Merkel wollte mit irgendetwas in die Geschichtsbücher eingehen und wechselte dabei gerne das Pferd. Als die Umweltminister dieser Welt die Industrie mit Abgasfiltern bestückt hatten überlegten die Umweltämter, womit sie sich als nächstes beschäftigen könnten. Am Auto kann man die Geschichte der Umweltpolitik gut ablesen: Einmal errichtet sucht sie sich ständig neue Betätigungsfelder.
Der Katalysator im Auto ließ Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid (CO2) und Wasser reagieren. Und erforderte bleifreies Benzin. Industrieanlagen wurden entschwebet. Das war teuer, brachte aber auf lange Sicht erheblich bessere Luft.
Als Ferdinand Piech das Potenzial des Turbodiesels entdeckte und ab 1989 den TDI populär machte, senkte er gleichzeitig den Verbrauch und steigerte das Drehmoment und damit die Beschleunigung. Insbesondere Langstreckenfahrer im Außendienst schwören seitdem von den Audi- und VW Passat Kombis mit TDI Antrieb. Reichweite von 1.000 km ohne nachtanken zu müssen wurden damit möglich. Alle waren glücklich, nur nicht die Klientel, die von der Gängelung der Industrie und den Bürgern, die sich ihre Produkte leisten können, lebt: Fortan stürzten sich Grüne und Umweltverbände auf die Regulierung des Diesels: d. h. die Reduzierung von Rußpartikeln und Stickoxiden.
Und weil die Industrie, insbesondere die deutsche, immer liefern konnte, wurde das Auto immer populärer. Der TDI ermöglichte mehr Leistung bei gleichzeitig mehr Sparsamkeit.
Und trotzdem ließ die Politik nicht locker. Sie betrachtete die erfolgreiche Bewältigung der immer strengeren Abgasgesetze als Ansporn, der Industrie neue Hürden zu errichten. Mit dem Spruch "Unseren Ingenieuren wird schon was einfallen" stürzten sie sich ab 2009 auf ein neues Thema: den CO2-Ausstoß. Diese Regulierung zielte nicht mehr auf den Ausstoß pro Gewicht oder Leistung sondern auf den absoluten Verbrauch. Dahinter steckten auch die von den deutschen Herstellern etwas abhängten Autohersteller in Frankreich und Italien. Aber Frau Merkel, die in die Geschichtsbücher eingehen wollte, stimmte zu. "Unseren Ingenieuren wird schon was einfallen."
Zur gleichen Zeit gab es das Erdbeben in Japan mit der Havarie in Fukushima und die Finanzkrise. Merkel forcierte den Atomausstieg und sagte den Gläubigern notleidender Banken und Staaten in Südeuropa Garantien, Kredite und Direkthilfen zu. Und gleichzeitig forderte sie von ihrem Finanzministern Steinbrück und Schäuble die schwarze Null im Haushalt. Denn Deutschland muss immer vorangehen bei der Selbstkasteiung. Deutschland muss Musterschüler im Umweltschutz sein und natürlich in der Haushaltsdisziplin.
Die schwarze Null gilt heute als einer der Gründe warum die Bahn so marode ist. Bei ihr konnte der Bund sparen ohne dass es sich sofort auswirkte. Dazu installierte das Verkehrsministerium mit Rüdiger Grube einen Mann, der gerade bei Daimler das Smartprojekt in die roten Zahlen gefahren hatte und einen neuen Vorstandsposten suchte, der vor allem PR Talent erforderte. Hatte Mehdorn noch "überflüssige" Nebengleise und Weichen abbauen lassen, sorgte Grube nun mit Homestories im DB Kundenmagazin "mobil" für Ablenkung.
Um 2010 gab es eine Hybrid- und Elektroautoinitiative in Europa. Und Tesla schiffte die ersten Tesla Roadster über den Atlantik. Ich selbst machte 2009 am Potsdamer Platz die erste Probefahrt in einem Tesla und war wirklich angetan von der lautlosen Beschleunigung. Das ideale Stadtauto.
Politik und Medien suggerierten konform, dass Deutschland nun auf Elektroautos umsteigen müsse. Merkel installierte mit Henning Kagermann einen Physikprofessor, der gerade einen Vorstandsposten bei SAP aufgab. Er brachte Akteure zusammen (wie die Verwaltung das ja gerne macht), organisierte Arbeitsgruppen und Kickoffs und brachte das Thema in die Medien. An den Mann brachte er es aber nicht. Die Verkäufe von Tesla und Opel Ampere blieben in Deutschland mau. Die Grünen schoben das den deutschen Autoherstellern in die Schuhe. Renate Künast machte sogar Werbung für das Hybridmodell von Toyota. Der Prius glänzte mit niedrigem Verbrauch. Das erzielte er aber nicht aus seiner Hybridisierung, sondern vor allem aus seinem untermotorisierten Benzinmotor mit 60 PS. Taxifahrer freuten sich über die Förderung und brauchten in der Stadt keine starke Motorisierung. Sie wechselten vom TDI auf den Prius. Die Deutsche Umwelthilfe beteiligte sich an der Stimmungsmache gegen deutsche Hersteller und empfahl ebenfalls den Prius.
Die deutschen Automanager nahmen die Politik anfangs nicht ernst und glaubten, das Thema beizeiten aus der Welt schaffen zu können. Um Zeit zu gewinnen stellten sie nun ihrerseits Bedingungen für den Ausbau der Elektromobilität auf: Ladeinfrastruktur und Kaufanreize seien nötig. Und Batteriefabriken in Deutschland. Denn die Batterie ist mit Abstand der größte Kostenblock beim Elektroauto. Und dass elektrische Energietechnik mit "Hochvolt"-Ladesäulen auch Geld kostet würden ihnen die Energieversorger bald erklären.
Dann wurde VW von der Dieselkrise aufgegriffen und das Duo Piech / Winterkorn trat ab. Und BMW machte sein PR Talent im Vorstand frei, Herbert Diess. Diess war enttäuscht bei BMW kein Vorstandsvorsitzender geworden zu sein und ergriff die Chance bei VW zum großen Auftritt. Der Rest ist bekannt, VW setzte auf die Dieselkrise noch eine Elektro- und Softwarekrise. Angeführt von einem Selbstdarsteller der gerne in Talkshows auftrat und nach innen die Revolution ausrief.
Revolutionen misslingen immer, wenn man das Alte abreißt aber das Neue noch nicht steht. Diess traute sich auch, alteingesessene Machtstrukturen anzugreifen. Damit tat er recht, denn wenn ein so großer Konzern erfolgreich ist, entstehen viele neue Fürstentümer und Fürsten, die keinen Grund zur Änderung sehen. Wer seinen Traum lebt, will nie mehr aufwachen.
Diess erkannte das PR Potenzial der Verkehrswende in der Autoindustrie. Er meldete sich bei LinkedIn an und ließ seinen PR-Referenten unentwegt Fotos und Geschichten posten. Diess erfindet die neue Baureihe ID. Diess stößt die Entwicklung des ID.3 an. Diess feiert den ID.3 Produktionsstart. Diess fährt mit einem ID.3 in den Urlaub zum Gardesee und berichtet darüber auf LinkedIn. Eigentlich eine gute Idee. Wenn man es ehrlich angeht. Aber Diess startete nicht von Wolfsburg, sondern von München. Und organisierte sich, wie man hinterher erfuhr, reichlich Absicherung, falls er mal liegen bleiben sollte. Zurück aus dem Urlaub forderte er öffentlich die Dienstwagenberechtigten bei VW auf, es ihm gleich zu tun und auf einen ID.3 zu wechseln.
Was er nicht postet: Der ID.3 kam mit Softwarefehlern auf den Markt. Und die Reichweite sank im Winter erheblich. Ich selbst fuhr mal einen ID.3 mit 58kWh Batteriekapazität. Damit hatte ich eine Sommerreichweite von 450km. Im Winter sank diese um bis zu 100km. Je kälter es draußen ist, desto weniger Kapazität hat die Batterie. Und zusätzlich verbraucht man Strom zum Heizen. Zusätzlich investierte ich in Summe 1.000 EUR für die Ladebox und die Elektroinstallation.
Im Kleingedruckten stand, dass ich die Batterie immer zwischen 20 und 80 Prozent Ladezustand betreiben solle. Das ist eine erhebliche Einschränkung, denn das reduziert die nutzbare Kapazität um 40% vom Nennwert. Ich darf die unteren und die oberen 20 Prozent quasi nicht nutzen, sonst altert die Batterie vorzeitig.
Meine eigenen Erlebnisse überzeugten mich nicht von der Elektromobilität. Trotzdem stieß Herbert Diess bei den Vorstandskollegen des Wettbewerbs ähnliche PR Aktionen an. Der Nachfolger von Daimlerchef Dieter Zetsche kam aus Schweden und rief sofort die größte Revolution, die Neuerfindung des Automobils aus. Natürlich wiederum durch Daimler, wie damals. Die Franzosen und Italiener täten erstmal gar nichts, sie wussten was das für sie bedeutete. Sie waren zwar froh, dass sich die deutschen Platzhirsche jetzt erst einmal mit sich selbst beschäftigen würden. Aber für sich selbst hatten sie noch keine Strategie. Fürs erste würden sie ihre Motorisierungen weiter herunterschrauben.
OPEL hatte bereits seinen Ampera. BMW hatte seit langem seinen i3.
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