Dienstag, 19. August 2025

Die Lage der deutschen Autoindustrie (Teil 2)

Die Autohersteller müssen inzwischen viele aufgelaufene Versäumnisse gleichzeitig bearbeiten. Diese entstanden nicht alle gleichzeitig. Aber das Management bekam sie nicht gemanagt und hat deshalb nun alle gleichzeitig auf dem Tisch:

  • Das bevorstehende Quasi-Verbot von Verbrennungsmotoren. ("Verboten" werden sie nicht, sie werden nur nicht die Null-CO2-Emissionen erfüllen können.)
  • Die Verschiebung des Geschäfts in eine Produktkonfiguration, bei der die Deutschen ihre bisherigen Stärken aufgeben müssen und die neuen Stärken durch neue Wettbewerber besetzt sind.
  • Obwohl Elektromotoren und ihre Steuerung sehr ausgereift sind, sind Elektroantriebe teuer. Der Grund dafür sind die Batterieherstellkosten.
  • China hat sich durch eine strategische Außenpolitik Lieferbeziehungen zu Förderländern von seltenen Erden geschaffen. Zudem hat die Regierung hier früh und strategisch in die gesamte Elektromobilität investiert. Die Nachfrage nach Elektroautos ist in China viel höher als in der EU. Deshalb, und wegen niedrigerer Löhne und Energiekosten, ist China Weltmarktführer für Elektroautobatterien. (Deutschland hat diese Entwicklung mit einer lange weitergezahlten Entwicklungshilfe für China mit unterstützt...)
  • In der Elektroantriebswelt sind Drehmoment und Beschleunigung keine Hexerei mehr. Die neue Produktdifferenzierung muss auf Design und anderen benutzbaren Funktionen beruhen. Dies führt zur Anforderung einer Softwarekompetenz. Für einen Softwarestapel, der zu den Komplextesten und reguliertesten in der Industrie zählt (Sicherheit der Funktion, Robustheit gegen Angriffe, Aktualisierbarkeit im Feld, Benutzerfeundlichkeit). die gelernten Maschinenbauer der Automobilindustrie sind mit den Organisationsformen und Kulturen, die Softwareentwicklung mit sich bringt, bis heute überfordert. Herbert Diess und seine Nachfolger haben z. B. die Softwaretochter von VW viel zu schnell aufgeblasen, mit widersprüchlichen Anforderungen der Konzernmarken konfrontiert und selbst keine Prioritäten gesetzt. Neue berufene Manager verkündeten als erstes große Ziele auf LinkedIn, die sie anschließend nicht umsetzen konnten.
Sowie zu den Rahmenbedingungen. Wie reagieren die deutschen Autohersteller auf sie?

Allen gemeinsam:
Druck auf die Löhne. Gleichzeitig Sptzenplätze bei den Einkommen der DAX Vorstände.

Daimler:
Wechselt gerade zum dritten Mal die Strategie. Wollte man von Elektromobilität zuerst nichts wissen, erklärte man sich danach zu ihrem Erfinder - auf der Erkenntnis, dass die Batterien Autofahren eh teurer machen wird, Autofahren zu einem Luxus werden würde, und man aus Tradition dieses Segment besonders gut bedienen könne. Nachdem die Kunden dann die rein elektrischen SUVs nicht annahmen, wechselt man zurück und will bei Verbrennern bleiben. 
Sieht hierzu auch einen Gastartikel von Ole Källenius im Economist.

Porsche
Verläuft ähnlich wie Daimler. Der elektrische Nachfolger des mittleren SUV Macan wird nicht angenommen. Für die anderen Volumenbringer Boxster und Cayman gibt es noch keine Nachfolger.

Audi
Erfüllte die Ankündigungen in der Softwarekompetenz bei weitem nicht. Etliche Neuprojekte und Modellfplegen kamen verspätet oder bis heute nicht. Von Neufahrzeugen wie dem neuen Q5 höre ich schlechtes Kundenfeedback.

OPEL
Der frühe OPEL Ampere war ein Elektromodell mit einem Nachladegenerator für die Batterie. Dieses Modell bediente die Reichweitenangst. Das war m. E. das richtige Modell für die Frühphase der Elektromobilität, denn Ängste muss man ernst nehmen. Weil er nicht sofort en masse angenommen wurde, distanzierte sich Opel wieder von ihm und stellte ihn ein. Stattdessen elektrifizierte man die bekannten Modelle wie Corsa, Astra und den neuen Mokka.

VW:
Als Volumenhersteller hätte VW zuerst elektrische Kleinwagen bringen müssen, den sich Kunden als Zweitwagen leisten, um in der Stadt ohne Reichweitenangst Elektromobilität zu lernen. Tat man aber nicht. Aus der alten Produktstrategie heraus glaubte man, die Innovation zuerst im höheren Segment bringen zu müssen. Und hier auch höhere Preise nehmen zu können. Der ID.3 galt als Kompaktmodell neben dem Golf. Aber Elektroautos sind innen viel größer als Verbrenner und so übererfüllte er die Bedarfe der typischen Kunden. Danach brachte VW aber immer noch keine kleineren und günstige Modelle sondern ging noch höher bis zum ID.7. Vorstände stellen auf Messen gerne möglichst große, luxuriöse oder leistungsstarke Modelle vor. Unabhängig davon, wie diese beim Endkunden ankommen. 
Inzwischen korrigiert man sich. 2 Kleinwagenmodelle sind angekündigt. Und die ID-Namen will man, wie Opel, durch die altbekannten Modellnamen ersetzen.
Ein wichtiger Teil der Strategie zur Hebung der Marge bei Elektroautos ist die eigene Batterieproduktion (bei VW: Power Co. in Salzgitter).. 
Ein anderer Teil ist die Senkung der Tariflöhne. Ende 2024 lieferten sich Vorstand und Betriebsrat vor den Kameras einen harten Kampf, in dem Drohungen für Werksschließungen auf dem Tisch lagen. Der BR wehrte diese Drohung ab, nahm dafür aber de facto Lohnsenkungen in Kauf. Zudem läuft ein großes Programm für Abfindungen und Altersteilzeit. Die Mitarbeiter reagieren bis heute sauer. Auf den Vorstand, inzwischen aber auch auf den BR. Laut WiWo und n-tv sind in Wolfsburg bis heute 2.000 Mitglieder aus der IG Metall ausgetreten
Siehe hierzu auch einen Gastartikel von Arno Antlitz, Finanzvorstand, in der FT.

BMW:
BMW hält sich bis heute alle Wege offen. Investiert damit bei weitem mehr in die Produktentwicklung, riskiert aber auch keine Angebotslücken. Aus meiner Sicht die klügste Strategie.

Von den stark leidenden Zulieferern habe ich da noch gar nicht gesprochen. Der Präzisionsmaschinenbau, die zuverlässige Elektrotechnik, die über Jahrzehnte ausgefeilte Logistik - das alles wankt derzeit stark und regelmäßig liest man von Insolvenzen und Übernahmen. 

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