Dienstag, 21. Mai 2024

Nach Batterieauto und Hybrid zurück zum Benziner

 Ich habe das Glück, einen Firmenwagen gestellt zu bekommen. Und da ging ich 2020 gleich mit, als die ersten ID.3 verfügbar wurden. Ich hatte die "First Edition" mit 57kWh Speicher. Die Reichweite lag zwischen 350km (im Winter) und 450km (im Sommer).

Für Fahrten in der Stadt und zwischen Wohnung und Datsche genügte das. Auf die Autobahn habe ich mich nie getraut, nachdem ich einmal mit 20% Restreichweite an meiner Ladebox angekommen war. Meine Ladebox ist auf dem Grundstück unserer Datsche installiert. Eine Installation in der Tiefgarage unserer Eigentumswohnung hätte in einem Drama mit x Akten ausgeartet. 

Die Fahreigentschaften waren sehr, die Beschleunigung ist phänomenal. Die 1,9 Tonnen merkt man dem Auto nicht an, wenn man das Pedal durchdrückt. Aber die Reichweite nervt. Ich hatte wirklich keine Lust, mich mit Ladekarten für öffentliche Säulen einzudecken, und längere Fahrten erstmal durchplanen zu müssen. Mein Auto davor war ein T-Roc 2.0 TDI gewesen, der eine Reichweite von bis zu 980 km anzeigte. Ein großer Vorteil bei kurzen Fahrten ist aber: Man muss keine Stopps zum Tanken mehr einplanen. Und ein Auge auf die aktuellen Benzinpreise muss man auch nicht werfen. Allerdings stiegen zu der Zeit die Stromkosten enorm. Trotzdem fährt man an den reinen Verbrauchskosten gemessen elektrisch weitaus günstiger als mit Benzin oder Diesel. 

Nach anderthalb Jahren war ich froh, ihn wieder abzugeben. Um aber weiterhin kurze Strecken elektrisch fahren zu können und die 1.000 EURO für meine Elli Wallbox zu kompensieren, stieg ich um auf einen Hybriden. Leider war da nur ein ebenfalls 1,9 Tonnen schwerer Tiguan zu haben. Fortan fuhr ich regional elektrisch, mit sehr niedrigen Verbrauchskosten. Den Verbrennungsmotor nutze ich nur über Land und auf der Autobahn. 

Aber: auch der Tiguan ist, obwohl zur Kompaktklasse zählend, sehr groß und für mich unübersichtlich. Auch sitzt man so hoch, dass man eher "auf" dem Auto sitzt, als drin. Etwas, was mich beim Fahren durch Kurven und beim Überholen und Spurwechseln nicht gerade sicherer macht. Parkplatzsuche war genauso schwierig wie mit dem ID.3. Unsere "neue" Tiefgarage aus den 70ern konnte ich nach unserem Umzug nicht einmal nutzen. Mit dem ID.3 hatte ich mir eine Schramme in eine Felge gefahren.

Nach zwei Jahren durfte ich nun wieder wechseln. Ich wollte es eine Nummer kleiner, d. h. schmaler und kürzer, ohne aber auf Leistung zu verzichten. Und da landete ich bei einem Taigo 1,5 Liter mit 150 PS. Der gleiche Motor wie im Tiguan eHybrid. Aber in einem 700 kg leichterem Auto!

Außerdem sitzt man im Taigo etwas tiefer. Vor allem aber hat er eine gute Rundumsicht und eine sparsame Elektronikausstattung. Man braucht halt weniger Assistenzsysteme, wenn das Auto übersichtlich ist und man wieder Spaß am Fahren hat :-). Er wurde in Brasilien entwickelt und erst danach für Europa angepasst. Er hat sogar noch eine Stockhandbremse, Driftkünstler werden das zu schätzen wissen ;-)

Was soll ich sagen? Autofahren macht mir wieder Spaß!

  • Ich mache wieder Spurwechsel, weil das Auto übersichtlich ist.
  • Ich durchfahre Kurven wieder schnell, weil ich tief genug sitzen, um das Auto aut der Straße gut einschätzen zu können.
  • Ich fahre wieder dynamischer, weil ich nicht 1,9 Tonnen mitdenken muss, sondern "nur" 1,2 Tonnen.
  • Trotz 40 Liter Tank hat er eine Reichweite von über 700 km. Verbrauch liegt derzeit, in der Einfahrphase, bei 5,x Litern / 100 km.
  • Und: Sein Listenpreis beginnt beim 1,0 Liter 3-Zylinder bei etwas über 20.000 EUR. Mit dem 1,5er und einer vernünftigen Ausstattung kommt man auf mehr oder weniger über 30.000 EUR.

Montag, 20. Mai 2024

Echte Kriegsangst

Das letzte Mal, dass ich echte Kriegsangst hatte war Anfang der 80er Jahre. An dem Gymnasium, auf das ich seit 1979 ging, wehte ein rotgrüner, pazifistischer Zeitgeist. Bzw. kam es mir so vor, weil sich die älteren, konservativen Lehrer zurück hielten.

Jedenfalls las, hörte und sah ich viel zum Thema NATO Doppelbeschluss und "Overkill". Dazu die Musik von Bands, die einige Schulfreunde von ihren älteren Geschwistern angesagt bekamen. Wer "Cruise Missile" von Fischer-Z nicht mitsingen konnte und sich stattdessen der Neuen Deutschen Welle hingab, hatte bei den meisten Mädels keine Chance mehr. Bzw.: man musste dann gleich richtig Gas geben und als Popper oder Waver (nicht: Wafer, was mich mehr interessierte..) durchstarten.

Jedenfalls erinnere ich mich daran, irgendwann richtig Angst vor einem Krieg zu haben. Kurz vorher hatten sie ähnlich erfolgreich die Angst vor Drogen bei uns implantiert - was natürlich eine richtige und gute Sache war. Also, zu Drogen hat uns damals niemand verführt. Bis heute nicht. 

Aber: Angst ist eben sehr mächtig und funktioniert. 1981 gab es den Spruch: "Wenn Reagan Präsident wird, gibt es Krieg!" 

Wenn man so viele Ansagen um sich herum hört, dass der Atomkrieg inzwischen wahrscheinlicher ist als der Frieden, und man Filme über Hiroshima gezeigt bekommt, dann sitzt das.  Wir hatten einen dtv-linken SoWi-Lehrer, der uns auch ohne jedwede Ahnung von bzw. fast Verachtung für Physik, bzw. Physiker, die Sinnlosigkeit von "Reagan's Krieg der Sterne" erklärte. So war das linke Wording: Aus einem Raketenabwehrprogramm machten sie den "Krieg der Sterne" - Star Wars.

Um so größer war später die Entspannung durch Gorbatschow und den auf ihn ein gehenden Reagan. 

Warum erzähle ich das? Weil dieses lange vergrabene Gefühl allmählich wieder in mir hoch schleicht. Natürlich bin ich 40 Jahre älter. Aber ich halte alle Beteiligten wirklich für fähig und willens uns in einen Krieg zu stürzen. Was anders ist als damals: Wer damals gegen den Krieg sang, singt heute für ihn. Wolfgang Niedecken sagte z. B. neulich, er habe sich damals geirrt und die Ostermarschierer täten ihm "heute leid" (Link).

Wo ist sein Misstrauen gegen die eigene Obrigkeit geblieben? 

Ich halte einen Krieg heute für wahrscheinlicher als damals, weil unsere Politiker heute nicht so intelligent sind wie die damaligen: Egal ob Helmut Schmidt oder Helmut Kohl, beide hatten den Krieg erlebt. Die wollten ihn "nie wieder". Und ja, die wussten, dass man wehrhaft sein muss. Das sind wir heute nicht und das beißt sich mit der Kriegsbereitschaft unserer Führungsmacht USA. 

Ich glaube wirklich, dass es diesmal nicht gut ausgehen wird.

Wie kamen wir von START und INF wieder in die Aufrüstung?

In vielen Europäern bohrt die Frage "Warum kamen wir von einer funktionierenden Sicherheitsarchitektur mit Abrüstung wieder in eine Spirale des kalten Krieges mit rasant ansteigender Kriegsgefahr?"

Neben dem Verhalten auf beiden Seiten des früheren Frontverlaufs gibt es treibende Faktoren, die unabhängig von unserem Verhalten sind: Die neuen Großmächte.

Das Gleichgewicht des Schreckens hatte mit nur zwei Lagern noch eine relativ einfache Struktur. In sich war es aber auch komplex, denn man muss nicht nur Atomsprengköpfe zählen, sondern auch deren Trägersysteme und Reichweiten berücksichtigen, um die berechtigten Interessen beider Seiten gut auszutarieren.

Aber mit China, Pakistan, Indien und Nordkorea auf dem Plan ist es fast unmöglich, ein "Gleichgewicht des Schreckens" herzustellen. Denn hier bedroht nicht jeder jeden, aber mehrere bedrohen mehrere.

Russland und USA würden auf Sicherheit verzichten, wenn sie die neuen Mächte einfach ignorieren würden. In einer idealen Welt könnte man versuchen START und INF einfach auf ALLE Atommächte zu erweitern. Aber diese Vorstellung überfordert die besten Unterhändler - und wir haben es im Westen heute nicht mehr mit guten Unterhändlern zu tun. Also ist es nachvollziehbar, wenn Russland und die USA sagen: Wir lassen uns nicht mehr einseitig zu Abrüstung verpflichten sondern rüsten mit Blick auf die anderen Mächte nach. 

Der treibende Unsicherheitsfaktor ist hier also die Entwicklung der Nationen. Neue Mächte haben den technologischen Stand erreicht, den vorher nur Russland und die USA hatten.

Ein zweiter Faktor der eine einmal etablierte Sicherheitsarchitektur unwirksam macht ist die technische Entwicklung von Raketenantrieben und Raketenabwehrtechnik:

  • Funktionierende Raketenabwehr macht das "Gleichgewicht" des Schreckens zunichte, wenn sich ein Angreifer vor dem Zweitschlag des Gegners schützen kann. Für ihn entfällt dieses Kalkül. Eine Antwort darauf kann aus einer Erweiterung von Masse bestehen ("Übersättigung"). 
  • Eine Taktik, mit der die Russen derzeit die zu dünne Raketenabwehr der Ukraine ausnutzen: Sie schicken einfach gleichzeitig mehr Raketen und Drohnen, als die Ukraine abwehren kann. Dieses Prinzip kann man auch gegen ein "National Defence Missiles" Programm anwenden.
  • Ein andere Antwort auf eine Raketenabwehr des Gegners sind Ultraschall Raketen. Sie verkürzen die Vorwarnzeit für Erkennung und Bewertung eines Angriffs erheblich. Alle Monitormaßnahmen werden wertlos und müssen aktualisiert werden.
Der kalte Krieg war irrational teuer gewesen, aber am Ende hat es die Atomsupermächte erschöpft. Die Sowjetunion mehr als uns. Aber das Gleichgewicht des Schreckens hat den Atomkrieg in Europa verhindert. Insofern waren die Rüstungsausgaben m. E. doch sinnvoll. Auch wenn man das hinterher in Frage gestellt hat. Die Frontstellung an sich war uns aber von den beiden Supermächten aufgezwungen. Die europäischen Vasallen selbst wollten keinen Krieg. 

Die USA zwingen Russland und die Ukraine derzeit in einen Abnutzungskrieg. Das ist eine Lehre aus den erfolglosen aber teuren Kriegen in Vietnam und Afghanistan. 

Aber wissen nicht genug über Putin. Geht es ihm um imperialistische Phantasien oder doch um Sicherheit? Und weiter gefragt: Wissen wir genug über das Family Office Biden, worum es denen in Wahrheit geht...? Mit den Bodenschätzen in der Ostukraine und Hunter Biden im Aufsichtsrat von Burisma haben wir am Tatort die typischen Spuren für amerikanische Tatmotive.

Als Ingenieur sage ich dazu: 
  • Wenn wir es nicht wissen, müssen wir testen um uns ein Bild zu machen. D. h. einseitige Angebote zur Deeskalation machen und sehen wie Putin reagiert. 
  • Dazu bräuchten wir fähige und selbstbewusste Diplomaten, die die Deutschen aber nicht wählen.
  • Ich misstraue Putin nicht, weil ich etwas über ihn weiß. Sondern weil ich zu wenig weiß und das was ich sehe, Angst macht. Wie einem Steinzeitmenschen oder Abergläubischen Mittelalterzeitgenossen, der eine Gewitterfront auf sich zu rollen sieht.

Die wirklich einzige Hoffnung, die ich habe sind die letzten Wahlergebnisse in den EU Staaten. Jetzt hat auch Holland eine patriotische Regierung. Dieser Lerneffekt muss durch weiter Länder gehen, und vor allem durch Deutschland.

Sonntag, 19. Mai 2024

Zeitleiste Russland und NATO 1987 - 2019 (INF Kündigung)

Zum Verständnisaufbau "wann änderte Putin warum seine Politik?" soll folgende Zeitleiste dienen. Wichtige Ergänzungen gerne in den Kommentaren.

1987: Abschluss INF Vertrag (Abrüstung konventioneller und nuklearer Mittelstreckenraketen 500-5.500km Reichweite)

1988: Sowjetische SS12 Raketen, die 1984 stationiert worden waren, werden aus der Königsbrucker Heide bei Bischofswerda (Sachsen) zur Verschrottung nach Kasachstan abtransportiert.

1989: Mauerfall

1990: Deutsche Wiedervereinigung unter den Bedingungen des 2+4 Vertrages.

1991: Demontage der letzten Mittelstreckenrakete gemäß INF. Darüber hinaus beginnen Bush und Gorbatschow mit einseitigen Abrüstungen taktischer Atomwaffen ("Präsidenteninitiative"). USA: Abzug landgestützter Kurzstreckenraketen und Cruise Missiles. Boris Jelzin führt von Gorbatschow begonnene Initiative fort.

1992: GUS-Staaten werden Rechtsnachfolger für sowjetische Mittelstreckenraketen auf ihren Territorien. Im Lissaboner Protokoll bekunden Kasachstan, Ukraine und Weißrussland ihre Absicht, diese an Russland zurück zu geben.

1993: Die Ukraine nennt immer mehr Bedingungen für die Rückgabe ihrer Nuklearwaffen und Verschrottung ihrer Trägersysteme: Sicherheitsgarantien von Russland und USA, finanzielle Kompensation für die Rückgabe.

1994: Budapester Memorandum (Quelle) im Rahmen der Umgestaltung der OSZE zur KSZE. Russland, USA und England geben Kasachstan, Ukraine und Weißrussland Sicherheitsgarantien gegen nukleare Bedrohungen für deren Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag. Die drei GUS Staaten liefern die "geerbten" Nuklearwaffen an Russland ab. Für sie selbst waren sie nicht nutzbar, da Russland exklusiv über die Freischaltcodes verfügte. Frankreich und China geben den drei GUS Staaten eigene Sicherheitsgarantien.

Die letzten russischen Truppen verlassen deutschen Boden.

1996: Die Auslieferung der Nuklearwaffen an Russland ist umgesetzt. Die russische Duma unterzeichnet das Memorandum nie und bezeichnet es als "Absichtserklärung". 10 Jahre später kommt eine Diskussion über die Rechtsverbindlichkeit des "Memorandums" in Gang.

1999: USA beschließen neues Raketenabwehrsystem gegen ballistische Interkontinentalraketen ("National Missile Defense"). Stationierungsorte sollen u. a. auch Polen und Tschechien sein.

2000: Putin löst Jelzin ab.

2001: Ende der weiteren gegenseitigen Überwachung. INF vollständig umgesetzt. Ukraine setzt ihre Verpflichtungen aus dem Budapester Memorandum vollständig um.

2004: Russland (Verteidigungsminister Iwanow) erklärt Wille, aus dem INF-Vertrag auszusteigen.

2006: Gasstreit zwischen Russland und Ukraine. Die Ukraine ruft die Unterzeichner des Memorandums an, ihre Sicherheitsgarantien in Anspruch nehmen zu wollen.

2007: Die USA testen erfolgreich NMD Umsetzung. Putin erklärt INF Vertrag für obsolet da neue Nuklearmächte nicht an ihn gebunden sind.

2008: Russland testet in der Nähe von Wolgograd neue Marschflugkörper.

2009: Barack Obama erklärt Verzicht auf NMD Standorte Polen und Tschechien (wohl im Zuge seiner Neufokussierung von Europa in Richtung Pazifik). Putin lobt ihn dafür. Russland und die USA erneuern ihre Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch über das Auslaufen des START-Vertrages hinaus.

2011: Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien. Der vom Westen unterstützte "Arabische Frühling" greift auf Syrien über, wo er russische Interessen berührt. Er will ein Chaos wie es im arabisch geprägten Nordafrika nach dem Sturz der dortigen Diktaturen (und dem tlw. Ersatz durch Islamisten) entstanden ist, und der EU die unkontrollierte Masseneinwanderung beschert hat, an der eigenen Südflanke vermeiden. Deshalb unterstützt er den Diktator Assad. Die USA mischen dort mit, um eine islamistische Oberhand durch den Iran zu vermeiden. Syrien ist seitdem der der erste Stellvertreterkrieg in unserer Sicherheitssphäre.

2014: Russland annektiert die Krim. England und die USA, die UNO und Deutschland werten dies als Verstoß des Budapester Memorandums. Russland kontert den Vorwurf, England und USA würden das Memorandum durch ihre Einmischung in ukrainische Angelegenheiten und damit deren Integrität verletzten.

2017: Die NYT berichtet über zwei neue russische Bataillone mit Marschflugkörpern und wertet dies als Verletzung des INF Vertrages.

2019: Die USA kündigen den INF-Vertrag. Kurz darauf auch Russland. Seitdem können Russland und die USA wieder landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen stationieren.

2022: Putin marschiert in die Ukraine ein. Neben Syrien ist sie damit der zweite Schauplatz (engl.: "Theatre") für einen Stellvertreterkrieg in unserer Sicherheitssphäre.



Von Stalin zu Putin - das wiederkehrende Dilemma

Zur Frage, wann und warum Putin sich vom Good zum Bad Guy wandelte, hat Leonid Wolkow einige innenpolitische Gründe genannt. Demnach verhärtete Putin seinen innenpolitischen Kurs, als das Energiegeschäft den Wohlstand für alle nicht mehr merklich steigerte und in eine Stagnation geriet. Zudem soll die Verwaltung, die Regional- und Kommunalpolitik immer träger geworden sein und die Leute immer unzufriedener. Regional entstanden Protestgruppen, die Nwalny und Wolkow mittels Internet verbanden. Und dagegen hielt Putin mit immer restriktiveren Gesetzen.

Das ist eine innenpolitische Erklärung.

Versucht einer außenpolitischen Erklärung.
Bekannt ist ja die Kritik an der NATO Osterweiterung. Besagt: Je mehr ehemalige Kolonien der ehem. Sowjetunion in Richtung EU und NATO strebten, desto aggressiver reagierte Putin.

Was man auch bedenken muss: Als die Sowjetunion in die GUS-Staaten zerfiel und diese nach und nach abtrünnig wurden, hatten diese ja noch Atomwaffen. Diese waren nicht im Kernrussland stationiert sondern zu einem wesentlichen Teil um Russland herum, so nahe wie möglich an Europa. Der INF Abrüstungsvertrag sah die GUS Staaten als Rechtsnachfolger der Sowjetunion, so dass alle Abrüstungsverpflichtungen auch für diese galten. Auch in der ehemal. DDR (bei Bischofswerda) waren sowjetische Atomwaffen gebunkert.

Um die weitere Verfolgung dieses Vertrages nicht zu kompliziert werden zu lassen und im Vertrauen auf die Einhaltung internationaler Verträge stimmten die neuen Atommächte zu, ihre Kernwaffen an Russland abzugeben und im Gegenzug Sicherheitsgarantien zu bekommen.

Dies Vollzug sich zwar im wesentlichen unter Jelzin's Prüsidentschaft. Aber man stelle sich vor, Putin hätte sofort nach seinem Amtsantritt 2000 begonnen, einen harten Kurs gegen die ehem. GUS-Staaten zu fahren. Das hätte das Vertrauen der Unterzeichner in die Sicherheitsgarantien sofort gebrochen. 

So ist es eben erst 2014, spätestens 2022, zerbrochen. 

Der Fall zeigt die Logiklücke unserer NATO: Die Abschreckung funktionierte zwischen den beiden Machtblöcken. Aber losgelöste Pufferstaaten, die einerseits direkte Nachbarn Russlands sind, andererseits aus Angst in die NATO streben sind von dieser NATO Strategie nicht mit bedacht.

Putin bedroht nicht die NATO. Sondern Nachbarn, die in die NATO streben.

Putin versucht diese zu erobern und droht der NATO gleichzeitig mit dem Einsatz von Atomwaffen. Und die NATO weiß nicht genau, wie sie damit umgehen soll. Sie eiert entlang des Pfades, den das Völkerrecht erlaubt. Aber was ist ein Völkerrecht wert, an das sich Putin nicht mehr gebunden hält?

Putins Strategie führt zu der Frage ob die NATO entweder
  1. Die Eroberung der Satellitenstaaten zulässt - oder
  2. Diese mit immer mehr Waffen unterstützt und dabei das Völkerrecht bis an die Grenze ausreizt.
Dieses Dilemma macht nebenbei auch klar, dass schon Stalin nicht um die "Befreiung" vom Faschismus ging. Es ging im 2. Weltkrieg (wie in jedem anderen Krieg) um Geopolitik. Die Westalliierten wussten, dass Stalin ein Imperialist mit ideologischem Vorwand war. Und zur Befriedung des "Theaters" überließen sie ihm die osteuropäischen Staaten. 

Da stehen wir heute wieder: Verraten wir sie - oder gehen wir Risiken für sie ein?

Donnerstag, 16. Mai 2024

Golan Eden, Robert Fico - Opfer woker Militanz

 Schon der Mob, der am vergangenen Samstag gegen die israelische ESC Sängerin Golan Eden hetzte war unerträglich. Der Kommentator des NDR, Thorsten Schorn, stellte dabei Israel und Russland auf eine Stufe, indem er die Propaganda der Antisemiten unkommentiert zitierte.

Gestern sind die Woken noch einen Schritt weitergegangen: Sie haben auf den slowakischen Ministerpräsident Robert Nico geschossen. Der Attentäter soll "Unzufriedenheit mit dessen Politik" geäußert haben. 

Damit drehen die Kriegstreiber eine Umdrehung mehr an der Eskalationsspirale. Offenbar träumen sie schon von einem Sarajevo-Effekt, bei dem eine Tat die Lawine ins Tal auslöst. 

Ich will kein Europa von Islamisten, Antisemiten und Kriegstreibern. Und mir wird klar, dass Flagge zeigen nicht mehr reicht. Wir müssen wehrhaft werden. 

Dienstag, 14. Mai 2024

Sonne und Wind - wir grillen CO2-frei

 Es ist einer dieser wenigen Tage, an denen die Rechnung aufgehen könnte

  • Die Sonne scheint nach Kräften.
  • Der Wind bläst von Südwest.
  • Die einen machen Urlaub zwischen Vatertag und Pfingsten..
  • der Rest macht Kurzarbeit.
Da bleibt genug Strom übrig, um die Steaks auf dem Elektroherd zu grillen.

CO2-frei. Wen interessiert das eigentlich noch? Sind die Waffen, die wir in die Ukraine schicken auch CO2-frei? Die NATO-Manöver? Sind die PR-Reisen von Baerbock und Habeck etwa CO2-frei?

Man sieht: in den wenigen Politikfeldern, den Lebensthemen, die wirklich wichtig sind: Frieden und Wirtschaft, spielt Klima keine Rolle. Es hat nie eine Rolle gespielt. Nichtmal Herbert Diess hat es je ernst genommen. Verkündete er doch vor einigen Jahren, er wolle die Dienstflugzeugflotte seines Konzerns auf verbrauchsärmere Modelle umstellen.. Auch das war natürlich nur ein PR-Gag.

Machen Sie sich keine Sorgen. Hauen Sie es raus wie sie wollen.

Ich bin inzwischen auch wieder auf ein Auto mit reinem Verbrennungsmotor umgestiegen. 1.200 kg (quasi Leichtbau), 150 PS und trotz 40l-Tank eine Reichweite von >700km. Ich mache mir seitdem keinen Kopf mehr um Restreichweite und ob ich die Hybridbatterie auf- oder entladen sollte. Ich gebe einfach Gas. Und habe Spaß.

Samstag, 11. Mai 2024

Unsere Welt von morgen

Ich bin dabei, mich in Putin und Russland einzulesen. Dort gewesen bin ich leider nie. Weiter als Polen kam ich nicht. Leonid Wolkows "Putinland" und Rüdiger von Fritsch's "Zeitenwende" wurden kurz nach Putins zweiter Invasion in die Ukraine veröffentlicht. Wolkow war ein langjähriger Gefährte von Alexander Nawalny, von Fritsch war lange deutscher Botschafter in Russland und davor Vizechef des BND. 

Natürlich sind beide Bücher nicht objektiv. Wolkow zum Beispiel lässt offen, womit er und Nawalny eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienen. "IT-Unternehmer" reicht mir da nicht. von Fritsch war Botschafter und BND VIzechef, seine Sicht ist mir zu wohlwollend gegenüber seinen früheren Dienstherren. Geholfen haben mir auch einige längere Gespräche mit russischen und ukrainischen Bekannten. Trotzdem habe ich mein Bild von Putin etwas aufgeklärt. Ich habe mich nie näher mit ihm beschäftigt. Aber mich oft gefragt, ob er irgendwann seine Politik scharf gewendet hat oder ob ich seine Richtung nur früher nie bemerkt habe. 

Ich fasse mein derzeitiges Bild mal so zusammen: 
Putin hat sich nach seinem Amtsantritt im eigenen Land Zustimmung erworben, weil er nach Jelzin Stabilität brachte. Er brachte die Energieindustrie zum Laufen und steigerte den Wohlstand für viele. Dabei habe er aber auch, so von Fritsch, geerntet, was Jelzin gesät hatte. Putin war in seinen Jahren beim Geheimdienst zu einem äußerst misstrauischen Menschen geworden, der weiß, dass man seine Macht in Russland besonders absichern muss. Er wählte dafür die Methode, die jede organisierte Kriminalität nutzt: Korruption und Kompromate. Jeder Manager in Russland ist abhängig von Putin. Dieses System führte zum Aufstieg für viele, geriet dann aber in eine Sättigung. Seitdem sanken seine Zustimmungswerte und wachse die Unzufriedenheit, besonders bei der jüngeren Generation, die früheren kargen Sowjetjahre nicht mehr kennengelernt haben. 

Und seitdem schaut Putin nicht mehr nach vorne und malt eine Zukunft aus. Sondern wühlt in der Geschichte und verkündet, sie wieder herstellen zu wollen. Er deutet die Sowjetunion als Höhepunkt der russischen Geschichte, weil dort alle russischstämmigen Völker in einem Staat vereint waren. Gorbatschow und Jelzin hätten das verraten und zerfallen lassen. Er, Putin, sei nun der Retter, der die Hilferufe der 25 Million in Nachbarländern wohnenden Russen erhöre und sie quasi "heim ins Reich" hole. 

Dazu spielt er jedesmal das gleiche Stück. Er inszeniert Revolten von Russen gegen die Unterdrückung ihrer Regierung. Er bemüht dafür das Feindbild, auf dessen Niederlage noch heute alle Russen stolz sind: Die Nazis. Die Unterdrückerregierungen in den Nachbarstaaten sind Nazis - "wie früher". Er benutzt also das gleiche simple Feindbild, dass auch die deutsche Regierung gegen jeden Oppositionellen bemüht. Nur hier halt im eigenen Land. "Der Westen" ist für ihn das abschreckende Beispiel für Dekadenz. Und da hat er einen Punkt. Wir werden von Dekadenz regiert und weite Teile unserer Gesellschaften sind ebenfalls dekadent. Und so "wollen wir nicht werden." verkünden Putin und Medwedew. 

Man kann daraus m. E. folgendes für die Zukunft ableiten: 
- Putin wird nach und nach versuchen, alle früheren Sowjet-"Republiken" wieder zu okkupieren. 
- Er geht dafür in einer geostrategisch günstigen Reihenfolge vor. (Tschetschenien sichert ihm die Südflanke. Weißrussland den Zugang zu Könidgsberg. Die Ukraine wird ihm den fast exklusiven Zugang zum schwarzen Meer sichern und die Ukraine vom Seehandel abschneiden.) 
- Die Nicht-NATO Satelliten einzusammeln wird ihm noch relativ leicht fallen. Aber das Baltikum ist Mitglied in der NATO - und daran könnte sich der nächste Weltkrieg entzünden. Wir können Putins militärische Fähigkeiten nicht gut einschätzen. 

Natürlich wird er nicht alle Länder gleichzeitig überfallen. Aber immerhin leistet er sich parallele Kriege in Syrien und der Ukraine. In Afrika (Mali, Niger) ist er auch präsent. Die Ukraine macht ihm auf See schwer zu schaffen. Zu Lande hielt sie gegen bis ihr der Nachschub ausging. Und zur Abwehr der russischen Luftwaffe fehlt es ihr an Lufthoheit. Eine Flugverbotszone würde ihr helfen, aber das traut sich die NATO nicht. 

Zu den kurzfristigen Fragen: 

Wird Putin im Nachbarland Atombomben zünden? - Nein, glaube ich nicht. Damit könnte er sich bei Westwind auch selbst schaden. 

Wird Putin die NATO angreifen? - Ja, weil er das Baltikum will und ihm dies als NATO-Mitglied ein zu großes Risiko für seine militärischen Stützpunkte in Königsberg ist. Er wird hierfür die Zeit nutzen, in der die NATO noch nicht nachgerüstet hat. 

Wird er gegen uns Atomwaffen einsetzen? - Das hängt von der Glaubwürdigkeit der britischen und französischen Abschreckung ab. Und der traue ich selbst nicht. Die Anfänge der Invasion haben gezeigt, dass hier jedes Land für sich selbst kalkuliert. EU und BATO sind politische Absichtserklärungen, die aber nie stärker als die Einzelinteressen sind. Dies um so mehr, je größer beide werden. Man kleistert nicht alle gegensätzlichen Interessen zu, indem man einfach einen großen Kreis um sie zieht - wie es der Baerbock'schen Kindergartenlogik entspricht. 

Prognose für die nächsten 5-10 Jahre: 

- Sobald Putin Odessa (ggf. via Moldau) erobert hat, wird er die Ukraine kontrollieren. 
- Mit der Niederlage der Ukraine werden wir uns abfinden müssen. 
- Danach wird er Konflikte im Baltikum schüren, bis er den "Hilferuf" der russischen Minderheiten dort "erhören" wird. Er wird sich bemühen, die UN auf seiner Seite zu halten. 
 - Die NATO wird sich zerstreiten, ob das Baltikum einen Atomkrieg wert ist. Im ersten Ernstfall wird sich der NATO Artikel 5 als wertlos erweisen. Die NATO hat nur die Option Atomwaffen, da sie konventionell zu schwach ist: Keine Waffen, keine Soldaten. Und dann? 
- Die EU Bürger werden von ihren Regierungen genug haben, und ihre Regierungen abwählen. In Deutschland werden AfD und/oder BSW stärkste Kraft werden. 
- Die Besten werden bis dahin ausgewandert sein. Prominente werden schlaue Reden halten. Warum sie das "immer gewusst" haben, dass "sie selbst nichts tun konnten", dass man jetzt "nach vorne schauen" müsse. - Sie werden auf ihren Yachten sitzen, oder in Südamerika - und Freiheit und Wohlstand genießen.

Mittwoch, 1. Mai 2024

Wie viel ist der NATO Artikel 5 im Kriegsfall wert?

Die NATO Mitglieder kriegen nicht einmal die Versorgung der Ukraine mit Munition hin. Wie soll da im "Verteidigungsfall" der Artikel 5 funktionieren? 

"Artikel 5 
Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. Vor jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmaßnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Maßnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten." 

Ob die NATO auf den Angriff eines ihrer Mitglieder mit Gesprächen oder Waffen reagiert, steht also überhaupt nicht fest. Sondern wird erst dann diskutiert und beschlossen werden. 

Wir haben schon im Februar 2022 gesehen, wie unterschiedlich die Bewertungen der NATO Mitglieder für die russische Invasion waren. Je weiter weg von der Front desto entspannter die Einschätzung und unwilliger die Haltung zu einer Reaktion. 

Sind wir mit dieser Erfahrung nicht zurückgeworfen auf die Landkarte? Hängt nicht das Schicksal jedes europäischen Landes jetzt vor allem davon ab, wo es geographisch liegt? Und werden sich daraus wieder neue Bündnisse ergeben, die nicht so schwerfällig und groß wie die NATO sind? Ein Bündnis im Baltikum, als direkte Frontstaaten. Ein weiteres von den Ostseeanrainern. Und noch eines im westlichen Kontinentaleeuropa. Man kann davon ausgehen, dass sich die europäischen Länder nicht gegenseitig angreifen werden. Aber ihre Solidaritätsbereitschaft stelle ich mal dahin. 

Im Krieg zählt der Raum. Der Abstand. Die Flugzeiten der Waffen, die die verfügbare Zeit für eine Reaktion bemessen. Man kann die jüngere europäische Geschichte auch anders lesen, rein geographisch. Deutschlands Einigungskriege zur Reichsgründung waren ein Sieg Preußens über west- und süddeutsche Länder und den Rauswurf Österreichs für die preußische Dominanz. Die Wiedervereinigung 1989 lief umgekehrt: West- und süddeutsche Länder übernahmen das Erbe, dass die Kommunisten aus Preußen gemacht hatten. Preußen ist bis heute erledigt. Sachsen muckt immer noch auf. Und der Südwesten opfert seine Assets gerade einer evangelisch-ökologischer Ideologie, die jetzt - da ihre Entmachtung droht, zu den Waffen ruft. Alles andere ist wie immer: Russland ist einfach "da" und jede Außenpolitik eines europäischen Landes muss sich zu ihm positionieren. 

Wenn diese Positionen aber in Gruppen zerfallen ist auch der Raum für neue Spielchen eröffnet. Der hintere Westen wird die Frontstaaten als seine Bauern betrachten. Frankreich sieht sich als Dame mit Nuklearmacht und Deutschland darf die Rolle des Königs annehmen. Also dessen, der alles bezahlt, der aber selbst nur ein Kästchen weiterrücken kann. Diese Erkenntnis läuft m. E. gerade. 

Dennoch braucht Europa eine gemeinsame militärische Aufstellung. Die Luftverteidigung muss an der Front stehen. Russische Bomber, Marschflugkörper und Raketen müssen vorne abgefangen werden. Dahinter liegt die 2. Verteidigungslinie. Und durch Deutschland geht die 3. Linie. Aber diese Architektur entsteht nicht durch bilaterale Absprachen, wie derzeit bei der tschechischen Initiative zur Einsammlung von Munition für die Ukraine. Es braucht eine zentrale Planung, die den NATO-Mitgliedern Aufträge und Ressourcen zuweist. Und es braucht mehr Verbindlichkeit als heute im Artikel 5 steht. Es muss einen Plan geben, wie man zumindest auf einen ersten Angriff Russlands auf ein NATO-Mitglied reagieren wird. Danach wird jeder Plan ohnehin hinfällig. Bei richtiger Aufstellung sind wir Russland überlegen. Als dekadenter Verein, in dem im Ernstfall jeder zunächst mal an sich denkt, können wir durch schnelle Kriegsführung überrumpelt werden.