Sonntag, 19. Mai 2024

Von Stalin zu Putin - das wiederkehrende Dilemma

Zur Frage, wann und warum Putin sich vom Good zum Bad Guy wandelte, hat Leonid Wolkow einige innenpolitische Gründe genannt. Demnach verhärtete Putin seinen innenpolitischen Kurs, als das Energiegeschäft den Wohlstand für alle nicht mehr merklich steigerte und in eine Stagnation geriet. Zudem soll die Verwaltung, die Regional- und Kommunalpolitik immer träger geworden sein und die Leute immer unzufriedener. Regional entstanden Protestgruppen, die Nwalny und Wolkow mittels Internet verbanden. Und dagegen hielt Putin mit immer restriktiveren Gesetzen.

Das ist eine innenpolitische Erklärung.

Versucht einer außenpolitischen Erklärung.
Bekannt ist ja die Kritik an der NATO Osterweiterung. Besagt: Je mehr ehemalige Kolonien der ehem. Sowjetunion in Richtung EU und NATO strebten, desto aggressiver reagierte Putin.

Was man auch bedenken muss: Als die Sowjetunion in die GUS-Staaten zerfiel und diese nach und nach abtrünnig wurden, hatten diese ja noch Atomwaffen. Diese waren nicht im Kernrussland stationiert sondern zu einem wesentlichen Teil um Russland herum, so nahe wie möglich an Europa. Der INF Abrüstungsvertrag sah die GUS Staaten als Rechtsnachfolger der Sowjetunion, so dass alle Abrüstungsverpflichtungen auch für diese galten. Auch in der ehemal. DDR (bei Bischofswerda) waren sowjetische Atomwaffen gebunkert.

Um die weitere Verfolgung dieses Vertrages nicht zu kompliziert werden zu lassen und im Vertrauen auf die Einhaltung internationaler Verträge stimmten die neuen Atommächte zu, ihre Kernwaffen an Russland abzugeben und im Gegenzug Sicherheitsgarantien zu bekommen.

Dies Vollzug sich zwar im wesentlichen unter Jelzin's Prüsidentschaft. Aber man stelle sich vor, Putin hätte sofort nach seinem Amtsantritt 2000 begonnen, einen harten Kurs gegen die ehem. GUS-Staaten zu fahren. Das hätte das Vertrauen der Unterzeichner in die Sicherheitsgarantien sofort gebrochen. 

So ist es eben erst 2014, spätestens 2022, zerbrochen. 

Der Fall zeigt die Logiklücke unserer NATO: Die Abschreckung funktionierte zwischen den beiden Machtblöcken. Aber losgelöste Pufferstaaten, die einerseits direkte Nachbarn Russlands sind, andererseits aus Angst in die NATO streben sind von dieser NATO Strategie nicht mit bedacht.

Putin bedroht nicht die NATO. Sondern Nachbarn, die in die NATO streben.

Putin versucht diese zu erobern und droht der NATO gleichzeitig mit dem Einsatz von Atomwaffen. Und die NATO weiß nicht genau, wie sie damit umgehen soll. Sie eiert entlang des Pfades, den das Völkerrecht erlaubt. Aber was ist ein Völkerrecht wert, an das sich Putin nicht mehr gebunden hält?

Putins Strategie führt zu der Frage ob die NATO entweder
  1. Die Eroberung der Satellitenstaaten zulässt - oder
  2. Diese mit immer mehr Waffen unterstützt und dabei das Völkerrecht bis an die Grenze ausreizt.
Dieses Dilemma macht nebenbei auch klar, dass schon Stalin nicht um die "Befreiung" vom Faschismus ging. Es ging im 2. Weltkrieg (wie in jedem anderen Krieg) um Geopolitik. Die Westalliierten wussten, dass Stalin ein Imperialist mit ideologischem Vorwand war. Und zur Befriedung des "Theaters" überließen sie ihm die osteuropäischen Staaten. 

Da stehen wir heute wieder: Verraten wir sie - oder gehen wir Risiken für sie ein?

2 Kommentare:

  1. David19.5.24

    Ich bin mir sehr unsicher, ob man Putin mit Stalin vergleichen kann/sollte. Man kann natürlich eine Aversion gegen Putin haben und mit dem Hinweis auf Stalin damit auch die Diskussion erschweren, denn Stalin war schon zweifelsfrei ein ganz spezieller Fall. Aber mit der Nennung seines Namens und der Diskussion seiner Taten ist eine sachliche Diskussion zum russischen Ministerpräsidenten nicht mehr möglich. Diese ist in Deutschland ohnehin schwer gemacht bzw. bewußt erschwert worden. So begann der DLF vor einigen Tagen z.B. eine Anmoderation im Morgenmagazin mit dem Hinweis auf "den vermutlichen Massenmörder Putin". Wie soll da eine sachliche Diskussion geführt werden?

    Im Artikel selbst fehlt mir, daß immer nur von der NATO die Rede ist. Hinter selbiger stehen doch die USA (die nicht genannt wird), und diese betrachtet die anderen Staaten als ihre Vasallen. Auch hat der Wertewesten in deren Auftrag Vereinbarungen mit Rußland im Jahr 2014 bewußt gebrochen. Das muß bei der Beurteilung der Position Rußlands betrachtet werden: Es gab klare Vereinbarungen, die dann vorsätzlich gebrochen wurden. Hinzuweisen ist auch auf die unterschriftsreifen Vereinbarungen zwischen der Ukraine und Rußland im Jahr 2022, die dann auf Veranlassung der Engländer (und mit Gewißheit auch auf Befehl der USA) in allerletzter Minute nicht unterzeichnet werden durften. (Ob diese Vereinbarungen eingehalten worden wären oder den jetzigen Krieg auf der Zeitachse verschoben hätten, bleibt natürlich offen.)

    Insgesamt halte ich die Argumentation mit Stalin für schwierig. Auf der Parallelschiene müßte dann wohl auch AH ggf. mit in die Diskussion eingeführt werden. Allerdings führt auch das erst recht nicht weiter.

    Ob übrigens die ausgeprägte Unzufriedenheit der russischen Bevölkerung tatsächlich existiert, sehe ich als nicht bestätigt an. Die russische Wahl sagt anderes. Letztere wurde im Westen natürlich als "undemokratisch" abqualifiziert (ohne Belege, die eingeladenen Wahlbeobachter durften nicht kommen, auf Veranlassung wohl der USA).

    Ich gehe Ich davon aus, daß Wolkow ebenso mit US-Unterstützung bzw. auf deren Befehl handelt.

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  2. Anonym19.5.24

    Ok. Ich will Putin nicht auf eine Stufe mit Stalin heben, was das Ausmaß angeht. Auch will ich keine Diskussion abwürgen in dem Stil, wie es die Woken tun.
    Ich will nur sagen: beide sind im wesentlichen Imperialisten, die nur unterschiedliche Geschichten erzählten. Dem einen geht es um "alle Russen", dem anderen um "Arbeiter und Bauern". Und ja: Auch die USA verstanden und verstehen sich als Supermacht mit Untergebenen. Vor allem uns, Frankreich macht da nicht mit und England ringt stets um Augenhöhe.

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