Mittwoch, 30. November 2011

Ist die Demokratie für die Marktwirtschaft zu langsam?

Das Demokratische scheint Merkel lästig, wenn nicht zuwider zu sein. Über staatliche Bankenrettungen durch den SOFFIN lässt sie einen Zirkel entscheiden, der sich Rechenschaftspflicht verbittet. Mit Verweis auf "die Märkte": Welche Banken aus welchen Gründen hilfsbedürftig sind, gehe die Konkurrenz genau so wenig an, wie den Steuerzahler, der das ganze finanziert. Andere, z.B. Parlamentarierer, mitreden zu lassen geht nicht, weil das zu langsam ist.

Als der Bundestag über die Rettungspakete abstimmte, legte das Finanzministerium seine Gesetzesvorlage am Vorabend der Abstimmung auf die Tische der Abgeordneten. Über die Medien verbreitete die Regierung ihre Erwartungshaltung an die Opposition und die verbliebenen eigenen kritischen Abgeordneten angesichts des brennenden Hauses erwarte man Patriotismus, für lange Diskussionen sei keine Zeit.

Gleiche Argumentation in Europa: Als Papandreou eine Volksabstimmung ankündigte, empörten sich die Euroretter, allen voran die Deutschen, bei einer Volksbefragung laufe ihnen allen die Zeit weg.

Auch Barrack Obama verdreht mehrmals die Augen, als er lernen musste, dass Europa seine Entscheidungen nur langsam trifft, weil es halte viele Beteiligte fragen muss.

Und nun die Euroverträge. Auch die will Merkel undemokratisch ändern, indem sie das Europaparlament übergeht. Wo bleibt der Aufschrei empörter EU-Abgeordneter?

Wer die Demokratie aushebelt mit dem Verweis auf die Geschwindigkeit, die "die Märkte" von der Politik erwarten, sagt eigentlich, dass sich Demokratie und Märkte nicht vereinbaren lassen. Die Märkte agieren wie ein MLP-Berater, der einem kurz vor Jahresende noch eine Lebensversicherung andrehen will: Wer zu spät kommt, weil er Zeit zum Nachdenken braucht, den bestraft die verpasste Chance. Doch meistens hat derjenige nur Risiken und Verluste versäumt.

Merkel hat also entweder etwas zu verbergen, z.B. wessen Interessen sie eigentlich verfolgt. Oder sie hat autistische Züge in dem Sinne, etwas sofort umsetzen zu wollen, sobald sie einmal etwas verstanden hat.
Oder es entspricht ihrem Politikverständnis, einfach durchregieren zu wollen. Dann sollten wir sie stoppen und uns fragen, wer Angela Merkel eigentlich ist und wo sie hin will.

Dienstag, 29. November 2011

Das Familiäre wird politisch

Enno Guttenberg soll seinen Sohn KT aufgefordert haben, zur Rettung der Familienehre doch noch einen seriösen Doktortitel nachzuholen. Wen wollte KT mit seinem Doktortitel demnach ursprünglich beeindrucken, oder befrieden? Wessen Gunst dient das Mediengetöse, das er veranstaltet?
Nachdem Walter Kohls Buch über das Leben mit seinem Vater erschienen war, rechnete er in seinem ersten Interview darüber ordentlich mit seinem Vater ab. In den Tagen drauf, wollte er plötzlich falsch verstanden worden sein. Als Sven Hannawald auf dem -wie wir dachten: nur vorläufigen- Gipfel seiner Karriere war, sagten seine Eltern im ZDF Sportstudio, die Goldmedaille für ihren Sohn werde nicht ihr Leben verändern (die hätten sie erwartet), am Montag würden sie ganz normal ihren Laden eröffnen, so wie immer. Danach stürzte das Ausnahmetalent erst mal ab.
Oder Richard von Weizsäcker. Nach der Veröffentlichung des Enthüllungswerkes über das Auswärtige Amt und die Rolle seines Vaters, erscheint manche brillante Rede, vor allem die zum 08. Mai, wie eine Aufarbeitung seines Verhältnisses zu seinem Vater.
Und nicht zuletzt das Ausnahmetalent Michael Jackson, das von seinem Vater misshandelt wurde.

Nur einige Beispiele für prominente Fälle.

Jüngster Fall: Der 41jährige Schiedsrichter, der das letzte Telefonat vor seinem Selbstmordversuch mit seinem Vater tätigt. Und nachdem dieser "missglückt" (Gott sei Dank) zuerst seinen Vater anruft, um sich zu entschuldigen. Und der Vater berichtet der Presse (!), dass er seinem Sohn gesagt, er solle sich jetzt erstmal erholen.

Es dürfte etliche Tragödien mehr geben, in denen ursächlich das Verhalten der Eltern den Ausschlag für spätere ernste Probleme gegeben haben.

Und die in den Prenzlauer Berg (un-)gezogenen Ehrgeizeltern waren zuerst geduldet, dann verhasst und inzwischen verlacht für ihren übertriebenen Ehrgeiz, den sie in ihre Kinder projizieren. Diese sogenannten Edel-Eltern transfomieren ihren Richard Florida ins Kinderzimmer: Entdecke Dein Talent und mach es zum Beruf, nur dann wirst Du glücklich. Und wehe jedem, der sich dem Nachwuchs in den Weg stellt.

Dank der Arbeiten der Kinderpsychologin Alice Miller wissen wir, dass Kindesmissbrauch nicht nur körperlich statt findet, sondern auch seelisch. Die o.g. Fälle sind Kandidaten dafür. Fehlende oder an Bedingungen geknüpfte Anerkennung und Annahme des Kindes macht dieses gefügig und ein Leben lang ehrgeizig. Vor allem das "begabte Kind" durchlebt ein "Drama", weil es seine Intelligenz dafür einsetzt, Anerkennung zu verdienen. Zufriedene, in ihrer Mitte ruhende Menschen lassen sich im Vergleich dazu deutlich weniger von außen steuern. Solche Führungsbegriffe unserer durchverwalteten Unternehmen -wie "Zielvorgaben"- sollen die Erkenntnisse von Alice Miller umsetzen, zum Nutzen des Unternehmens. Wer das durchschaut, lacht über Zielvorgaben, die ihm andere geben wollen.

Über die Familie wird in der Öffentlichkeit ein Hohelied gesungen, besonders in bestimmten -sich meist als besser verstehenden- oder christlichen Kreisen. Doch in meiner Schule waren es meistens die Söhne der in der Kirche besonders "engagierten" Väter, die mit blauen Flecken in die Schule kamen. Sehr ergreifend, und empörend, auch die Autobiographie von Andreas Altmann, Sohn eines katholischen Devotionalienhändlers in Altötting. Altmann kriegt Gott-sei-Dank die Kurve. Viele jedoch nicht.

Die so gequälten begabten Kinder stürzen also entweder ab, wenn sie keinen Zugang zu Hilfe bekommen, oder sie machen später Karriere und nerven ihre Untergebenen in Unternehmen und Politik. Wie aber reagieren die nicht so begabten Kinder? Sind das nicht die, die später in Extremismen abdriften? Michael Hanekes Film "Das weiße Band" hat uns an diesen Zusammenhang erinnert.

Demnach wäre das Familiäre politisch. Dann gingen subklinische Psychopathen, die ihre Kinder missachten und damit in skrupellose Bahnen treiben, auch die Gesellschaft etwas an. Walter Kohl war nur der erste, der sein Familiäres zum Politischen aufgewertet hat. Guttenberg ist auf dem Weg, in die mentale Auseinandersetzung mit seinem Vater die gesamte Öffentlichkeit einzubeziehen.

Wenn konservative Kreise Kinder aus Kindergärten heraushalten wollen, dann vielleicht, weil sie ihren Machtbereich nicht aufgeben wollen. Wenn Kind und Mutter einander zu Hause binden, dann schlägt mancher Vater zwei Fliegen mit einer Klappe. Wenn die Welt da draußen immer komplizierter wird, dann regiert man eben zu Hause. Hier lauern Tabus, die aufgedeckt gehören. Je christlicher die Fassade, desto dringlicher. Die Hoheit über den Kinderbetten gehört gerade denen abgenommen, die sich mit oberflächlicher Inbrunst auf Christentum und Familientradition berufen. Und wer Burn-out als Modekrankheit bezeichnet, könnte auf Seiten der Täter stehen.

Samstag, 26. November 2011

Adolf Winkelmann hat Filmschätze aus Dortmund gehoben

Ich bin in Berlin zu einer Art Film- und Fotostar geworden. Ok, nicht nur ich. Aber ich auch. Seitdem Touristen und Konzertbesucher ihre Kameras eigentlich always on haben, läuft man hier von einer Szene in die nächste. Man wird digital konsumiert. Sogar auf Google Streetview bin ich verewigt, wie ich gerade eine Bewerbung (oder was war das?) zur Post bringe.

An aktuellen Fotos kein Mangel. Eher die permanente Aufgabe, die Sammlung auszudünnen, weil es in die tausende geht. Ein Kollege erzählte von einer Bekannten, die nach dem letzten Fernurlaub sagte, sie dünne ihre Fotos immer schon vor Ort aus, so dass sie nur die wichtigsten mit nach Hause nimmt. Zuletzt seien das 2.000 gewesen...

Ganz anders sieht das mit Bildern aus, aus der Zeit als wir laufen lernten. Die Super8-Filme unserer Familie fielen dem Ehekrach eines Kollegen meines Vaters zum Opfer. Anfang der Achtziger hatten wir nur noch die Filme, aber keinen funktionierenden Projektor mehr. Deshalb machten meine Eltern einen Filmabend bei einem Kollegen. Blöderweise ließen sie das Material dort, um es später mal abzuholen. Leider kam es dazu nicht mehr, die Sachen landeten in der Mülltonne. Titisee, Westfalenpark, Hoeschpark , alles für die Tonne.

Umso neugieriger sah ich vor Jahren eine Sendereihe im WDR Fernsehen namens "Super8 vor Mitternacht": Zuschauer sendeten ihre alten Privatfilme dorthin. Die Redaktion sortierte aus, stellte Themen zusammen und sendete. Magischer Effekt beim Zuschauen. Denn obwohl das nicht wir waren, die die man da sah, war die Ähnlichkeit verblüffend. Das ganze Drumherum auf den Aufnahmen, das hätte so auch von uns sein können. Und die Leute selbst fast auch. Mode, Frisuren, Wohnungseinrichtung, alles genau wie bei uns. Und während ich früher mal dachte, dass der verlorene Wert der untergegangenen Filme unwiederbringlich sei, lernte ich beim Zuschauen jetzt, dass es gar nicht so drauf ankommt, sich selbst auf den Filmen zu sehen. Wir sind uns alle viel zu ähnlich, als dass der Unterschied eine zu große Rolle spielen könnte.

Diesen Effekt hatte ich später auch auf der Schulklassencommunity Stayfriends. Nimm irgendeins dieser Klassenfotos aus Deiner Zeit, auf den ersten Blick sieht sie so aus wie Deine.

Mit diesem Wissen im Gepäck haben der Ruhrpottregisseur Adolf Winkelmann und der Dortmunder Lensingverlag jetzt was großes geleistet. Sie hatten Dortmunder aufgerufen, ihnen ihre alten Filmaufnahmen zuzusenden, um eine DVD-Reihe über Dortmunder Geschichte zu kompilieren. Also nicht die offizielle Geschichte, sondern durch die Augen der Menschen die dort leben. Diese DVD Box habe ich mir gleich beim Erscheinen bestellt und vergangene Woche habe ich sie mir angeguckt. Ich kann nur sagen: Faszinierend! Angefangen schon bei der Vorstellung der edlen Materialspender. Findet sich doch mit G. Tegethoff der Vater von Markus darunter, mit dem wir an der Schule immer gepölt haben.

Ich sitze also in Berlin vor dem Rechner (im Dunklen) und schaue alte Filmaufnahmen von Markus' Vater über das Dortmund, in dem wir aufgewachsen sind. Z.B. 1100-Jahr-Feier. Der ganz private Wahnsinn, denn er hat sogar die Wohnung drauf, in der wir damals wohnten.

Das ist großes Kino, muss ich sagen. Aber auch die Aufnahmen aus Stadtmitte und die langen Schwenks aus den Hochhäusern über die Stadt. Die Unionbrauerei am Hauptbahnhof. Die Straßenbahn fuhr oberirdisch am Hauptbahnhof, an der Kampstraße, Hansastraße. Und immer weiter zurück in die Zeit. Stadtsilhouetten aus Stahlwerken und Zechenfördertürmen. Dampfloks kreuzen die Harkortstraße in Hombruch und die (später Andy-) Möller-Brücke. Bilder vom Ausbau der B1. Ein Highlight auch die Eröffnung des Westfalenparks zur Bundesgartenschau 1959. Rosa Flamingos, Blumenmeere vor den rauchenden Schloten des Hoesch Phoenixwertes in Hoerde, das es heute nicht mehr gibt und durch einen See ersetzt wurde.



Und dann wieder Familienaufnahmen aus den Sechzigern und Siebzigern. Man saß zum Geburtstag und zu Silvester mit der gesamten Familie und Verwandtschaft zusammen. Rauchte und qualmte die Bude voll, trank Kronen, Ritter oder Union und einen Wachholder dazu. Pustete Luftschlangen über den Kronleuchter im Wohnzimmer und holte Sektgläser aus dem verspiegelten Barfach des Wohnzimmerschranks aus Nußbaum oder Eiche. Brillen mit dicken Rändern und überhaupt alle Leute (vor allem bei den Frauen fällt es auf) alle etwas runder als heute.

Oder das hier: Sonntagsspaziergang im Rombergpark oder auf der Einkaufsstraße Westenhellweg. Was fällt auf? Man trug Anzug und Hut. Und zwar alle! Der Jogginganzug war noch nicht erfunden und die Ausdehnung der Privatzone in den öffentlichen Raum auch nicht.

Gestern habe ich die letzte DVD gesehen: Die dreißiger und vierziger. Hauptsächlich Material aus Hombruch und Innenstadt. Adolf Winkelmann erklärt, warum unter dem eingesandten Material keine Aufnahmen von Nazimärschen oder der Kristallnacht sind: "Weil die Leute nur das gefilmt haben, was ihnen lieb und teuer war. Filmen war teuer und man überlegte sich vor der Aufnahme gut, was man aufnehmen wollte. Nazis gehörten nicht dazu."

Deshalb sehen wir nur einmal, wie sie in die Westfalenhalle einmarschieren. Aber reichlich, wie die Zivilbevölkerung mit Formaldienst und Sanitätsübungen auf den Krieg vorbereitet werden. Frappierend die Aufnahme aus einem Dortmunder Vorort auf der am Himmel ein alliiertes Bombergeschwader auf dem Weg zu ihrem Ziel zu sehen ist. Spätere Aufnahmen zeigen Dortmund in Trümmern und das, was ich von meinen Eltern immer nur aus Erzählungen kannte: Trümmer gehörten lange zum Stadtbild.

Nee, diese DVDs haben mich beeindruckt. Vieles, was ich nur aus Erzählungen kannte, ist nun mit Bildern verknüpft. Und das liefert wiederum reichtlich Gesprächsstoff. Da haben die RuhrNachrichten und der Winkelmann wirklich eine gute Idee gehabt.

Zum RN Shop: Link

Donnerstag, 17. November 2011

Die City-Notbremse



Heute mal wieder was aus dem aktuellen Ingenieursleben. Hauptsächlich arbeite ich ja in der Fahrzeugprojektleitung, im "Engineerung" von Anforderungen und dem Patentmanagement. Aufgaben, in denen es eher um Sprache, Kommunikation und Moderation geht, als um die Arbeit direkt an der Technik

Dreimal habe ich bis jetzt auch direkt in der Serienentwicklung mitgearbeitet. Serienentwicklung ist das Abenteuer, ohne dass es irgendwann zu kopflastig würde, weil am Ende immer das Testen auf der Rennstrecke oder anderen Parcours steht, das ich aber auch nicht jedes Jahr brauche ;-) Zuerst war ich hier in der Leistungselektronik für Hybridantriebe (Ingenieure nennen immer die Technik, nie die Abteilung, "in der" sie gearbeitet haben, es sei denn die Abteilung heißt genau so). Dann in der Auslegung der StartStop-Funktion für einen neuen Konzern-"Baukasten".

Und gerade mit dem neuen Up! (Link) auf den Markt gebracht ist die City-Notbremsfunktion. In der Sicherheitsforschung geht der Trend von der Abfederung von Unfällen dahin, Unfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. In diesem Fall geht es um Situationen im Stadtverkehr und auf Parkplätzen. Man fährt Schritttempo, kann aber gerade deshalb abgelenkt sein. Oder beschäftigt mit der Suche nach einem freien Parkplatz, oder gerade im Einparken begriffen. Und dann läuft einem jemand vors Auto, oder der Vordermann bremst plötzlich. Man kann das komplett übersehen. Dann bremst die City-Notbremse automatisch. Es kann auch sein, dass man zu träge ist und zwar bremst, aber zu schwach. Dann zieht die Funktion das Bremspedal weiter nach unten.

Wie funktioniert's? Ein Laser in der Frontscheibe überwacht den Raum vor dem Fahrzeug und liefert zeilenweise Informationen über das, was sich vor ihm befindet. Die Elektronik erkennt, wann wirklich ein Aufprall droht, berechnet die notwendige Bremskraft und löst aus. Das ist nicht so trivial, wie man meint ;-)

Ich hatte die Durchschlagskraft dieser Funktion so lange etwas unterschätzt (Notbremsung aus Schrittgeschwindigkeit?) bis wir sie getestet hatten. Sie bremst den Wagen wirklich mit so viel Kraft wie nötig ist, um vor dem Hindernis zum stehen zu kommen. Seitdem weiß ich, dass man als Fahrer in solchen Situationen dazu neigt, zu schwach zu bremsen. Warum auch immer: Selbstschutz, Schutz des Autos? In diesen Fällen zieht einem die Elektronik das Bremspedal buchstäblich unter den Füßen weg.

Produktaufwertung in zwei Zügen

Ist schon länger Trend, ist mir aber erst jetzt auch bei anderen aufgefallen: Immer mehr Autohersteller gehen dazu über, technische und gestalterische Verbesserungen nacheinander auf den Markt zu bringen.

Früher galt z.B. bei Porsche das Motto: Ein neues Modell muss seine technischen Neuerungen auch optisch verkörpern. Heute wertet Porsche seine Modelle oft erst technisch auf, und zieht Designneuheiten ein oder zwei Jahre später nach. So lässt sich zweimal als neu verkaufen, was früher EINE Innovation war. Als die Autoabsatzkrise tobte, investierte Porsche massiv in effizientere Motoren, zog z.B. Direkteinspitzung, Dieselantrieb und Hybridantrieb sowie StartStop nach. Äußerlich blieben Boxster, Cayenne und 911 unverändert. Jetzt feiert Porsche ein Facelift nach dem anderen. Den Anfang machte der Cayenne, im Herbst der 911 und aktuell kursieren Fotos von einem kantigeren Boxster durchs Internet.

Der Trick macht seine Kunden nicht unbedingt unglücklich. Normverbräuche unter 10 Litern waren ein wichtiges Kaufargument für viele Porschekunden, wie ich aus Gesprächen mit dem Service und dem Verkauf in einem Berliner Porschezentrum erfuhr. Wer einen Porsche aus Imagegründen kauft, will nicht länger auf astronomische Verbräuche angesprochen werden. Aber auch andere Innovationen, die dem Komfort dienen, ziehen bei der Gelegenheit ins aufzuwertende Modell ein. Kurz gesagt, könnte man diese Modelle für Understatement orientierte Kunden auf den Markt bringen.

Später schiebt man dann das optisch neue Modell nach, für die Designfans. (Oft senkt man den Verbrauch dann noch mals etwas, weil mehr Leichtbauteile zum Einsatz kommen.)


Im Herbst seines Lebens: Porsche Frontmotormodell, das erst zum 924S aufgewertet wurde, und dann den 944 Hut bekam

Wer diese Taktik übrigens auch übernommen hat, und sogar die Namensgebung von Porsche dafür benutzt, ist Apple. Die iPhones sind nach numerischen Baureihen benannt. Nach einer Modellpflege wird einfach ein "S" angehängt. Das "S" kann schon der Technologieträger für die nächste Baureihe sein, hat aber noch das alte Design.

Mittwoch, 16. November 2011

Produktaufwertung in zwei Zügen

Ist schon länger Trend, ist mir aber erst jetzt auch bei anderen aufgefallen: Immer mehr Autohersteller gehen dazu über, technische und gestalterische Verbesserungen nacheinander auf den Markt zu bringen.

Früher galt z.B. bei Porsche das Motto: Ein neues Modell muss seine technischen Neuerungen auch optisch verkörpern. Heute wertet Porsche seine Modelle oft erst technisch auf, und zieht Designneuheiten ein oder zwei Jahre später nach. So lässt sich zweimal als neu verkaufen, was früher EINE Innovation war. Als die Autoabsatzkrise tobte, investierte Porsche massiv in effizientere Motoren, zog z.B. Direkteinspitzung, Dieselantrieb und Hybridantrieb sowie StartStop nach. Äußerlich blieben Boxster, Cayenne und 911 unverändert. Jetzt feiert Porsche ein Facelift nach dem anderen. Den Anfang machte der Cayenne, im Herbst der 911 und aktuell kursieren Fotos von einem kantigeren Boxster durchs Internet.

Der Trick macht seine Kunden nicht unbedingt unglücklich. Normverbräuche unter 10 Litern waren ein wichtiges Kaufargument für viele Porschekunden, wie ich aus Gesprächen mit dem Service und dem Verkauf in einem Berliner Porschezentrum erfuhr. Wer einen Porsche aus Imagegründen kauft, will nicht länger auf astronomische Verbräuche angesprochen werden. Aber auch andere Innovationen, die dem Komfort dienen, ziehen bei der Gelegenheit ins aufzuwertende Modell ein. Kurz gesagt, könnte man diese Modelle für Understatement orientierte Kunden auf den Markt bringen.

Später schiebt man dann das optisch neue Modell nach, für die Designfans. (Oft senkt man den Verbrauch dann noch mals etwas, weil mehr Leichtbauteile zum Einsatz kommen.)


Im Herbst seines Lebens: Porsche Frontmotormodell, das erst zum 924S aufgewertet wurde, und dann den 944 Hut bekam

Wer diese Taktik übrigens auch übernommen hat, und sogar die Namensgebung von Porsche dafür benutzt, ist Apple. Die iPhones sind nach numerischen Baureihen benannt. Nach einer Modellpflege wird einfach ein "S" angehängt. Das "S" kann schon der Technologieträger für die nächste Baureihe sein, hat aber noch das alte Design.

Samstag, 12. November 2011

Toyota ist besonders patent bei Elektromobilität

Die Patentanwaltskanzlei Grünecker hat eine Rangliste der Patentanmelder in Sachen Elektromobilität (inkl. Hybrid) veröffentlicht. Seit 2006 wurden von Automobilherstellern so viele Patente angemeldet (Link):

1. Toyota: 2588
2. Nissan: 940
3. Honda: 727
4. Ford: 455
5. Mitsubishi: 366

6. Huyndai/Kia: 283
7. Mercedes: 205
8. General Motors: 182
9. Peugeot: 176
10. Volkswagen: 148

11. Mazda: 146
12. BMW: 134
13. Suzuki: 80
14. Chrysler: 46
15. Fiat: 16

Toyota führt das Feld mit Abstand an (ein Grund hierfür ist die hohe Erfinderkultur bei Toyota. Dort reichen Mitarbeiter der technischen Entwicklung mehrmals im Monat Verbesserungsvorschläge oder Patente ein). 2007 hatte das Deutsche Patentamt in seinem Erfinderbericht mal den Toyota Prius hinsichtlich seiner Patente analysiert. Ergebnis: Viele grundsätzlichen Anordnungen und Konstruktionsvarianten wurden von Toyota belegt. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum viele andere Hersteller erst so spät auf den Markt kamen oder kommen. An sich ist weder ein Elektromotor, noch die Leistungselektronik noch die Batterie mitsamt Steuerung ein besonders neues Thema. DIe Spannungsebene 400V Gleichstrom, ok das ist neu. Aber Gleichstrommotoren werden schon seit hundert Jahren in Straßenbahnen eingesetzt. Mir ist schleierhaft, warum Frau Schavan dafür noch Millionen an Fördergeldern bereit stellt.

Beachtlich ist übrigens, welchen Sprung Huyandai/Kia nach vorn gemacht hat. Im Frühjahr 2011 lagen sie mit Neuanmeldungen für das laufende Jahr bereits auf Platz 2 hinter Toyota. Die Südkoreaner kommen!

Grünecker hat noch aktuelle Zulassungszahlen in seinem Bericht: Im ersten Quartal 2011 waren rund 41.000 Hybridautos in DE zugelassen. Davon neu zugelassen: 3.800 Hybride (+30%) und 450 reine Elektroautos. Die asiatischen Hersteller sind dabei ganz vorne. Natürlich spielt es in ein paar Jahren keine Rolle mehr, wer zuerst am Markt gewesen ist. Sehr wohl spielt es aber eine Rolle, wer die entscheidenden Patente zuerst angemeldet hat..

Toyota ist besonders patent bei Elektromobilität

Die Patentanwaltskanzlei Grünecker hat eine Rangliste der Patentanmelder in Sachen Elektromobilität (inkl. Hybrid) veröffentlicht. Seit 2006 wurden von Automobilherstellern so viele Patente angemeldet (Link):

1. Toyota: 2588
2. Nissan: 940
3. Honda: 727
4. Ford: 455
5. Mitsubishi: 366

6. Huyndai/Kia: 283
7. Mercedes: 205
8. General Motors: 182
9. Peugeot: 176
10. Volkswagen: 148

11. Mazda: 146
12. BMW: 134
13. Suzuki: 80
14. Chrysler: 46
15. Fiat: 16

Toyota führt das Feld mit Abstand an (ein Grund hierfür ist die hohe Erfinderkultur bei Toyota. Dort reichen Mitarbeiter der technischen Entwicklung mehrmals im Monat Verbesserungsvorschläge oder Patente ein). 2007 hatte das Deutsche Patentamt in seinem Erfinderbericht mal den Toyota Prius hinsichtlich seiner Patente analysiert. Ergebnis: Viele grundsätzlichen Anordnungen und Konstruktionsvarianten wurden von Toyota belegt. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum viele andere Hersteller erst so spät auf den Markt kamen oder kommen. An sich ist weder ein Elektromotor, noch die Leistungselektronik noch die Batterie mitsamt Steuerung ein besonders neues Thema. DIe Spannungsebene 400V Gleichstrom, ok das ist neu. Aber Gleichstrommotoren werden schon seit hundert Jahren in Straßenbahnen eingesetzt. Mir ist schleierhaft, warum Frau Schavan dafür noch Millionen an Fördergeldern bereit stellt.

Beachtlich ist übrigens, welchen Sprung Huyandai/Kia nach vorn gemacht hat. Im Frühjahr 2011 lagen sie mit Neuanmeldungen für das laufende Jahr bereits auf Platz 2 hinter Toyota. Die Südkoreaner kommen!

Grünecker hat noch aktuelle Zulassungszahlen in seinem Bericht: Im ersten Quartal 2011 waren rund 41.000 Hybridautos in DE zugelassen. Davon neu zugelassen: 3.800 Hybride (+30%) und 450 reine Elektroautos. Die asiatischen Hersteller sind dabei ganz vorne. Natürlich spielt es in ein paar Jahren keine Rolle mehr, wer zuerst am Markt gewesen ist. Sehr wohl spielt es aber eine Rolle, wer die entscheidenden Patente zuerst angemeldet hat..

Freitag, 11. November 2011

Wenn das Exklusive dem Gewöhnlichen, oder wie man in bürgerlichen Kreisen neuerdings auch sagt:

Dienstag, 8. November 2011

Innovationspreisverleihung der SPD: Vorwärts, Genossenschaften


Nicht verwechseln mit Genosse der Bosse: Unser Boss ist ein Genosse

Alles kommt zu dem der warten kann. Z.B. zu den Stromrebellen aus Schönau im Schwarzwald. Die starteten nach Tschernobyl sozusagen als das gallische Dorf der Energiewendebewegung und wollten das Schönauer Stromnetz vom damaligen Netzbetreiber zurückkaufen. Um von Atomstrom auf Sonne, Wind und Kraft-Wärme-Kopplung umschalten zu können. Es gab Krach um den Netzpreis und wie dieser zu ermitteln sei, Energietechnik ist Hardware und deshalb nicht billig. Jedenfalls gründeten sich danach in vielen Städten "Energiewendekomitees", um es Schönau gleich zu tun. Aber nur wenige kamen durch. Wir in Dortmund damals z.B. nicht. Ok, das lag an dem Filz zwischen VEW, Stadtwerken und der Dortmunder SPD, aber auch an mir, weil ich damals groß dachte und gleich zum RWE in den Wattikan ging.. Kurt Berlo, Michael Paschko und Winfried Bergmann haben im Long Run allerdings recht behalten. Das erkenne ich neidlos und ein bisschen demütig an.

Wie auch immer, Schönau hat es geschafft. Sie gründeten eine Genossenschaft, die Netzkauf EWS eG und 1997 übernahmen sie das Versorgungsnetz. Und heute war der große Tag. Sigmar Gabriel übergab ihnen im Willy-Brandt-Haus den Innovationspreis der SPD. Für mich schloss sich ein Kreis.


Stromrebell 2011 aus Schönau

Und weil es mit den Genossenschaften so gut läuft, wurden gleich noch zwei andere ausgezeichnet: Das Gründerzentrum für Frauen, die WeiberWirtschaft eG und die Innova eG, die auf den Tag genau seit 10 Jahren Seminare und Beratung für Genossenschaftsgründer anbietet.


Birgit Homburger? - Nee, die Sprecherin der WirtschaftsWeiber oder so

Ok, zwei von drei Genossenschaften beschäftigen sich also mit dem Genossenschaftswesen an sich. Aber die Schönauer waren echte Pioniere. Und endlich ging es mal nicht um iPhones, Apps, Häkelschweine und Social Media, sondern unvergängliche Hardware :-)


Spielt kein Schach, sondern geht dahin, wo es weh tut: In die Wirtschaft

Nee, im Ernst. Die SPD hat Oberwasser, auch was Wirtschaftskompetenz angeht. Das hat Sigmar Garbriel ganz klar gesagt. Aber ob da im Publikum nun ausschließlich waschechte Genossenschaftsgenossen, Unternehmer oder doch nur wieder Mitarbeiter der Senatsverwaltung, Wirtschaftsförderung, IHK, Technologiestiftung, Stadtmarketing saßen, kann ich anhand des Fotos nicht beurteilen, die sehen alle gleich und nicht wie Internetunternehmer aus. Aber das nimmt der Genossenschaftsidee nichts weg.



Ich meine: Wer kennt denn heute noch die Wurzeln vom "Konsum" (Coop), taz oder Knappschaften? Wer weiß, dass Raiffeisen keine oxidierten Eisenspäne sind, sondern der Gründer der Genossenschaftsbewegung in Deutschland?

Was mir gefällt: Existenzgründung muss sich nicht immer nur um den großen Knaller drehen. Das war bisher immer meine Vorstellung. Sie kann auch mal vom Bedarf der Leistung abgeleitet sein. Dass man etwas herstellt, das man auch selbst konsumiert. Oder das man einen Handel mit Lebensmitteln gründet, weil man diese selbst kaufen will.

Ich habe mich damit noch nicht so tief beschäftigt. Aber mir gefällt die Idee, es hier nicht übertreiben zu müssen. Es ist eher die Idee, etwas Sinnvolles zu tun ohne Spekulation auf Durchbruch oder Aufstieg. Der dritte Weg zwischen Kapitalismus und Staatswirtschaft. Ich werd mich mal schlau machen..


Kann im Kampfe Dein Genosse sein: Die SPD

Sonntag, 6. November 2011

Dirk, der Dolmetscher

Dirk "the DAX" Müller tut, was bei vielen Gelehrten verpönt ist. Er spricht so, dass ihn jeder versteht. Er erklärt die Zusammenhänge gut und wagt anhand seines roten Fadens auch Prognosen. Wir hatten uns vor zwei Jahren mal sein erstes Hörbuch "Crashkurs" angehört. Viele Prognosen von "damals" sind inzwischen eingetreten.

Müller unterscheidet sich von Volkswirtschaftsprofessoren dadurch, dass er sich auf dem "Floor" bewegt, im wirklichen Leben. Er unterscheidet sich von Bankvorständen darin, dass er nur eigene Interessen verfolgt, die sich aber mit unseren decken: Wir wollen aus der Sache möglichst heil wieder rauskommen. Und er unterscheidet sich von der Bundesregierung darin, dass er versteht, was vor sich geht - und warum.

Was ich besonders interessant finde: Er zieht sein Wissen aus seiner Berufstätigkeit (früher Deutsche Bank, danach Börsenhändler). Er riskiert den Unmut seines früheren Arbeitgebers. Niemand kann soviel offenlegen, wie der, der selbst vor Ort war. Und im gleichen Maße, wie er bei seinen Früheren in Ungnade fällt, gewinnt er bei seinem Publikum und natürlich auch seiner potenziellen Kundschaft (Bücher, Newsletter). Er ist ein Whistleblower auf hohem Niveau und der besonderen Art: Er spricht aus, was eh alle ahnen und was alle eigentlich von ihren Politikern hören wollen, oder von denen, die sie dafür bezahlen, Lösungen zu erdenken: Volkswirtschaftler an Instituten und Hochschulen. Doch von denen kommt nichts. D.h. wir sehen und hören sie zwar täglich in den Medien, aber nur um zu hören, dass man "ersteinmal abwarten muss", weil das Ganze derzeit "völlig unklar" ist. "Unklar" ist die Lieblingsvokabel derjenigen geworden, die für Antworten eingestellt wurden, aber dauernd mit Fragen davon ablenken.

"Dolmetscher" nennt Müller seinen Beruf in der SZ (Link). Vermittler zwischen den Welten. Eine Funktion, die mir bestens vertraut ist, von der ich aber normalerweise nur erlebe, dass sie nicht wertgeschätzt wird. Vor allem in hierarchischen Welten, in denen gezielt mit exklusivem Herrschaftswissen über das "Regierungs"handeln und eigene Versäumnisse die eigene Macht gesichert wird. Dolmetschen und gutes Kommunizieren gehört zu den Künsten, denn je klarer und verständlicher das Ergebnis ist, desto höher der Nutzen für alle, aber desto weniger sieht es nach Arbeit aus und desto weniger wird es wertgeschätzt.

Je mehr mutige und fähige Müllers es gibt, desto weniger Whistleblower und Hacktivisten brauchen wir. Wikileaks überspült uns mit Fakten aus dem C-Rohr, das können wir gar nicht verarbeiten. Whistleblower pfeifen, wenn der Mächtige in die Kasse gegriffen hat, aber solche Sachen werden meistens vor Gericht eingestellt und als einmalige Fälle dargestellt. Müller aber nennt die Zusammenhänge ohne Namen, die kann sich dann jeder selber herleiten.

Seibert dementiert Gerüchte um Bundesbankgold

Gestern sorgten FAZ Online (Link) und WELT Online (Link) für einen weiteren Adrenalinschub in Deutschland. Sie meldeten einen Plan, der am Rande des G20-Treffens ausgeheckt worden sei. Auslöser war das Scheitern des EFSF beim Versuch eine 3 Mrd Anleihe für Griechenland aufzunehmen. Am Markt habe sich kein einziger Interessent dafür gefunden. Darauf hin hätten Obama, Sarkozy und Camerot vorgeschlagen, den EFSF selbst weiter auszuweiten, in dem die Zentralbanken der EURO-Länder ihre Gold- und Währungsreserven als Sicherheiten hinterlegen. Man muss kein Volkswirt sein, um bei dieser Meldung zu spüren, dass die Schraube damit ein erhebliches Stück weiter gedreht würde. Merkel habe auf dem G20 zunächst zugestimmt, dann aber heftigen Widerspruch vom Bundesbankchef bekommen. Die Bundesbank habe das alleinige Recht darüber zu entscheiden, und er sage Nein. Darauf hin habe Merkel den Vorschlag auch gegenüber Obama und Co. abgelehnt.

Gestern fragt der Regierungssprecher auf Twitter nochmal in die Runde, ob wir noch Fragen für die Kanzlerin hätten, die sie in der geplanten Videobotschaft beantworten könne. Ich stellte die Frage, ob die Meldungen über das Bubagold stimmen.

Die Antwort kam prompt von Seibert selbst: Nein. Davon sei auf dem Gipfeltreffen keine Rede gewesen...



PS: Erinnert sich jemand? Vor Jahren hatten wir mal die Diskussion, wozu wir -nach Einrichtung der EZB- die Bundesbank überhaupt noch bräuchten. Die verwalte schließlich nur unsere Goldreserven...

Samstag, 5. November 2011

Weiterverkauf trotz Patentverletzung (Erschöpfungsgrundsatz)

"Die IBM Deutschland GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Stuttgart."
Fritz Teufel, früherer Patentmanager

International tätige Konzerne haben viele Vorteile, wenn sie in ihren Märkten lokale Tochtergesellschaften gründen, z.B. steuerrechtliche. Auf einen weiteren hat gestern ein Urteil des Landgerichtes Mannheim gezeigt: Es hat der Klage der Motorola Mobility Inc. (deren Patente demnächst an Google gehen) gegen die Apple Inc. stattgegeben (Link), die auf das Angebot von iPhones in Deutschland abzielt. Begründet wird das Urteil mit drei Motorola Patenten zur Synchronisation von Nachrichten, gegen die Apple offenbar verstoßen hat.

Apple Inc muss Motorola nun Rechenschaft darüber ablegen wie viele solcher Geräte, die die besagten Patente verletzen, es seit 2003 verkauft hat und an wen.

Jetzt kommt der Punkt: Das Urteil betrifft nur den Stammsitz Apple Inc. in Cupertino. Alle anderen Unternehmen, insbesondere Händler, dürfen iPhones weiterverkaufen. Dies bewirkt der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz des Immaterialgüterrechts (Link). Der Inhaber eines Schutzrechtes (Patent, Marke, etc.) kann sich nicht mehr bei Produkten auf sein Patent berufen, die er willentlich in Verkehr gebracht hat. Heißt auf deutsch: Entlang einer Vertriebskette kann der Inhaber eines Patentes nicht jedesmal Lizenzgebühren verlangen, sondern nur in der ersten Stufe, in der er selbst lizenziert bzw. verkauft. Dahinter ist sein Recht auf das Patent "erschöpft". Und das ist gut so. Man stelle sich vor, man müsse beim Verkauf seines Gebrauchtwagens auch noch Patentlizenzgebühren an den Hersteller abführen. Das gilt dann aber auch für die Einräumung einer Patentlizenz. Der iPhone Hersteller hätte mit Motorola die Benutzung seiner Patente verhandeln müssen, aber nicht alle nachgelagerten iPhone-Händler. Telefongesellschaften, die das iPhone als Händler einkaufen und im Rahmen von Mobilfunkverträgen weitervertreiben, dürfen dies deshalb weiterhin tun.

Der Erschöpfungsgrundsatz veranlasst Patentinhaber also bei vermuteten Patentverletzungen gegen den Hersteller vorzugehen. Verbundene Unternehmen eines verurteilten Patentverletzers bleiben davon unberührt, z.B. ggf. die deutschen Apple Stores (Apple Retail Germany GmbH) oder der deutschsprachige Onlinestore, der von der Apple Sales International mit Sitz in Cork, Republik Irland, betrieben wird. Diese dürfen weiterverkaufen, weil Motorola von diesen nach dem Erschöpfungsgrundsatz keine weiteren Patentlizenzgebühren oder eine Unterlassung verlangen kann.

PS: Dieses Urteil erging nicht nach einer inhaltlichen Prüfung, ob iPhones die betroffenen europäischen Patente wirklich verletzen, sondern nach einem Fristversäumnis von Apple. Der Fall kann noch weitergehen (Widerspruch, Wiedereinsetzung,..).