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Sonntag, 10. Februar 2013

Patentierte Geschäftsmodelle für gebrauchte digitale Werke

Die Anfänge: Gebrauchtsoftware
Im Geschäft mit Unternehmenssoftware gibt es den Handel mit Gebrauchtlizenzen schon länger. Und seit Juli 2012 gibt es vom EuGH dazu auch ein Gerichtsurteil. Nicht nur Software auf CD oder DVD darf vom Käufer wieder verkauft werden, sondern auch Downloads (SPON). Geklagt hatte die Fa. UsedSoft (Link) gegen Oracle. Die Richter machten dafür den sog. Erschöpfungsgrundsatz geltend, nachdem man an einem geistigen Eigentum entlang einer Wertschöpfungskette nur einmal verdienen darf.

Kurz gesagt: Wenn ich ein Auto kaufe, in das Patente von Zulieferern eingegangen sind, dann stecken diese Lizenzkosten im Preis des Autos, weil der Autohersteller hierfür gezahlt hat. Ich muss nicht zusätzlich Lizenzen für Patente auf Navigationssystem, Airbag oder sonstwas zahlen.

Wichtig für die Umsetzung eines Gebrauchtlizenzenverkaufs: Ich darf als Verkäufer keine Kopie behalten. Sonst habe ich Geld für eine Raubkopie genommen und mich strafbar gemacht.

Dieses zu kontrollieren ist vergleichsweise einfach: Wenn ein Unternehmen nach Verkauf einer Oracle- oder SAP Unternehmenslizenz diese trotzdem weiterverkauft, dann könnte sich das schnell bis zum Softwarehersteller herumsprechen..

Übertragung auf Kunstwerke
Anders im Privatsektor: Schon in der Homecomputerära war allen klar, dass man Software kopieren und weiterreichen kann. Allen war irgendwie klar, dass ein Computer Geld kostet. "Da hat man ja was in der Hand." Dass Software auch Geld kostet weil Arbeit drinsteckt, damit waren die ersten schon überfordert. Das zog sich später auch durch die Reihen der Raubkopierer von Musik, Büchern und: Doktorarbeiten ;-)

Trotzdem war die fehlende Möglichkeit, Bücher nach dem Lesen wieder zu verkaufen bis jetzt der Grund, warum ich mir keinen Ebook Reader zugelegt hatte. Meine Kosten für Literatur würden sich dadurch schlicht erheblich erhöhen.

Ich kaufe viele Bücher, verkaufe sie aber auch wieder. Ich kaufe auch gebrauchte Bücher. Und verlasse mich implizit darauf, dass dieser den Verlagen entgehende Umsatz schon irgendwie in die gebundenen Buchpreise einkalkuliert ist. So wie ja auch die Kopierabgabe in USB-Sticks, Drucker und Kopierer eingepreist ist.

Jetzt haben amazon und die Fa. ReDigi (Link) Patente auf Wiederverkaufsmodelle für Digitalgüter bekannt gemacht. Schauen wir uns die Patente doch mal an:

1. amazon.com
Patenttitel: "Secondary market für digital objects" (Link)
Anmeldedatum: 05.05.2009

Zusammenfassung:
Ein digitaler Marktplatz für elektronische Bücher, Audio, Video, Apps. Die digitalen Güter werden in einem persönlichen Speicher abgelegt. Der Käufer kann seine Rechte auf Download, Verschieben und Streaming an einen anderen Nutzer verkaufen. Nach dem Verkauf wird der Inhalt aus dem Speicher des Verkäufers gelöscht. Das Recht auf Download, Verschieben und Streaming kann auch nach Erreichen einer maximal zulässigen Zahl erschöpft werden.

Die Wiedergabe der schwer verständlichen Patentansprüche unterlasse ich mal. Der Stoff ist aber ao schon spannend genug.

Diskussion:
1. Die Formulierung "persönlicher Speicherbereich" umfasst beides: Die Cloud und den PC/Tablet. In der eigenen Cloud hat amazon alles im Griff. Will ich Musik hören oder ein Video als Stream abspielen geht das einfach nicht mehr, wenn ich gerade die Lizenz dafür weiterverkauft habe. So lässt sich übrigens gleichzeitig eine zeitlich oder stückbezogene Lizenz abbilden. Der Server misst die Zeit, zählt meine Streams, erlaubt oder sperrt. Und auch der Verleih von User zu User lässt sich so abbilden. Verleihen heißt: Ich bekomme meinen Access solange gesperrt wie ich ihn an den Empfänger verliehen habe.
Was aber ist mit Downloads? Dann muss amazon meinen Player, d.h. mein Gerät (meinen Kindle, meinen PC/Tablet durchsuchen und löschen dürfen. Das wird für einen nächsten Aufschrei sorgen, diesmal von Datenschützern..
Für amazon ist es fast das perfekte Geschäftsmodell: Einmal installiert, muss amazon überhaupt nichts mehr bewegen, um Geld zu verdienen.

2. ReDigi
Die Fa. beschreibt sich selbst als der Welt erste reale und legale Alternative zu teuren Online-Musikhändlern und illegalen Filesharern (Link). ReDigi beruft sich auf das US-amerikanische Pendant zum europäischen "Erschöpfungsgrundsatz", die "First Sale Doctrine" aus dem Jahre 1908 - die Voraussetzung für das Geschäftsmodell mit gebrauchten Werken.

ReDigi steuert die Lizenzen über seine... Cloud.

Titel des noch nicht erteilten Patents: "Method and apparatus for sharing, transferring and removing preiviously owned digital media." (Link)
Anmeldedatum: 31.12.2010

Zusammenfassung (in eigenen Worten):
Nach der Registrierung eines Users und dessen Markierung eines digitalen Werkes auf seinem PC/Tablet als "Zum Verkauf" prüft der ReDigi Server zunächst, ob der Anbieter tatsächlich Eigentümer der angebotenen Kopie ist. Im positiven Fall nimmt die Cloud das Angebot in die Angebotsliste für die anderen User auf. Findet sich ein Käufer, wird der Verkauf und Download abgewickelt. Siehe auch nachfolgende Grafik aus der Offenlegungsschrift.


Diskussion:
Ich bin die Offenlegungsschrift nur durchgeflogen, sie klingt im Vergleich zum amazon Patent etwas oberflächlicher. Fest steht aber, dass bei diesem Verfahren der Rechner bzw. die Contentliste des Anbieters gründlicher durchsucht wird. Insbesondere das Wasserzeichen bzw. das digitale Recht des angebotenen Inhaltes. Wie ReDigi selbst schreibt: "Niemand darf das Haus verkaufen, in dem er nur zur Miete wohnt." Nicht nur das. Könnte ja auch sein, dass ReDigi dabei auch auf illegale Kopien stößt? Aber gut, wer hier Gefahr läuft, wird sich auf diesem Markt nicht anbieten. Unklar ist mir, ob man hier auch als iTunes oder amazon Kunde mitspielen kann.

Kritik und Ausblick:
Allmählich wird sichtbar, welchen Nutzen die Cloud Unternehmen wie Apple, amazon oder auch neuen Content Unternehmen bietet: Die komplette Steuerung unseres Nutzungsverhaltens bei digitalen Inhalten.

Musik subventionierte den iPod
Von Apple wissen wir: Er hat den Markt für MP3 Musik legalisiert und einfach benutzbar gemacht. Gott sei Dank. Aber er hat unterm Strich den Preis pro Kopie verbilligt. Es ging Steve Jobs darum, den Content billig zu bekommen, um teure Geräte verkaufen zu können. Und was er neu ermöglichte war, ein Album stückeweise kaufen zu können. Ich bin ihm dafür dankbar, aber ich schätze, die Künstler nicht so..

Jetzt geht es noch einen Schritt weiter. Jetzt kann jeder Inhaber einer Kopie selbst als Anbieter auftreten. Und wenn ich eine gebrauchte Kopie kaufe, habe ich davon zunächst keinen Nachteil. Denn digitale Kopien kommen -anders als LPs damals im Plattenladen- ohne Qualitätsverlust. Damit ich meine Gebrauchtkopie loswerde, werde ich bestehende Preise für "Neuware" unterbieten müssen.

Bei Unzufriedenheit sinken die Preise
Schlecht für Verlage, wenn sie Künstler unter Vertrag haben, deren Werke nach dem Kauf schnell wieder abgestoßen werden, weil sie nicht gefallen. Je höher die Wiederverkaufsrate, desto niedriger der durchsetzbare Preis. Der Effekt, dass versprochene Qualität nicht gehalten wird, wird hier schneller für sinkende Preise sorgen.


Patentierbarkeit von Geschäftsmodellen:
Erfindungen, die technisch keine erfinderische Höhe haben aber trotzdem mittels Einsatz von Technik Märkte verändern können, haben in Deutschland eigentlich keine Chance auf Patentierung. Das Europäische Patentamt ist da schon toleranter. Die deutschen Auftragsentwickler, viele von ihnen Freiberufler oder kleine Dienstleister, wollen keine Patente lesen. Sie entwickeln keine Standardprodukte und -dienstleistungen. Sie programmieren für andere. Unternehmen wie SAP sind in DE die Ausnahme und so verhält sich das DPMA.
Das EPA schaut von Europa auf die Welt und sieht, dass die europäischen Großunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Und spielt, soweit es die Gesetze zulassen, mit. 
Man muss nur bedenken, dass mit der Patentierung von Geschäftsmodellen auch deren Monopolisierung zugelassen wird.

Sonntag, 16. August 2009

Ferry Porsche

Ferry Porsche ist der Sohn von Ferdinand Porsche und der "Erfinder" des 911er.

Sein Vater hatte den Käfer entwickelt. Er selbst verhandelte mit VW nach dem Krieg, dass Porsche pro Käfer eine Lizenzgebühr erhielt. Schließelich hatte das Konstruktionsbüro Porsche den Käfer entwickelt.

Da staunt man: Obwohl es eine Auftragsentwicklung war, erhielt Porsche eine Lizenzgebühr pro produziertem Produkt? Und genau das war die wichtigste Finanzierungsquelle für die Entwicklung einer Legende: Den 911er. (Im Gegenzug kaufte Porsche möglichst viele Teile bei VW.)

Genau dieser Lizenzschachzug war bekanntlich auch der Grundstein für ein anderes Weltunternehmen: Microsoft.

Heute werden Entwicklungs- und Konstruktionsbüros von Managern geleitet, die ihr Dienstleistungsunternehmen nur auf eine Größe optimieren: Kapazitätsauslastung. Sie lassen kreative Ingenieure und Designer tolle Produkte entwickeln, wenn sie Glück haben. Sie lassen ihre Leute aber immer nur machen, was ihren Kunden einfällt. Und sie lassen irgendwen irgendwas machen, wer halt gerade Zeit hat.
Sie wissen wenig von der Leidenschaft für eine Produktidee und der Macht des geistigen Eigentums als Umsatzquelle. Wäre Ferry Porsche einer von dieser Sorte gewesen, gäbe es heute keinen 911er.

Über seine Philososphie sagte er mal:
"̈Über die Rezepte, erfolgreich zu sein, gibt es unzählige Bücher. In ihnen stehen alle möglichen gutenTipps. Ich habe keines dieser Bücher gelesen."