Sonntag, 3. August 2025

Vergleich von Kapitalanlage und freiwilligen Renteneinzahlungen

In einem Artikel über die deutschen Sozialversicherungen in der "brand eins" hieß es mal, die Bismarck'sche Rentenversicherung musste erst weit nach dem 2. Weltkrieg zum ersten Mal eine harte Probe bestehen. Bis dahin lebte sie allein von ihrem Versprechen. Denn davor erlebten die meisten deutschen Männer, die in sie eingezahlt hatten, die erhoffte Auszahlungsphase nicht. Sie wurden vorher  in Kriegen dahin gerafft. 

Es war also so oder so schon immer ein Wagnis, eine Rentenversicherung auf ein Umlageverfahren zu stützen. Du konntest vor der Auszahlungsphase sterben, oder für zu wenig Nachkommen sorgen. Deine Einzahlungen stehen bis zum Schluss im Risiko. Ein Umlageverfahren verbraucht die Einzahlungen sofort. Und basiert auf den Annahmen, dass es a) genug Einzahler gibt und b) diese einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbsarbeit in Vollzeit nachgehen.

Die Alternative zu allen Sozialversicherungen ist, dass jeder für sich selber vorsorgt. Wie z. B. bei der privaten Krankenversicherung. In jungen, gesunden Jahren zahlt man kleine Beiträge in seinen eigenen Topf. Statistisch wahrscheinlich ist, dass man erst nach Jahrzehnten nennenswerte Ausgaben aus diesem Topf bestreiten muss. Im Idealfall gibt man bei der letzten Behandlung im Leben seinen letzten Euro aus.

Das gleiche Modell passt für viele andere Risiken im Leben, mit Ausnahme vielleicht der Haftpflichtversicherung. So unwahrscheinlich es auch ist, einen so großen Schaden anzurichten, dass er  einen sofort bankrott stellt, ist es besser sich dagegen abzusichern. Auch das eigene Haus sollte man gegen große Risiken wie Feuer und Wasser absichern. 

Und die Rentenversicherung? Sie wirft immer mehr die Frage auf, was eigentlich ein gerechtes Prinzip wäre. Denn die immer weniger werdenden Einzahler können nichts dafür, dass sie immer weniger werden. Sie werden zur Finanzierung der heutigen Rentner herangezogen wohlwissend, dass die Höhe ihrer eigenen Rente unsicher ist.

Wer also heute als Berufsanfänger 50 Jahre Arbeit vor der Brust hat, sollte mal rechnen, wie viel er für die eigene Rentenergänzung zurück legen sollte. Beschäftigt man sich mal mit dem System der Deutschen Rentenversicherung wird einem klar, wie teuer eine Rente ist:

Auf dieser Website kann man sich ausrechnen, dass man sich für eine Einzahlung von 16.800 EUR eine Rente von 70,34 EUR kaufen kann. Dies entspricht heute 1,79 Rentenpunkten. Diese Rente gilt in der Zukunft, ab dem regulären Renteneintrittsalter.

Für genau 1 Rentenpunkt bekommt man heute 40 EUR Rente. Und zahlt dafür 1x 9.480 EUR ein.

Daraus folgt: Für eine künftige Rente von 3.000 EUR monatlich (was inzwischen den Kosten eines Pflegeheimplatzes entspricht) braucht man 75 Rentenpunkte. Würde man sich diese mit einem Schlag erkaufen wollen, würde das 711.000 EUR kosten. Diese Rente würde theoretisch ewig gezahlt, sie verbraucht sich gemäß Definition nicht. Das entspricht einem Zinssatz von ca. 5,1%. Wer Rentenpunkte kauft, kann diese bis zu einem Höchstbetrag von der Steuer absetzen, was die Rendite weiter erhöht. (Das lohnt sich also insbesondere für Besserverdienende.)  

Zum Vergleich: Für die gleiche ewige Rente auf Basis von 2% Festgeld p.a. bräuchte man eine Anlage, die p. a. 36.000 EUR Zinsen abwirft. Dafür wäre ein Kapital von 1.800.000 EUR nötig. 

Diese kurze Vergleichsrechnung zeigt:

  • Eine ewige Rente ist sehr kapitalintensiv. (Das dürfte den meisten Menschen nicht klar sein.)
  • Selbst heute ist die Deutsche Rentenversicherung kein schlechter Deal. 
Vieles spricht also für den Kauf von Rentenpunkten. Trotzdem erlebe ich da eine ähnliche Diskussion wie früher bei der Zahlung von Sondertilgungen für die Eigentumswohnung:
  • "Ich kann selbst mehr Rendite erwirtschaften als diese 5%."
  • "So viel Geld mit einem Schlag? Ich weiß doch gar nicht, ob und wie lange ich die Auszahlung  erlebe. Womöglich habe ich nichts davon."
  • "Bei 5% p. a. kann ich die 9.480 EUR auch in 20 Jahren ausgeben. Das kommt aufs gleiche raus. Zusätzlich kann ich den Teil, den ich noch nicht verbraucht habe, anlegen. Ich brauche keine ewige Rente, ich kann mein Kapital bis zum Tod auch verbrauchen."
Darauf entgegne ich folgendes:
  • Die Börsen sind völlig erratisch geworden. Dein erworbenes Erfahrungswissen nützt dir seit geraumer Zeit nichts mehr. Selbst Anleihekurse schwanken stark. Und die Festgeldzinsen sind schon wieder niedrig. 
  • Ja, das Geld ist sofort weg. Aber bei unserer Immobilie waren wir hinterher auch froh, vor dem Plan getilgt zu haben. Bei der Tilgung bedeutete es Freiheit. Bei der Rente bedeutet die Einzahlung Sicherheit.
  • Der Hinweis, dass man de facto keine ewige Rente braucht, ist richtig. Aber die benötigte Laufzeit ist halt ungewiss.
Der letzte Punkt macht das Thema zu einer Wahrscheinlichkeitsrechnung. Es gibt Rentenformeln, die den Verbrauch des Kapitals berücksichtigen. Dabei wird aber eine Lebenserwartung zugrunde gelegt. Man kann dann ein bisschen optimistisch und pessimistisch rechnen. Der Kapitalverbrauch senkt den Renditebedarf umso mehr, je mehr Kapital man hat. (Zusätzlich kann man hier Inflation und Kapitalrenditen p. a. vorgeben und ebenfalls Szenarien rechnen.)

Eine rationale Empfehlung ist in solchen Fällen ein Mix aus beiden, wobei man je nach Sicherheitsbedürfnis bzw. Lebenshunger mehr oder weniger Rentenpunkte kaufen und den Rest selbst anlegen sollte. Den einen Stein der Weisen gibt es hier nicht.


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