Dienstag, 15. März 2011

Worst Case: Erneute Explosion reisst Leck in Reaktorbehälter 2

Jetzt ist passiert, was die letzte Hoffnung nimmt: Unter Berufung auf eine Meldung von Tepco berichten verschiedene Zeitungen, u.a. NYT (Link) und FOKUS (Link) folgendes (Die Pressemeldungen der IAEO kommen leider nur stark verzögert, Link.):

Reaktor 2:
Die Befürchtung, die nach Reparatur eines Dampfablassventils und beim Fluten des Reaktors, auftrat, nämlich dass ein Leck die Ursache für den nur langsam ansteigenden Wasserpegel im Reaktor sein könnte, hat sich bewahrheitet: Die Reaktorhülle von 2 ist beschädigt. Die höchstwahrscheinlich im Gange befindliche Kernschmelze wird nun anfangen, die Umgebung mit starker Strahlung zu verseuchen.
=> Man kann sagen: Sollte es noch mal eine (Wasserstoff-) Explosion geben, die die Reaktorhülle weiter beschädigt oder zerreisst, würden Teile der Kernschmelze nach außen geschleudert, das wäre ein neues Tschernobyl.

Reaktor 4:
War bereits vor Ausbruch des Erdbebens außer Betrieb und enthält "nur" abgebrannte Brennelemente, die aber stark strahlen. Das am Morgen ausgebrochene Feuer wurde inzwischen gelöscht. Ob Reaktor 4 durch den Brand, der möglicherweise die Reaktorhülle beschädigt hat, eine der Quellen für die stark ansteigende Strahlung ist, wird noch untersucht.

Die stark ansteigende Strahlung wird auf der Anlage nun zum großen Problem, weil sie die Arbeiter stark behindert, wenn nicht die Arbeit komplett unmöglich macht. Die meisten Arbeiter und Ingenieure wurden bereits "nach Hause" geschickt. Aber auch die verbleibenden 50 werden ihre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wasserstände in den Reaktorbehältern wohl nicht mehr lange aufrechterhalten können.

Dann wird das Kraftwerk sich selbst überlassen. Die "Resthitze" der Brennelemente ist wohl auch vier Tage nach der Schnellabschaltung weitaus höher als gedacht. Es besteht das Risiko weiterer Wasserstoffexplosionen.

Montag, 14. März 2011

TEPCO Ingenieuren gelingt Flutung des Reaktors 2

Die NY Times berichtet (Link):

Reaktor2:
Bevor Meerwasser zur Kühlung eingeleitet werden kann, muss über die Außenventile des Reaktors aufgestauter Dampf abgelassen werden. Diese Ventile sind überhaupt das wichtigste Instrument, um die Reaktorhüllen intakt zu halten. Die Hitze der schmelzenden Kernbrennstoffe und Nachzerfallsprodukte erhöht den Druck permanent. Doch die Ventile streikten bis in die Nacht (japanischer Zeit). Kein Dampfablass, kein Kühleinlass. Das Risiko, dass die Hülle berstet, steigt. Das wäre Tschernobyl. Erst am frühen Dienstagmorgen gelang es ihnen, eines der Ventile gangbar zu machen und später Wasser einzuleiten.

Neues Problem: Der Wasserpegel im Reaktor steigt nicht so, wie es der eingeleiteten Wassermenge entsprechen würde. Das deutet im schlimmsten Fall auf ein Leck hin. Doch dafür sind angeblich die gemessenen Strahlungswerte zu niedrig.

Reaktoren 1 und 3:
Beide haben inzwischen keine Außenhülle mehr. Aber sie sind mit Meerwasser gefüllt.

Merkel: "Wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort. Das Moratorium"

Ich könnte es mir heute Abend einfach machen: Es muss erst etwas passieren -wie schon beim Ausbruch der Finanzkrise- bevor die Konservativen Handlungsbedarf sehen. Jedenfalls bei den Themen, die ihrer Klientel unwillkommen sind.

Es war unaufrichtig, als Herr Töpfer gestern im ARD Presseclub sagte, diese Katastrophe habe sich bis "gestern niemand vorstellen können." Atomkraftgegner führen schon seit Jahrzehnten das Argument, angesichts der drohenden Schadenshöhe müsse man auch das Unwahrscheinlichste ins Kalkül ziehen. Als sie 1990 forderten, Atomkraftwerke müssten auch sicher sein vor Terroristenangriffen und Flugzeugabstürzen, ahnte noch niemand, dass wir irgendwann mal auch von der Kombination von beidem ausgehen müssten. Wer aber damals so redete, dem wurde Panikmache vorgeworfen. Auch von Klaus Töpfer, der damals Bundesumweltminister war.

Jetzt haben wir den Fall. (Wobei ich seit gestern immer noch Hoffnung habe, dass die Reaktorbehälter aller Kernschmelzreaktoren halten werden. Dann würde Japan um die weitflächige Verseuchung herumkommen.)

Und prompt reagiert die Kanzlerin, die Landtagswahlen im Nacken. Sie merkt anscheinend nicht, dass das, was sie heute vorgab zu tun, von der Mehrheit der Deutschen gefordert wird, dass sie ihre Glaubwürdigkeit damit aber auch wieder einmal ramponiert. Wer einschneidende und sehr kontroverse Gesetze einfach durchpaukt, von dem erwarte ich zumindest, dass er nach Prinzipien handelt, dass er von dem was er tut, innerlich überzeugt ist. War sie das bei diesem Auftritt im Bundestag als sie die Laufzeitverlängerungen begründete?



Merkel hat heute bewiesen, dass sie nicht nach Prinzipien handelt. Sie dreht sich wie eine Fahne nach dem Wind. Dabei vermeidet sie konkrete Aussagen und leistet Akrobatisches. Sie will für drei Monate die gesetzliche Laufzeitverlängerung aussetzen. "Und was bedeutet das Konkret? Werden dann alte Kraftwerke sofort abgeschaltet" fragte eine Journalistin (ab Minute 10:15 im offiziellen Video der Pressekonferenz, Link) in der Pressekonferenz.

Und Merkel schaute verwirrt -wie damals Günter Schabowski - und sagte so etwas wie, 'wenn ich das recht verstehe, gilt das sofort.' Was soll das sein, ein dreimonatiges Moratorium der Laufzeitverlängerungen? Merkel: Was das bedeutet, werden wir jetzt ausarbeiten.

Da darf man gespannt sein. Denn entweder heißt es, dass durchs neue Sicherheitsraster fallende Reaktoren sofort abgeschaltet werden, und die Opposition argwöhnt, dass sie nach drei Monaten -also nach den Landtagswahlen- dann wieder ans Netz gehen, die Volksnähe also nur simuliert wurde. Und was heißt es für die Kraftwerke, deren Laufzeit auch ohne Verlängerung noch nicht abgelaufen war? Für die heißt es gar nichts.

Bemerkenswert auch die Wendung: Gesetzliches sei -wie sagte sie genau?- nicht so wichtig, man werde jetzt erstmal mit den Energieversorgern reden.

Guido Westerwelle glaubt, eine neue Erkenntnis zu verbreiten, als er auf der Pressekonferenz sagt, in Japan sei der Ausfall der Kühlsysteme die entscheidende Problemursache gewesen. Und jetzt müsse man in Deutschland prüfen, ob wir auch solche Risiken in unseren Atomkraftwerken haben - auch wenn wir keine Erdbeben und Tsunamis zu befürchten haben. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis und zum Erreichen der Ballhöhe, auf der die Kritiker seit Jahrzehnten sind.

Der Frage, wie sie es unter den Hut bekomme, die Laufzeitverlängerungen auszusetzen und gleichzeitig dem Finanzminister die Brennelementesteuer in voller Höhe zu garantieren (wie dieser das fordert), beantwortete Merkel nicht und Westerwelle entlarvend: "An drei Monaten Moratorium werden die Staatsfinanzen nicht scheitern." Aha, der Weiterbetrieb danach ist also doch eingeplant?

Gestern sagte Merkel so etwas wie: "Unsere Kraftwerke sind sicher. Aber weil sie vielleicht doch nicht sicher sind, prüfen wir noch mal." Was ist das für eine verwirrte Politik?

Gestern warfen Konservative den Parteien, die schon immer die Befürchtungen der Atomkraftgegner vertreten haben, vor, sie würden die Lage "politisch missbrauchen". Und heute sind es Merkel und Westerwelle, die auf Antiatom machen. Das ist unredlich, unseriös und man sieht beiden förmlich an, wie sie schwimmen, dass sie nicht fest im Sattel sitzen. Sie wissen nicht um die Bedeutung und die Folgen von dem was sie da ankündigen. Von den unsäglichen, gestrigen Auftritten einer Birgit Homburger und der Staatssekretärin im Umweltministerium (!), Katherina Reiche will ich da noch höflich schweigen. Die haben sich gestern in ihren Rollen ebenfalls disqualifiziert. Stefan Mappus brüstete sich gestern noch im Wahlkampf, mit dem Bierglas in der Hand, es sei unanständig, "jetzt" über Atomkraft in Deutschland zu diskutieren, das gebiete der Resepekt vor den Japanern. Heute Abend sagte er, die Aktion der Kanzlerin sei richtig, man könne über die Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.. Das ist der Stil von Schwarz-Gelb.

Auch das Argument, wenn wir aussteigen, dann bleiben unsere Nachbarn trotzdem drin. kann vernachlässigt werden. Das spielt ja auch keine Rolle, wenn wir Deutschland wegen konservativer Paranoia zu einem Überwachungsstaat hochrüsten. Wir werden aussteigen aus Überzeugung, aus Erkenntnis. Das wird bei unseren Nachbarn etwas auslösen, wenn das überhaupt nötig ist. Merkel hat selbst gesagt, man könne jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Das sagen sich unsere Nachbarn auch.

Und doch: Die Meinung wird sich in wenigen Wochen wieder drehen können. Wenn nämlich die Containments aller Kernschmelzen halten und die Strahlung auf das Innere der Reaktorhüllen begrenzen, dann werden die Atomkraftwerksbetreiber verkünden können, dass der SuperGAU beherrschbar ist. Der Gang durch die Hölle könnte dann das Bewusstsein verändern. Das Unvorstellbare wäre passiert - und man hätte es überstanden. Angesichts dessen, könnten die Konservativen es also in einigen Wochen bereuen, zu früh -nur wegen naher Wahlen, nachgegeben zu haben. Aber vielleicht ist genau das Geniale an dem, was Merkel heute gesagt hat.

Sonntag, 13. März 2011

Etwas Hoffnung für Fukushima

Als die Sensorik des AKW Fukushima die Erdstöße registrierte, schaltete sie wie vorgesehen den Reaktor ab, indem sie die Einfuhr der Steuerstäbe auslöste. Das hat wie vorgesehen funktioniert. Wir haben erfahren, dass die Stärke des Erdbebens um 0.7 Punkte auf der Richterskala nach oben korrigiert wurde. Da die Richterskala logarithmisch aufgeteilt ist, war das Beben um ein Vielfaches, nicht um Prozente höher, als gedacht und als das Kraftwerk ausgelegt ist.

Wie berichtet geht der Zerfall der bereits gespaltenen Atome aber weiter und produziert die Nachzerfallswärme. Diese muss von den Wasserpumpen durch den Kreislauf gepumpt werden. Da ein abgeschaltetes Kernkraftwerk selbst keinen Strom mehr erzeugt, braucht man externe Energie für die Pumpenantriebe: Notstromdiesel. Sie waren vorhanden (das klang am Freitag erst noch anders) und funktionierten.

Zu den Nachzerfallsprodukten des Urans in den Brennstäben gehört das radioaktive Cäsium, das später in der Umgebung des Kraftwerks gefunden wurde. Innerhalb von Tagen wird dieser Nachzerfallsprozess abgeklungen sein. Solange wird Kühlung durch Wasserumwälzung benötigt.In dem Wasserbad/Dampf/Luft-Gemisch entstehen durch den "Neutronenbeschuss" der Strahlung aus den Brennstäben ebenfalls radioaktive, jedoch sehr kurzlebige, Isotope von Stickstoff und Xenon.

Die Dieselpumpen liefen solange, bis nach einer Stunde der Tsunami kam und sie außer Gefecht setzte.

An dieser Stelle müssen wir also festhalten: Nicht das Erdbeben, sondern der Tsunami hat die Ereignisse in Gang gebracht..

Die letzte Reißleine nach dem Ausfall der Diesel waren die am Freitag viel zitierten Batterien. Wir lasen, dass die nur für 2h ausgelegt waren. Deshalb rechneten alle, die die Medien verfolgten, auch ich, damit, dass nach zwei Stunden die Kernschmelze einsetzen musste, weil es keine Kühlung mehr gab.

Doch die Batterien waren nicht für zwei sondern für acht Stunden ausgelegt. Die Ingenieure bescherten (wie Stefan es so richtig sagte) den Behörden also acht Stunden, um die Bevölkerung in Sicherheit zu bringen. Und sie schenkten sich selbst acht Stunden, sich um eine Ersatzstromversorung der Pumpen zu kümmern. Auch diese konnte man beschaffen, doch man hatte keine passenden Kabel, um sie anzuschließen.

Wir halten fest: Es geht beim Durchspielen von SuperGAU-Szenarien auch um so läppische Dinge wie passende Kabel. Man kann nicht so dumm denken, wie es dann kommt. Man bemisst Reaktorhüllen, baut Wahnsinnstechniken und dann passen die Kabel für die Dieselgeneratoren nicht!

Aber auch: Die Betriebsingenieure konnten sich auf die Entwicklungsingeniere des Kraftwerks bis zu diesem Punkt mehr als geplant verlassen.

Jetzt, ohne Wasserkühlung, müssen die Ingenieure den sich aufbauenden Druck im Reaktor beobachten und handhaben. Denn die Reaktorhülle (nicht zu Verwechseln mit der Gebäudehülle) ist die letzte massive Barriere zwischen der Radioaktivität und der Außenwelt. Der Reaktor hat mehrere Außenventile, um den Druck von Zeit zu Zeit abzulassen. Wie bei einem Schnellkochtopf. Man muss das Ganze nur stabil halten, die Hitzeentwicklung klingt ja über die nächsten Stunde und Tage ab. Irgendwann wäre man dann unten. Und genau das taten die Ingenieure gestern: SIe ließen buchstäblich Dampf ab. Auch die hierfür vorgesehenen Ventile funktionierten.

Und mit dem Dampf ließ man auch die kurzlebigen radioaktiven Stoffe mit ab. Wie kurzlebig die sind, hatte ich gestern nicht präsent. Ihre Strahlung klingt aber innerhalb von Sekunden und Minuten ab.

Ich korrigiere mich und wir halten fest: Die Meldung, dass eine geringe Strahlung vor dem Kraftwerk gemessen wurde und dass diese im Tagesverlauf geringer wurde, ist plausibel!

Aber genau währenddessen explodierte etwas - zwischen Reaktor- und Gebäudehülle. Das Bild ging um die Welt und wird morgen das Titelbild des SPIEGEL schmücken. Das Bild ist falsch interpretiert. Aber es wird als 11. September der Atomenergie im Gedächtnis bleiben.

Wir wissen immer noch nicht, was und warum was explodierte. Aber es könnte sein, dass die gewissenhaften Ingenieure den Wasserdampf in den Zwischenraum zwischen Reaktor und Gebäude abließen. Eigentlich müsste es hierfür einen Extrakondensator geben. Doch weil der Wasserdampf von der Nachzerfallswärme auf zu hohe Temperaturen getrieben wurde, war er schon zu Wasserstoff und Sauerstoff wie man sagt "dissoziiert". Als er dann außerhalb mit Luft in Berührung kam, gab es wahrscheinlich eine Wasserstoffexplosion. Und die Reaktorhülle blieb intakt.

Ich interpretierte das gestern als das Nachgeben der Reaktorhülle auf die Hochdruckkernschmelze, die ebenfalls einen immensen Druck aufbaut.

Das waren zu diesem Zeitpunkt also zwei Meldungen, die ich der Regierung nicht glaubte: 1. Die draußen gemessene Radioaktivität klingt schon wieder ab. und 2. Die Reaktorhülle ist trotz der Explosion und der sichtbar beschädigten Gebäudehülle intakt.

Im Reaktor senkt sich der Druck. Aber auch der Wasserpegel. Und damit werden die Brennstäbe von oben nach unten nach und nach bloßgelegt. Und dann sinkt die Wärmeabfuhr von den Brennstäben ins Wasserbecken. Und die Temperatur der nach zerfallenden Brennstäbe steigt wieder.

Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ingenieure noch keinen Ersatz für die Batterien oder Notstromdiesel aufgetrieben. Und deshalb starteten sie die Aktion, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen.

Rangar Yogeshwar hat uns im ZDF vorhin erklärt, dass das Meerwasser nicht in direkt in den Reaktor sondern in die Zwischenhülle eingeleitet wurde. Aber warum wurde dann Borsäure mit ins Meerwasser gegeben? Bor ist ein Mittel, dass Neutronen absorbiert und Kettenreaktionen zum Erliegen bringt. Das macht nach meinem Verständnis nur Sinn, wenn man es direkt in den Reaktor gibt.

Wichtige Frage: War zu diesem Zeitpunkt eine Kernschmelze im Gange? - Vermutlich ja, das hat auch die Regierung so kommuniziert: Teilweise Kernschmelze.

Ist die Kernschmelze beherrschbar? - Wenn das Containment an seinem Boden dafür ausgelegt ist, ja. Wenn nicht? Dann kommt es darauf an, wie weit sie schon voran geschritten war, als das mit Bor versetzte Wasser eingelassen wurde.

Aber die wichtigste Voraussetzung für all das ist, dass die Reaktorhülle vollständig unversehrt ist.

Alles in allem sieht es demnach schlimm genug aus in Fukushima, aber nicht unbedingt unbeherrschbar. Ich habe wieder etwas Hoffnung.

Quellen: Wikipedia, World Nuclear News,

Samstag, 12. März 2011

Sicherheitsbereich

Regierungsviertel Berlin am Abend des 12. März 2011:






Auch von der WAA Rokkasho droht Radioaktivität

Via Twitter:

Nördlich von Fukushima befindet sich die Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho (Wikipedia Link). Hier lagern (lt. Mycle Schneider, FOCUS Link ) "3000 Tonnen hochradioaktiver abgebrannter Brennstoff“.

Der hochradioaktive Müll, bestehend aus verwerteten Brennelementen, muss permanent gekühlt werden, damit sich die Elemente nicht selbst entzünden. Auch die Kühlung dieser Anlage läuft auf Notstrom.

Misstrauen gegenüber TEPCO ist angebracht

Gegenüber der Kommunikation von Atomkraftwerksbetreibern muss man misstrauisch sein. Das gilt auch für den japanischen Betreiber TEPCO. Laut Wikipedia wurde 2002 aufgedeckt, dass TEPCO 16 Jahre lang Berichte gefälscht und Inspektionen aus Kostengründen verschleppt wurden. 2007 wurde ein Unfall vertuscht (Wikipedia Link).

Auch Vattenfall hat in der Vergangenheit über Unfälle auf seinen Kraftwerksgeländen nicht seriös kommuniziert (Wikipedia Link).

Was mich an den Berichten über Fukushima irritiert ist: Man hat Wasserdampf aus dem Reaktor abgelassen. Aber wohin? In die Atmosphäre? Oder in einen für solche Zwecke eigentlich vorzuhaltenen Konsensationsbehälter? - Jedenfalls wurde in der Umgebung radioaktives Cäsium gefunden. Stammt dieses aus dem Reaktorraum? Wenn der Kontrollraum schon mit "1.000-facher Radioktivität" kontaminiert ist, ist die Kernschmelze höchstwahrscheinlich schon im Gange. Der Druckablass soll Zeit gewinnen für das Abklingen der Nachzerfallswärme, die das Reaktorwasser nach wie vor aufheizt.

Was sich im Reaktor derzeit abspielt ist etwa folgendes: Die von den Brennstäben ausgehende neue Kettenreaktion ist gestoppt. Aber die zum Zeitpunkt der Abschaltung bereits im Gange befindliche Zerfallskette geht weiter und heizt das Reaktorwasser auf. Eigentlich müsste der Reaktor deshalb immer noch gekühlt werden, d.h. die Umwälzpumpen, die das Wasser durch den Reaktor pumpen, wo es verdampft und dann die Generatorturbinen antreibt und danach im Kühlturm wieder zu Wasser wird, müssten in Betrieb gehalten werden. Aber es steht (oder stand) nur Batteriestrom zur Verfügung, der inzwischen erschöpft sein dürfte.

Die Tagesschau berichtet.
Die Regierung bezeichnete die freigesetzte Menge an Radioaktivität als "sehr gering". Weil bereits Evakuierungen angeordnet seien und der Wind Richtung Meer wehe, "können wir Sicherheit garantieren".



Die einzige gute Nachricht, der einzige Vorteil des Siedewasserreaktors ist es, dass mit dem verdampfenden Wasser auch die moderierende Funktion des Wassers wegfällt. Das Wasser kühlt nämlich nicht nur. Es bremst die Kettenreaktionen der Brennstäbe auch so ab, dass sich eine stabile Kettenreation überhaupt erst aufbauen kann. Im Umkehrschluss bremst fehlendes Wasser die ablaufende Kettenreaktion. Allerdings fehlt damit auch die Kühlung.

Wenn die Kernschmelze im Gange ist, und die Reaktorhülle nicht hält, wird es zu einer Wasserstoffexplosion kommen. Das ist dann der GAU.

Die letzte PM von TEPCO lautet:

Press Release (Mar 12,2011)
Plant Status of Fukushima Daini Nuclear Power Station (as of 1PM March 12th )


Unit 1 (shut down at 2:48PM on March 11th)
- Reactor is shut down and reactor water level is stable.
- Offsite power is available.
- At 8:19am, there was an alarm indicating that one of the control rods
was not properly inserted, however, at 10:43am the alarm was automatically
called off. Other control rods has been confirmed that they are fully
inserted (reactor is in subcritical status)
- Status of main steam isolation valve: closed
- Injection of water into the reactor had been done by the Reactor Core
Isolation Cooling System, but at 3:48AM, injection by Make-up Water
Condensate System begun.
- At 6:08PM, we announced the increase in reactor containment vessel
pressure, assumed to be due to leakage of reactor coolant. However, we
do not believe there is leakage of reactor coolant in the containment
vessel at this moment.
- At 5:22AM, the temperature of the suppression chamber exceeded 100
degrees. As the reactor pressure suppression function was lost, at 5:22AM,
it was determined that a specific incident stipulated in article 15,
clause 1 has occurred.
- We decided to prepare implementing measures to reduce the pressure of
the reactor containment vessel (partial discharge of air containing
radioactive materials) in order to fully secure safety. This preparation
work started at around 9:43am.


Quelle: TEPCO

Deutscher Wetterdienst: Globale Verteilung von Radioaktivität unwahrscheinlich

Vie Bundesumweltministerium meldet der Deutsche Wetterdienst eine erste Prognose: Demnach verhindert die Hochdruckwetterlage über Japan eine globale Verteilung ausgetretener Radioaktivität. Die Windrichtung gestern sei Richtung Westen gewesen, der Wind könne aber noch in Richtung Philippinen drehen. Eine Verteilung darüber hinaus sei unwahrscheinlich.

Umweltminister Röttgen lässt verbreiten: Für Deutschland besteht keine Gefahr.

Quelle: BMU

Freitag, 11. März 2011

UPDATE: In Japan droht eine Kernschmelze

UPDATE: s.u.

Ruhrbaro Stefan Laurin recherchiert derzeit die Entwicklung und das Risiko, dass aus der Stromversorgungsunterbrechung des japanischen Kernkraftwerkes Fukushima Daiichi droht. Dieses liegt direkt an der Ostküste, quasi vis a vis zum Tsunami. Laut Wikipedia (Link) haben seine drei Reaktorblöcke eine Nennleistung von 4.700 MW.

Leider handelt es sich hier um den -älteren- Reaktortyp Siedewasser, bei dem der kontaminierte Wasserdampfkreislauf direkt durch die Turbine geführt wird. Bei dem modernen Druckwassertyp hätte man zwei Wasserkreisläufe mit einem Wärmetauscher, über den man eine weitere Option zur Kühlung hätte.

Eine Schnellabschaltung, die so konstruiert ist, dass sie auch bei Stromausfall funktioniert, stoppt nur die Entstehung neuer Kettenreaktionen. Die bereits angestoßenen klingen erst über Tage ab. Solange müssen die Umwälzpumpen in Betrieb bleiben, denn die Reaktorkerne leisten hier anfänglich immer noch 5-10% sogenannte Nachzerfallswärme, das sind hier über 200 MW. Die wirken auf das still stehende Reaktorkühlwasser wie eine gigantische Heizung. Wenn -wie Stefan schreibt- die Batterien den Kühlbetrieb nur noch 2h aufrecht erhalten können, dann kann man nur hoffen, dass die Wärme bis dahin nicht zur Kernschmelze oder gar Beschädigungen der Reaktorhülle geführt haben. Wenn das passiert, dann gute Nacht, dann braucht Japan, vor allem das nur 200km entfernte Tokio Hilfe.

Ob uns der Fallout in Europa erreichen kann, wird in erster Linie von den Winden abhängen. Stefan schreibt, dass die deutschen Atombehörden und die IAEO "alarmiert" sind. Die Situation ist ernst.

Das einzige, was die Situation noch retten kann, ist eine rechtzeitige Wiederherstellung einer Stromversorung für alle Umwälzpumpen. Oder die Inbetriebnahme von Diesel getriebenen Pumpen.

UPDATE:
Mittlerweile hat Kraftwerksbetreiber TEPCO kontrolliert Druck aus der Reaktorhülle (in einen geschlossenen Kondensationsbehälter?) abgelassen. Dies wohl, um eine Hochdruckkernschmelze zu verhindern, die zu unkontrollierten Brüchen der Reaktorhülle führen könnte. Wenn das passierte, wäre die nächste Stufe dass der aus dem Wasserdampf dissoziierte Wasserstoff unkontrolliert mit Sauerstoff reagiert, eine Knallgasreaktion. Dann würde die Radioaktivität aus dem Reaktor in die Atmosphäre geschleudert.

Positiv ist, dass man mit dem Ablassen von Wasserdampf auch die Energie aus dem System nimmt.

n-tv meldet, dass der Leitstand inzwischen stark kontaminiert sei: 1.000fache Radioaktivät.

Links:
IAEO
Atomforum/Schnellabschaltung
CNN
Wikipedia: Siedewasserreaktor, Kernschmelze

Donnerstag, 10. März 2011

Kandidaten zum European Inventor Award 2011

Das Europäische Patentamt gibt die 15 Nominierungen zum diesjährige Erfinderpreis bekannt. Ein deutsches Unternehmen befindet sich nicht darunter:

Kandidaten zum European Inventor Award 2011

Das Europäische Patentamt gibt die 15 Nominierungen zum diesjährige Erfinderpreis bekannt. Ein deutsches Unternehmen befindet sich nicht darunter:

Wir sollen uns qualifizieren, nicht bilden

Was einer immer wieder beteuert zu sein, ist er nicht. Was er beteuert zu tun, tut er nicht. Sondern das Gegenteil. Als Bildungsministerin Buhlmann 2003 eine "Innovationsoffensive" im deutschen Hochschulsystem startete, dachten viele irrtümlich, es stehe eine neue Wertschätzung von Bildung und Kreatitivität bevor und ein Geldsegen für die Reparatur der angerichteten Schäden. Als konservative Bundesländer Studiengebühren einführten, glaubten die Studenten notgedrungen die Einnahmen würden der Qualität der Lehre zu gute kommen, z.B. in Form von mehr Hochschullehrern und neuen Hörsäälen. (Nur die weniger talentierten aber gut begüterten Abiturienten freuten sich -aber auch irrtümlich- die Konkurrenz würde nun weniger werden.)

Nichts davon war wahr. Oder wird wahr. Denn egal, wer Bundesbildungsministerin ist, sie hat auch nur die Bürokratie der EU umzusetzen, die sich als gigantisches Ent-Bildungsprogramm entpuppt.

Im Deutschlandradiopodcast hörte ich das Zitat von Klaus Staeck, nachdem "wer solche Fussballer, Rennfahrer und Tennisspieler habe", eben "keine Uniwersitäten" brauche. "Brauchen" muss man hier aus Sicht der Regierungen verstehen. Ein Volk, dass sich für solche Qualitäten begeistert, und zwar mehrheitlich, dem ist es auch nicht wichtig mit Aufklärung und Selbstverantwortung. Das träumt sein Leben lang den Traum anderer.

Ich möchte heute kein Student sein. Mein Ingenieursstudium an der Uni war schon reichlich verschult. Aber im Hauptstudium blieb noch Zeit für AG-Arbeiten und Seminare und Beiträge zur Fachschaftszeitung "Klemme". Aber heute wird anscheinend nur noch reingestopft in die Köpfe. Nach dem Motto: Merk Dir das, verstehen musst Du es nicht. Dafür muss man dann auch noch Gebühren berappen. Das Versprechen der Roland Kochs und Konsorten ist längst gebrochen, die Studiengebühren landen woanders.

Aber auch die Forschung geht ziemlich am Stock. Die FAZ hat hierzu gestern einen interessanten Artikel veröffentlicht ("Exportweiltmeister beim akademischen Überschuss", Link). Dieser Apparat kreist nur noch um sich und seine Verwaltungs- und Regierungsbürokratie. Das Ministerium legt Forschungsprogramme auf, die von Modethemen handeln, die von MBA-Absolventen (Also Meistern der Geschäftsverwaltung) zusammenkopiert worden sind. Die Professoren tun so, als hielten sie diese Programme für an der Speerspitze der Forschung und schreiben eifrig Projektanträge. Ihr Ziel: nicht der Ruhm mit einer neuen Erkenntnis (Geisteswissenschaftler) oder Erfindung (Ingenieure). Sondern die Vergrößerung des eigenen Apparates. Noch nie hatten deutsche Forscher den Fortschritt für die Menschen, die sie finanzieren, im Blick. Sondern stets den Eindruck, den sie bei ihren Kollegen machen können. Immerhin das gelang ihnen früher nur durch bahnbrechende Veröffentlichungen.

Heute aber geht es nur noch um die Kopfzahl ihres Lehrstuhls oder Institutes. Publiziert wird immer noch, aber nur weil man muss. Im Rahmen der Verwertungsoffensive. Das führt dann auch eher zu Menge denn zu Relevanz. Wer soll das alles lesen, wer setzt es in einen Zusammenhang und zieht eine Erkenntnis von Bedeutung daraus?

Und zur Verwertungsoffensive gehört auch, die Forscher immer mehr zu Drittmitteleinnahmen zu drängen, zu Aufträgen aus der Industrie. Auch das ist im Grunde lobenswert. Aber wir leben leider auch in einer Industriekultur, die dazu neigt, in Akademikern keine geistigen, sondern nur wohlerzogene Ressourcen zu sehen. Forschung Beratung ist hierzulande in erster Linie leider "Leiharbeit für Akademiker", wie es mal ein Projektkollege formulierte. Und deshalb machen Akademiker viel zu oft Arbeit, die sie nicht geistig sondern nervlich fordert. Die aus Kompensation von Managementversäumnissen besteht.

Unser Forschungssystem simuliert Innovation, um den Verwaltungsköpfen aus Prenzlauer Berg und Bonn zu gefallen.

Unser Bildungssystem liefert diesen Hochschulen deshalb auch keine gebildeten Menschen mehr, sondern qualifizierte. Das ist schön doppeldeutig. Es klingt wichtig, klingt nach Befähigung. Aber auch nach Auswahl, nach Filterung, nach "Qualifying". Und das ist auch der Zweck der Veranstaltung.

Die Verachtung unserer Regierung für das Akademische, den Geist, den eigenen Anspruch an Qualität haben wir ja in den vergangenen Wochen überdeutlich vor Augen geführt bekommen. Wir haben geradezu eine anti-intellektuelle Regierung und Gesellschaft. Wir sind im Gegenpol der 47er und 68er angekommen.

Das ganze läuft wie ein Uhrwerk aus bewusstlosen, hoch qualifizierten Humanressourcen. Wir lernen und liefern nur noch was bestellt wird, und das möglichst akkurat und immer billiger.

Dienstag, 8. März 2011

Hintergrund Flexi Fuel Fahrzeuge #E10

In einigen amerikanischen Ländern wird seit langem sogar E85 angeboten - und gekauft. Seit kurzem übrigens auch in Schweden. Autos für diese Märkte sind besonders präpariert: Alles was mit dem Kraftstoff in Berührung kommt, muss den Alkohol ab können. Der Tank muss größer sein, weil Ethanol weniger Energiegehalt hat. Die Kraftstoffpumpe muss mehr Kraftstoff fördern und wird deshalb größer ausgelegt.

Es kommt noch eine Anforderung hinzu: Da es in diesen Ländern kein flächendeckendes E85 Angebot gibt, und die Angebote zeitlich schwanken, muss das Auto auch mit geringerem Ethanol- oder Methanolanteil auskommen und sogar reines Benzin verwerten können. Die Kraftstoffpumpe muss also abhängig vom Alkoholgehalt mehr oder weniger fördern.

Auch die Kraftstoffmenge und der Zündzeitpunkt müssen abhängig vom Alkoholgehalt eingestellt werden. Damit dies überhaupt geregelt werden konnte, musste ein geeigneter Alkoholsensor erfunden werden. Dieser besteht aus einem elektrischen Kondensator, der seine Kapazität abhängig vom Alkoholgehalt verändert. Er ist eine Gemeinschaftserfindung von Siemens, Daimler und Volkswagen. Inzwischen kann man den Alkoholgehalt auch aus dem Abgas ermitteln, die Lambdasonde kann das heute leisten.

Der Ethanolanteil bleibt übrigens immer unter 100%, weil ein reiner Alkoholmotor schlecht startet. Man mischt also ein Minimum an Benzin bei, damit der Wagen kalt anspringt.

Des weiteren muss -wie am Wochenende schon der BMW Chefmechanikentwickler verlautbarte- das Motoröl an den Alkoholgehalt des Kraftstoffs angepasst werden. Und am Ende der Kette auch der Katalysator.

Diese Flexible oder Multi Fuel Fähigkeit wird vielleicht auch irgendwann bei uns gefordert? Für die Autohersteller ist eine Umrüstung auf Ethanol oder Methanol viel günstiger als die Entwicklung von Hybrid- und Elektroantrieben. Allerdings ist -wie heute morgen schon berichtet- die CO2 Bilanz des verwendeten Ethanol sehr speziell. Solange wir Lebensmittel extra dafür anbauen, ist kaum etwas gewpnnen.

Was man aber aus oben gesagtem schon ahnen kann ist, die Verträglichkeit von Alkohol im Auto muss rein entwickelt werden. Die Verträglichkeit muss langfristig gelten. Es soll nicht zu Lebensdauerverkürzungen des Motors oder erhöhtem Verschleiß kommen.

Brasilien hat übrigens einige Turbulenzen mit der Akzeptanz und der Verfügbarkeit seines ursprünglichen E85 erlebt. Zuerst gab es starke Anreize. Dann stieg die Nachfrage so stark, weil die Leute auf Ethanolmotoren umstiegen, dass Brasilien Ethanol im Ausland ankaufen musste. Der Preis stieg und die Nachfrage sank wieder. Daran erkennt man, welch hohen Standard unsere Versorgung mit streng definierten Benzin- und Dieselsorten hat. Unsere Motoren hierzulande sind stark auf diese Spezifikationen optimiert.

Was mich an dem Thema nervt ist, dass ich alle zwei Jahre eine Attacke der Politik abwehren muss, um mein Auto weiter fahren zu dürfen. Und das, obwohl all die Gesetze und Verordnungen überhaupt nichts bringen: Mein Auto emittiert keinen erhöhten Feinstaub (weil es kein Diesel ist), ich hatte aber endlose Rennerei wegen der grünen Plakette. Dann kam E5 und ich musste wieder recherchieren. Jetzt kommt E10, das das Preisgefüge wieder in Bewegung bringt, mit Tendenz nach oben.


Quellen: Wikipedia, Volkswagen