Am 10.01.2010 auch erschienen als Gastbeitrag im Blog "Google-Ökonomie" (Link)
2010 wird einen neuen Innovationsschub für Navigationssysteme und die dahinter stehenden Geschäftsmodelle bringen. Navigation wird für Jedermann verfügbar. Alle drei Anbietergruppen arbeiten mit Hochdruck an ihrer Wettbewerbspositionierung und -differenzierung: Steht derzeit auch Google mit seinem soeben vorgestellen Smartphone im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, wird in wenigen Wochen die Volkskarte Open Street Map nachziehen. Skobbler wird der erste kommerzielle Anbieter einer Navigationssoftware, die die kostenlose Karte benutzt. Das könnte für Preisdruck bei den anderen Anbietern sorgen. Die Hersteller fest eingebauter Navis integrieren ihre Systeme derweil mit neuen Fahrzeugfunktionen. Alle drei Gruppen haben ihre Zielgruppen.
Viele Informationen haben einen Geobezug
Auf der Gründungssitzung des GEOkomm e.V. (Link) vor einigen Jahren hörte ich zum ersten mal, dass mindestens 2/3 aller konkreten Informationsbedarfe, die mit IT gedeckt werden können, in irgendeiner Form mit Geodaten zu tun haben.
Allein das macht plausibel, warum sich Google im Navigationsgeschäft tummelt. Google weiß alles und kann unterschiedlichste Informationen miteinander kombinieren. Eine gute Voraussetzung, um die Navigationsbranche in neue Richtungen zu treiben? Ich halte sie für notwendig, aber nicht hinreichend.
Routing - die Basisfunktione
Die am Markt erhältlichen Navigationssysteme sind längst über die Basisfunktionalität hinaus, jemanden einfach von A nach B navigieren zu können. Die klassischen Anbieter von Navigationssystemen haben über die Jahre verschiedene Routingphilosophien entwickelt und optimiert. Man beobachte sich einmal selbst bei der Planung einer Route mit Kartenmaterial aus Papier. Der eine plant vom Ziel zum Start. Der andere vom Start zum nächsten Verkehrsknoten, um dann weiter zu sehen. Vielleicht, weil die Verkehrslage zum Zeitpunkt der Planung noch unsicher ist. Oder weil man noch nicht weiß, welche Zwischenstops unterwegs nötig werden.
Es gibt Navigationssysteme, die geben einem wenige Sekunden nach der Zieleingabe schon den ersten Manöverhinweis. ("Ich habe noch nicht bis zur Hausnummer in der Zielstraße gerechnet, aber soviel ist sicher: Wir müssen auf die Autobahn."). Andere rechnen mehrere Variationsmöglichkeiten durch, bewerten diese nach vorgegebenen Kriterien und fangen erst dann an zu routen.
Zieleingabe
Aber genau genommen, ist schon der Dialog für die Zieleingabe ein kritischer Erfolgsfaktor. Wir gewöhnten und mühsam an die Zieleingabe nach der Fuchsbergerschen "Auf los geht's los" - Methode: Man sieht Striche als Platzhalter und muss den nächsten in Frage kommenden Buchstaben eingehen (Next Valid Character). Wer sich der Schreibweise seines Ziels nicht sicher war, kam hier manches mal ins Schwitzen. Hieß es nun "xy-Hofmann-Str." oder "xy-Hoffman-Str." oder "xy-Hofmann-Str." usw.? Das System sollte auf Wunsch der Fahrzeughersteller so vorgehen, um eine Verwechslung bei der Zieleingabe 100%ig auszuschließen. Im Zeitalter von Google wünschst man sich aber doch eine robuste Zieleingabe, bei der die genaue Schreibweise egal ist, und die Reihenfolge von Straße und Stadt ebenfalls. Wenn sich das System nicht sicher ist, fragt es eben "Meinten Sie...?"
1:0 für Google.
Spracheingabe
Noch bequemer ist natürlich die Zieleingabe per Sprache. Das bieten sowohl Google als auch die klassischen Navigationssystemhersteller an. 2:1
Kartenanzeige
Bevor Google kam, waren wir an Kartendarstellungen gewöhnt, die immer in Fahrtrichtung ausgerichtet sind und eine dreidimensionale Vogelperspektive ("Bird view") anzeigen. Damit kommt man meistens zurecht. Nur manchmal, und zwar besonders bei komplexen Verkehrsknoten und am Zielort, blieb man manchmal unschlüssig, was denn nun genau gemeint war: Autobahnabfahrt in der Tangente oder dahinter? Welches der in Frage kommenden Gebäude, von denen ich die Hausnummer nicht lesen kann, ist denn nun mein Ziel?
Foto: Google
Die von Google gezeigten Street Views sind hier natürlich unschlagbar eindeutig. Aber die Fahrzeughersteller und ihre Zulieferer haben auch hierauf Antworten: Z.B. kann man den Richtungspfeil einfach in die Windschutzscheibe projizieren, dann routet man tatsächlich auf der Realität.
3:2
Zielaufspaltung Fahrzeug/User: Parkplatzsuche und Gebäudeeingang
Am Ziel angekommen ist die nächste Frage immer: Wo kann ich parken? Wo kann ich gratis parken? Und wo kann ich mit einem freien Parkplatz rechnen? Diese Informationen müssen zum einen auf der Karte hinterlegt sein. Und mit Hilfe einer Onlineverbindung könnte man dynamische Daten einfach abfragen. Das können alle Hersteller realisieren, wenn sie wollen. Bei Google unterstützen aber genau solche Informationsbedürfnisse das Werbegeschäftsmodell von Google. Kann man sich bei Google denn sicher sein, immer die preiswerteste Option angeboten zu bekommen? Ich wäre bei Google nicht so sicher. Bei den anderen Anbietern schon eher. Und zwar nicht nur bei der Frage nach Parkplätzen.
Ausgleich zum 3:3.
Ist das Auto dann abgestellt, teilt sich die Welt in zwei Hälften: Das festeingebaute Navi kann ich derzeit nicht herausnehmen. Aber vielleicht kann ich mein Ziel ja nur zu Fuß erreichen? Z.B. wenn es in einer Fußgängerzone liegt? Ich habe das in Regensburg spät abends mit einem Mietwagen erlebt. Mit Mühe und Not konnte ich am Dom irgendwo parken. Aber um das Hotel zu finden, musste ich telefonieren.
Womit wir beim Smartphone wären: Das nehme ich einfach mit aus dem Auto und lasse mich wenn nötig bis zur Tür "mikronavigieren".
Zwischenergebnis 4:3 für die Smartphones (inkl. Google).
Ein knapper Sieg für die Smartphones im allgemeinen und Google im besonderen?
Bordnetzintegrierte Navigation
Nein, denn das Spiel ist noch nicht zu Ende. Wer mit dem Auto navigiert, und wer erst einmal verstanden hat, wieviele Fragen ein intelligentes Navigationssystem beantworten kann, dessen Anforderungen wachsen.
So wie viele Informationsbedarfe irgendwie mit Geoinformationen verknüpft sind, so sind auch viele Fragen an die Navigation mit dem Bordnetz des Autos verknüpft. Ein relativ triviales Beispiel hierfür ist die automatische Suche nach der nächsten Tankstelle, wenn der Kraftstoff zu Neige geht. Weitere Beispiele sind die Verknüpfung von Hybrid- bzw. Batteriemanager und der Topologie der vorausliegenden Strecke? Wann z.B. kommen Gefällstrecken mit Kreuzungen in der Senke, die sich für eine Nutzbremsung eignen? Oder: Ist das Fahrzeug in einem Zustand, der sich für die geplante Route z.B. über winterliche Gebirgszüge eignet?
Solche Optimierungsaufgaben kann nur ein bordintegriertes Navigationssystem unterstützen. Der Navgationskunde muss sich hier entscheiden, welche Prioritäten er setzt. Vermutlich wird, wer sich ein festeingebautes Navi leistet, ebenfalls ein Smartphone mit einer Navigationsfunktion besitzen. Die Navigationsfunktion wird er dann aber nur außerhalb seines Fahrzeugs benutzen.
Dazu kommt: Ein fest eingebautes Navi haben die meisten Fahrer, die ich kenne, permanent eingeschaltet. Auch wenn sie in Gegenden fahren, in denen sie sich auskennen. Gründe hierfür sind, neben einer gewissen Bequemlichkeit und einem Gewöhnungsfaktor, die schnell abrufbaren Informationen, wenn spontan Fragen aufkommen. Z.B. wenn eine Umleitung eingerichtet wurde, oder man auf der Karte eine bis dato unbekannte freie Tankstelle entdeckt. Etc. Der Besitzer eines Smartphone oder mobilen Navis handelt so in der Regel nicht, ist also auch kein Navidauerkunde. Das ist aus meiner Sicht ein Limitierungsfaktor für ein werbebasiertes Navigeschäftsmodell wie es Google nachgesagt wird.
Was plant Google?
Wenn man wissen will, welche Produkte oder Produktmerkmale ein Technologieunternehmen plant, schaut man am besten in Patentdatenbanken. Unter dem Stichwort Navigation findet man von Google u.a.:
- Gebäudenavigation
- eine personalisierte, adaptive Navigation, die die persönlichen Ziele-, Routen- und Fahrstilpräferenzen eines Fahrers aufzeichnet und daraus Routenkriterien für die Navigation ableitet.
- Nutzung von Navigationshistorien für die Verbesserung personalisierter Werbeanzeigen.
- Nahtlose Navigation in Panoramabildern.
Digitale Karten
Und schließlich spielt die benutzte Karte eine große Rolle. Google wird bis 2012 Kartenmaterial von TeleAtlas benutzen. Die vorhandenen Streetviews sind nur in Korrelation navigierbaren Karten nutzbar, sie allein ermöglichen keine Navigation. Welche Karten wird Google nach 2012 nutzen? Vor zwei Jahren hatte Google mit "Map maker" eine Art eigenes "Open street map" (Link) Projekt aufgesetzt. So richtig entwickelt hat es sich seitdem nicht. Der Grund dafür ist, dass die Google Karte zwar "open" für die kostenlose Mitarbeit von Mappern ist, aber diesen im Gegenzug weder Rechte am Werk noch eine eine Bezahlung einräumt. Warum sollten User also an einer solchen Karte mitarbeiten?
Ich glaube nicht, dass Google sich das so einfach machen kann. Aufbau, Pflege und Attributeanreicherung einer Karte sind Arbeit. Entweder bezahl man einen kommerziellen Anbieter wie Navteq oder TeleAtlas für diesen Dienst oder man räumt ihm Mitnutzungsrechte an dem Gewerk ein.
Open Street Map vs. Google vs. Kartenhersteller
Unter diesem Aspekt ist das Gespann Open Street Map (OSM) / Skobbler spannender. Die unschlagbar preisgünstige Skobbler iPhone Navigation wird alles können, was die Open Street Map mit Straßen- und Landmarkattributen unterstützt. Und die OSM gibt es als Creative Commons Lizenz, d.h. man nutzt sie gratis und nennt sie als Quelle.
Somit spannt sich in Zukunft ein sehr interessantes Dreieck aus Wettbewerbspositionen auf:
- Die sehr kostengünstige Smartphone Navigation auf Basis Open Street Map, pilotiert von Skobbler.
- Smartphones mit den Sonderfällen Nokia/Navteq und Google, die 2012 vor der Weichenstellung bzgl. der Karte steht.
- Bordnetzintegrierte Navigationssysteme, die Fahrzeugfunktionen unterstützen.
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Samstag, 9. Januar 2010
Mittwoch, 16. Dezember 2009
Skobblers Navi-App setzt auf Open Streetmap
Die Meldung kam schon am 10.12., habe sie aber gerade erst entdeckt: Im Frühjahr 2010 setzt der erste Navigationshersteller auf Karten von Open Streetmap.
Skobbler (Link) ist ein Hamburger Startup des früheren Navigon Gründers. Das macht die Sache interessant. Das Skobblerteam machte im Herbst von sich reden, weil es seine Navianwendung im Apple App-Store für 3,99 EURO anbot und die knapp 70 EURO teure Anwendung von Navigon von der Spitze der Navigations-Apps verdrängte. Das löste Ärger aus, Navigon verlangte von Apple die Auslistung von Skobbler wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen (SPIEGEL Link). Auch mit dem Kartenhersteller Navteq wird Skobbler seine Geschäftsbeziehung beenden.
Ab Februar oder März 2010 will Skobbler OSM-Karten nutzen. OSM zeichnet sich ja nicht nur durch die gemeinschaftliche und kostenlose Kartenpflege durch die "Mapper" aus. Auch enthält die OSM zahlreiche Features (POIs) aus, die in kommerziellen Karten noch nicht gepflegt sind.
Skobbler hat zwei Umsatzquellen: Die Lizenz für die App und Werbeeinnahmen für eigene POIs. Ähnlich wie es wohl Google plant, zeigt Skobbler POIs von Werbetreibenden an. Den Nutzer erwarten also keine lästigen Werbebanner, sondern der Content, den er nutzt, ist werbefinanziert.
Damit gelingt der Open Streetmap Szene, was die Open Source Software Szene vor knapp zehn Jahren schaffte: Den Schritt in die Welt kommerzieller Anwendungen. Aber was haben die OSM-Mapper davon, wenn Skobbler ihre Karte nutzt? Die OSM-Lizenz (Link) erlaubt die kommerzielle Nutzung ausdrücklich, solange OSM als Quelle genannt wird. Stört es einen Mapper, wenn ein Softwarehersteller seine Arbeit verwertet?
Patentanmeldungen von Skobbler habe ich nicht gefunden.
Skobbler (Link) ist ein Hamburger Startup des früheren Navigon Gründers. Das macht die Sache interessant. Das Skobblerteam machte im Herbst von sich reden, weil es seine Navianwendung im Apple App-Store für 3,99 EURO anbot und die knapp 70 EURO teure Anwendung von Navigon von der Spitze der Navigations-Apps verdrängte. Das löste Ärger aus, Navigon verlangte von Apple die Auslistung von Skobbler wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen (SPIEGEL Link). Auch mit dem Kartenhersteller Navteq wird Skobbler seine Geschäftsbeziehung beenden.
Ab Februar oder März 2010 will Skobbler OSM-Karten nutzen. OSM zeichnet sich ja nicht nur durch die gemeinschaftliche und kostenlose Kartenpflege durch die "Mapper" aus. Auch enthält die OSM zahlreiche Features (POIs) aus, die in kommerziellen Karten noch nicht gepflegt sind.
Skobbler hat zwei Umsatzquellen: Die Lizenz für die App und Werbeeinnahmen für eigene POIs. Ähnlich wie es wohl Google plant, zeigt Skobbler POIs von Werbetreibenden an. Den Nutzer erwarten also keine lästigen Werbebanner, sondern der Content, den er nutzt, ist werbefinanziert.
Damit gelingt der Open Streetmap Szene, was die Open Source Software Szene vor knapp zehn Jahren schaffte: Den Schritt in die Welt kommerzieller Anwendungen. Aber was haben die OSM-Mapper davon, wenn Skobbler ihre Karte nutzt? Die OSM-Lizenz (Link) erlaubt die kommerzielle Nutzung ausdrücklich, solange OSM als Quelle genannt wird. Stört es einen Mapper, wenn ein Softwarehersteller seine Arbeit verwertet?
Patentanmeldungen von Skobbler habe ich nicht gefunden.
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