Sonntag, 27. Juli 2014

Deutsche Bahn verliert Fahrgäste

Der Bahn geht's gut. Ihren Kunden nicht (Foto: Hauptbahnhof Berlin tief).


Die Halbjahreszahlen 2014:

  • EBIT wächst von 1,02 auf 1,1 Mrd EUR (+7%).
  • Umsatz wächst um 1,9% auf 19,7 Mrd EUR.
  • Pünktlichkeit: Fernverkehr 81%, Nahverkehr 96%. (Als Bahnbenutzer fragt man sich, wie solche Zahlen zustande kommen. Und eine Statistik der krassen Verspätungen >1h wäre interessant.)

Die Bahn spürt ein Mehr in der Kasse. Es ist der Güterverkehr, der die Bahn zieht. Fahrgäste aus ICE und IC wenden sich ab. Erfahrungen im Hochwasser, die nachlassenden Standards schlagen sich in den Zahlen wieder. Der Nahverkehr wächst indes. Und die Bahnbusse haben Konkurrenz bekommen.
Personenverkehr in Personenkilometer:

  • Fernverkehr: -2,8%
  • Nahverkehr: +1,3%
  • Bus: -1,5%
Am besten laufen LKW- und Schiffsfracht:
  • LKW: +3,6%
  • Schiff: +8,5%
  • Kontraktlogistik: +8,9%
Parallel gab Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr, zu Protokoll dass er auf den rasenden Ansturm auf überfüllte Regionalzüge von Berlin an die Ostsee nicht reagieren werde. Es sei "unwirtschaftlich", die Kapazität an die stark wachsende Nachfrage anzupassen. Heißt im Umkehrschluss verkehrspolitisch: Berliner, die regelmässig an die Ostsee fahren, brauchen ein Auto.

Gestern gab der Berliner Senat bekannt, dass er die Bedienung des S-Bahn Rings doch nicht ausschreiben sondern direkt an die S-Bahn Berlin, Tochter der DB vergeben wird. Begründung: Die Ausschreibung sei zu spät um einem neuen Anbieter ausreichend Vorbereitungszeit für den Betrieb zu geben. Verschleppt hatte diesen Termin Klaus Wowereit. Ich hoffe, die EU Kommission wird sich dieser Sache annehmen. 

Übrigens genau so wie den Fall des Fernbahnanbieters HKX. Der hatte seine Pläne für eine Verbindung Bahnhof Zoo - Hamburg begraben, nachdem Grube ihm seine Trassen- und Bahnhofspreise genannt hatte. Parallel richtete Grube eine "Interregio"-Verbindung Berlin Hamburg ein. 

Fußnote: Antje Neubauer (früher Dr. Antje Lüssenhopp) hat einen "Green Publishing" Award für eine Ausgabe ihres Bahnmagazins "mobil" gewonnen. Das "Green" bezieht sich dabei nicht auf die Bahn, sondern das Recyclingpapier, auf das die mobil gedruckt wird. Das Green bei der Bahn dagegen errechnet sich aus den Personenkilometern pro Kilowattstunden und profitiert genau so wie das EBIT von den chronischen Überbelegungen der DB-Reisezüge.

Donnerstag, 17. Juli 2014

Weltmeisterland

"Wir begrüßen Sie im IC nach Köln quer durch's Weltmeisterland." Und in der Tat, ein bisschen schwebten wir schon über den Dingen. Am Hauptbahnhof übermüdete Fanmeilenheimkehrer, sommerlicher Ausnahmezustand. Das war aber auch eine Erlösung, als Götze kurz vor Ende der Verlängerung die Flanke von Schürrle annahm und volley mit links reinmachte.

Das passiert alle zwanzig Jahre. Das heißt, beim nächsten Mal habe ich schon die Rente vor Augen..

Nach dem ersten Spieltag der Vorrunde hatte ich auf Holland getippt. Die Erwartungen an unsere Mannschaft hatten ja Löw und Bierhoff höchstselbst herunter gemanagt. Deshalb sollte im Nachhinein auch niemand gescholten werden, der nicht auf Deutschland getippt hatte. Löw hatte dies selbst nicht.

Ein Gewinn abseits des Platzes war für mich Mehmet Scholl. Von ihm habe ich wirklich etwas über Fußball und Spieler gelernt. Mehr denn je schaue ich Spielszenen über die "Taktikkamera", also was man früher "Totale" nannte.

Und dann in Berlin dieser Empfang am Dienstag! Bombastisch. Ich bekam es live mit, über SMSen. Deutsche Arbeitsteilung: Der Südwesten leistet, Berlin feiert.

Aber Berlin wäre nicht Berlin, wenn es nicht auch an einer stolzen Feier noch was rumzumäkeln gäbe: Über #Gauchogate muss man nichts sagen. Es sagt mehr über die Erfinder dieses Wortes aus, als über irgendjemand anderen.

Sonntag, 13. Juli 2014

Berlin, Hauptstadt eines verschnarchten Europas

Wendezeit - ohne uns

Mein iPad piept im Minutenrhythmus. Die App "Red Alert" pusht eine Warnmeldung, sobald eine Hamasrakete Kurs auf eine israelische Stadt nimmt. Wieder einmal wird Geschichte gemacht, und Europa kapiert sie nicht. In Irak und Syrien entsteht eine neue Diktatur. Sie wird ihre Auslegung des Koran zu ihrer Doktrin machen, nach den Ölvorräten des Irak greifen - allerdings zu dumm sein, diese zu verwerten. Denn sie ruft die ungebildeten, frustrierten männlichen Jungfrauen unter den Muslimen zu sich. Ihr Gründungsmythos sind die Hamas Raketen auf den einzigen demokratischen, zivilisierten Staat im nahen Osten: Israel.

Und was sagt die "Wertegemeinschaft" EU dazu? Immerhin hat sie die Hamasraketen mitfinanziert.  Die EU appelliert. Nicht an den Aggressor, sondern sein  Opfer. Jetzt bitte nicht "überreagieren", Israel. Nein, Israel, halte den vollbärtigen Frauenschändern auch noch die linke Wange hin. Frank-Walter Steinmeier wird in der Zwischenzeit für Gespräche "miteinander" sorgen, denn das "miteinander" palavern, Israel, das ist es, was den EU-Regierungen immer ganz besonders am Herzen liegt. Palavern ohne Ergebnis, das ist es was die EU Elite am besten kann.

Europa weiß nichts. Europa schafft es weder, ordnend einzugreifen, noch sich von den Aggressoren und ihren Ölfässern unabhängig zu machen. Es schaltet seine Atomkraftwerke ab und subventioniert Milliarden in chinesische Solarzellenschrauber, die zuvor deutsche Patente analysiert und nachgebaut haben.

Wirtschaftsförderung

In den "Lenkungskreisen" unserer Institutionen in Politik und Wirtschaft sitzen Leute, die dort, wo früher Tüftler und Überzeugungstäter agierten, Zuflucht vor der rauhen freien Marktwirtschaft gesucht haben. Menschen mit Planungssicherheit und einem Abschluss in "Administration". Die von nichts wissen, wie man es anschiebt, aber auf alles Rollende ihr Etikett für die Abrechnung ihres Bonus kleben. Die "Berlin-Partner", eine Art Kinderhort für Politiker- und Verwaltungssprößlinge, zählt allein 200 Köpfe,

Elektrotechnik

Ein Edison, Bosch oder Daimler oder auch Porsche hätte heute in seinem Konzern keine Chance mehr. Denn was Du brauchst um etwas neues zu schaffen, ist die Möglichkeit, es sofort auszuprobieren. Du brauchst ein Haus in der Stadt, wo unten oder im Hof die Werkstatt liegt und Deine Wohnung darüber. Fällt Dir beim Abendessen ein, wie Du den Elektromotor wickeln musst, kannst Du sofort in die Werkstatt laufen und es ausprobieren. Ohne Bestellanforderung, Terminplanung, Budgetantrag usw.. Schräg rechts gegenüber wohnt und arbeitet der technische Zeichner und links um die Ecke der Ankerwickler. Gleich morgen früh besprichst Du mit beiden Deinen neuen Plan.

So war es. In Berlin, in Stuttgart und Umgebung und im Ruhrgebiet. Heute hast Du da Wirtschaftsförderer, Stadträte und Senatoren die sich den ganzen Tag neue Knüppel ausdenken, die sie Dir zwischen die Beine werfen. Know-how haben sie auch: Das Spezialwissen über die hunderttausend Gesetze und Verordnungen, die Du beim Gründen beachten musst. Den Zeitungen erzählen sie, sie fördern Existenzgründer und Ansiedler. Echte Existenzgründer werden Dir aber erzählen, dass Du gar nicht erst anfangen solltest, wenn Du diese Herrschaften wirklich benötigen solltest. Aber Vorsicht: Solltest Du Deinen Wagen tatsächlich zum Anspringen kriegen, stehen sie morgen auf der Matte und wollen Feedback für ihre Reports an den Senator.

Unser aller tiefsitzender Jobfrust -auch wenn es mal gut läuft- hat mit dieser Unfreiheit zu tun, sich keinen Millimeter mehr vor- oder rückwärts bewegen zu können, ohne dafür eine Genehmigung zu brauchen. Und in Unwissenheit über die Zusammenhänge gehalten zu werden. Und die Mittelmäßigkeit all dieser Administrationsexperten.

Software

Das Softwaregeschäft gehört zu den wenigen Branchen, in denen man auch heute noch einfach selbst etwas ausprobieren kann. Ich glaube, deshalb ist es beim Nachwuchs so populär. Alle anderen Zugänge haben wir ihnen verschüttet. Die jungen Leute flüchten weniger in virtuelle Scheinwelten und Oberflächlichkeiten sondern in den einzigen Raum, zu denen ihre Elterngeneration keinen Zugang hat. Sie weiß intuitiv, wie wichtig es ist, selbst etwas zum Laufen zu kriegen.

Mode

Die Herausgeberin der deutschen "Vogue" beklagte diese Woche in der RBB Abendschau die Unfähigkeit und das Desinteresse des Wowereit Senates, die eigene Modebranche zu einem Geschäft weiterzuentwickeln. Das fange mit einer Terminplanung an, die sich in Konkurrenz zu den großen Modeschauen lege. Die "Bread and Butter"-Winterausgabe verlässt nun Berlin Richtung Barcelona. Antwort von Kathrin Lompscher, stadt"entwicklungs"politische Sprecherin der Linkspartei: "Es wäre gut, wenn die Bread-and-butter das Tempelhofer Flughafengebäude dann komplett verlassen würde." Wer es nicht glaubt: Abendschau gucken: Link
Symbolisch auch, dass die Fashionweek in diesem in ein Rotlichtmilljöh Jahr umziehen musste. Die Straße des 17. Juni ist dieses Jahr für die Pommes- und Bierbuden der Fanmeile reserviert. Wowereit lässt grüßen.

In einigen Jahren wird ein neuer Stefan Zweig mal aufschreiben, was unsere Epoche in Europa gekennzeichnet hat. Erleben tun wir diese "Welt von gestern" aber jetzt.

Dienstag, 8. Juli 2014

Elbbrücke bei Hämerten

Viele Pendler kreuzen sie zweimal täglich. Vor einem Jahr war sie Schauplatz des Hochwassers. Am Sonntag habe ich sie für ein paar Fotos besucht. Man kommt gang gut heran: Die Bundesstraße Richtung Tangermünde. Von Osten kommend kommt man über die ebenfalls sehenswerte Elbbrücke, die einer blauweißen Himmelsleiter gleicht. Rechts und links ist die Fahrbahn von weißen Planken eingefasst. Als ich drüber fuhr, hatte ich meine Olympus leider schon verpackt..

PS: Der Pegel der Elbe war sehr niedrig..










Montag, 7. Juli 2014

Verleger, stoppt das amazon Bashing!

Die Kampagne einiger Zeitungen bzw. Verlage gegen amazon.com geht weiter. amazon "untergräbt", "monopolisiert" und "missbraucht" usw. 

amazon will den Buchhandel auf ebooks umstellen und die Autoren direkt -ohne Verleger- an sich binden. Der technische Fortschritt bedroht die klassische Literaturwertschöpfungskette. Und dagegen laufen die Bedrohten Sturm.

Das Neue an dem von FAZ und anderen kritisierten technischen Wandel ist, dass er diesmal sie bedroht. Als der digitale Wandel Arbeitsplätze in der Industrie bedrohte, Produktion und Verwaltung, da war das für die Redakteure und Verleger unabdingbar. Wer dagegen war, war technikfeindlich, wenn nicht sozialistisch. Ich müsste mal ins Archiv gehen und nachschauen, was Frank Schirrmacher damals zum Thema Fabrikautomatisierung geschrieben hat.

Apropos technikfeindlich. Als die erste Internetwelle Ende der Neunziger die Börsen erreichte, waren es wiederum die gleichen Zeitungen, die uns erklärten, warum das Internet und mit ihnen amazon, ebay und Co. "überbewertet" seien. Sie verstanden den Aufbruch der anderen also nicht. Und sie reagierten nicht. Sie probierten ein bisschen oder fuhren ins Silicon Valley (Kai Dieckmann), um ein paar Ideen zu klauen. Zurück in Berlin spielen sie sozusagen Web20-Luftgitarre. Das wirkt albern und unbeholfen, bedroht aber nur sie selbst.

Jetzt kommen sie übers Feuilleton und nennen sich selbst "Kulturschaffende". Soll heißen: Anspruch auf Sonderbehandlung. Am liebsten Gesetze gegen den technischen Fortschritt. Oder einen amazon-Pfennig auf jeden e-book Reader? 

Nein, die Kulturschaffenden sollten nachdenken. Wie halten sie ihre Papierbuchkunden? Welchen Nutzen bringen sie künftig Autoren? Wie machen sie ihren Wertbeitrag den Autoren und Lesern sichtbar? Ich bin sicher, es wird ihnen etwas einfallen. 

Donnerstag, 3. Juli 2014

Halbfinale Deutschland - Frankreich WM '82

Vor dem morgigen WM-Viertelfinale gegen Frankreich: Eines der Spiele, die ich nie vergessen werde. Deutschland lag schon 1-3 hinten und kam noch mal zurück. Dann Elfmeterschießen. Stieleke verschießt, Schuhmacher hält 2x.

Technisch interessant: Torschüsse mit dem Außenrist waren in. Es war die Zeit der Kunstschützen.



Freitag, 27. Juni 2014

Immobilienblase

Dieses Gefühl kommt mir bekannt vor. Zu lesen, dass die Immobilienpreise schon wieder gestiegen sind. Gut, wenn man nicht mehr sucht sondern schon zugegriffen hat. Jedoch, wer finanziert ärgert sich über die noch immer fallenden Zinsen. Man zahlt ein Premium an die Banken oder die Vorbesitzer.

Das erinnert mich an die Jahre 1996 bis 2000. Dieses Gefühl von Sicherheit und Wohligkeit, es kann nur noch aufwärts gehen. Das Gefühl, endlich wieder sicher im Sattel zu sitzen macht Gedanken für Wachstum frei. Man liest Zeitung und liest, dass sich die Deutschen so gut wie noch nie (noch nie!) fühlen. Die Löhne steigen real, die Aktien auch - aber das interessiert kaum noch jemanden. Es ist alles verkauft und in Immobilien angelegt. Ich höre von Kaufpreisen für Häuschen im Grünen, da halte ich die Luft an. Aber egal, der Käufer hat vorher zu einem ebenfalls atemberaubenden Preis verkauft.

Merkel wäre schön blöd, jetzt vor einer Immobilienblase zu warnen. Wer wiedergewählt wurde, warnt nicht. Warnen tut nur, wer Schaden vom deutschen Volke abwenden will. Niemand warnt oder fürchtet, eine Dummheit zu begehen. Denn anders als Aktien haben Immobilien ja einen Nutzwert, das ist keine Spinnerei für Zocker, nicht wahr. Und auch das Internet nützt nicht so viel. Denn die realen Preise lassen sich da nicht verfolgen, höchstens die Preisvorstellungen der Verkäufer. Man muss auch Zeitungen lesen, oder wissen wo es im Internet gute Statistiken gibt.

Die Mutter aller Risiken ist das ansteigende Kreditvolumen. Es überrollt alle Überzeugungen. Selbst die, nach der Besitz besser als Miete sei. Besitz auf Pump ist nämlich noch kein Besitz. Draghi senkt die Zinsen in Richtung Null - nehmen die Leute und Firmen jetzt Kredite en masse auf?

Irritierende Statistiken zeigen: nicht Unternehmen sondern Private treiben das Kreditvolumen. Nachdem sie sich mit Gold eingedeckt hatten, greifen sie jetzt nach Wohnungen am Ku'damm und Häusern im Taunus. Ach, und ein neuer Targa ist auch noch drin.

Die Musik wird noch eine Weile spielen, Draghi dreht die Knöpfe ja gerade alle nach rechts. Aber ein gutes Ende wird das nicht nehmen. Die Politiker haben überhaupt nichts gelernt. Und wo sie die Anforderungen an die Vergabe von Krediten erhöht haben, senkt Draghi die Zinsen. Die Banken erhöhen ihr Eigenkapital indem sie sich in Grundbücher reinschreiben und aus getilgten Forderungen nicht einfach aussteigen sondern neue nachschieben. Bloß im Grund drin bleiben!

Das blöde an Finanz- oder Schuldenkrisen ist: Sie tragen jedes mal eine andere Maske und man weiß nicht, wer wann und warum den Stecker ziehen wird. Irgendein Kreditausfall wird den Stein ins Rollen bringen, dann kommt die erste Villa unter den Hammer. Irgendwann kommen traumhafte Kaufgelegenheiten. Aber im Sommer gucken wir erstmal WM und dann begehen wir den 100. Jahrestag von August Vierzehn.

Samstag, 21. Juni 2014

Auswertung Patentstatistik 2013

Etwas verspätet hier meine Auswertung des Jahresberichtes des Deutschen Patentamtes für 2013, (Quelle: DPMA).

1. Patente

Bundesländer:
Bayern hat den Spitzenplatz zurückerobert. Es gab es folgende Anmeldezahlen:

1. Bayern: 14.829
2. Baden-Württemberg:  14.564
3. NRW: 7.073
4.  Niedersachsen: 2.924
..
8. Berlin: 897
9. Hamburg: 41
12. Brandenburg: 322

Top 10 Anmelder in Deutschland, alle Branchen
1. Bosch: 4.144
2. Schaeffler: 2.100
3. Daimler: 1.854
4. Siemens: 1.784
5. GM: 1.289
6. BMW: 1.182
7. Ford: 1060
8. Audi: 1027
9. Volkswagen: 836
10. ZF: 708
11. Hyundai: 511
12 Bosch-Siemens Hausgeräte: 509
13. Continental: 465
14. Fraunhofer: 459
15. Infineon: 439
16. Porsche 431

Alle Hochschulen: 672 (theoretisch Platz 8).

Wertung:
Was IBM in den USA (in Deutschland mit 156 Anmeldungen auf Platz 32), ist Bosch in Deutschland: Der ewige Patentanmeldemeister. Beeindruckend auch der Abstand zum zweiten Platz, der vom "Aufsteiger" Schaeffler belegt wird. BMW springt von 10 auf 6. BMW hat wie Audi seine Anmeldezahlen fast verdoppelt. Ford ebenfalls und springt damit in die Top 10. Rechnet man VW, Audi und Porsche, die zum gleichen Konzern gehören zusammen, ergibt sich mit 2.294 Anmeldungen Platz 2.

Top 12 Technikfelder (nach IPC):
1. Fahrzeuge allgemein: 6.13 (10% aller Anmeldungen)
2. Maschinenbau: 5.420 (9%)
3. Elektrische Bauteile: 4.478
4. Messen und Prüfen: 3.677
5. Brennkraftmaschinen: 2.282
6. Elektrische Energietechnik: 2.2260
7. Medizintechnik: 2.214
8. Computer, EDV: 1.694
9. Kraft- und Arbeitsmaschinen: 1.496
10. Landfahrzeuge (ohne Bahn): 1.449
11. Nachrichtentechnik: 1.410
12. Logistik: 1405

Wertung:
Aufgeholt in Anmeldezahlen haben Computer und Nachrichtentechnik.

Top Anmeldefelder Automotive:
Die Verbrauchssenkungsziele drücken sich laut DPMA in folgenden Anmeldethemen aus: Kompensation von Hubraumreduzierungen und Zylinderzahlreduzierungen durch Turboaufladung und Direkteinspritzung. Um 18% gestiegen sind die Anmeldungen von Hybridantriebstechniken. Themen hier: Energie-/Akkumanagement für Plugin-Hybride. In die Berechnung fließen inzwischen auch Navigationsdaten ein (Höhenprofile, Verkehrsdaten).

Verteilung der Anmeldefelder Erneuerbare Energien:
In Summe stammen 2/3 der Anmeldungen hier von ausländischen Unternehmen. Was evtl. daran liegt, dass der deutsche Herstellermarkt von mittelständischen Unternehmen geprägt ist.Auf jeden Fall spiegelt sich darin ein Rückgang der Subventionen für regenerative Stromerzeugung in Deutschland.


Patentanwälte:
Wie viele Patentanwälte buhlen um Mandate von Patent- und Markenanwälte? 2013 gab es 202 Patentanwälte neu zugelassen, 50 wurden "gelöscht".

2005: 2.389
2011: 3.089
2013: 3.349

Sonntag, 1. Juni 2014

Heimgekehrte und Daheimgebliebene

Von Herman Hesse gibt es das schöne Zitat, nachdem der Daheimgebliebene sich dem Heimgekehrten überlegen fühlt. Ich kenne da auch ein paar Beispiele. Und oft handelt es sich dabei um Gespräche zwischen Eltern und Kindern. Um Dorf und Stadt. Um Standpunkt und Horizont.

Dem Konservativen geht es um die Bewahrung von Werten. Doch das Bewusstsein um Werte entwickelt sich eigentlich nur, wo auch die Abwesenheit dieser Werte erfahren wird. Alles andere ist nur Gewohnheit, bzw. Angst um den Verlust dieser Gewohnheit.

Safranski verdichtete Goethes Faust neulich im WDR dahingehend, die Kunst bestehe darin, sowohl das Bewusstsein für sich selbst als auch für die Welt zu behalten und in Einklang zu bringen. Genau daran hapert es hierzulande, meine ich. Wir haben die Dörfler, "die ihre Selbstsicherheit nur aus ihrer Unwissenheit beziehen". Ihnen gab der linke Zeitgeist das bequeme Argument, Reisen sei Zerstörung. Und wir haben die Weltauskenner, denen die verdächtig sind, die noch ein Bewusstsein für sich selbst haben.

Entschuldigung, wenn ich von "Dörflern" spreche. Der Stadtteil in dem ich aufgewachsen bin, nannte sich selbst so: "Ich gehe noch mal ins Dorf einkaufen", sagte man zu den Läden am Hellweg. Mit "Stadt" hingegen war immer Stadtmitte gemeint.

Ein Freund von mir packte vor zehn Jahren in die Koffer, um nach Warschau aufzubrechen. EU-Osterweiterung! Geschichte! Er hatte das Angebot von dort nicht gesucht, man machte es ihm und er begriff es als Chance. Sein Umfeld sprach nur dagegen. So wie bei mir als ich mich im Sommer '89 um einen Studienplatz in Berlin kümmerte. Doch im Unterschied zu mir, ließ er es sich nicht ausreden und ging. Im Unterschied zu mir verpasste er es nicht weil er das Bewusstsein hatte, das mir damals noch fehlte und dass ich zwölf Jahre später nachholte.

Als er nach Hamburg zurückkehrte sagte man ihm: "Siehste, habe ich dir doch gleich gesagt." Als ich in Berlin blieb sagte man mir: "Haben wir dir doch immer gesagt."

Mein neuer Konservatismus ist vielleicht vorübergehend. Ich habe ihn mit dem Bewusstsein für nicht selbstverständliche Werte, für die ich früher blind war, heraus entwickelt. Gleichwohl bin ich liberal geblieben und eigentlich immer liberaler geworden. Meine Toleranz ist heute keine Kopfsache mehr sondern speist sich aus einem tiefen Respekt für jede Form von Leben. Und dieser ist an Erfahrungen gewachsen. Gespräche statt Fernsehen oder Internet.

Der Daheimgebliebene hat nie etwas riskiert, denn er hat von allen Risiken schon gehört. Und die restlichen denkt er sich selbst aus. In seinen Angstphantasien konfrontiert er sich eigentlich nur mit sich selbst. Und genau so ist es mit seinen Vorurteilen gegen andere. Der Daheimgebliebene ist bei SMS geblieben, hört von den NSA-Enthüllungen und sagt: "Siehste!" Er fährt mit seinem Auto immer die gleichen Strecken, gibt in jeder Kurve Gas und beschwert sich über Auswärtige, die die Wegweiser tatsächlich lesen müssen. Er zieht daraus ein Überlegenheitsgefühl. Fährt er mit dem Auto nach Berlin, staut es sich hinter ihm. Und wehe dem, der sich bei ihm beschwert.

Der Daheimgebliebene bevorzugt den vertrauten Schmerz vor dem Risiko einer Lösung. Der Schmerz gibt ihm Identität. Berichtet man ausnahmsweise ihm vom eigenen Schmerz besteht seine Antwort aus seinem Pendant. Nach zehn Minuten haben Sie einen Satz gesagt, und er diesem das Stichwort für einen eigenen Monolog übernommen. Er verzehrt sich dabei, brennt dabei mitunter sogar aus und sein Blick wird immer aggressiver.

Der Heimgekehrte redet nicht so viel. Das Erlebte verarbeitet er in seiner Vorstellung von der Welt. Und je mehr er erlebt hat, desto weniger hält er für erwähnenswert. Er beschränkt sich auf das wenige wesentliche. Der Heimgekehrte ist von wenigem wirklich abhängig. Er hat gelernt, das Land, den Kontinent, den Planeten als seinen Boden unter den Füßen zu betrachten. Er erstarrt nicht vor Angst, er klebt an keinem Besitz. Er tauscht was er nicht mehr braucht gegen das was er braucht. Es hält sowieso nichts für immer. Kein Besitz und kein Leben. Er weiß um die Sterblichkeit. Aber wo sich der Daheimgebliebene seinem Schicksal ergibt und höheren Mächten seine Angst und Bequemlichkeit als Verzicht verkauft um diese gnädig zu stimmen, da folgert der Heimgekehrte aus der Begrenztheit seiner Tage, dass jeder einzelne von diesen wertvoll ist.


Dienstag, 22. April 2014

Fotos vom neuen Bikinihaus

Charlottenburg erwacht zu neuem Leben. Gegenüber vom gerade erst eröffneten Hotelhochhaus Waldorf-Astoria sind der Zoo Palast und das Bikinihaus ("Bikini Berlin") saniert worden. Beides sehr gelungen, finde ich. Das Bikinihaus gibt sich humorig. Geht man die Treppe hoch, kann man von oben auf die Affeninsel gucken. Nichts politisches, sondern die Affeninsel im Zoologischen Garten.

Der Gang hat etwas von der New Yorker Highline: Man wandelt hoch entrückt und kann sich auf den oversizeten Bänken ausruhen. Früher ging man hier wohl zwischen zwei Ladenzeilen, was dem zweiteilig wirkenden Gebäude seinen Namen gab..

Zur Straßenseite gibt es Boutiquen mit neuer, ungewohnter Perspektive: Blick auf den Breitscheidplatz und die Gedächtniskirche. Im Parterre findet man ein paar Berliner Modelabels. In "Boxes" - zu deutsch: Tierkäfigen. Und auch hier ist man vis-a-vis mit den Affen. Denen wird also ganz schön was geboten..

Östlich grenzt das 25h-Hotel an, das mit der Monkey Bar und Restaurant im obersten Stock wirbt. Wir wollten es testen und wurden wieder mal daran, dass wir ja in Berlin sind: Nach einer Odysee treppab und mit dem Sonderfahrstuhl hoch.. erfuhren wir oben, dass man vorher telefonisch reservieren muss.










Montag, 7. April 2014

Besuch nach 14 Jahren im Westfalenstadion

Wir hatten eins von den "Fankpaketen" ergattert. 2 Tickets für Sitzplätze in der Nordwest Ecke, ziemlich weit oben. Dazu Fanausrüstung und einen Besuch im Borusseum. Und wen trafen wir da? Jürgen Wegmann gab sich die Ehre. 28 Jahre danach..

Apropos 28 Jahre. Die (Andy-) Möllerbrücke hat sich verändert. Wir parkten in Körne West und fuhren mit der S-Bahn. Vorbei an abgerissen Teppichlagern und geschlossenen Tanzschulen. Ich dachte, an der Möllerbrücke steigen wir um auf die Straßenbahn Linie 4. Aber die fährt hier nicht mehr. Geht ja auch nicht. An der Endstation steht jetzt ein Hotel, wo mal eine Schleife war..



Also liefen wir die Lindemannstraße zu Fuß rauf. Durchs Kreuzviertel, vorbei an den alten Fußballkneipen, wo es noch Brinkhoff's gibt.



Dann über die B1. Wie vertraut mir doch dieser Anblick mal war..


Und dieser hier: Die Eingänge zum Stadion Rote Erde, das direkt neben dem...


Westfalenstadion liegt. Vor 14 Jahren waren wir das letzte mal hier. Gegen Schalke. Da war das Stadion schon aufgestockt, aber die Ecken waren noch offen. In eine Ecke hat man jetzt ein Museum gesetzt.


Es ging steil hoch zu unseren Plätzen. Auch saß man da etwas beengt. Aber die Atmosphäre: Einmalig. Es ist so abgedroschen, aber man muss es erlebt haben.



Erst recht bei so einem Spielverlauf. Wolfsburg führte zur Halbzeit 0-1. Nobby Dickel machte in der Pause eine Ansprache: "Das Ding drehen wir noch." Und so geschah es. Reuss und Lewandowski brachten die Borussen in Führung. So muss es sein!

Dann noch ins Borusseum. Hier gibt es den schwarz-gelben Flash :-) Vereinsgeschichte, und die Schatzkammer mit den Pokalen. Ja, so manchen hat der BvB schon gewonnen. Da kann man stolz drauf sein. Jürgen Wegmann gab auch Autogramme. Als wir um eines für "Kurt, den Schalker" baten, geriet Jürgen Wegmann plötzlich ins Schwärmen für Rudi Assauer. Leider geht es nicht allen Verdienstvollen heute so gut, wie sie es eigentlich verdient hätten.


Dann der Weg zurück. Es ist spät geworden. Die Westfalenhalle ist erleuchtert. Auf ihr dreht sich das Unions-U. Ein toller Abend geht zu Ende. Mit einem Sieg in der Tasche, einer Inhalation dieses Vereins, und vielen plötzlich hoch kommenden Erinnerungen, ging es zur S-Bahn.


Mittwoch, 2. April 2014

Herzlichen Glückwunsch zum 40., Westfalenstadion

Ich sach bis heute nich "Iduna-Park", für mich bleibt et das Westfalenstadion. So hieß es zu der Zeit, als ich da regelmäßig hin bin. Mein erstes Mal ist tatsächlich auch fast 40 Jahre her. Irgendein Juniorenendspiel BvB - Schalke in den 70ern. Ein damaliger Schulfreund und sein Vater nahmen mich mit. Dabei interessierte ich mich als i-Männchen gar nicht so dafür. Aber das kam dann. Wambeler SV, nachmittags auf dem Sportplatz an der Grundschule. Fernsehen. Ernst Huberty, Kurt Brumme, man erinnert sich.

Es dauerte ein paar Jahre bis zum Besuch des ersten Bundesligaspiels. Gegen Leverkusen. Und gleich mein erstes Gewalterlebnis: In der Straßenbahn Richtung Stadion raubte mir ein Typ, der ein paar Jahre älter und größer war mit einem Messer meinen Schal. Den hatte eine Großtante für mich gestrickt gehabt und es tat mir sehr leid. Die Freunde, die mit mir waren, suchten das weite. Seitdem weiß ich, wie das in solchen Situationen ist.

Trotzdem ging ich weiter hin. Das nächste Heimspiel war gegen Köln und da erinnere ich mich an das Ergebnis 1-0. Zum ersten Flutlichtspiel ging ich mit meinem Onkel, gegen Werder Bremen. Das weiß ich auch noch: 1-0 in der 89. durch Burgsmüller. Von da an hätte ich mir eigentlich eine Dauerkarte kaufen können. Habe ich nicht, nie. So robbten wir uns langsam ran: Von der Nordkurve auf die Südkurve. Einmal waren wir in Block 12, das höchste der Gefühle. Damals gab es noch kein Pyro oder von Ultras professionell hergestellte Riesenbanner. Man zerriss die Ruhrnachrichten aus dem Altpapier. Ein Kumpel zerriss immer seine alten Schulhefte. Beutelweise nahmen wir das mit. Und wenn die Mannschaften zum Spielbeginn aufliefen und aus den Lautsprechern "Heja BvB" erklang sangen wir lauthals mit und schmissen unsere Papierschnipsel in die Luft. In solch einem Konfettiregen zu stehen während Burgsmüller und Co. auf den Rasen liefen war elektrisierend.

Unsere Gruppe wurde größer. Das spannendste Spiel war die Relegation gegen Fortuna Köln. Jürgen Wegmann wird ja manchmal gefeiert für seinen rettenden Treffer in der letzten Minute. Aber ich erinnere mich noch, dass er es war, der im gleichen Spiel vorher ein Tor verhindert hatte, weil er -Achtung:- "so blöd im Weg stand. Deshalb Wegmann: Steh nicht so blöd im Weg, Mann! ;-)

Kaum zu glauben, dass wir im darauf folgenden Jahr 1987 schon zu UEFA Cup Spielen gingen. Bernd Klotz köpfte damals das eine oder andere Tor. Murdo McLeod verhinderte manches Gegentor.

Dann kam die Bundeswehr und ich begann zu studieren. Es war eigentlich so: Als ich anfing, nicht mehr hinzugehen, begann der große Aufschwung des BvB mit der Hitzfeld Ära. Man guckte ran, man hatte sein eigens Appartement. Damals lief sogar die Championsleague im Free-TV. Ich lernte meinen Beitrag zum Erfolg des BvB: Mehr als einmal fielen BvB-Tore wenn ich gerade auf Toilette war. Während des CL Finales baten mich meine Freunde irgendwann doch jetzt mal aufs Klo zu gehen. Und rumms. Ich hörte den Jubel über Ricken durch die Badezimmertür..

Genau heute vor 40 Jahren wurde das Westfalenstadion eingeweiht. Es ist reiner Zufall, dass ich endlich an Tickets gekommen bin um am Wochenende endlich mal wieder dabei zu sein. Und gegen wen geht es? Gegen Wolfsburg..


Verpass auf dem Weg ins Büro den Frühling nicht

Hermann Hesse lehrte in seinen Büchern und Briefen die "kleinen Freuden des Lebens". Gerade jetzt sollte man mit offenen Augen ins Büro gehen. Die gelben Osterglocken und Forsythien sehen, die weißen Baumblüten. Den blauen Himmel.




1904 schrieb er in "Peter Camenzid":
Ich wollte erreichen, dass ihr euch schämet, von ausländischen Kriegen, von Mode, Klatsch, Literatur und Künsten mehr zu wissen als vom Frühling, der vor Euren Städten sein unbändiges Treiben entfaltet, und vom Strom, der unter euren Brücken hinfließt, und von den Wäldern und herrlichen Wiesen, durch welche eure Eisenbahn rennt.



Hat er nicht recht? Liegen uns das eigene Leben, der eigene Weg, Garten, Freunde, Familie, Beruf nicht näher als das was uns die Onlinezeitungen unablässig aufs Auge drücken? Fängt das eigene Leben nicht damit an, morgens die Amsel im Garten zu hören, das Fenster zu öffnen um den Geruch des Gartens hereinzulassen? Auf die Dämmerung zu achten, während der Kaffee durch die Maschine läuft? An anstehende Geburtstage, die Osterurlaubsplanung und so weiter?

Mag sein, denken die Schreiber bei SPIEGEL, Tagesspiegel, stern und taz. Mag sein, denken sie, aber  du hast kein Recht, an dich zu denken. Sie schreiben sich die Finger wund um uns von unserem eigentlichen Leben abzulenken. Du sollst nicht in den Himmel schauen und nicht auf den Forsythienstrauch. Du sollst an die Krim denken, an die Akropolis und an Afrika. Du sollst gelesen haben um nicht als Ignorant zu gelten. Du sollst die Weltwirtschaft verstanden haben und was deine Stulle mit den Ressourcenkriegen in Afrika zu tun hat. Und wenn du dich weigerst, dich von deinem Leben ablenken zu lassen, verpassen dir die Beamten der privaten Zensurbehörden einen Stempel "Rechts".

Und das gilt nur für dein privates Leben, wenn du dich entscheidest nach Feierabend aufs Smartphone zu schauen oder einen Parkspaziergang zu machen. Aber auch zwischen Morgendämmerung und Feierabend hält man dich vom Eigentlichen ab. Wolf Lotter schreibt in der neuen Ausgabe der brand eins unter dem Titel "Ruhe, bitte!" (Link):
Die Aufmerksamkeitsgesellschaft ist in Wahrheit eine Ablenkungsgesellschaft. Aktionismus rückt an die Stelle von überlegtem Tun.
Er meint damit, dass das konzentrierte Arbeiten an Lösungen und Ideen dem fortlaufenden Umwälzen der Probleme gewichen ist. Es heißt nicht mehr "tue Gutes" sondern: "Rede darüber". Unablässig wird nur noch kommuniziert. Auch die Arbeit an Powerpointfolien, die dem Entscheider begreiflich machen sollen, worum es gerade geht, ist Kommunikation. Denn, so lernte ich in meinem ersten Beruf in einem DAX-Unternehmen:
Wenn ein Unternehmen ein Problem hat, dann hat es meist ein Kommunikationsproblem.
Damit hatte er sicher recht. Aber das Management reagierte auf unser Nichtwissen nicht mit mehr Information. Vielmehr expandierte es in Regionen und Kulturen, von denen es nichts verstand und deshalb Anlass zu Misstrauen sah und verbarrikadierte die zum Arbeiten und Problemlösen wichtigen Informationen hinter noch mehr Regeln. "Need to know" heißt das so schön doppeldeutig.


Die Firma unternimmt jedoch alles, um uns von Problemlösungen abzuhalten. Sie steckt uns in Großraumbüros für einen besseren Informationsfluss. So bleibt kein Telefonat von Kollegen geheim, kein Witz unerzählt, kein Ärger an den Kollegen ausagiert, keine Besprechung auf die Beteiligten beschränkt. Und natürlich steht die Tür eines Großraumbüros immer offen, so dass sich jeder eingeladen fühlt, ein Bedürfnis sofort abladen zu können und befriedigt zu bekommen.

Und so wie die Medien uns zum Zwecke ihres eigenen Lebensunterhaltes ständig von uns selbst ablenken so lenkt uns auch das Management ständig von unserem eigentlichen Arbeitsauftrag ab. Wolf Lotter:
So geht es auch den Organisationen nicht darum, sich auf eine Problemlösung zu konzentrieren, sondern fleißig den Bestand zu erhalten und seine eigene Beschäftigung zu legitimieren. Viel reden, wenig sagen und noch weniger tun.
Das hat Folgen. Die Verweigerung, eine Aufgabe auch einmal zu Ende bringen zu dürfen, verweigert uns auch den Stolz und tiefe Zufriedenheit über das Ergebnis. Arbeit lenkt uns nicht von uns selbst ab, wenn man uns mal machen lässt. Wenn wir in sie versinken, etwas schaffen und dann wieder auftauchen. Danach würden wir zufrieden nach Hause gehen. Oder in den Park.

All das kostet uns Nerven und Kräfte. Wir sind dauernd an mehreren Fronten unterwegs. Wir sind mehr mit der Abwehr der Ablenkung beschäftigt, als mit dem worauf wir uns konzentrieren wollen.

Es ist aber reine Übungssache all das abzuschütteln. Den Blick zum Himmel und aufs Grün muss ich mir nicht mehr angewöhnen. Wenn ich unserem Großraumbüro in Wolfsburg entkommen will, beginne ich meinen Marsch durch nicht genutzte Besprechungsräume. Nirgendwo kann ich so gut arbeiten. Meistens aber nur für eine oder zwei Stunden. Dann rückt die Besetzung für das nächste Meeting ein.