Ende der 90er Jahre wurden in Europa die Energie- und Telekommunikationsmärkte liberalisiert - d. h. Wettbewerb zugelassen.
Große Unternehmen reagierten damals mit Übernahmen und Kooperationen. Wettbewerb wurde weggekauft oder man verdiente an seinen Umsätzen mit.
Jetzt gibt es wieder eine Welle von Kooperationen (und wer weiß: vielleicht kommen Fusionen noch..): In der Automobilindustrie.
Weil sich die Wertschöpfung in Richtung Software bzw. softwaregeführter Systeme und Komponenten verschiebt, müssen die Entwicklungsbereiche der Hersteller und Zulieferer schnell viel neues lernen. Vor allem auch neue Entwicklungsmethoden: z. B. agile Entwicklung und die Nutzung von Open Source Frameworks.
Aber hier geht es nicht um Unterbindung von Wettbewerb, denn den gab es schon vorher. Sondern um eine sinnvolle Arbeitsteilung in Richtung mehr Effizienz.
Es gibt derzeit nämlich kaum mittelfristige Produktplanung über ein Fahrzeugprojekt hinaus. Nach einem Produktionsstart startet die Softwareentwicklung von Neuem. Oft auch mit einem neuen Team, wer halt gerade noch verfügbar ist und noch nicht von anderen Projekten angeheuert wurde.
Niemand legt Wert auf eine "aufgeräumte" Architektur, die eine Wiederverwendung von Bestehendem sehr vereinfachen würde. Niemand will den Taskforcemodus noch einmal erleben, in dem Entwicklungsleiter auf Kunden- (OEM-) Seite mit dem Hammer auf das Blechdach des Projekthauses hauen, bis die Software ins Fahrzeug passt.
Stattdessen macht es Sinn, in jedes Produkt von einer evolutionären Plattform aus abzuspringen. (Schon mal gehört? Vielleicht auch schon Ende der 90er..?). Aber erst heute wird das so richtig möglich.
Wer die Software in die eigenen Reihen holen will, muss Hardware- und Softwareentwicklung trennen. Und kann die Softwareentwicklung dann auch noch einmal trennen, in einen unteren Stack, in dem die Dinge getestet, dokumentiert, architekturkonform und standardkonform liegen, die man in jedem Produktprojekt braucht Und die aber nicht wettbewerbsrelevant ist. Und in einen oberen Stack, in dem dann jeder Hersteller seine marken- und modellspezifischen Komponenten ausprägen kann - und nicht offen legen muss.
In Softwarefactories (ja, auch den Begriff "Factory" - von Andy Warhol ersonnen- gibt es wieder) "committen" Entwickler jeden Abend ihren Stand. Die Factory bindet alle Stände zusammen, analysiert den Code auf Architekturkonformität, kompiliert und testet. Am nächsten Morgen finden die Entwickler ihre Testberichte. Dies macht man innerhalb eines Projektes so. Man kann den offenen Quellcode -den nicht wettbewerbsrelevanten- aber auch gleich öffentlich gemeinsam produzieren. Dazu braucht man natürlich erstmal Genehmigungen von den Herstellern. Aber die Monate, die man darauf wartet, lohnen sich.
Aber eine weitere Bedingung muss dafür erfüllt sein: Die angestammten Zulieferer müssen da mitspielen - und richtige Anreize bekommen. Ich erlebe es derzeit als Kampf um die Bewahrung des Bestehenden. Die neuen Chancen werden nicht erkannt und am Fallenden wird krampfhaft festgehalten. Evtl. in der Annahme, dass dies nur eine vorübergehende Erscheinung sei. Alle Fahrzeughersteller haben gerade ihre Digital Labs und "experimentieren" ein bisschen herum, Bald werden sie merken, wie schwierig das Geschäft wirklich ist und werden bald zurückkehren - denken die Manager der Zulieferer.