Freitag, 30. April 2010

"Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Nationen,..."

"...sondern zwischen oben und unten."
Kurt Tucholsky

Wie recht er hatte, sehen wir in dieser Woche: Die Oberschicht Griechenlands verschafft ihr Vermögen ins Ausland. Es gibt in jedem Land eine verkommene Täterschicht, eine Schicht der Zumwinkels, der Blankfeins, die nicht aufhören kann, triebhaft in anderer Leute Kasse zu greifen. Die meinen, das ihnen zusteht, was sie kriegen können. Die sich für etwas besseres halten und so viel schlechter sind.

Wir sollten die Kreditkrisen mal unter diesem Aspekt sehen: Nicht "die" Griechen haben etwas verbrochen. Sondern ihre Oberschicht. Das ist nicht viel anders als bei uns. Bezahlen wird es die griechische Mittel- und Unterschicht. Auch das nicht viel anders als bei uns. Denn auch bei uns verschaffen die oberen Zehntausend ihr Vermögen an der Steuer vorbei ins Ausland. Die Gesellschaft ist nicht ihr Ding, außer wenn es um die Schadensregulierung korrupter Deals mit alpinen Banken geht.

Merkel will die Banken schonen und appelliert allen Ernstes an deren "Ehre". Das dürfte allenfalls für Heiterkeit sorgen im Taunus.

Zahlen sollen wir. Weil wir uns nicht wehren. Sie in Ruhe lassen. Immer noch.

Nee. Meine politische Flagge war mal blau-gelb. Seit einem Jahr ist sie rot. In dieser Woche ist sie noch etwas roter geworden.

Ich freue mich auf den 1. Mai.

Donnerstag, 29. April 2010

Homo Retro

Habe Max Frischs "Homo Faber" entdeckt:
Der Mann will die Frau als Geheimnis, um von seinem eigenen Unverständnis begeistert und erregt zu sein.

Allein für diesen Satz: Nobelpreis! Gilt heutzutage auch für die Technik. Also, das mit dem Unverständnis. Treffe vieler solcher Leute in Projekten. Am Anfang Begeisterung. Später oft Ernüchterung. Obwohl die Technik nichts dafür kann. Kurioserweise laufen die Projekte mit Frauen meistens besser. Warum erst jetzt entdeckt (den Faber, also den Frisch)? Ich lese ja schon seit dem Abitur nur noch, was ich will. Nicht was ich muss. Und ich habe schon mehrmals erwähnt, dass das Leben nach dem Vierzigsten rückwärts läuft. Nehme nun Dinge mit, die ich auf dem Hinweg habe liegen lassen.

Wovon ich heute mehr habe als früher: Gelassenheit. Vergleiche das mit den gebotoxten Hollywoodschauspielerinnen. Sie wollen nicht einfach irgendwie jünger aussehen. Sie wollen nochmal ganz bestimmte frühere Lebensphasen nacherleben, mit der Gelassenheit von heute. Da bin ich mir sicher. Männer hingegen wollen die Autos von früher fahren. Das ist einfacher zu organisieren.

Alles läuft rückwärts. Es fing an an dem Tag, als irgendwelche Gläubige die Internetbüros in New York zurück ins Mittelalter sprengten. Kybernetisch gesprochen könnte man sagen: Sie haben die Energie unseres Systems nur ein bisschen umgelenkt, und schon wurde es zur Zeitmaschine. Seitdem: Alles rückwärts. Krieg kam wieder. Aber jetzt nur im Fernsehen. Religion kam wieder. Dann wie gesagt die Autos von früher, gleiche Namen aber nicht gleiches Design. Werden trotzdem gekauft. Dann die große Depression, also wirtschaftlich. Dann die Massenarmut. Dann die Musik: immer nur die Stücke von damals, gesungen von ganz jungen Menschen. Der Moderator der Hitparade fordert uns nicht mehr auf, Postkarten zu schreiben, sondern anzurufen. Und eine Jury sitzt mit am Tisch und sagt den Sängern unverblümt, was man früher nur hinter verschlossenen Türen gesagt hätte. Auch Videospiele auf Computern von früher kommen wieder (Beweis von Werner).

Was auch wiederkommt: Schwarze Freitage und Staatspleiten. Bald auch Inflation? Man weiß es nicht. Kann man nur spekulieren und als Techniker halte ich mich nur an Fakten.

Mir begegnen auch Leute von vor zwanzig Jahren wieder. Beziehungsweise sie schreiben mir. Wenn sie mich entdeckt haben. Am Anfang: großes Hallo. Aber ein Treffen klappt irgendwie nicht. Wenn ich mal einen Termin in Hamburg oder Dortmund oder Düsseldorf habe, der Terminkalender ist immer voll. Manchmal genügt es mir aber, dass man sich hätte treffen können.

Auch die Atomkraftgegner kommen wieder. Es verblüfft mich. Hätte man damals schon Digitalkameras und USB-Sticks gehabt, man bräuchte die Filme nur rückwärts laufen zu lassen. Wie weit wird das noch gehen? Politisch zum Beispiel kann einen das beunruhigen. Manches will man ja nicht wieder haben. Ich denke: Wenn es hart auf hart käme, wir könnten uns innerhalb einer Stunde ins Ausland retten. Techniker braucht man überall. Ich verstehe nicht, warum alles rückwärts läuft und womit das zusammenhängt.

Meine einzige Theorie: Die Ausdehnung des Universums ist zum Stillstand gekommen und es beginnt die Kontraktion. Welch ein Zufall, dass ich ausgerechnet jetzt lebe und dabei bin. Statistisch gesehen fast unmöglich. Vielleicht sollte ich Lotto spielen.

Mittwoch, 28. April 2010

Interview mit Elmar Brok, MdEP und Lobbyist

Wo sind eigentlich unsere Europaabgeordneten, wenn man sie braucht? "Wir können Europa besser" tönte das liberale Supermodel, das sich ins Präsidium des EP wählen ließ. Jetzt, wo es hagelt, verkriechen sie sich anscheinend.

Elmar Brok, Mitglied der CDU und "außenpolitischer" Sprecher der EVP-Fraktion, hat sich am Freitag ans Telefon getraut und dem Deutschlandradio ein Interview gegeben. Ich fasse mal kurz zusammen:

- Wir können die deutschen Banken, als Gläubiger, nicht an der Griechenlandhilfe beteiligen, solange das die anderen Länder mit ihren Gläubigern nicht auch tun. Und selbst wenn, kann man nicht wissen, welche Auswirkungen das wieder auf "die Märkte" hat.

- Die Hilfen, die für die Rettung Griechenlands zur Debatte stehen, sind klein im Vergleich zur Rettung der deutschen Banken vor zwei Jahren.

Mit anderen Worten: Elmar Brok spricht wie jemand, der im Auftrag deutscher Banken im Europaparlament sitzt.

Desiderate

Banken scheinen eine höhere Aufgabe zu haben, als gemeine realwirtschaftliche Unternehmen. Sie haben mehr Rechte aber weniger Pflichten als wir Wertschöpfenden.

Sie dürfen z.B. unsere Hypothekenkredite verkaufen, ohne uns zu fragen. Darf ich umgekehrt auch mein Festgeld verkaufen, wenn ich meine Bank allmählich nicht mehr für kreditwürdig halte?

Banken nehmen für Kredite einen umso höheren Zins, je höher sie das Kreditausfallrisiko einschätzen. Solange der Schuldner zahlen kann, verdient die Bank an ihm überdurchschnittlich. Fällt der Schuldner aus, erwartet die Bank, dass der Staat in Haftung tritt.

Banker haben Derivate (der göttliche Lloyd Blankfein von Goldman Sachs nennt sie vielleicht: Desiderate) erfunden und uns erzählt, damit könne man sich vor Kursbewegungen absichern. Z.B. mit kollateralisierten Schuldverschreibungen. Wir dachten: kollateralisiertes im Sinne von gestreutes Risiko innerhalb des Portfolios eines CDO. Die Bank meinte aber: kollateralisiert im Sinne sozialisierbarer Verluste. Die Banken nutzen ihre eigenen CDOs nicht zur Versicherung riskanter Kredite. Genau hierin hätte aber der Beitrag der Banken zur Weiterentwicklung des Kapitalismus gelegen: Riskanten Schuldnern Kredite zu ermöglichen, so dass sie die Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen.

Aber Versicherungsprämien schmälern die Gewinnmarge und deshalb haben die Banken darauf verzichtet.
Stattdessen zocken sie mit ihnen. Wenn die Kreditebedienung ausfällt, kritisieren sie die Gesellschaft, die sie "aus politischen" Gründen zur Kreditvergabe animiert habe und erwarten von der Gesellschaft die Leistung - und zwar ohne Gegenleistung-, die eigentlich ihre CDOs hätten leisten sollen.

Nach dem Verständnis des Papstes aller Spielcasinos verrichten Banken Gottes Werk. Wir zahlen zwar keine Kirchensteuer für ihn, aber wir haften für all seine Spielschulden. So kann er sich die Gewinne alle selbst einstecken. Schuldscheine lässt er einfach für uns auf dem Tisch liegen.

Ein amerikanischer Investmentbanker hielt für das Nummernschild seines Cayenne den Spruch passend: "2 BIG 2 FAIL"..

Beim Nachsinnen über Assoziationen zum Selbstverständnis der Bänker und die Frage, wie wir diese Geister wieder loswerden, fielen mir weder Bilder noch Lösungen ein. Mir fiel stattdessen ein, dass es die Bänker sind, die uns erlegen wollen. Und zwar, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Es ist immer die gleiche Zunft, die uns stresst: Es sind die Analysten, die AG Vorstände zu Entlassungen auffordern, um die Arbeitskosten zu senken. Es sind die Volkswirte der Banken, die uns zu Lohnverzicht ermahnen. Es sind Analysten, die uns Aktien andrehen, die sie selbst für sich schon lange abgeschrieben haben. Es sind Kreditabteilungen, die Hypotheken zu Wertpapieren verbriefen und verkaufen. Es sind die Investmentbänker, die zocken und sich vom Steuerzahler raushauen lassen. Und es sind dann wieder die Volkswirte, die den Staat zum Sparen auffordern. Sparen, natürlich bei denen, die sie für nutzlos erachten: Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

Das erinnert mich an das Foto von David Wojnarowicz von den Büffeln, die über die Klippe fallen. Indianer jagten Büffel, die ihnen nach Zahl und Kraft eigentlich überlegen waren, indem sie sie in Richtung einer steilen Klippe trieben. Wer mit viel Getöse gejagt wird, vergisst, dass er den Jägern eigentlich überlegen wäre, würde er sich nur auf seine Solidarität besinnen und sich nicht dieses miese Spiel aufzwingen lassen.

Wojnarowicz "identifies himself and ourselves with the buffalo, pushed into the unknown by forces we cannot control or even understand".

Ein Bild, das das krude Selbstverständnis und die Vorgehensweise von Blankfein perfekt illustriert.

Dienstag, 27. April 2010

Manager- und Politikerdeutsch

Aus den Charts verschwunden:

Sicht, ich/wir fahren auf. Aus dem Sprachgebrauch verschwunden seit Aufhebung der Flugverbote durch die Vulkanasche, weil es zu populär wurde. Auch das gemeine Touristenvolk flog seitdem ->auf Sicht. Nicht mehr elitär genug.

Neueinsteiger im April:

Liefern, die Abteilung/der Projektleiter/der Grieche muss. Abwertende Managerfloskel für die produktive Klasse. Wird neuerdings auch zur Kaschierung der eigenen Ratlosigkeit, Urteils- oder Entscheidungsschwäche von Politikern wie z.B. Reiner Brüderle verwendet.

Elektromobilität, Deutschland wird Leitmarkt für. Hype, der die Tatsache ignoriert, dass wir mit Straßenbahn und Zug längst eine -wenn auch leitungsgebundene- Elektromobilität haben und nutzen. Die Floskel ist derzeit Tür- und Budgetöffner für Lobbyisten beim Bundesforschungsministerium. Immer mehr -> treiben das Thema, aber immer weniger verstehen, worum es dabei geht.

Treiben, das Thema; Verweis auf jemand anderen, der verantwortlich für den Fortschritt eines -meist ungeliebten- Vorgangs ist, über den man selbst schon lange den Überblick oder die ->Sicht verloren hat.

Alternativlos. Floskel denk- und diskussionsfauler Politiker. -> Unklar bleibt dabei, ob es keine Alternative gibt, oder ob sie nur tabu ist.

"Social Profit". Unsägliche Wortschöpfung des Maserati fahrenden Vorsitzenden der Berliner Treber-(Obdachlosen-) Hilfe, die suggerieren soll, man müsse privaten Großspendern mit deren vermeintlichen Codes gegenüber treten, um für die Bedürftigen den größtmöglichen Nutzen zu -> generieren. Dient in Wahrheit der Verschleierung des eigenen Luxus ("Profit") auf Kosten von Bedürftigen ("Social").

Diese(s), Stadt/Land. Früher: "Unser(e) Stadt/Land". Pronomen von Berufspolitikern, die damit ihrer inneren Distanz und damit ihrem Angestelltenverständnis von ihrem Mandat, Ausdruck geben.

Menschen, die. Beispiel: Besser für die Menschen draußen im Lande. Distanzierende Bezeichnung von Berufspolitikern für unsere Gattung. Wir sind draußen, der Politiker ist drin.

Sonntag, 25. April 2010

Immer wieder Hertha - Schalke



Vor einem Jahr hätte Hertha mit einem Sieg über Schalke in die Championsleague einziehen können. Da stürmten noch Woronyn und Pantelic für sie. Wir gingen ins Olympiastadion. Für Schalke ging es letztes Jahr nicht mehr um viel. Deshalb hatten wir keine Gewissensbisse, für Hertha zu sein. Und ist ja auch immer rührend, wenn Frank Zander vor der Hertha Kurve sein "Nur nach Hause gehn wir nicht" (Melodie: "I am sailing") anstimmt. Jedoch: Hertha nutzte seine Chance nicht. 0-0

Laut Tagesspiegel (Link) haben Hertha BSC und die Bahn AG eines gemeinsam: Ein Missmanagement, das versucht, ohne Substanz das Spiel zu gewinnen. Da passt es, dass die Hertha auf ihren Trikots für die Bahn wirbt...

Gestern: gleiches Spiel. Diesmal gehts für beide um alles. Aber für Schalke um noch mehr. Ich hatte versucht, bei Ebay Tickets zu kriegen. Einfach, aber keine drei Plätze nebeneinander. Tom hatte die gute Idee, zum Ticketshop am Bahnhof zu gehn. Wir ergatterten drei Stück neben der Schalkekurve.

Wenn man am S-Bahnhof Olympiastadion die Treppe hoch kommt, am besten erstmal nach links: Zum preußischen Biergarten :-) Und dann ins Stadion. Durst löschen. Ein halber Liter kostet sage und schreibe 5 EURO. Sofern man an den chronisch unterbesetzten Bierwagen mal dran kommt... Aber egal. Die Stimmung war schon hier ganz gut. Als der Trompeter aus Westerholt zur Attacke blies, gingen wir hoch auf die Tribüne. Block F.



Die erste Halbzeit war von beiden Seiten so lala.. Tierisch ein schlug dann die Meldung vom 1-0 für Gladbach gegen die Bayern. Leider kam später noch der Ausgleich. Bei uns kam erst in der zweiten Halbzeit Pepp ins Spiel. Wenige Ecken. Einige Torchancen. An den Fans lag es nicht: "Vorwärts FC Schalke! Schieß ein Tor für uns!" Und in der 87. Minute wurden wir endlich erhört! Flanke von links, Kopfballversuch. Abgewehrt, vor die Füße von Westermann. Und der haut ihn rein. - Unbeschreiblicherm erlösender Jubel...!

In zwei Wochen wird Hertha sein vorerst letztes Erstligaheimspiel austragen. Der Gegner: Die Bayern. Ich weiß, dass Hertha noch mal alles geben wird. Sie ist im Moment unberechenbar. Den Bayern gönnt kein Berliner den Titel. Deshalb werden sie hier stolpern. Und Schalke wird Meister..

Fotos: Tom

Samstag, 24. April 2010

Brüderle findet Finanzkrise schwierig

Der auf Phoenix laufende FDP-Parteitag führt einem mal wieder schmerzhaft vor Augen, was für schlechte und uninspirierte Politiker wir in den Spitzenfunktionen haben. Überall nur noch Machtmechaniker, die wissen, wie man sich in Gliederungen durchschlägt. Oben angekommen, wissen sie aber nicht mehr, was sie da eigentlich sollen. Die Rede von Pinkwart: Grottenschlecht! (Gut hingegen die Interviews am Rande, Burkhardt Hirsch sagt z.B.: "Alle sind Bürger in diesem Land. Auch Sozialdemokraten sind Bürger." Westerwelle dürfte sowas als innerparteiliche Provokation auffassen.)

Die FDP wird nach dem NRW-Wahltag vor der Verlockung einer Ampelkoalition stehen: Nur so wird sie auch weiterhin eine Machtoption ausüben können. Aber darüber wird hier nicht geredet.

Und natürlich wird nicht über das geredet, was wirklich wichtig wäre. Z.B. was uns (Normalbürgern) finanzpolitisch bevorsteht:

Wir lernen wieder mal, dass sich Bescheidenheit und Disziplin nicht lohnen. Denn belohnt wird, wer dreist hohe Forderungen stellt, und dann nicht liefert. Oder seine Gläubiger schlicht betrügt. Und dann sein Versagen sozialisiert:
- Bänker.
- Manager.
- Regierungen.

Merkel; Brüderle und Schäuble wollen uns erst nach dem Wahlabend in NRW folgendes sagen:
- Nur eben weil Ihr bisher so bescheiden wart, Reallohnverluste hingenommen habt, kommt Ihr als einer der wenigen Retter überhaupt in Frage. Zuerst für unsere Bänker. Und jetzt für Griechenland, also mit anderen Worten auch für unsere Bänker.

Anstatt uns endlich mehr Luft zum Atmen zu geben und uns den Lohn des Schweißes zu lassen, drehen sie die Schrauben noch weiter an.
- Ausgabenkürzungen im Sozialetat.
- Einnahmensteigerungen aus der Mittelschicht.
Damit werden die Ackermänner, Nonnenmacher, Blessings und McKinseys alimentiert.

FDP und CDU kommunizieren so, als ginge sie die Situation gar nichts an: Brüderle sagt auf seinem Parteitag allen Ernstes: "Der IWF muss nun analysieren und planen. Und Griechenland muss liefern." Er selbst muss gar nichts tun. Welch ein Glück, denn er ist noch dabei, zu verstehen, was vor sich geht. Genau wie Merkel. Die hat von Finanz- und Marktwirtschaft anscheinend wenig Ahnung, sonst hätte sie nicht zum besten geben können, dass es sich bei den beschlossenen Hilfen nicht um Subventionen handelt, sondern um Bürgschaften und Kredite zu "marktüblichen" Zinsen. Die Subvention besteht aber genau darin, den Unterschied zwischen den hohen Zinserwartungen für griechische Anleihen am Markt und dem, was man für "marktüblich" hält, zu decken. Brüderle dagegen sieht jetzt den IWF am Zug, also den Co-Investor! Er überlässt die Analyse und die Handlungsempfehlungen jetzt denjenigen, die ein Interesse an einem politisch schwachen EURO haben. Und verkauft uns das so, als liege eine besondere Raffinesse darin, hier einen potenten Investor an der Seite zu haben.

Schäuble hingegen appellierte gestern, die Arbeit im Finanzministerium müsse schneller vonstatten gehen. Wem sagt er das, wenn nicht sich selbst?

Die Finanzwirtschaft ist heute das, was die Atomkraftwerksbetreiber in den 90er Jahren waren. Beide haben viel gemeinsam. Beide sagen und erklären nicht, was sie tun. Beide erwirtschaften hohe Gewinne zu hohen Risiken. Beide halten es für selbstverständlich, ihre Risiken zu sozialisieren. Atomkraftwerke werden an die Landesgrenze gebaut, Schrottpapiere werden "kollateralisiert". Beide halten sich gegenüber der übrigen Gesellschaft für überlegen. Und beide halten ihre Regierungen dumm (bitte richtig lesen: nicht "für dumm" sondern "dumm"). Beide sagen ihren Regierungen auch, was sie zu tun haben.

Warren Buffets Bild von den finanziellen Massenvernichtungswaffen passt besser, als uns lieb sein kann. Der G20 Gipfel tut nur so, als suchte die "internationale Staatengemeinschaft" nach einer "gemeinschaftlichen Lösung". Doch es ist wie früher bei Abrüstungsverhandlungen: In Wahrheit arbeitet zu Hause jeder daran, seine explosiven Arsenale mit möglichst großer Reichweite auf die anderen zu richten.

George W. Bush machte hiermit den Anfang: AIG retten? Ja. Lehman auch? Nein. Denn die Gläubiger von Lehman waren überwiegend Ausländer. Bush, der sich den Krieg gegen internationale Terroristen auf die Fahne schrieb, verhielt sich selbst wie einer. Er trug seinen bevorstehenden Bürgerkrieg (Bürger gegen Bänker) einfach nach draußen.

Und heute ist es Obamas einzige Chance -neben einer Hyperinflation-, die amerikanischen Schulden überhaupt wieder loszuwerden: Indem er sie wie Flugasche über die Grenzen wehen lässt. Und das ist schon wieder in vollem Gange, wie die ZEIT berichtet.

Warum also nicht auch die Forderungen europäischer Banken gegenüber Griechenland zu Wertpapieren bündeln, über die Vertriebskanäle an ausländische, ahnunglose Anleger verkaufen und anschließend synthetische CDOs ausgeben, also mit Wetten auf deren Ausfall obendrein Geld verdienen? Wir könnten sie vorzugsweise den Pensionskassen von Monopolunternehmen wie Gazprom und Exxon und den Vermögensverwaltern der Heutschrecken unterjubeln, die sich an uns schon dumm und dusselig verdient haben.. Und wenn es irgendwie geht, auch in die Portfolios der Täterschichten aus dem Finanzsektor.

Man muss diese Wertpapiere natürlich weiterentwickeln, denn inzwischen haben viele erfahren und fast jeder verstanden, worum es dabei geht, Aber ich bin sicher: Wenn die Börsen wieder in ein optimistisches Fahrwasser kommen, dann lassen sich diese Dinger auch wieder verkaufen. Zunächst als Depotbeimischungen, die gut performen und dann den Appetit auf mehr anregen...

Klingt zu populistisch und brutal? Ich finde, wir sollten jetzt praktisch denken...

Freitag, 23. April 2010

The final chapter

Griechenland steht bekanntlich kurz vor dem Refinanzierungsbedarf mehrerer auslaufender Bonds. Nun fordern einige Politiker, Griechenland solle den EURO verlassen, zur Drachme zurückkehren und diese abwerten.

In welcher Währung soll sich Griechenland denn dann verschulden? Das wäre doch unbezahlbar, wenn alle anderen in Frage kommenden Währungen gegenüber der Drachme aufgewertet würden...

Derzeit schuldet Griechenland vor allem europäischen Banken und Versicherungen. Deshalb sollen wir -Steuerzahler- Griechenland raushauen. Allerdings nur mit Krediten bzw. Bürgschaften, nicht mit Spenden.

Aber Moment mal: Wir müssen die Banken und Versicherungen nicht raushauen, wenn sie ihre Kredite bzw. gezeichneten Anleihen mit CDS abgesichert haben. Das haben sie als gute Bänker doch hoffentlich rechtzeitig? Oder werden die von den Banken nur zum Zocken erfunden und genutzt?

Donnerstag, 22. April 2010

Der serielle Hybrid ist die Zukunft

Schon mal mit 'nem Hybrid gefahren inzwischen? Ja? Und - enttäuscht?

Ja, man träumt vom lautlosen, cleanen und politisch korrekten Gleiten durch die City. Einer der wichtigsten Kaufüberlegungen von Trendsettern: Seht her, Ihr hört nix, denn ich fahre elektrisch!

Doch in der Praxis zerplatzt der Traum. Das Lademanagement, das die Hybridbatterie permanent überwacht, schaltet den Verbrennungsmotor viel öfter dazu, als man erwartet. Die Batterie wird in einem vergleichsweise engen Korridor gehalten. D.h. unterhalb des einen Grenzwertes wird die Batterie geschont und nachgeladen, bzw. auf konventionellen Antrieb umgeschaltet.

Im Winter zehren die kalten Temperaturen und die lange Benutzungsdauer der Beleuchtung an der Batteriekapazität. Und im Sommer die intensiven Verbraucher wie Klimaanlage oder Lüfter. Auch häufige Benutzung der Servobremse zehrt an der Batterie.

Ähnlich ist der Effekt beim sog. Mikrohybrid, d.h. der StartStop-Automatik. Theoretisch schaltet sich der Verbrennungsmotor an jeder roten Ampel ab. Aber nur, wenn das Energiemanagement kein Veto einlegt. Bei hoher Klimalast, oder gleichzeitigem Betrieb anderer Verbraucher, schaltet sich der Motor früh wieder ein oder gar nicht erst ab. Oder stoppen am Hang: Dreimal auf die Bremse getreten und der Motor springt an. Warum? Weil der Bremskraftverstärker Strom verbraucht.

Oder beim Porsche Cayenne Hybrid: Ja, man kann mit ihm elektrisch fahren. Allerdings -wie SPIEGEL Online berichtete- nicht gerade im Porsche Feeling. Tritt man das Pedal weiter durch, schaltet sich der Verbrennungsmotor dazu..

Dieses Praxiserlebnis steht den deutschen Hybridfans noch bevor. Hat man ihn aber erstmal akzeptiert, stellt sich folgende Frage zur Diskussion um die Reichweiten der puren Elektroautos:

Wenn wir ständiges Nachladen von StartStop und Hybridantrieb schon kennen - warum es dann nicht auch beim Elektroauto akzeptieren? Genau nach diesem Prinzip ist der sog. serielle Hybrid konstruiert. Man kennt es von früheren "dieselelektrischen Lokomotiven": Es gab Elektroloks, die brauchten keine Obereitung, weil ihr Elektromotor von einem Generator gespeist wurde, der wiederum von einem Dieselmotor angetrieben wurde.

Warum tat man das? Weil der Elektromotor effizienter mit seiner Energieform umgeht, als der Verbrennungsmotor. Insbesondere im niedrigen Drehzahlbereich. Der spart soviel Energie, dass sich sogar die Umwandlung von Diesel in Strom on board lohnt.

Also, warum dann nicht das Notstromaggregat im Kofferraum akzeptieren? Es klingt nur ein bisschen blöd, weil dieses Aggregat wie ein klassischer Motor klingt, sich aber nicht synchron zum Gaspedal bewegt. Es wird so ausgelegt, dass es den Generator im optimalen Betriebspunkt antreibt. Deshalb kann es relativ klein ausgelegt werden.

Der einzige große Autohersteller, der dieses Prinzip auf den Markt bringen wird, ist OPEL bzw. GM, mit sem Ampera, bzw. Volt. Damit könnten die krisengeschüttelten Firmen wie Phoenix aus der Asche auferstehen...

Lesestoff für die Anreise mit der Bahn

Hier ein hervorragendes Dossier über den Hauptverantwortlichen des ICE- und S-Bahnchaos, Bahnvorstand Ulrich Homburg. Autor ist der ZEIT-Redakteur Torsten Hampel: Link zum PDF

Mittwoch, 21. April 2010

Einfach genial

Entwickler wundern sich oft darüber, dass man auch auf technisch relativ einfache Erfindungen ein Patent bekommen kann. Doch für die "erfinderische Höhe" ist eigentlich nur wichtig, dass die Lösung für einen Fachmann nicht naheliegend ist, also nicht nah an bekannten Lösungen liegt. Das Geniale wirkt, einmal erfunden, oft simpel.

Auch kurze, stark verdichtete Texte oder Präsentationen wirken um so simpler, je mehr Arbeit jemand reingesteckt hat. Unreflektierte Zeitgenossen fragen dann oft öffentlich, was daran denn so besonderes sei...

Ähnliches gilt für die sogenannten Softwarepatente: "Was isn annem One-Click-Shopping so besonderes? Das is doch nur'n Makro." Ja, ist nur'n Makro. Aber die, die das sagen, haben das nicht nur nicht selbst zum Patent angemeldet, sie sind nicht mal auf die Idee gekommen, dass das aus Kundensicht einen echten Nutzen darstellt, weil es Zeit und Tipparbeit spart. Vom besserwisserischen Rumgenöle über Apples Bedienoberflächen will ich hier mal schweigen..

Einfache (im Sinne ihrer Architektur) Geräte können einen hohen Nutzwert haben, wie z.B. das auf dem Foto:



Legt man dieses Sieb auf den Badewannen- oder Duschabfluss, sammelt es den Haarausfall und vermeidet die Verstopfung desfestmontierten Siebes. Und weil es nur aufliegt, kann es ohne Montagearbeiten gereinigt werden. Das ist viel einfacher, als regelmäßig im "Trüben zu fischen", um den Abfluss zu reinigen. Ein simples Gerät, das eigentlich jedem hätte einfallen können, als er mal wieder zu Schraubenzieher, Zange und Eimer greifen musste...

Montag, 19. April 2010

Promising volcanic change of plot

Die Welt geriet aus den Fugen, als in der Senatorlounge der Champagner ausging, meinte ein Leser von SPIEGEL Online. Da ist was dran. Mich erinnern die aufsteigenden Rauchwolken unwillkürlich an den 11. September und ich bin sicher, wenn Bush/Cheney noch im Amt wären, Island würde schon bombardiert.

Aber mir fällt noch was auf: Asche, das ist bei den Katholiken doch das Synonym für Buße. Ist die Vulkanasche ein Symbol für die noch fällige Reue der isländischen Bänker? Oder ist es ein drohendes Signal in Richtung Vatikan, sozusagen von allerhöchster Stelle?

Wo Asche steigt, da ist auch Feuer. Da tun sich Abgründe auf. Unsere bildliche Vorstellung der Hölle da unten, ist die nicht gespeist vom Blick in den Krater eines Vulkans? Dem können sich auch Säkularisierte und Nihilisten, also Bänker, nicht so schnell entziehen. Auch Teile unserer Bundesregierung lehrte der Vulkan, der so heißt wie ein neues Album von Björk, Demut. Sie mussten alle zu Boden absteigen und sich nach Hause durchschlagen. Lange Wege, viel Zeit zum Reflektieren, eigentlich. Aber Guttenberg macht einen Homerun daraus, eine Homerunstory für den Boulevard. Sein Foto heute morgen auf BILD.de, das stand dem oberkörperfreien Russen fast in nichts nach. Hoffentlich fiel "die Mutti" nicht wieder in ein depressives Loch wie letztes mal, als sie ungewohnt viel Zeit zum Nachdenken hatte: zwischen den Jahren.

Ramsauer! Geh raus und mach den Ramses, oder die Rampensau. Jeden Abend. Mag sie ihm gesimst haben. Das ist Deine Chance, dass die Leute mal erfahren, dass es Dich gibt. Gib den Fluggesellschaften nicht zu früh nach. Aber auch nicht zu spät. Jeden Abend nun Ramsauer. Ramsauer vs. Lufthansa. Ramsauer vs. Airberlin. Und dann Liveschaltung in die Wolken. In den vergangenen Tagen wurde mehr Asche in unseren Luftraum geweht, als bisher bekannt. Für einen Moment wurden die Bänker und der Finanzminister ganz hellhörig.

Eine viertel Stunde lang Brennpunkt. Dass es für die stecken gebliebenen Unternehmensberater und Touristen schlimm ist, verstehe ich. Und eine solche Größenordnung rechtfertigt auch Sondersendungen. Aber nur wenn sie Informationen bringen. Aber darum geht es gar nicht. Wie immer, wenn die Erregermaschine für eine neue Wochenstory auf Touren gebracht wird: Alles, was wir noch nicht über die Fliegerei wussten, erfahren wir jetzt.

Dann diskutieren wir wenigstens nicht darüber, wer die Finanzkrise bezahlen soll und wie lange wir noch in Afghanistan bleiben sollten. Oder darüber, dass sich der Bahnchef am Mittwoch ein aberwitziges Großmannsprojekt genehmigen lassen will, anstatt endlich seinen Betrieb in Ordnung zu bringen. Oder über die Abschaffung der Amnestie für Steuerhinterzieher....