Samstag, 21. August 2010
Die Kraftwerksbetreiber müssen sich neu legitimieren
"Merkel dachte, sie habe die Macht. Dabei ist sie nur an der Regierung." hieß es neulich in einem Dokumentationsfilm über Josef Ackermann und die Finanzkrise. Dann muss Merkel gerade ein Deja vu haben. Die Manager der vier "Energiebesatzungsmächte" haben ihre Kunden und Söhne (Bierhoff) zusammengetrommelt, um teure Anzeigen in Tageszeitungen zu schalten.
Darin fordern sie die Verlängerung eines Prinzips, das wir aus der Finanzkrise kennen: Gewinne privatisieren, Kosten und Risiken sozialisieren. Das soll nicht nur für Banken und ihren Eigenhandel gelten, sondern auch für Kernkraftwerke.
Die wichtigen Fragen, die die Kernenergie erst zur Kontroverse machen, lassen sie wiederum unbeantwortet: Störfallrisiko und Endlagerung. Es geht ihnen ganz offen nur um die Absicherung ihrer "Spekulationsgewinne", wenn man so will.
Das Problem dieser Anzeige ist ihre Unglaubwürdigkeit. Erstens brauchen wir keinen Weiterbetrieb alter AKW für eine "preiswerte" Energieversorgung. Denn die vier Besatzungsmächte haben in den letzten Jahren eine dreiste Preiserhöhungspolitik gefahren, auch mit laufenden Alt-AKW. Das ist ein Beleg dafür, dass es für das Strompreisniveau weniger auf die Energieart als auf die Marktordnung ankommt. Auf kompetente Regulierung und Regulierende. Die Großen Vier manipulieren die Strombörse, indem sie CO2-Zertifikate im Kreis herum verkaufen und den Preis nach oben jubeln. Wie die Tankstellennetzbetreiber nutzen sie jeden Einflussfaktor, der den Einkaufspreis erhöht, für eigene Preiserhöhungen. Aber nicht für Preissenkungen, wenn der Einkaufspreis wieder sinkt.
Die Energiemanager haben uns jahrelang erzählt, Wind und Sonne würden nie einen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung leisten können - rein physikalisch, weil das Angebot dieser Ressourcen zu niedrig und die Technik zu schlecht sei. Heute jedoch beklagen sie, dass es zuviel Windstrom gebe, der einen Netzausbau erfordere, der die Strompreise nach oben treibe usw..
Wir haben erfahren, wie fahrlässig und korrumpiert die niedersächsische Regierung Ernst Albrecht / Birgit Breuel mit dem Versuchslager Asse II umgegangen ist. Da wurde die Industrie eingeladen, ihren strahlenden Müll in ein Erdloch zu werfen und die Verwaltung hat noch nicht einmal die Fässer gezählt. Auch Albrecht und Breuel ging es damals "um eine preiswerte Energieversorgung" und "Arbeitsplätze".
Und: Wir wissen, dass Vattenfall seine Verantwortung als Kernkraftwerksbetreiber in Hamburg nicht besonders ernst nimmt.
Die Großen Vier nehmen ihre Kunden in Mithaftung für ihr schlechtes Management. Sie sagen, wohl bei Westerwelle abgeguckt: Wenn Ihr uns schadet, schadet Ihr Deutschland. Aber das stimmt nicht. Energieintensive Unternehmen bauen sich heutzutage eigene Kraftwerke auf den Hof. Das ist gängige Praxis, und zwar schon lange. Die nutzen die Abwärme gleich mit, so dass sie Kosten und CO2 sparen.
Übrigens: Dass Oliver Bierhoff hier mit unterschrieben hat, hat vor allem damit zu tun, dass sein Vater Rolf früher RWE-Vorstand für den Bereich Netze war. Möglicherweise befinden sich da noch etliche Aktien in Familienbesitz. Das dürfte bald die Runde machen und die Glaubwürdigkeit des Appells zusätzlich ramponieren.
Die Großen Vier benehmen sich gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit wie die Rüstungsunternehmen in den Achtzigern. Sie wissen sehr wohl um ihre Legitimationskrise. Aber sie setzen darauf, dass unser Opportunismus so groß ist wie der ihre. Und genau darum geht es den Atomkraftgegnern, bis hin zu Umweltminister Röttgen: Sie sagen Nein. Denn sie haben einen besseren Vorschlag. Der allerdings nicht den Großen Vieren nutzt, sondern neuen Anbietern auf dem Energiemarkt.
Ich plädiere nicht für Gutmenschenpolitik. Ich sage: Die Betreiber müssen ihre Kernkraftwerke zu Ende denken und kalkulieren. Sie müssen die Haftungsrisiken vollständig übernehmen. Bisher haben sie zwar jedes Jahr dafür Rückstellungen gebildet. Diese sind aber längst -steuerfrei- an der Börse investiert. Sollten die Betreiber in die Lage kommen, diese schnell auflösen zu müssen, um einen großen Störfall zu regulieren, müssten sie große Mengen Wertpapiere gleichzeitig auf den Markt werfen. Hat mal jemand bewertet, wie sich das auf den Erlös und die Börse allgemein auswirken würde? Die Großen Vier haben -genauso wie den CO2-Zertifikatehandel- auch hier das Instrument zweckentfremdet. Zum privaten Nutzen und öffentlichen Schaden. Es kann unterm Strich also nicht angehen, dass unter Hand eine Hypothek für Risiken und Entsorgung aufgebaut wird, die am Ende die Steuerzahler abtragen müssen. So wie bei den Investmentbankern.
Die Kernkraftwerksbetreiber müssen sich neu legitimieren. Sie müssen zurückkehren zu einer seriösen Geschäftspolitik.
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Ich kann Ihren Ausführungen nur bedingt zustimmen. Ich sehe es genauso wie Sie, daß es Aufgabe der Regierung ist, einen klaren, im Fall der Energieversorger aber verläßlichen Rahmen zu setzen, der, auch das muß sein, das Geschäftsfeld attraktiv hält.
AntwortenLöschenAber daran mangelt es. Es gibt kein Energiekonzept (das, was kommen wird, wird auch kein wirkliches sein), der Regulierungsrahmen beschränkt sich auf den Netzbereich, und von Langfristigkeit und damit Planungssicherheit ist schon lange nicht mehr die Rede.
Die Energiepreiserhöhungen sind zu einem wesentlichen Teil den Steuern zuzuordnen, die sich der Staat genehmigt. Bei der Brennelementesteuer will er jetzt ja noch mehr draufpacken. Die Photovoltaik und auch die Windenergie sind von der ganzen Bevölkerung subventionierte Energie - da läßt sich natürlich treffliche argumentieren, wir hätten genug! Gern werden die Subventionskosten übersehen: Ihr Nachbar mit einer Photovoltaikanlage wird von Ihnen kräftig mitsubventioniert, die Kilowattstunde rund mit 50 Cent.
Wo bleibt da der Wettbewerb? Macht das nicht Ihre Argumentation bzgl. der preiswerten Energieversorgung obsolet?
Die Energieversorgung haben meines Erachtens aufgrund des schon ganz lange von der linken Presse initiierten Medienwirbels ziemlich schlechte Karten. Solche Argumente wie das Ihre mit der Familie Bierhoff ist aus meiner Sicht wenig hilfreich, es riecht nach Mottenkiste.
Aber es gibt ja eine Alternative: Wir machen alles dicht, und wir beziehen unseren Strom z.B. aus Frankreich und der Ukraine. Aber vielleicht langt das unseren Gutmenschen dann auch nicht mehr, der Strom muß ja "grün" sein. Dann helfen nur noch Subventionen, mit den bekannten Konsequenzen, bis das System crasht.
Ach ja, nicht zu vergessen, mit unseren Subventionen werden mittlerweile Firmen im Ausland massiv gestützt. Das ist offensichtlich staatlich gewollt.
Schließlich noch der Hinweis, daß die laufende Diskussion zu Spekulationsgewinnen und wegen mir auch "nicht-grünem" Verhalten auch auf viele andere Unternehmen angewendet werden könnten. Zum Beispiel auf die Landesbanken: Die haben auch jede Menge negative Spekulationsgewinne, und wir alle zahlen natürlich gern dafür, daß sie überleben. Das ist der eigentliche Skandal.
Aber Röttgen fährt die Subventionen für Wind- und Solarstrom doch bereits runter, weil die Produktionskosten hier gesunken sind.
AntwortenLöschenJa, unsere Energiekosten sind durch die Bank mit hohen Steuern belastet. Aber es soll schon Tage gegeben haben, an denen das Windstromangebot so hoch war, dass man an der Leipziger Strombörse Geld dafür bekam, wenn man den Strom abgenommen hat.
Währungsschwankungen, Knappheiten bei anderen Rohstoffen etc. werden immer wieder ins Feld geführt, um Strompreiserhöhungen zu begründen. Ich habe aber noch keine Strompreissenkung gesehen, wenn diese Effekt sich wieder beruhigten.
Röttgen muß - sicher widerwillig - runterfahren (nicht genug), weil unsere Gelder mittlerweile zu einem erheblichen Teil ins Ausland gehen.
AntwortenLöschenIhre Bemerkung bzgl. des Windstromangebots: Sie kennen selbst am besten die Funktion von Grundlastkraftwerken. Man kann sich natürlich auf Windkraftwerke abstützen, man wird dann immer Überkapzitäten haben - aber eben auch Flauten. Ob der Verbraucher dann irgendwann in einer Flaute keinen Strom für seinen Gefrierschrank haben will, weiß ich nicht.
Daß mit den Strompreisen mächtig "Kohle" gemacht wird, ist richtig, welcher Unternehmer würde das nicht, wenn er es könnte. Hier fehlt der regulatorische Rahmen - und eben nicht nur fürs Netz. Die Lösung liegt aber nicht bei Heilstheorien oder immer neuen Steuern und Subventionen.
Apropos Röttgen, er ist ja der CDU-Vertreter meines Wahlkreises: Gehen Sie doch mal auf Abgeordnetenwatch.de und schauen Sie, wie Röttgen auf Fragen im Internet reagiert. Schon allein deswegen ist er bei mir unten durch.
Ich kenne Röttgen leider nicht näher, nur seine Auftritte in Interviews und Talkshows. Habe aber noch in Erinnerung, dass er beinahe zusätzlich zum MdB Mandat ein Spitzenfunktionär der deutschen Wirtschaft gewesen wäre.
AntwortenLöschenVielleicht hätte er dann diesen Appell mitunterzeichnet-wenn nicht initiiert...?
Auf abgeordnetenwatch.de verweist er auf sein Büro, ja, das ist schwach.
Ich hänge keiner Heilslehre an. Ich befürworte vom Prinzip her dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung in Gaskraftwerken. Aber hier stellen sich sofort neue Fragen nach Fixkosten, Steuerungsgröße Strom oder Wärme.
Die Tatsache, dass uns diese Komfortfragen so schwer im Magen liegen ist umgekehrt ein Zeichen dafür, dass wir mit unserer Energieversorgung auf Kredit gelebt haben. Aber je bewusster uns die Energieversorgung wieder wird, desto mehr werden wir uns ihren Zyklen und Unwägbarkeiten anpassen.
So, der DFB hat Oliver Bierhoff gerüffelt, weil der den Energieappell als DFB-Funktionär unterzeichnet hat.
AntwortenLöschenDie CSU rüffelt CDU Fraktionsvize Fuchs, weil der sich über eine Lobbyanzeige an die Kanzlerin wendet.
Und RWE Chef Grossmann verniedlicht die Gefahr, die von den Waldbränden in Russland ausgingen.
Man kann sagen: Schlecht geplante PR, der Schuss ging nach hinten los.
Was die Waldbrände in Rußland angeht: Die gibt es jedes Jahr, nur trieb dieses Mal der Rauch richtg kräftig über Moskau. Deswegen schaffte es dieses Ereignis auch in die Qualitätsmedien.
AntwortenLöschenIrgendwo ist alles gelogen und beschönigt. Orwell wußte es bereits.