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Sonntag, 10. Februar 2013

Patentierte Geschäftsmodelle für gebrauchte digitale Werke

Die Anfänge: Gebrauchtsoftware
Im Geschäft mit Unternehmenssoftware gibt es den Handel mit Gebrauchtlizenzen schon länger. Und seit Juli 2012 gibt es vom EuGH dazu auch ein Gerichtsurteil. Nicht nur Software auf CD oder DVD darf vom Käufer wieder verkauft werden, sondern auch Downloads (SPON). Geklagt hatte die Fa. UsedSoft (Link) gegen Oracle. Die Richter machten dafür den sog. Erschöpfungsgrundsatz geltend, nachdem man an einem geistigen Eigentum entlang einer Wertschöpfungskette nur einmal verdienen darf.

Kurz gesagt: Wenn ich ein Auto kaufe, in das Patente von Zulieferern eingegangen sind, dann stecken diese Lizenzkosten im Preis des Autos, weil der Autohersteller hierfür gezahlt hat. Ich muss nicht zusätzlich Lizenzen für Patente auf Navigationssystem, Airbag oder sonstwas zahlen.

Wichtig für die Umsetzung eines Gebrauchtlizenzenverkaufs: Ich darf als Verkäufer keine Kopie behalten. Sonst habe ich Geld für eine Raubkopie genommen und mich strafbar gemacht.

Dieses zu kontrollieren ist vergleichsweise einfach: Wenn ein Unternehmen nach Verkauf einer Oracle- oder SAP Unternehmenslizenz diese trotzdem weiterverkauft, dann könnte sich das schnell bis zum Softwarehersteller herumsprechen..

Übertragung auf Kunstwerke
Anders im Privatsektor: Schon in der Homecomputerära war allen klar, dass man Software kopieren und weiterreichen kann. Allen war irgendwie klar, dass ein Computer Geld kostet. "Da hat man ja was in der Hand." Dass Software auch Geld kostet weil Arbeit drinsteckt, damit waren die ersten schon überfordert. Das zog sich später auch durch die Reihen der Raubkopierer von Musik, Büchern und: Doktorarbeiten ;-)

Trotzdem war die fehlende Möglichkeit, Bücher nach dem Lesen wieder zu verkaufen bis jetzt der Grund, warum ich mir keinen Ebook Reader zugelegt hatte. Meine Kosten für Literatur würden sich dadurch schlicht erheblich erhöhen.

Ich kaufe viele Bücher, verkaufe sie aber auch wieder. Ich kaufe auch gebrauchte Bücher. Und verlasse mich implizit darauf, dass dieser den Verlagen entgehende Umsatz schon irgendwie in die gebundenen Buchpreise einkalkuliert ist. So wie ja auch die Kopierabgabe in USB-Sticks, Drucker und Kopierer eingepreist ist.

Jetzt haben amazon und die Fa. ReDigi (Link) Patente auf Wiederverkaufsmodelle für Digitalgüter bekannt gemacht. Schauen wir uns die Patente doch mal an:

1. amazon.com
Patenttitel: "Secondary market für digital objects" (Link)
Anmeldedatum: 05.05.2009

Zusammenfassung:
Ein digitaler Marktplatz für elektronische Bücher, Audio, Video, Apps. Die digitalen Güter werden in einem persönlichen Speicher abgelegt. Der Käufer kann seine Rechte auf Download, Verschieben und Streaming an einen anderen Nutzer verkaufen. Nach dem Verkauf wird der Inhalt aus dem Speicher des Verkäufers gelöscht. Das Recht auf Download, Verschieben und Streaming kann auch nach Erreichen einer maximal zulässigen Zahl erschöpft werden.

Die Wiedergabe der schwer verständlichen Patentansprüche unterlasse ich mal. Der Stoff ist aber ao schon spannend genug.

Diskussion:
1. Die Formulierung "persönlicher Speicherbereich" umfasst beides: Die Cloud und den PC/Tablet. In der eigenen Cloud hat amazon alles im Griff. Will ich Musik hören oder ein Video als Stream abspielen geht das einfach nicht mehr, wenn ich gerade die Lizenz dafür weiterverkauft habe. So lässt sich übrigens gleichzeitig eine zeitlich oder stückbezogene Lizenz abbilden. Der Server misst die Zeit, zählt meine Streams, erlaubt oder sperrt. Und auch der Verleih von User zu User lässt sich so abbilden. Verleihen heißt: Ich bekomme meinen Access solange gesperrt wie ich ihn an den Empfänger verliehen habe.
Was aber ist mit Downloads? Dann muss amazon meinen Player, d.h. mein Gerät (meinen Kindle, meinen PC/Tablet durchsuchen und löschen dürfen. Das wird für einen nächsten Aufschrei sorgen, diesmal von Datenschützern..
Für amazon ist es fast das perfekte Geschäftsmodell: Einmal installiert, muss amazon überhaupt nichts mehr bewegen, um Geld zu verdienen.

2. ReDigi
Die Fa. beschreibt sich selbst als der Welt erste reale und legale Alternative zu teuren Online-Musikhändlern und illegalen Filesharern (Link). ReDigi beruft sich auf das US-amerikanische Pendant zum europäischen "Erschöpfungsgrundsatz", die "First Sale Doctrine" aus dem Jahre 1908 - die Voraussetzung für das Geschäftsmodell mit gebrauchten Werken.

ReDigi steuert die Lizenzen über seine... Cloud.

Titel des noch nicht erteilten Patents: "Method and apparatus for sharing, transferring and removing preiviously owned digital media." (Link)
Anmeldedatum: 31.12.2010

Zusammenfassung (in eigenen Worten):
Nach der Registrierung eines Users und dessen Markierung eines digitalen Werkes auf seinem PC/Tablet als "Zum Verkauf" prüft der ReDigi Server zunächst, ob der Anbieter tatsächlich Eigentümer der angebotenen Kopie ist. Im positiven Fall nimmt die Cloud das Angebot in die Angebotsliste für die anderen User auf. Findet sich ein Käufer, wird der Verkauf und Download abgewickelt. Siehe auch nachfolgende Grafik aus der Offenlegungsschrift.


Diskussion:
Ich bin die Offenlegungsschrift nur durchgeflogen, sie klingt im Vergleich zum amazon Patent etwas oberflächlicher. Fest steht aber, dass bei diesem Verfahren der Rechner bzw. die Contentliste des Anbieters gründlicher durchsucht wird. Insbesondere das Wasserzeichen bzw. das digitale Recht des angebotenen Inhaltes. Wie ReDigi selbst schreibt: "Niemand darf das Haus verkaufen, in dem er nur zur Miete wohnt." Nicht nur das. Könnte ja auch sein, dass ReDigi dabei auch auf illegale Kopien stößt? Aber gut, wer hier Gefahr läuft, wird sich auf diesem Markt nicht anbieten. Unklar ist mir, ob man hier auch als iTunes oder amazon Kunde mitspielen kann.

Kritik und Ausblick:
Allmählich wird sichtbar, welchen Nutzen die Cloud Unternehmen wie Apple, amazon oder auch neuen Content Unternehmen bietet: Die komplette Steuerung unseres Nutzungsverhaltens bei digitalen Inhalten.

Musik subventionierte den iPod
Von Apple wissen wir: Er hat den Markt für MP3 Musik legalisiert und einfach benutzbar gemacht. Gott sei Dank. Aber er hat unterm Strich den Preis pro Kopie verbilligt. Es ging Steve Jobs darum, den Content billig zu bekommen, um teure Geräte verkaufen zu können. Und was er neu ermöglichte war, ein Album stückeweise kaufen zu können. Ich bin ihm dafür dankbar, aber ich schätze, die Künstler nicht so..

Jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Jetzt kann jeder Inhaber einer Kopie selbst als Anbieter auftreten. Und wenn ich eine gebrauchte Kopie kaufe, habe ich davon zunächst keinen Nachteil. Denn digitale Kopien kommen -anders als LPs damals im Plattenladen- ohne Qualitätsverlust. Damit ich meine Gebrauchtkopie loswerde, werde ich bestehende Preise für "Neuware" unterbieten müssen.

Bei Unzufriedenheit sinken die Preise
Schlecht für Verlage, wenn sie Künstler unter Vertrag haben, deren Werke nach dem Kauf schnell wieder abgestoßen werden, weil sie nicht gefallen. Je höher die Wiederverkaufsrate, desto niedriger der durchsetzbare Preis. Der Effekt, dass versprochene Qualität nicht gehalten wird, wird hier schneller für sinkende Preise sorgen.


Patentierbarkeit von Geschäftsmodellen:
Erfindungen, die technisch keine erfinderische Höhe haben aber trotzdem mittels Einsatz von Technik Märkte verändern können, haben in Deutschland eigentlich keine Chance auf Patentierung. Das Europäische Patentamt ist da schon toleranter. Die deutschen Auftragsentwickler, viele von ihnen Freiberufler oder kleine Dienstleister, wollen keine Patente lesen. Sie entwickeln keine Standardprodukte und -dienstleistungen. Sie programmieren für andere. Unternehmen wie SAP sind in DE die Ausnahme und so verhält sich das DPMA.
Das EPA schaut von Europa auf die Welt und sieht, dass die europäischen Großunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Und spielt, soweit es die Gesetze zulassen, mit. 
Man muss nur bedenken, dass mit der Patentierung von Geschäftsmodellen auch deren Monopolisierung zugelassen wird.

Dienstag, 29. Januar 2013

Netzpolitik der SPD

Immer noch mehr Fragen als Antworten in puncto "Netzpolitik". Deshalb ist es richtig, zunächst mal die Probleme klar zu formulieren und zu analysieren. Die SPD hat das 2012 im Prinzip gemacht. Ihre 12 Thesen (Quelle: iRights) und meine Meinung dazu:

1. Chancennutzung für beide Seiten
Die SPD will beides: Rechte der Urheber schützen und die neuen Möglichkeiten der Vermarktung und Kulturteilhabe für alle nutzen.
=> Ok, besser wissen wir es nicht. Die Lehre von Steve Jobs: Das Internet verbessert Künstlerchancen - wenn man es schlauer angeht als die großen Musikverlage. Stimmt. Aber Apple's iTunes hat nicht nur das Geschäft mit digitaler Musik angekurbelt, es hat auch die Preise für Musik gesenkt. Apple verkauft die Musik billig, um teure iPods verkaufen zu können.

2. Interessenausgleich
Wie Punkt 1. Enthält eine schüchterne Kritik an der intransparenten Geschäftspolitik der Musikverwertungsgesellschaft GEMA.
=>  Die GEMA gibt vor, die Interessen von Musikern zu schützen, schützt aber vor allem die Verlage der Musiker. brand eins hatte in der Ausgabe "Digitale Wirtschaft" eine aufklärende Analyse dazu. Der GEMA Verteilschlüssel für Lizenzeinnahmen ist genauso wenig die Lösung wie eine Flatrate, die die Relevanz einzelner Künstler nicht berücksichtigt.


3. Urhebervertragsrecht
Die SPD will die Verhandlungspositionen von Künstlern gegenüber den Verwertungsgesellschaften stärken und dazu das Urhebervertragsrecht anpassen.
=> Ok, ich bin aber neugierig, wie sie das machen will.

4. Nutzfreundliche Angebote
Es soll den Musikkonsumenten einfach gemacht werden, digitale Musik legal erwerben zu können ohne versehentlich in die Illegalität zu geraten. Da nicht jeder Künstler, vor allem zu Beginn seiner Karriere, auf große Einnahmen aus ist, sondern das Internet benutzt, um seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, sollen Common Criteria Lizenzmodelle gefördert werden. Vor allem soll die Benutzbarkeit vereinfacht werden.
=> Sehr gut. Die Musikverlage müssen ihre "Nuke Option" verlieren, mit der sie in der Vergangenheit mehr als eine Familie finanziell ruiniert haben. Zur Einfachheit der Benutzung gehört auch das andere Extrem: Nicht versehentlich in Abofallen treten.

5. Gegen die Kulturflatrate
Kritik der SPD: Die Kulturflatrate reflektiert nicht den verschieden starken Konsum. Warum sollen alle gleich viel zahlen, egal wie viel Kultur sie konsumieren? Zudem verliert der Künstler jeden individuellen Einfluss auf die Vermarktung seiner Werke, wenn alle alles pauschal benutzen dürfen.  Zudem ist die Frage der Verteilung der Kulturflatrateeinnahmen kaum zu lösen.
=> Volle Zustimmung!

6. Verwertungsgesellschaften (GEMA usw.)
Die Verwertungsgesellschaften fördern die Kulturvielfalt, müssen aber transparenter agieren.
=> Korrekt. Die Verwertungsgesellschaften sollen nicht mehr verdienen als ihre Künstler. Sie sollen die gleiche Funktion erfüllen, wie z.B. Galeristen.

7. Keine Internetfilterung, keine Internetsperren
Keine Einschränkung von Bürgerrechten, sondern informationelle Selbstbestimmung.
=> Ganz recht. Der Internetanschluss gehört zur Daseinsvorsorge, das ist inzwischen sogar Rechtslage in Deutschland.

8. Verhältnismäßigkeit von Strafen
Kein Abmahnmissbrauch, keine Höchststrafen für den illegalen Download. Der Streitwert muss bei einmaligen Verstößen effektiv begrenzt werden.

9. Keine Massenkopierer als Geschäftsmodell
Der organisierte, illegale Massendownload als Geschäftsmodell muss unterbunden werden. Hostprovider sollen in die Mitverantwortung genommen werden.
=> Ok. Die Anbieter tun ja allesamt so, als würden sie den Austausch von Amateuraufnahmen fördern wollen. Und wenn dann einer einen geschützten Film einstellt...

10. Kein Leistungsschutzrecht für das geschriebene Wort
Unautorisierte Kopien von Texten können mit einfachen Mitteln (Suchmaschinen) verfolgt werden. Es bedarf keines besonderen Leistungsschutzrechtes. Google News verletzt keine Rechte, sondern fördert sie.
=> Zustimmung.

11. Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftsautoren
Fachbücher -auch von Hochschulforschern- werden immer teurer. Hier wird teuer verwertet, was mit Steuergeldern finanziert wurde: Forschung und Lehre. Es muss möglich sein, dass Hochschulen ihre eigenen Skripte mit einer eigenen Preisgestaltung zum Download anbieten.
=> Volle Zustimmung.

12. Kulturelles Erbe schützen und zugänglich halten
Wer Werke von verstorbenen Künstlern nutzen oder bekannt halten will, muss mit den Erben Lizenzen verhandeln. Wer diese Erben nicht ausfindig machen kann, soll mit einer Abgabe an eine Verwertungsgesellschaft seine Schuld einlösen können. Er soll nicht grundsätzlich im Risiko stehen, später teuer abgemahnt zu werden.
=> Ja.

Damit hat die SPD eine ziemlich vollständige, auf Ausgleich gerichtete Position erarbeitet.

Wichtige Ansprechpartner in der Partei sind: Lars Klingbeil MdB (netzpolitischer Sprecher) und Burkhard Lischka MdB (Leiter der Arbeitsgruppe).

Dienstag, 10. April 2012

Traummargen: Wissenschaftsverlage verwerten öffentliches geistiges Eigentum

Sollten die Erkenntnisse und Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenlos zugänglich sein? Das meint die Open Access Bewegung schon lange. Sie stört sich an den dramatisch gestiegenen Kosten für Fachbücher und -magazine. Deren Inhalte erarbeiten Professoren und Doktoranden, sie sind also -überwiegend- öffentlich finanziert. Privat finanziert sind die Forschungen und Entwicklungen, die anschließend der Geheimhaltung oder Exklusivlizenzierung unterliegen.

Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.

Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.

Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.

Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?

Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.

In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.

Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.

Quelle: The Guardian

Was "lernt" uns das?

1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.

Samstag, 18. Dezember 2010

Wie elektronische Produkte altern

Apple vertreibt sehr offensiv die gratis Namensgravuren auf den iPod und iPhone Geräten. Für den Kunden wertet es das Produkt auf, wenn es personalisiert wird. Das gilt auch für Geräte, die als Geschenk gedacht sind. Man kennt das von früher von Füllfederhaltern. Auch für den Hersteller hat die Gratis Gravur einen Wert: Es bremst den Markt für Gebrauchtgeräte. Ein für "Klaus" graviertes Gerät kommt für alle, die anders heißen, nicht mehr in Frage...

Digitale Musik und Filme kann man nicht mehr "gebraucht" verkaufen. Jedenfalls gegenwärtig noch nicht. Rechtlich wäre das eigentlich realisierbar. Und zwar genau mit der so verpönten Rechtetechnik DRM. DRM verwaltet die Rechte (Lizenzen) und Berechtigungen. Apple nutzt das bei iTunes für die virtuelle Nachbildung der Videothek: Ich muss einen Film nicht kaufen, ich kann ihn auch leihen. Das kostet weniger. Umgesetzt wird es durch eine Beschränkung des Replay und ein Verfallsdatum. Wenn ich einen Song an einen anderen User verkaufen wollte, müsste das so laufen, dass ich meine Lizenz auf einem Marktplatz anbiete und bei Verkauf entzieht iTunes mir die Berechtigung, den Song weiterhin abzuspielen. Allerdings macht es für den anderen Kunden keinen Qualitätsunterschied, man kann digitale Medien nicht gebraucht verkaufen, weil sie von ihrer Qualität her nicht altern. Nur die alte Vinylschallplatte alterte immer mehr, hörbar als zunehmendes Rauschen, bedingt durch den Verschleiß der Rillen durch die Abtastnadel. Die Klangqualität von CD's alterte nicht linear, sondern "digital". Entweder hört man neuwertige Qualität oder der Lesekopf springt.

Auch Autos altern nicht mehr "analog". 10 Jahre alte Autos stehen, wenn sie nicht misshandelt wurden, bestens im Lack. Auch innen altern sie nicht mehr so doll. Wir kennen immer weniger verschlissene technische Bauteile, für die wir früher viel häufiger in die Werkstatt mussten. Batterien, Reifen, der Stahl und auch das Motoröl halten heute länger (gemessen an der stark gestiegenen Motorleistung sogar viel länger). Stattdessen kämpfen Autobesitzer heute mit Softwareproblemen. Also Fehlern, die nicht durch Abnutzung entstehen sondern von Anfang an falsch programmiert wurden (Das Metier, das sich damit beschäftigt nennt sich "Funktionale Sicherheit"). Die meisten Fehlersuchen sind aber leider sehr langwierig, weil sich der Fehler nur unter bestimmten Bedingungen zeigt. Vorhersehbare Störungen sind heute elektronisch diagnostizierbar. Aber Fehler, die keiner vorausgesehen hat, sondern blind eingebaut wurden, sind nicht elektronisch diagnostizierbar. Hier braucht es richtiges Erfahrungswissen, um einen Fehler abzustellen. Denn der Austausch gegen ein "neues" Steuergerät hilft nicht, weil es genau so programmiert ist. In dem Sinne gibt es eben auch keine neuen und alten Steuergeräte. Es gibt nur neue Releases.
In diesem Sinne altern die Autos heute elektronisch: Wenn sie nicht fehlerbereinigt und vom Funktionsumfang erweitert werden.

Man könnte hier übrigens auf die Idee kommen, es den Computer- und Betriebssystemherstellern gleich zu tun: Ein MAC und ein Windows-PC altern wie folgt: Man bringt ein Betriebssystemupdate auf den Markt, das mehr Funktionen bietet, aber auch mehr Ressourcen benötigt - sonst sinkt die Performance. Hersteller wie Apple, die eine ganze Peripherie für das Kernprodukt anbieten, entziehen neuen z.B. neuen iPods einfach die Kompatibilität mit alten Betriebssystemständen. Dann MUSS man updaten. Dann wird der Rechner langsam, und dann denkt man bald über einen neuen Rechner nach. Auf diese Art könnte man z.B. das Navi aufwerten, oder die Betriebsstrategien für Hybridantriebe..

Was optisch allerdings auch bei digitalen Produkten altert sind die Anzeige- und Bedienoberflächen. Sie prägen immer mehr den Stil des Autos (vor allem für die im Internet großgewordenen Fahrer) und sie altern, in dem sie aus der Mode kommen.

Mittwoch, 10. November 2010

Laterne, wer nicht lizenziert, der sieht bald Sterne

Satire aus/

Aus gegebenen Anlass erinnert die GEMA daran, dass das von Kindergärten an St. Martin gesungene Liedgut tlw. noch urheberrechtlich geschützt ist.

Ich zitiere hier mal am besten O-Ton:
Werke jüngerer Urheber, die ihre Rechte an eine Verwertungsgesellschaft übertragen haben, sind hingegen geschützt und dürfen nur mit Lizenz öffentlich aufgeführt werden. Die Anmeldung erfolgt über die örtliche GEMA-Bezirksdirektion.

Allen Ernstes empfiehlt die GEMA Kindergärtnern, sich hinsichtlich der Urheberrechtslage der für den morgigen Martinstag geplanten Lieder unsicher sind, vorher in der Datenbank der GEMA zu recherchieren: www.gema.de/musikrecherche/

Die Märkische Oderzeitung lässt mich fassungslos zurück mit dem Hinweis der GEMA:
Allerdings gibt es auch eine Reihe moderner Lieder zum Martinstag. Wer diese aus den Liederbüchern einfach rauskopiert, um etwa ein Liedheft für Eltern und Verwandte zu basteln, handelt illegal. Die VG (Verwertungsgesellschaft) Musikedition habe deshalb 2009 zusammen mit der Gema den Kindergärten in Deutschland einen Lizenzvertrag angeboten, sagte der Geschäftsführer der VG, Christian Krauß, am Mittwoch.

Quelle: Link

Unfassbar!

Dienstag, 9. Februar 2010

Liebe Google-Streetview-Kritiker,

nachdem die Brüder Wright ihre ersten erfolgreichen Flüge geleistet hatten, fiel einigen US-Juristen auf, dass einem Landbesitzer nicht nur die Fläche seines Grundstücks gehörte, sondern auch der Luftraumquader darüber -und zwar bis zum Himmel- und der Kegel darunter - bis zur Erdmitte. Also, so lasen sie das US-Gesetz, würde ein Flugzeugpilot fortan Lizenzen von allen Landbesitzern brauchen würde, die auf seiner Strecke von A nach B lagen. Der US-Kongress erkannte rechtzeitig, dass hier etwas klar gestellt werden musste, sollte diese revolutionäre Erfindung nicht aus juristischen Gründen "auf der Strecke bleiben".

Ein anderes Beispiel:

Nachdem ein gewisser Eastmann einen flexiblen, aufrollbaren und versandfähigen Film für Kodak-Kameras erfunden hatte, entkoppelte er das kreative Hobby der Fotografie von der fachmännischen Arbeit der Filmentwicklung. Fotografieren wurde ein Massenhobby. Die Leute fingen an, durch die Gegend zu fotografieren. Und dies ging schnell einigen anderen Leuten gegen den Strich. So kamen einige Kommunalpolitiker auf die Idee, fortan Lizenzgebühren zu verlangen, wenn man die Wahrzeichen einer Stadt fotografieren wollte. (Auf englisch heißt es ja "to take a photograph", so als würde der Fotograf dem Motiv etwas "wegnehmen", und sei es nur eine Kopie..) Doch die Gerichte sagten: Nein, eine Lizenz ist nicht erforderlich.

Damals wie heute war Leuten, die auf der Straße zufällig mit fotografiert wurden, ein wenig unwohl.

Und heute? Heute haben wir uns daran gewöhnt. Wir werden uns auch an Google Streetview gewöhnen. Was Google hier macht, ist eine Verdichtung von vielen Einzelfotografien, die man auch mühselig als weltweite Community tun könnte. Wenn jeder vor sein Haus ginge und ein Foto von seiner Straße aufnähme und anschließend auf Open Streetmap hochladen würden, wäre der Effekt der gleiche.

Ist das riskant, oder ist es nur ungewöhnlich? Wird die Exposition des Einzelnen nicht dadurch relativiert, dass er nur einer unter Millionen ist? Streetview zeigt doch nur das, was man vor Ort als normaler Passant auch sehen kann. Eine reale Abbildung einer Straße hilft beim Navigieren ungemein. Hilft, eine Hausnummer zu finden, hilft bei der Überlegung, wo man parken könnte. Oder hilft bei der Wohnungssuche, um sich ein Bild zu machen. Usw.

Ich wäre dagegen, hierfür eine Lizenzgebühr zu verlangen...

Link: Lawrence Lessig, "Free Culture"