Sonntag, 20. März 2011

Erstaunlich realistisch: "Das China-Syndrom" mit Jane Fonda

Das "China-Syndrom" hat seinen Namen von der Fiktion, dass sich der geschmolzene Kern eines amerikanischen Atomkraftwerks immer tiefer in die Erde durchfrisst, bis er in China wieder ans Tageslicht tritt. In Japan müsste man dieses Syndrom also logischerweise als Europasyndrom bezeichnen. Was genau gegenüber von Fukushima liegt, kann uns OSM-Mapper Werner sicher sagen?

Es gibt auch einen gleichnamigen Film (Wikipedia Link). Er handelt von einem Störfall in einem Atomkraftwerk in Kalifornien. Er kam 1979 kurz vor Bekanntwerden des Störfalls in Three Mile Island in die Kinos, sein Drehbuchautor bewies damit ebenso prophetische Fähigkeiten (oder Insiderwissen) wie der Film "Wage the dog". Zum Zeitpunkt des Unfalls befindet sich zufälligerweise ein Reporterteam im Kraftwerk und lässt sich dessen Funktionsweise erklären. Plötzlich zittert das ganze Gebäude, als habe es einen -Achtung:- Erdstoß gegeben. Die Mannschaft im Kontrollraum reagiert schnell. Aber sie reagiert - wie sich später zeigt- auf widersprüchliche Anzeigen der Leitwarte. Der Wasserpegel im Reaktorraum wird mal zu hoch und mal zu tief angezeigt. Die Mannschaft wird damit für einen Augenblick zu genau entgegensätzlichem Verhalten von dem animiert, was eigentlich richtig wäre. Später zeigt sich, dass ein fehlerhaftes Generatorrelais der Auslöser des Ganzen war. Das klingt harmlos (und beruhigend, wenn man nicht mehr erfährt), brachte das Kraftwerk jedoch im weiteren Verlauf nahe an den GAU.

Damit zielt der Film auf die stets verharmlosende Rhetorik in offiziellen Meldungen, hier oder da habe man eine defekte "Schweißnaht" oder eine "nicht anspringende Pumpe" entdeckt. Die Berichterstattung macht sich da stets die Komplexität eines solchen Kraftwerks zunutze und den damit vorraussetzbaren populären Irrtum in der Bevölkerung, ein einziger Befund werde schon nicht so dramatisch sein. Denn es wird ja selten in den Vordergrund gestellt, welche Bauteile die Schweißnaht verbindet, oder welchen Wasserstrom die Pumpe betreibt. Doch es geht dabei um die Schweißnaht des Reaktordruckbehälters und es geht um den Kühlkreislauf, der ein schnell abgeschaltetes Kraftwerk von der Kernschmelze abhält.

Auch darum geht es in dem Film. Und darauf richten sich derzeit unsere Hoffnungen bei der aktuellen Entwicklung in Fukushima.

Der leitende Ingenieur in dem Film geht dem Unfall gründlich nach und findet Pfusch bei der Genehmigung des Kraftwerks. Der zuständige Gutachter hat nicht von jeder Schweißnaht eine Röntgenaufnahme gemacht, sondern von einer. Und hat Kopien von dieser als Aufnahmen aller anderen Schweißnähte ausgegeben. Als der Ingenieur den zuständigen Gutachter darauf zur Rede stellen will, droht dieser ihm mit den nicht zimperlichen Gepflogenheiten des Kraftwerkssicherheitsdienstes.

Wir lernen: Es ist die Kombination aus technischem Versagen (das Relais, die fehlerhafte Anzeige) und menschlichem Versagen (der Pfusch bei der Genehmigung, die richtige Reaktion auf falsche Anzeigen), die aus einem kleinen Störfall einen großen macht.

Hinter den Kulissen findet ein dramatischer Kampf zwischen den Kraftwerksbetreibern und dem Nachrichtensender der Reporterin statt. Denn unbemerkt hat der Kameramann den Leitstand des Kraftwerks gefilmt, als die Mannschaft versuchte, den Reaktor abzufangen. Doch der Chefredakteur weigert sich, mit Verweis auf das Strafrecht, das Material zu senden. Dem Kraftwerksbetreiber geht es währenddessen darum, die Genehmigung für ein baugleiches zweites Atomkraftwerk nicht zu verzögern. Das würde ihn Millionen kosten.

Diese Finanzinteressen entpuppen sich als mindestens genau so mächtig wie die Urantablette, die der Reporterin zu Beginn ihres Drehs gezeigt wurde. Es werden Männer fürs Grobe eingesetzt, um zu verhindern, dass die Sache mit dem Pfusch und dem wahren Ausmaß des Unfalls ans Licht kommt. Zum Schluss wird der leitende Ingenieur vom Sicherheitsdienst erschossen, und vom Vorstandsvorsitzenden als psychisch labiler Mensch dargestellt, der unter Alkoholeinfluss versucht habe, das Kraftwerk in seine Gewalt zu bringen.

Mir fällt auf, dass wir in den Medien derzeit von Eon stets den Vorstandsvorsitzenden Teyssen sehen, von RWE aber immer nur den für die Kraftwerke zuständigen Vorstand Dr. Jäger. Ob das etwas mit dem Thema Unternehmerhaftung oder mit dem an Grad an Fachkenntnis zu tun hat, spielt auf den ersten Blick keine Rolle. Ich will dann aber auch wissen, wer bei einem Störfall in Biblis eigentlich das letzte Wort über Rettungsmaßnahmen hätte: der Vorstandsvorsitzende Grossmann oder Dr. Jaeger? Der letzte Verantwortliche RWE Vorstand, dem ich persönlich vertraut hätte, ist leider schon 1999 gegangen: Prof. Dr. Werner Hlubek war ein Vollblutkraftwerker und Wissenschaftler. 1999 verließ er RWE, nachdem zuvor sein Unmut über nachlassende Investitionen in die Kraftwerke laut geworden war.. Sein Nachfolger wurde der vorherige Chefcontroller -und damit mutmaßlicher Gegenspieler: Dr. Jaeger. (Wenn dem Leser nun Ähnlichkeiten zum Investitionsverhalten der Deutschen Bahn im Vorfeld ihres Börsengangs in den Sinn kommen, muss er das selbst verantworten..)

Was wir aber auf jeden Fall lernen: Die andere Seite, das sind die Kraftwerksbetreiber und die Bundesregierung, spielt Fukushima nun insofern herunter, als wir in Deutschland keine Naturkatastrophen a la Japan zu erwarten haben. Jedenfalls hat sich laut WAZ (Link) Kanzleramtsminister Pofalla (ein ausgemachter Kernkraftexperte, der nebenbei Sozialpädagogik und Jura studiert hat, wenn man Wikipedia glaubt) im Wahlkampf so geäußert. Pofalla wäre der Mann, der uns ein defektes Relais entgegenhalten würde, um zu beweisen, dass nicht die Kernenergie versagt hat, wenn mal was passieren sollte.

Die andere Seite lernt offenbar nur aus Erfahrung. Wie Werner mal sagte: Sie verändern lieber die Wahrheit als ihren Business Case. Die einzige positive Überraschung im konservativen Lager sind für mich die Redaktionen der FAZ und der Welt. Sie halten die kognitiven Dissonanzen und die fortwährenden Beleidigungen ihres Intellekts durch Figuren wie Guttenberg, Merkel, Westerwelle, Brüderle, Homburger und nun auch Pofalla schon seit langem nicht mehr aus.

FAZ Kommentator Volker Zastrow bringt es sehr gut auf den Punkt (Link) , wenn er der Kanzlerin entgegenhält:
Das illustriert ihr Satz, in Japan sei das „Unmögliche möglich“ geworden – eine absurd romantische Wendung; wobei niemand die Bundeskanzlerin für naiv genug halten kann, dass sie nicht wüsste, was in Japan geschehen ist: Nicht das Unmögliche ist möglich, sondern das Mögliche ist wirklich geworden.


Wie ich heute morgen auf SPIEGEL Online (Link) mit einer gewissen Hoffnung auf sich einstellende Lerneffekte lese: Am Mittwoch soll der Wahlkampfhubschrauber von Bundeskanzlerin Merkel beinahe abgestürzt sein. Nachdem er sie abgesetzt hatte. Beide Triebwerke seien ausgefallen, der Hubschrauber sei ins Trudeln geraten. Die Piloten fingen den Hubschrauber im letzten Moment ab. Was mag sie bei der Nachricht gedacht haben? Ich will jetzt nicht hören, dass die Kanzlerin das Sicherheitskonzept ihrer Hubschrauberstaffel in Zweifel zieht. Es kann schließlich sein, dass nur ein einziges Relais seinen Dienst versagt hat.

3 Kommentare:

  1. Felix20.3.11

    Hier kannst du nachschauen: http://www.antipodemap.com/

    Im Südatlantik kommt das raus :-)

    Felix

    AntwortenLöschen
  2. Da haben wir ja nochmal Glück gehabt, was?

    Danke für die Info!

    AntwortenLöschen
  3. Anonym22.3.11

    Da bin ich jetzt baff, was es alles gibt. Danke für den Link.
    cndr

    AntwortenLöschen