Dienstag, 15. März 2011

Wie der Ausfall sieben deutscher AKWs kompensiert werden kann

Die Lobby der Atomwirtschaft, das frühere Atomforum, hat heute eine Pressemitteilung zu den Folgen einer schnellen Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke veröffentlicht (Link). Mal sehen, wie seriös die ist.

Also, heute sind 17 Atomkraftwerke in Betrieb. Quelle: Wikipedia, Liste der Kraftwerke (Link).

Im deutschen Strommix machte die Kernenergie 2009 einen Anteil von 22,6% aus, das sind etwa 140.000 GWh. Quelle: Wikipedia (Link) und bdew.


Grafik: Sepp, für Wikipedia

Die Lobby schreibt, die Abschaltung würde einen Verlust von rd. 10% der deutschen Stromerzeugung ausmachen. Das stimmt: Etwas weniger als die Hälfte der Kraftwerke (sieben von 17) erzeugen etwas weniger als die Hälfte des deutschen Atomstroms, es entfallen also rd. 65.000 GWh..

Dann:
Ein erheblicher Teil der Erzeugung müsste importiert werden.

Zusätzlich wissen wir: Deutschland ist ein Nettoexportland von Strom. Nun kann man Strommengen nicht einfach gegeneinander aufrechnen, aber interessant wäre schon zu wissen, wie groß der Export in den vergangenen Jahren im Mittel war. Die Antwort finden wir beim bdew, dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (deren Hauptgeschäftsführerin Müller übrigens früher Merkels Staatsministerin war.):


Quelle: bdew (Für Vergrößerung in die Grafik klicken)

Wir sehen einen deutlichen Exportsaldo von ca. 16 TWh, also 16.000 GWh (Gigawattstunden). Aber wir haben auch einen Export von ca. 54.000 GWh! Daraus folgt: Würden wir unsere Stromexporte -rein theoretisch- einstellen, würden wir -rein energiemengenmäßig- bis auf 10.000 GWh die ausgefallenen Reaktoren kompensieren.

Nächste Frage: Mit welchen Nachbarländern tauschen wir wieviel Strom aus? Das folgende Bild des UCTE (dem Verband der Hochspannungsnetzbetreiber) zeigt die Antwort im Überblick. Darunter die Im- und Exporte in Zahlen, wieder vom bdew :


Quelle: UCTE (Link)


Quelle: bdew

Wir importieren derzeit den meisten Strom aus Frankreich (13.000 GWh Atomstrom!), Tschechien (7.500 GWh) und Österreich (etwas über 5.000 GWh).

Deshalb schreibt das Atomforum in seiner Pressemitteilung auch:
Muss Deutschland während des Moratoriums Strom importieren?
Ein erheblicher Teil der fehlenden Erzeugung müsste importiert werden. Darunter wäre wiederum Strom aus Kernenergie v. a. aus Frankreich und Tschechien, von denen Deutschland bereits heute Strom importiert.

Und das klingt angesichts der Zahlen plausibel. Man würde einfach von den Nachbarländern, von denen wir schon jetzt die größten Importe haben, noch mehr Strom beziehen.

Aber: Das ist nicht unsere einzige Option! So ist etwa eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung an norwegische Wasserkraft in Planung (Projekt NORGER, WIkipedia Link). Leistung: 1.400 MW. Das entspricht einem Kernkraftwerk. Auch in Sibirien ließe sich ein gigantisches Potenzial an Wasserkraft für Europa erschließen, wenn wir nur wollten, und wenn es nicht russischen Gasexportinteressen entgegenstünde (Projekt GLOABL LINK, Prof. Povh). Die sog. Flexible AC Transmission macht den Transport großer Mengen elektrischer Energie auch über tausende Kilometer hinweg wirtschaftlich. In großen Flächenländern wird sie längst eingesetzt. Es ist in Europa nur politisch aufwendiger, sie durchzusetzen.



Doch regenerativen Energien räumt das Atomforum immer noch eine nur geringe Rolle ein:
Erneuerbare Energien tragen auf Grund ihrer witterungsabhängigen Verfügbarkeit nur in geringem Ausmaß zur gesicherten Leistung bei.

Das gilt nur adhoc. Schreibt man das Wachstum der regenerativen Stromerzeugung aber fort, und erschließt weitere große Mengen wie Norwegen und Nordsee-Offshore-Windparks und später weitere Quellen, wäre die Lücke der Sieben, und darüber hinaus, einfach zu kompensieren.

1 Kommentar:

  1. 1. Import von Strom halte ich generell für problematisch insbosndere von instabilen Ländern wie Russland sollte man das nur im Interesse einer vernünftigen Kostenstruktur tun.
    2. Du lässt die Frage offen ob wir einen allgemeinen Überschuß haben oder ob es nur einen Übersschuß in den Sommermonaten zum Beispiel gibt.
    3. Das Hauptproblem sehe ich nicht in der Stromerzeugung sondern in der Energiespeicherung
    4. Deutschland war führend in der Sicherheitsforschung im Bereich der Atomenergie. ABB und Siemens sind die größten Hersteller für Kraftwerksanlagen produzieren forschen und entwickeln einen großen Teil in diesem Bereich in Deutschland.
    Mit dem Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie sind wichtige Fachkräfte abgewandert und auch Standorte in Deutschland sind geschlossen worden.. Arbeitsplätze fallen auch in Zukunft weg.
    5. Erneuerbare Energien sind mit riesigen Fördermitteln und Zuschüssen finanziert. einen echten Wettbewerb in diesem Bereich gibt es zur Zeit nicht.

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