sogar der Aufgabenstellung zu Beginn des Projektes. Der Berater legt Wert auf die Analyse und sagt zu, eine Lösung zu suchen, sobald die Aufgabenstellung klar ist. Der Dienstleister erwartet eine klare Aufgabenstellung. Der Berater muss sicher in der Beziehung sein. Ihm ist klar, dass bereits die Klärung der Aufgabenstellung eine Leistung ist. (Diesen Typus gibt es auch unter Dienstleistern, Handwerkern, Werkstätten, aber eher selten. Findet man einen solchen, ist er Gold wert. Übrigens kommen immer mehr Baumärkte auf die Idee über Video handwerkliche Anleitungen zu ihren Produkten anzubieten..)

Im Unterschied zum Berater legt sich der Experte die Aufgabenstellung so zurecht, dass sie in sein Erfahrungsschema passt. Was seine Erfahrungen angeht, sucht er immer nur mehr vom Gleichen. Das ist seine Art, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln: Durch Unflexibilität. Weicht der Kunde davon ab, verunsichert er den Experten. Den empfundenen Druck versucht dieser mit Gegendruck abzuwehren: "Dann ist Ihr Termin gefährdet. Sie sind der Erste, der das so haben will. So sind wir alle nicht eingespielt. Am besten kaufen Sie bei meinem langjährigen Partner etwas aus dem Katalog, dann sind wir morgen fertig." Im schlimmsten Fall versucht der Experte, wenn er sich in Frage gestellt fühlt, seinen Kunden mit Fachwissen auszustechen, am besten noch vor anderen Projektteilnehmern, um deren Zustimmung einzuholen und sich endlich wieder stark zu fühlen.

Worauf ich hinaus will: Bei komplexen Projekten, in denen mehrere völlig unterschiedliche Kompetenzen zusammen spielen müssen, um herauszufinden, ob und wie nah an den Kundenvorstellungen man ein Projekt umsetzen kann, ist auffällige Selbstsicherheit zu Beginn ein Indiz für mangelnde Flexibilität und unter Stress vielleicht sogar auch für mangelnden Respekt (weil die Art der Beziehung vergessen wird) - im schlimmsten Fall muss man unterwegs diesen Experten gegen einen anderen auswechseln. Wer nur mit seinen Wettbewerbern gleichziehen will, braucht nur den Standardexperten. Wer sich differenzieren will, braucht einen guten Berater, der bei Bedarf einen Satz unterschiedlicher, aber guter Experten kennt. Zu erkennen am Feedback zur Aufgabenstellung und dem Fokus auf einer Vorgehensweise, in der man zwischendurch entscheiden kann, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht.

Für den Berater hingegen ist ein neues Projekt auch immer eine psychologische Hürde. In dem Sinne, dass man in der Frühphase, in der sich seine Beziehung zum Kunden erst bilden muss, gerne nur gute Nachrichten bringt. Er verwöhnt seinen Kunden damit allerdings. Es ist eine Hürde, erkannte Probleme sofort zu artikulieren. Aber das muss er tun, sofort nach der ersten Bodenwelle, die ihm die erste positive Annahme in Frage stellt.

Dienstag, 26. Juli 2011

Kein Innovationsmanagement ohne Redakteure

Die Empfehlungssysteme von amazon, iTunes und dem Apple Appstore entwickeln sich zur Käseglocke. Kurzfristig finde ich es gut, wenn ich zu einem Suchmuster weitere Angebote bekomme. Darunter Raritäten, die ich selbst nie finden würde.

Aber meine Suchprofile ändern sich. Bzw. sollen sich manchmal ändern, dann suche ich Inspiration. Dann weiß ich nur, dass ich nichts weiß. Genau da versagt das Profiling.

Aber auch manche realen Läden versagen. Wenn ich vor einem alphabetisch sortierten Bücherregal stehe, vergesse ich, was ich je gelesen habe. Ähnlich gehts mir bei Saturn und Mediamarkt, die ich nur noch in Ausnahmefällen besuche.

Ich brauche Tips, wie sie früher das Radio brachte. Einen Moderator. Einen Alan Bangs, Wolfgang Neumann und ihre Redakteure. (Ok, es gibt inzwischen immerhin einen Stefan Laurin, der Neuvorstellungen bloggt.)

Da ich selbst die Zeit nicht habe, mich durch alle Neuveröffentlichungen zu wühlen, brauche ich eine Vorsortierung, deren Qualitätskriterien ich teile. Die aus der langen Liste eine kurze macht, aus der dann ich auswählen kann.

Das ist übrigens im Innovationsmanagement nicht viel anders. Die Zulieferer sind die Kreativen und stellen ihren OEMs (Auto-, Geräteherstellern) Ideen und Produktprototypen vor. Oft sagen die zuerst: Och, nee. Zu innovativ. Das kauft keiner, das ist zu sperrig, wird nicht akzeptiert, erfordert zu viele Voraussetzungen. Ähnlich wie bei neuen Stilen in der Kunst.

Dann vergeht ein bisschen Zeit. Man sieht die Ideen plötzlich woanders und denkt: Muss wohl doch was dran sein. Spinnt die Sachen ein wenig selbst weiter. Und ist am Ende überzeugt, die Idee selbst gehabt zu haben. Und fragt dann seine Zulieferer, ob sie so etwas wohl realisieren könnten....

Die Marketingstrategen kennen das inzwischen. Die Kreativen schmerzt es immer wieder. Die Ideen, mit denen der OEM zu seinem Zulieferer zurück kommt, bilden die kurze Liste. Der OEM hat quasi Redaktionsarbeit gemacht. Die langen Ideenlisten abgeklopft auf Brauchbares. Es gibt auch externe Redaktionen, die ihm dabei behilflich sein können: Marktforschungsinstitute. Aber Vorsicht: Die fragen Kunden oft auch nur nach dem, was die schon kennen. Mehr vom Gleichen. Und auf eigene Ideen kommen Kunden nun mal nicht. Sie wollen inspiriert werden.

Aus dieser kurzen Liste entstehen später Produktinnovationen, die sich in Verkaufshitparaden bewähren müssen. Hit oder Niete?

Samstag, 21. Mai 2011

Nokia sucht nach Crowd-Patenten

Nokia erweitert die Idee von Crowd Sourcing jetzt auf patentierbare Ideen. Unter dem Kampagnenname "Invent with Nokia" ruft Nokia die Welt auf, ihr patentierbare Produkt- und Serviceideen zuzusenden. Gehandhabt wird es ähnlich dem Arbeitnehmererfindungswesen:

1. Registrierung auf der Website
2. Zusendung der Erfindungsbeschreibung an Nokia. Nokia startet eine zweistufige Sicht im eigenen Hause.
3. Binnen vier Monaten meldet sich Nokia, ob es die Idee übernehmen und zum Patent anmelden will.
4. Im Falle der "Inanspruchnahme" honoriert Nokia dies. Sollte die Idee patentiert werden und in erfolgreiche Produkte oder Services einfließen, zahlt Nokia eine Erfolgsbeteiligung. Wie hoch diese ist, erfährt man erst im Zuge der Registrierung.


Quelle: Nokia

Das ist ein interessanter Ansatz und ich bin gespannt, ob und was Nokia über den Erfolg seiner Kampagne berichten wird. Welche Art Vorschläge darf Nokia wohl erwarten?

1. Alles, was man besser machen könnte, wo es heute hakt. Die meisten Kunden können vermutlich sofort Hinweise auf nicht optimale Produkte und Abläufe geben. Z.B. für die Gestaltung der Bedienoberfläche, Akkuhaltbarkeit, Empfangsqualität, Lautstärke und Klangqualität des MP3-Players. Solche Dinge, mit denen man täglich in Kontakt kommt. Diese Vorschläge werden aber nur selten patentierbar sein. Trotzdem wertvoll für Nokia ;-)
2. Anwendungsfälle, für die Kunden sich eine Funktion oder "App" wünschen. Marktlücken und Nischen für den "Appstore" (wie heißt der bei Nokia..?) sozusagen.
3. Freie Erfinder, die eigene Erfindungen meist auf eigene Kosten anmelden.
3. Echte Diamanten. Bahbrechende Erfindungsideen, an die noch keiner gedacht hat.

Allerdings weist Nokia auf seiner Website darauf hin, dass es natürlich auch selbst viele Ideen hat, und die eingereichte Idee nicht neu sein könnte.. Wie kann man das als Erfinder von außen unterscheiden? Das einzig objektive Kriterium dafür wäre eine Patentanmeldung von Nokia, die beim Patentamt früher angemeldet wurde (das steht auf der Veröffentlichungsschrift), als der Erfinder seine Idee an Nokia gesendet hat.

Ein wichtiger Punkt ist: Mitarbeiter von Wettbewerbern und Zulieferern unterliegen in Deutschland (und in anderen Ländern sieht es sicher ähnlich aus) dem Arbeitnehmererfindungsgesetz. Das heißt: Wer in dieser oder verwandten Branchen arbeitet, ist eigentlich verpflichtet, seine Erfindungen zuerst seinem Arbeitgeber anzuzeigen (Erfindungsmeldung, Formblatt sollte im Intranet bereitstehen..). Auch der eigene Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, Erfindungen, die er in Anspruch nimmt und verwertet, zu vergüten. Auch wird der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auf Patentanmeldungen immer als Erfinder benennen.

D.h. für Branchenspezialisten ist diese Kampagne eher uninteressant. Aber freie Erfinder

Trotzdem ein reizvolles Projekt. Natürlich auch für Web 2.0 Berater. Vor zehn Jahren zogen wir mit der Idee von Customer Relationship Management über die Lande. Danach wechselte ich in die Patentberatung. Nokia hat nun beides auf interessante Weise kombiniert.

Vielleicht war diese Idee inspiriert vom US-amerikanischen Projekt "Peer to Patent", wo Crowdsourcing für die Neuheitsprüfung eingereichter Patentanmeldungen beim Patentamt genutzt wird..?

Dienstag, 19. Januar 2010

Vor zehn Jahren: Power Quality wurde Dienstleistung

RWE Energie war vor fünfzehn Jahren der erste deutsche Energieversorger, der mit Netzrückwirkungen nicht nur irgendwie zurande kommen wollte, sondern den Ehrgeiz entwickelte, daraus einen Mehrwert zu entwickeln.

Ich war noch Werkstudent, als ich zur Hauptabteilung Elektrotechnik stieß. Eine Hochburg von elektrotechnischem Knowhow, das lange Jahre nur für den Fall des Falles gepflegt wurde. Doch Mitte der Neunziger Jahre häuften sich immer schwierigere Probleme in Kundeninstallationen, auf die die Regionalversorgungen vor Ort keine Antwort fanden.

Gepulste Stromrichterantriebe sorgten für immer mehr "Netzverschmutzungen" wie Oberschwingungen, Spannungsspitzen oder Spannungseinbrüche. Gleichzeitig stieg die Anzahl sensibler Geräte, die gerade auf solche Netzrückwirkungen verschnupft reagierten. Unter ungünstigen Bedingungen konnte ein schwerer Antrieb beim Hochlauf die Netzspannung so tief runterziehen, dass der ihn steuernde Rechner ausstieg. Von einem Automobilhersteller wussten wir, dass die Vielzahl von Servoantrieben am Band die Robotersteuerungen abstürzen ließen. Und in Hotels, die soeben alle Zimmer auf Energiesparlampen umgestellt hatten, funktionierte abends kein PC mehr.

Aber nicht nur innerhalb einzelner Kundenanlagen häuften sich die Probleme. Aus Energieversorgersicht summierten sich die Probleme mehrerer Kunden im Netz. Pulslasten bzw. Oberschwingungsleistungen im MW-Bereich in Mittelspannungsnetzen waren keine Seltenheit mehr. Z.B. in der Nähe von Windkraftanlagen.

Große Netzbetreiber konnten dieser Entwicklung also nicht mehr tatenlos zusehen. Denn die Probleme störten nicht nur die Kunden. Auch die Netzkapazitäten wurden von diesen Effekten ausgelastet, ohne dass es einen Wert für den Energieversorger gehabt hätte. Es musste also etwas unternommen werden.

Die Hauptabteilung entwickelte eine Lösung, die den Netzrückwirkungen sozusagen mit ihren eigenen Waffen beikommen wollte: Stromrichter mit schnellen Prozessoren sollten die u(t)-Kurven aller drei Drehstromphasen im Millisekundenbereich messen und "in Form biegen".

Unter dem Aktenzeichen EP 727859 wurde der "Powerconditioner" zum Patent angemeldet.



Würde solch ein Powerconditioner die Spannungsqualität wieder herstellen können, würde sowohl für den Netzbetreiber als auch den Kunden hoher Nutzen entstehen. Denn für Power Quality Kunden gilt: Die nicht gelieferten Kilowattstunden sind die teuersten.

Ich schrieb zu dieser Zeit meine Diplomarbeit.

Der einsetzende Boom von Telekommunikation und IT sorgte für immer größeren Bedarf an Power Quality. Rechenzentren haben sehr hohen Energiebedarf und leisten hohe Wertschöpfung. Unternehmen wie Börsenplätze, Kreditkartenunternehmen, Onlineshops etc. machen hohe Umsätze pro Minute. Energiebedingte Ausfälle wären hier ärgerlich und teuer. Solche Kunden achteten nicht nur auf ihren Kilowattstundenpreis, sondern auch auf hohe Zuverlässigkeit. Was könnte näher liegen, als sich hier zu positionieren?

Eine Aufgabe dabei war jedoch organisatorischer Natur: Wie sollten wir das "geballte Expertenwissen" über Power Quality und Powerconditioner den vielen Regionalversorgungen und einzelnen Kunden verfügbar machen?



Und hier hatte ich dann eine Idee: Ohnehin vom Internetboom infiziert las ich alles, was mir zu den neuen Möglichkeiten der Onlinekommunikation in die Finger kam. U.a. auch das Buch "Net Gain" über Online Communities. Und so kam mir die Idee, solch eine "Community of practice" zu organisieren. Eine Plattform, auf der sich sowohl die Experten mit ihrem theoretischem Wissen, als auch die Betriebstechniker vor Ort mit ihrem praktischen Wissen und die Kunden mit ihrem Problemwissen auf einer Onlineplattform treffen und ihr Wissen austauschen.

Diese Idee reichte ich im Herbst 1999 beim ersten konzernweiten Geschäftsideenwettbewerb ein. Im Dezember erfuhr ich, dass ich damit den zweiten Platz gewonnen hatte. Und am 20. Januar 2000 war auf der Konzerntagung die Auszeichnung durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Dietmar Kuhnt. Das ist nun genau zehn Jahre her. Kinder, wie die Zeit vergeht...

Mittwoch, 29. Juli 2009

Bedienfreundliches Elektroauto

Das Project Better Place stimuliert nicht nur den Aufbau von Ladestationen für Elektroautos. Shai Agassi sorgt auch für kundenfreundliche Bedienung: Nissan präsentiert am 01. August seinen neuen Zero Emission.

Und weil das Vertrauen in und die Kontrolle über den Batterieladezustand ein kritischer Faktor für die Akzeptanz beim Kunden ist, hat Nissan in eine bedienfreundliche Oberfläche investiert. Der Ladezustand der Nissan Batterie lässt sich über das iPhone überwachen. Es zeigt auch die berechnete Zeit an, die zum vollständigen Aufladen benötigt wird. Der Ladevorgang lässt sich auch über das iPhone starten bzw. programmieren, um z.B. günstige Tarife in besonderen Zeitabschnitten nutzen zu können.

Nissan hat auch eine Navigationsdarstellung entwickeln lassen, die den Reichweitenradius für den aktuellen Ladezustand anzeigt.

Jetzt werden wieder einige Tekkies nörgeln, was denn daran so besonderes sei. Freunde, es ist die Sensibilität dafür, wie sich die Unsicherheit aus Kundensicht darstellt und die Kreativität, wie man diese möglichst einfach abbaut.

Dienstag, 28. Juli 2009

Vergessen Sie Marktforschung

Ich soll eine Präsentation erstellen, die einen Manager von einer neuen Technik überzeugen soll. Oder zumindest einen Bedarf für eine bestimmte Technik belegen soll. Früher habe ich dafür die Präsentationen in der Konzerndatenbank (Marketing und Investor Relations) durchwühlt. Damit kann man den Tag gut verbringen. Am Ende des Tages hat man dolle Grafiken von wichtigen Leuten zusammen. Der beste Beweis für die Einführung einer neuen Technik überhaupt. Oder..?

Falsch. Vergessen Sie Marktforschung wie man sie Ihnen täglich vorsetzt. Ein guter Beobachter liest keine Zeitung oder Intranets. Er geht selbst in den Markt. Oder "auf den Markt". Leute beobachten. Die Gründe erfahren, warum Männer dies und Frauen das kaufen.

Noch einfacher: Freunde und Verwandte befragen. Beispiel: Was tut Ihr, wenn ein Gerät kaputt geht oder nicht funktioniert?

Männer: Basteln, telefonieren mit Freunden, surfen durch Foren. Wollen gewinnen. Gegen die Technik.

Frauen: Geben dem Gerät zwei Chancen. Funktioniert es zweimal nicht, geht das Gerät zum Service. Es wird nicht zerlegt. Es wird zum Händler, zum Service oder zur Post gebracht.

Was bedeutet das für die Produktplanung eines technischen Gerätes? Was muss der Produktmanager beachten, der die weibliche Hälfte dieses Planeten als neue Kunden gewinnen will..???

Freitag, 3. Juli 2009

Manager, die wir gerne hätten...

Phil McKinney hat ja inzwischen bei HP angeheuert. Er hat sich dort zu David Cochran durchgefragt für ein Interview in seinem Podcast (übrigens, genau DAS war damals auch meine Idee beim Fraunhofer HHI: Die Erfinder vors Mikro holen, hat aber nur mit Einem geklappt. Dafür gleich zwei mal;-). David Cochran ist der Erfinder des ersten Taschenrechner.

"David, erzähl: Wie lief das damals bei Euch? Wer gab den Impuls, einen Taschenrechner zu entwickeln?" - Und David erzählt. Von den Gründern Packard, der hauptsächlich Lobbyarbeit im Regierungsviertel betrieb, und Hewlett, dem Technikfreak.

Hewlett managte die Entwicklung ohne Budgets! Unvorstellbar heutzutage. Wozu? - erklärt David. Wir waren eh da. Und das Labor war auch eh da. Und Hewlett ließ uns machen. Wenn wir eine Entwicklungsspur verfolgten, die ihm sinnvoll erschien, feuerte er uns an.

Nette Geschichte aus der Vorentwicklung. Eines Tages forderte Hewlett von David und seinen Entwicklern: "Baut mir in sechs Monaten einen Rechner, der auf meinen Schreibtisch passt." Nach sechs Monaten passte der Rechner nicht ganz auf den Tisch. Was machten die Kreativen? Sie bauten eine Kopie des Chef Schreibtisches, in einer halben Nummer größer. Da passte der Rechner dann drauf!
Der Boss merkte, was ablief. Aber er fand die Idee so gut, dass er mitspielte - und akzeptierte ;-)

Der Witz bei der Erfindung des Taschenrechners war: Die Marktforschung sah keinen Markt. Aber die Entwickler. Sie brauchten so ein Ding zumindest für ihre eigene Arbeit. Also bauten sie sich eins. Und legten den Grundstein für eine echte Killerinnovation.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Phil McKinney: "Kreativität ist ein Skill, den jeder hat."

Jeder kann kreativ sein, muss es aber trainieren. So Phil McKinney, Chefinnovator bei HP, in einem FORBES Interivew.

Er sagt: Es fängt damit an, die richtigen Fragen zu stellen. Die Qualität der Ideen hängt von der Qualität der Fragen ab. "Gehet hin und überlegt Euch neue Produkte" geht nicht. Ist eh nie so ernst gemeint. Wir kennen das: Kaufleute schauen auf Techniker herab. Techniker schauen auf Designer herab.

Also hat McKinney eine Sammlung von "richtigen", oder wie er sie nennt: Killerfragen, aufgeschrieben. Er behandelt diese Fragen seit drei Jahren in seinem Podcast und Blog. Ich bin seit Februar 2006 dabei :-)

Machen wir die Probe aufs Exempel:

Frage #1: Auf welchen Annahmen betreiben wir unser heutiges Fahrzeuggeschäft?
Genauer gesagt: "betrieben wir"?

Antwort #1:
1. Auf der Annahme, dass die meisten Leute beim Kauf ihres Autos keinen Wert auf Design, aber viel Wert auf elektronische Features legen (schließlich fließen die meisten FuE Aufwendungen in die Fahrzeugelektronik).
2. Auf der Annahme, dass Kunden für ihr Auto ein Budget zur Verfügung haben, das bis zur Hälfte des Budgets für eine Immobilie betragen kann.

So, und was passiert, wenn das Gegenteil dieser Annahmen wahr ist?

1. Wir müssten die Budgets für Elektronikentwicklung kürzen und jene fürs Design erhöhen.
2. Wenn die Kunden weniger Budget haben, und nicht mehr nur subventionierte Dienstwagen das Neuwagengeschäft ausmachen sollen, müssen die Entwicklungsausgaben insgesamt gekürzt werden. Das kann zu einer Reduktion von Varianten führen oder zu einer Reduktion der Ausstattung. Damit sinkt das Budget für die Elektronikentwicklung aber noch stärker.



Sources: www.killerinnovations.com

Freitag, 11. Januar 2008

2. Teil TRIZ Workshop - Entwicklungsgesetze

6. Entwicklungsgesetze von Erfindungen

Altschuller hat folgende Entwicklungsgesetze identifiziert, die sich nach seiner Erkenntnis quer durch die Technikbereiche meist wiederholen:

EWG 1 - Die geometrische Vielfalt (oder Komplexität) von Objekten nimmt von Generation zu Generation zu
Punkt -> Linie -> Kurve -> Fläche -> Raum

EWG 2 - Objekte entwickeln sich stufenweise zu komplexen Systemen und dann zurück zu leistungsfähigen Monosystemen
Mono -> Bi/Stereo -> Poly -> Advancd Monosystems
Beispiel: Kopierer, Rechner (von der Monoanwendung, CAD) bis zu drahtlos vernetzten Notebooks

EWG 3 - Die Dynamisierung und Steuerbarkeit von Systemen nimmt stetig zu
System starr -> 1 Gelenk -> mehrere Gelenke -> völlige Elastizität -> arbeitet mit Flüssigkeit/Gas -> mit Felndern statt Stoffen
(Beispiel Fahrradgangschaltung Kettenschaltung, Nabenschaltung)

EWG 4 - Die rhythmische Koordination von Objekten nimmt zu
Keine Schwingung -> Nutzung von Schwingungen -> Nutzung von Resonanzen -> Koordination von Schwingungen -> stehende oder wandernde Wellenbereiche ->

EWG 5 - Die Segmentierung / Zergliederung innerhalb von Objekten und Systemen nimmt zu einer höheren Idealität hin zu.

EWG 6 - Die Effektivität zwischen Objekten und ihrer Umgebung nimmt durch Zusätze zu.

EWG 7- Die Miniaturisierung von Systemen und Subsystemen nimmt zu. Technische Systeme entwickeln sich über die akroebene über Minisysteme zu Mikrosystemen

EWG 8 - Von der menschlichen Interaktion zur Automation. Systeme werden fehlerunanfälliger und stablisiert durch autonome Regelungen.