Freitag, 24. Mai 2024

Jetzt geht es ruckartig abwärts

Am heutigen Freitag nach Pfingsten blicke ich auf eine Woche schlechter Nachrichten, Prognosen und Erkenntnisse zurück. Ich halte die Frage, wohin wir denn mal auswandern für ruckartig dringlicher und wichtiger.

Beruflich erlebe ich seit meiner Rückkehr aus der Welt der wollenden und könnenden Innovatoren in die Welt der Traditionskonzerne nach einer Phase der stagnierenden Rückständigkeit nun ruckartige Verschlechterungen. Dass unsere Hierarchen aus dem Maschinenbau die Welt der Software und Elektronik gerne beherrschen würden, es aber mangels Veränderungswillen und Verständnis nicht können, ist mir seit sechs Jahren klar. Die Unternehmenseigner wechselten Vorstände mehrere Male aus. Die holten zuerst einen PR-Profi, den BMW aussortiert hatte, und danach immer wieder Leute ihres Vertrauens, und also ihresgleichen an Bord und alle zusammen bekamen sie es dann wieder nicht hin. 

Erschwerend kam vor kurzem hinzu:

  1. Die plötzliche Streichung der Kaufförderung für Elektroautos.
  2. Umsatzeinbrüche bei all unseren Konzernmarken gleichzeitig. Früher wurden Misserfolge bei einer Marke durch Erfolge anderer Marken kompensiert. Das Missmanagement in der Software zog diesmal erstmalig alle Marken gleichzeitig herunter.
  3. Der Ukrainekrieg, die Inflation, die grüne Chaospolitik lässt die Kunden ihr Geld zusammen halten. Und verdirbt jedwede Lust auf Experimente. Wer sich ein Auto kauft will einen Verbrenner, höchstens einen Hybriden.
Es laufen Umorganisationen, in denen sich die immer gleichen Führungskräfte immer wieder neu sortieren (wie Michael Sprenger über die aus dem Bundestag geflogene FDP sagte: "Die FDP hat ihre Verlierer neu sortiert.") Es werden Veränderungs- und Innovationsprogramme verkündet, und es geht nur um heiße Luft und große Ansagen. Kein einziges Programm wird zu Ende gebracht, weil sie zu keinem einzigen der angekündigten Veränderungen fähig oder willens sind.

Sinkende Umsätze führten zu Druck auf Tarifverhandlungen. Zuletzt gab es es Reallohnverlute. Der Betriebsrat spielt jedes Mal mit - und redet inzwischen wie ein Co-Management. (Wie es überhaupt immer mehr Leute in den BR zieht, die das als zweite Chance nach abgelehnten Aufstiegschancen sehe. Mit Kollegensolidarität ist da nicht mehr viel..) Und nach den gedämpften Tarifabschlüssen dann jedes Mal doch wieder Gewinnsteigerungen. Wie das?

Seit Jahren leben wir vom Verkauf von Tafelsilber. Zwar publiziert, aber von der inzwischen auch nicht mehr so fähigen Wirtschaftspresse quasi unbemerkt. Wir verkaufen Töchter, senken Beteiligungen und schöpfen dabei aus einem riesigen Portfolio.  

Die angekündigten und veröffentlichten Personalmaßnahmen greifen offenbar nicht wie geplant. Die Abfindungsangebote kamen zu plötzlich, Fachkräfte wurden davon ausgenommen und es wurde ein Höchstalter benannt, jenseits dessen es auch nicht gilt. Denn ab da gelten die Altersteilzeitangebote. D. h. weder Kollegen mit guten Chancen auf einen neuen Job noch solche, die genügend nahe am Rentenalter sind, dürfen die Abfindungsangebote nutzen. Und die es dürfen, sagen: Nein danke.

Intern stehen die alten Verwaltungshierarchen den produkt- und kundenorientierten Fachkräften im Weg. Sie bilden dabei nicht nur Widerstand jeder für sich. Sondern sie sind so viele, dass sie einen Wald bilden, in dem sich die Fachkräfte verlaufen. Informationen werden zurück gehalten, Gremien und "Initiativen" sprießen aus dem Boden. Ich habe mir schon den Spaß gemacht, selbst auf erfundene Initiativen zu verweisen und mich an der Verwirrung ergötzt, die ich damit bei den Verwaltern ausgelöst habe..

Dazu kam diese Woche unser Umzug raus aus dem Werk rein in die Pampa, ein Gewerbegebiet aus Bürohochhäusern aus den 60ern und 70ern. Weil unser Hauptgebäude im Werk saniert werden muss und das mehrere Jahre dauern wird, gibt es bei uns rollierende Um- und Auszüge. Für mich bedeutet das:
  • Distanz zu meinen Projektpartnern. 
  • Der Aufruf zu mehr Präsenz bezieht sich bei uns nicht auf mehr Kontakt zu unseren Projektpartnern sondern zu den Kollegen. Unsere Chefs kommunizieren so spärlich, dass sie froh sind, dass wir nun alle zusammen in einem Gebäude sind und wir uns "auf dem Flur" alle gegenseitig Updates können.
  • Keine Kantine, keine Getränkeversorgung in der Nähe. Die Einheimischen bringen sich alles mit dem Auto mit. Wir Bahnpendler können zusehen, wie wir uns versorgen.
  • Eine weitere Busfahrt vom Bahnhof in die Pampa. Mehr Zeit, mehr Kosten, mehr Abhängigkeit und Verbindungsrisiko.
Und zu all dem natürlich noch die Nachrichten von draußen:
  • Der Anfang vom Ende bei Thyssenkrupp. Ausgelöst durch Habecks Energiewende und ein willfährig mitspielender Vorstand ("grüner Stahl".
  • Der Pflegenotstand grassiert. Personalmangel. Überlastung der wenigen, die noch arbeiten. Krankmeldungen der Leistungsträger.
  • Ein sich verschärfender Handelskrieg mit China. Ausgelöst durch die chinesische Elektroautoschwcmme und massiven Zöllen der USA:
  • Putins Antworten auf die Aufhebung von Einsatzbeschränkungen amerikanischer Waffen durch die Ukraine: Debatten über Grenzverschiebungen zu Finnland und Estland. "Es riecht nach Krieg", sagte Gerhard Baum gestern Abend bei Lanz. 
  • Der lancierte Absturz der AfD. Weil sie in den Umfragen zu mächtig wurde, wurden jetzt aber auch alle Register gezogen, Fallen gestellt, sie zu Fall zu bringen. Ein Absturz sondergleichen.
  • Die Folgen der Coronapolitik gegen die Kinder machen sich auch bemerkbar. Mein Neffe hat soeben kund getan, dass er nach dem Schulabschluss erstmal gar nichts machen will. Ein dreiwöchiges Praktikum habe ihm das "klar gemacht". Wie ich höre, ist das ein Phänomen in großen Teilen dieser Generation.
Was willst da noch von der Zukunft erwarten? Abstieg, Krieg, Manipulation, Intrigantenstadl, Kampf um die Mangelware.

Ich habe diese Woche auch mit Gleichgesinnten lange gesprochen. Mehrere lange Gespräche. Wir sehen es ähnlich. Aber meine Generation 50+ hat zum ersten Mal keine positive Vision mehr. Anders als früher haben wir keine Phantasie vor Augen, die uns zieht und antreibt. Wir wissen weder wohin, noch zu wem oder mit wem. Da ist nichts, niemand. 

1 Kommentar:

  1. David25.5.24

    Danke für diese hervorragende Analyse, der man nur zustimmen kann, wenn man einen eigenen, einigermaßen klaren Blick auf die aktuellen Ereignisse sowie ein Alter hat, in dem die Lebenserfahrung einem (normalerweise) die Möglichkeit recht sicherer Einschätzung der Vorgänge um einen herum gibt. Nutzt man das Letztgenannte, so kann einem wirklich nur übel werden - an eine solch trostlose, völlig verfahrene und regelrecht irreale Lage in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kann ich mich nicht erinnern, zumindest nicht in den letzen einigen Jahrzehnten.
    Das Fehlen einer positiven Vision (nicht nur der Generation 50 Plus, sondern auch [und besonders] der Generation 50 Minus) ist ein Alarmzeichen, das heftiger nicht erschallen kann.
    Nur - es interessiert kaum einen, "die Politik" und ihre Handlanger schon gar nicht.

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