Donnerstag, 10. März 2011

Wir sollen uns qualifizieren, nicht bilden

Was einer immer wieder beteuert zu sein, ist er nicht. Was er beteuert zu tun, tut er nicht. Sondern das Gegenteil. Als Bildungsministerin Buhlmann 2003 eine "Innovationsoffensive" im deutschen Hochschulsystem startete, dachten viele irrtümlich, es stehe eine neue Wertschätzung von Bildung und Kreatitivität bevor und ein Geldsegen für die Reparatur der angerichteten Schäden. Als konservative Bundesländer Studiengebühren einführten, glaubten die Studenten notgedrungen die Einnahmen würden der Qualität der Lehre zu gute kommen, z.B. in Form von mehr Hochschullehrern und neuen Hörsäälen. (Nur die weniger talentierten aber gut begüterten Abiturienten freuten sich -aber auch irrtümlich- die Konkurrenz würde nun weniger werden.)

Nichts davon war wahr. Oder wird wahr. Denn egal, wer Bundesbildungsministerin ist, sie hat auch nur die Bürokratie der EU umzusetzen, die sich als gigantisches Ent-Bildungsprogramm entpuppt.

Im Deutschlandradiopodcast hörte ich das Zitat von Klaus Staeck, nachdem "wer solche Fussballer, Rennfahrer und Tennisspieler habe", eben "keine Uniwersitäten" brauche. "Brauchen" muss man hier aus Sicht der Regierungen verstehen. Ein Volk, dass sich für solche Qualitäten begeistert, und zwar mehrheitlich, dem ist es auch nicht wichtig mit Aufklärung und Selbstverantwortung. Das träumt sein Leben lang den Traum anderer.

Ich möchte heute kein Student sein. Mein Ingenieursstudium an der Uni war schon reichlich verschult. Aber im Hauptstudium blieb noch Zeit für AG-Arbeiten und Seminare und Beiträge zur Fachschaftszeitung "Klemme". Aber heute wird anscheinend nur noch reingestopft in die Köpfe. Nach dem Motto: Merk Dir das, verstehen musst Du es nicht. Dafür muss man dann auch noch Gebühren berappen. Das Versprechen der Roland Kochs und Konsorten ist längst gebrochen, die Studiengebühren landen woanders.

Aber auch die Forschung geht ziemlich am Stock. Die FAZ hat hierzu gestern einen interessanten Artikel veröffentlicht ("Exportweiltmeister beim akademischen Überschuss", Link). Dieser Apparat kreist nur noch um sich und seine Verwaltungs- und Regierungsbürokratie. Das Ministerium legt Forschungsprogramme auf, die von Modethemen handeln, die von MBA-Absolventen (Also Meistern der Geschäftsverwaltung) zusammenkopiert worden sind. Die Professoren tun so, als hielten sie diese Programme für an der Speerspitze der Forschung und schreiben eifrig Projektanträge. Ihr Ziel: nicht der Ruhm mit einer neuen Erkenntnis (Geisteswissenschaftler) oder Erfindung (Ingenieure). Sondern die Vergrößerung des eigenen Apparates. Noch nie hatten deutsche Forscher den Fortschritt für die Menschen, die sie finanzieren, im Blick. Sondern stets den Eindruck, den sie bei ihren Kollegen machen können. Immerhin das gelang ihnen früher nur durch bahnbrechende Veröffentlichungen.

Heute aber geht es nur noch um die Kopfzahl ihres Lehrstuhls oder Institutes. Publiziert wird immer noch, aber nur weil man muss. Im Rahmen der Verwertungsoffensive. Das führt dann auch eher zu Menge denn zu Relevanz. Wer soll das alles lesen, wer setzt es in einen Zusammenhang und zieht eine Erkenntnis von Bedeutung daraus?

Und zur Verwertungsoffensive gehört auch, die Forscher immer mehr zu Drittmitteleinnahmen zu drängen, zu Aufträgen aus der Industrie. Auch das ist im Grunde lobenswert. Aber wir leben leider auch in einer Industriekultur, die dazu neigt, in Akademikern keine geistigen, sondern nur wohlerzogene Ressourcen zu sehen. Forschung Beratung ist hierzulande in erster Linie leider "Leiharbeit für Akademiker", wie es mal ein Projektkollege formulierte. Und deshalb machen Akademiker viel zu oft Arbeit, die sie nicht geistig sondern nervlich fordert. Die aus Kompensation von Managementversäumnissen besteht.

Unser Forschungssystem simuliert Innovation, um den Verwaltungsköpfen aus Prenzlauer Berg und Bonn zu gefallen.

Unser Bildungssystem liefert diesen Hochschulen deshalb auch keine gebildeten Menschen mehr, sondern qualifizierte. Das ist schön doppeldeutig. Es klingt wichtig, klingt nach Befähigung. Aber auch nach Auswahl, nach Filterung, nach "Qualifying". Und das ist auch der Zweck der Veranstaltung.

Die Verachtung unserer Regierung für das Akademische, den Geist, den eigenen Anspruch an Qualität haben wir ja in den vergangenen Wochen überdeutlich vor Augen geführt bekommen. Wir haben geradezu eine anti-intellektuelle Regierung und Gesellschaft. Wir sind im Gegenpol der 47er und 68er angekommen.

Das ganze läuft wie ein Uhrwerk aus bewusstlosen, hoch qualifizierten Humanressourcen. Wir lernen und liefern nur noch was bestellt wird, und das möglichst akkurat und immer billiger.

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