Bei Walter Röhrl waren es die zu kleinen Radkästen seines Rallye Fiat 131. Bei Larry Mullen jr. das fehlende Geld für einen Schlagzeuglehrer. Und bei Jürgen Klopp war es zu wenig Zeit für eine Vorbereitung als Trainer. Um nur einige zu nennen. Alle drei machten aus einer Not eine Tugend und genau diese machte später die Unterschiede, die ihre Karrieren begründeten:
Walter Röhrl erkannte, dass er die Kurven nicht so anfahren konnte wie alle anderen, um entweder mit einem Powerslide oder einer Drift möglichst schnell durch zu kommen. Fiat Ingenieure hatten Räder und Radkasten nicht aufeinander abgestimmt und so blieb ihm nur ein sehr eingeschränkter Lenkwinkel. Er hätte das akzeptieren und als Entschuldigung für ausbleibende Erfolge nehmen können. Aber er tat das Gegenteil, er entwickelte einen alternativen Fahrstil: Die Ideallinie, bei der möglichst geringe Lenkwinkel benötigt werden.
Larry Mullen Jr. offenbarte anlässlich seiner Auszeichnung für sein Lebenswerk durch seinen Schlagzeugausrüster Yamaha, dass er Schlagzeug nicht wie jeder andere gelernt habe, weil er keinen Schlagzeuglehrer hatte. Das habe bewirkt, dass bei ihm zwischen ersten Inspirationen für einen Song und dem späteren Werk nicht der Filter für das üblicherweise "Machbare" liege. Hätte er eine Schlagzeugschule besucht, wäre er so nie an den Song "Sunday, bloody Sunday" herangegangen.
Und Jürgen Klopp erzählte im Podcast "Hotel Matze", dass er völlig ohne Vorbereitung plötzlich Trainer wurde. Er sei zunächst so verunsichert gewesen, dass er ständig bei ihm bekannten Trainern angerufen hätte um sich Rat zu holen. Bis er die Erkenntnis hatte, er wolle keinen Mix aus ihm bekannten Trainern entwickeln sondern einen eigenen Stil. Geholfen habe ihm der Rat eines Trainers, dass die Unsicherheit am Anfang normal sei. Das wichtigste für seine Mannschaft sei aber, dass er so wirke als wisse er was er tue. Man müsse eh dauernd entscheiden, was man im Trainingsprogramm weglasse, niemand aber wisse, ob dies aus bewusster Taktik oder Unwissenheit passiere ;-).
Ich glaube, dass uns in Sport, Kunst, aber auch im Ingenieurwesen diese Fähigkeit zum zuversichtlichen Improvisieren fehlt. Wir sind auf Perfektionismus, vor allem aber auf Fehlerlosigkeit getrimmt. Achten ständig auf Rechtfertigbarkeit unserer Arbeit und sichern uns ab. So entsteht aber nichts Neues, jedenfalls nichts großartig Neues. Die Arbeit bleibt so ohne Unterschrift.
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