Mittwoch, 7. September 2022

Worum geht es eigentlich?

Als Ingenieur bin ich gewohnt, komplexe Dinge zu modellieren. D. h. die scheinbar nicht zusammenhängenden Puzzlestücke, Anforderungen und Randbedingungen übereinander zu bringen, so dass Sinn entsteht.

Eine ähnliche Aufgabe haben Analysten, Diplomaten und Journalisten in Bezug auf die Weltlage. Aber ihre Fähigkeiten, ihr Wille oder beides Hand in Hand, hat so stark nachgelassen, dass man es nur noch durch eigenes "Triangulieren" (wie die Positionsbestimmung im Navigationsgerät) bzw. Kreuzpeilung erreichen kann.

Und hier verlieren wir viel Zeit bei der Suche, Sichtung und Bewertung all der Blogs, Magazine und  Videoaccounts. Aber hin und wieder stößt man auf etwas, was den eigenen Horizont erweitert. So stieß ich neulich auf den Begriff vom "Dritten Rom", als ich nach langer Zeit mal wieder durch Lettre International stöberte. Die Figur vom "Dritten Rom" stammt aus einem kircheninternen Brief aus der Zeit, als Byzanz an die Osmanen verloren ging.

Die osmanische Herrschaft über den Balkan ist die Grundierung auf der man heutige Verbundenheit von Serben, Ungarn und anderen Balkanstaaten mit Russland, bzw. seiner Kirche, verstehen muss. Es ist auch der durch Jahrhunderte schwelende Kampf zwischen Christen und Muslimen, bzw. Islamisten. Meiner Meinung nach kann man auch den Zerfall und den Krieg in Jugoslawien als religiös-kulturellen Krieg deuten. Aber niemand im zerfallenen Westeuropa wagt es, es auszusprechen. Außer Peter Handke und einigen anderen.

Jedenfalls sahen nach dem Siegeszug der Osmanen über Byzanz einige Kirchenschreiber und Fürsten in Moskau die einzige Macht, die den Osmanen Widerstand bieten könnten. Und tatsächlich, 300 Jahre später warfen die Russen die Osmanen bis nach Istanbul zurück. Die wichtigsten Schlachten gewannen die Russen in Bulgarien. Doch die mit befreiten Europäer bekamen kalte Füße und distanzierten sich bei den Verhandlungen von Russland. Und seitdem könnte im russischen Gedächtnis der Stachel eines verratenden Europas sitzen. Eines Europas, das sich der islamischen Mentalität nahe sieht, andere die Arbeit machen zu lassen, und erst hinzu zu kommen, wenn die Beute oder die Ernte verteilt wird. (So gestaltete sich ja auch die Herrschaft der islamischen Mauren in Spanien.)

"Das Dritte Rom" mag nur noch ein Leitstern sein, aber Putin weiß ihn zu spielen. In dem zerfallenden, dekadenten Europa muss einer die Sache in die Hand nehmen. Und wer dabei stört, wird angegriffen. Die Ukraine wäre nicht der erste Schauplatz, in dem die USA hinter den Kulissen eine Invasion provoziert haben. Die Familie Biden ist viel zu sehr ins korrupte ukrainische Geschäft verwickelt, um hier Abstinenz zu unterstellen.

Ich unterstelle aber auch Putin keine höheren kulturellen Ziele. Ich unterstelle ihm, wie jedem, der auch mit 60+ immer noch nicht von Macht und Geltung lassen kann, Geltungs- und Herrschsucht als Kompensation für einen persönlichen Schmerz. Aber er muss seinem Volk eine Geschichte erzählen, die die Bereitschaft zum Krieg nährt. Und die Verteidigung gegen ein Europa, das sich und andere an Islamisten verrät, dürfte Motivation genug sein. Putin muss nur auf den 11. September verweisen oder die Zustände in deutschen Städten, um zu zeigen was passiert, wenn man sich nicht verteidigt.

Für uns Bürger lauten die Optionen dann allerdings nur noch, entweder zäh und kleistrig unterzugehen oder in einem autoritären Staat unter russischer Aufsicht weiter zu leben.


Dienstag, 9. August 2022

Marcel Luthe, übernehmen Sie!

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik ist irritiert: Sie ist mit der ehemaligen ARD- und RBB Intendantin so dicke, dass sie den beruflichen Hintergrund ihres Dinner

Montag, 8. August 2022

Separatismus oder Befreiung? Es kommt auf den Blickwinkel an

Sie haben alle Recht behalten. Die Warner vor dem EURO-Kollaps, der Deindustrialisierung, der Ausländerkriminalität, dem Blackout, der De-legitimierung des Staates, den Regierungslügen in der Pandemie und dem unschuldigen Opferlamm Ukraine. Und natürlich die Kritiker des ÖRR Selbstbedienungsladen. Dieses Jahr noch recht bekommen werden die Ankläger von Scholz und seiner "SPD Mafia" (BZ-Berlin). 

Hunderte wurden dafür denunziert, geblockt, gesperrt, angezeigt, abgesagt, entlassen und einige sogar von SEK's überfallen und in U-Haft gebracht. Den Helfershelfern in den Schreibstuben entzogen die früheren Stammleser die Mittel, in dem sie ihre Abos kündigten. Aber die Regierung belohnte sie mit Steuergeldern für ihre Linientreue. Links auf Spiegel und Süddeutsche dienen den Regierungsschreibern immer noch als "Quellen" für Propagandatweets. Höchste Richter verweigern immer mehr, sich mit Verfassungsbrüchen überhaupt zu befassen. Staatsanwälte verweigern Ermittlungen gegen veruntreuende Intendantinnen. Senatoren und Abgeordnete konnten bis heute ungeahndet Wahlen fälschen. 

In Essen wurde das 1980 errichtete Y-Hochhaus von RWE Energie abgerissen, wohl um den Energieversorgern zu zeigen, dass ihre Zeit jetzt vorbei ist. Weiß die Stadt Essen eigentlich, dass sie von den Dividendenzahlungen von RWE gelebt hat? Weiß das einer von den wohlstandsverwahrlosten, abgebrochenen Studentinnen?

Wenn jemand dagegen auf die Straße geht, zeigen die ARD und ZDF Zuschauer mit den Fingern auf sie. Wer sich über die Woche der Demokratie im Morgenmagazin oder der RBB Abendschau  "informierte" hörte, dass da nur Nazis rumgelungert hätten, Vor Ort aber sah man eher Alt-Grüne und Anarchisten, die den Staat schon immer im Verdacht hatten. 

Jahrelang folgten Manager, Regierungssprecher und Journalisten den Forderungen und Visionen eines Elektroautopropheten. Dann wurde dieser von jetzt auf gleich aus dem Spiel genommen und von jetzt auf gleich hört man nichts mehr von den Visionen. Die Mitläufer haben überhaupt kein Problem damit, von einem Tag auf den anderen ein völlig anderes Lied zu singen. Und das ist es was mir diese Leute so ungenießbar macht. Diese völlige Käuflichkeit, dieses Mitlaufen, dieses Desinteresse an aller Substanz und Weigerung für irgendetwas mal einzustehen.

Unsere Datschennachbarn und auch Freunde berichteten von der Entscheidung der Stieglitze Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg (Grüne, Stuttgart, eine die dem Mittelstand schon mal den Krieg erklärt hat), einen großen Holzsteg durch einen Gitterrost ersetzen zu müssen, weil die Planken des Holzsteges "Schatten aufs Wasser werfen". Dass es nicht die Fische sind, die hier einen Schatten haben, wissen alle. Aber keiner sagt was. Wir sind auch bei uns immer noch die einzigen, die sich je mit den Behörden angelegt haben. Alle warten stets darauf, dass wir etwas machen. Denn, man weiß ja nie..

Und da komme ich zum Punkt. Wenn sich nicht nur dieses Vorgeplänkel wiederholt wie 1918 oder der bibbernde Kältewinter wie 1947 sondern auch mal die Fotos vom Novemberputsch mit bewaffneten Bürgern in den Straßen dann muss jeder wissen, dass die Putschisten nicht für die Befreiung aller kämpfen werden, sondern nur für sich selbst. Wie neulich auf Kontrapunkt.radio jemand sagte: Wir müssen die Demokratie dahin weiterentwickeln, dass man sich bei großen Meinungsunterschieden abspalten kann. D. h. wenn es 49:51 steht ob man Kernkraftwerke weiterlaufen lassen will oder Gas beim Russen kaufen soll, dann sollte die unterliegende Menge ihren Willen umsetzen dürfen, aber halt in einem abgespaltenen Gebiet. 

Ich verstehe inzwischen warum es überhaupt je Separieren gegeben hat. Man hat irgendwann keine Lust mehr und das Leben ist zu kurz als sich fortwährend von Deppen regieren, drangsalieren und ausplündern zu lassen. Vielleicht müssen wir gar nicht auswandern, sondern uns nur ein neues Gebiet schaffen.

Ich muss mich mal in die Geschichte der Separatisten einlesen. Vielleicht war die Idee von Bundesstaaten und Unionen schon immer die derjenigen, die gerne von der Arbeit der anderen leben und davon gar nicht genug bekommen können. Vielleicht waren das schon immer die, die dem "starken Staat" das Wort geredet haben. 

Mir ist klar, dass Separation (bzw. heißt es nicht Unabhängigkeit?) nicht durch Diskussion im Stuhlkreis entsteht. Das wissen die Serben, die Katalanen, die Schotten. Nein, nur der Mauerfall war eines der ganz wenigen geschichtlichen Ereignisse, die gewaltfrei abgelaufen sind. 

Dienstag, 19. Juli 2022

„Propaganda“, Edward Bernays, 1928

 Aus „Propaganda“, 1928, von Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud und Gründer der Public Relations als Politikberatung:


„Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. 

Wir werden regiert, unser Geist wird geformt, unser Geschmack geformt, unsere Ideen vorgeschlagen, größtenteils von Menschen, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Sehr viele Menschen müssen auf diese Weise zusammenarbeiten, um als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben zu können.

 Unsere unsichtbaren Gouverneure sind sich in vielen Fällen der Identität ihrer Kollegen im Innenkabinett nicht bewusst. Sie regieren uns durch ihre natürlichen Führungsqualitäten, ihre Fähigkeit, die benötigten Ideen zu liefern, und durch ihre Schlüsselposition in der sozialen Struktur. 


Unabhängig von der Haltung, die man gegenüber diesem Zustand einnimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir in fast jedem Akt unseres täglichen Lebens, sei es im Bereich der Politik oder der Wirtschaft, in unserem sozialen Verhalten oder in unserem ethischen Denken, von der relativ kleinen Zahl dominiert werden von Personen - ein kleiner Teil unserer hundertzwanzig Millionen -, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen verstehen. Sie ziehen an den Drähten, die das öffentliche Bewusstsein kontrollieren, nutzen alte soziale Kräfte und erfinden neue Wege, um die Welt zu binden und zu führen.“


Quelle: https://archive.org/details/in.ernet.dli.2015.275553/page/n7/mode/2up

Montag, 18. Juli 2022

Uwe Tellkamp beschreibt die tiefe Gesellschaft

Liest hier noch jemand gerade Uwe Tellkamps neuen Roman "Der Schlaf in den Uhren"? 

Ich bin gerade auf Seite 270, kann also noch nicht vollends mitreden. Aber so viel kann ich schon sagen: Ich hatte beim Verständnis der Bürgerrechtsbewegung in der DDR und dem Mauerfall nie bedacht, dass es mit dem DDR Bürgertum auch eine Art Kontinuität über die Systemwechsel hinweg gab. (In  Tellkamps Roman symbolisiert durch das tiefe Bergwerk, neben dem tiefen Staat die tiefe Gesellschaft). Ich wähnte das nur in der alten Bundesrepublik (in der ich aufgewachsen bin) und natürlich in den Zeiten davor. 

Es war immer so, dass Leute aus den nicht so privilegierten Schichten (das meine ich jetzt nicht im "woken" Sinne) für die Freiheit kämpften und ihre Existenz riskierten. Und wenn sie errungen war, ritten die gehobenen Stände durch das geöffnete Tor in die Burg und nahmen die Plätze ein. Die Abgekämpften  lag erschöpft in der Ecke. (letzte Beispiele: Angela Merkel erntete die Früchte der Arbeit von Alice Schwarzer, Guido Westerwelle trampelte auf dem Pfad von Klaus Wowereit in den Regenbogen.) 

Uwe Tellkamp legt den Finger in die Wunde des DDR Bürgertums, der de Maizieres, der Pfaffen (von Kasner über Stolpe bis Gauck) und so weiter. Und deshalb schreit das Feuilleton empört auf. Wollte es sich doch damals als Denker und Lenker der Wende und heute als moralische Instanz verstanden wissen. 

In der umstrittenen "Doku" von 3sat äußerten Feuilletonchefs von ZEIT und FAZ ihr Unverständnis über das Unverständnis von Tellkamp über die einseitig, konforme Ausrichtung der veröffentlichten Meinung: "Sie müssen verstehen, dass ein Lehrer aus dem Bürgertum seine Kinder natürlich wiederum seine Kinder in den Klavierunterricht und ins Theater schicken wird." Das gleiche gelte für Kulturfunktionäre. Und da sei es doch "normal", dass sich dadurch eine homogene Haltung in den Kolumnen der wichtigsten Zeitungen ausbilde. Er sei "verwundert, dass Uwe Tellkamp das erst jetzt klar wurde". 

Uwe, Du Dummerchen, hast Du das jetzt erst bemerkt? Selbst schuld, wenn Du Dir die Deutungsansprüche der Herren immer mit Qualität erklärt hast. Du musst unbedingt die "Kritik der zynischen Vernunft" nachholen. Die moralische Instanz ist nicht die, die die veröffentlichten Maßstäbe selbst vorlebt - sondern wer erkennt, und wie z. B. der brutzelnde Böhmi mit schiefem Lächeln vom Zwangsgebühren-finanzierten Sessel aus verkündet, dass das ganze doch ironisch gemeint ist. Beziehungsweise doch nur für die gelte, die man lenken wolle. 

Tja, liebe Bürgerrechtler. Jetzt werdet Ihr ein zweites Mal hinters Licht geführt. Wir wissen heute, dass die Runden Tische eine Idee des um Kontinuität "besorgten" DDR Bürgertums waren. Die Pfaffen redeten Euch ins Gewissen. Und schon als in Rumänien das Kommando Nicolae Ceaucescu zur Tat Schritt, fingen sie hier zu lamentieren an, dass man jetzt langsam mal einen Schlussstrich unter die SED-Herrschaft ziehen müsse. (Es gehe schließlich um Pensionsansprüche und den sozialen Frieden, der "Zivilgesellschaft"). Daran rüttelt Tellkamp, und deshalb versuchen sie, ihn zu ächten.. 

Sonntag, 17. Juli 2022

Meine geboosterten Freunde, Nachbarn und Kollegen haben Corona

Für Mitte August plane ich mit zwei alten Schulfreunden einen Ausflug. Jetzt aber haben beide gleichzeitig Corona bekommen - oder Sommergrippe? Der eine war auf einem Schützenfest gewesen, der andere auf Langeoog zu einem Kurzurlaub. Sie liegen beide mit Symptomen einer Sommergrippe. Und beide sagen: "Gott sei Dank bin ich geimpft, sonst wäre es ja noch schlimmer."

Gesundheitsminister Lauterbach räumte neulich in einer Bundestagsrede ein, "wir wissen, dass die Impfstoffe nicht wirken" um dann im weiteren Redeverlauf sein Plädoyer für die nächste Impfkampagne zu "begründen".

Zitate (Quelle):

Wir wissen darüber hinaus, dass die Impfstoffe nicht wirklich gut schützen gegen die Infektion. Das ist die Lage, mit der wir ringen müssen.

...

Wir werden eine Impfkampagne vorbereiten, und diese Impfkampagne wird sich zunächst einmal an diejenigen richten, die durch die Impfung geschützt sind vor schwerer Erkrankung. Das sind in der Regel die über 60-Jährigen. Bei den über 60-Jährigen ist die schwere Erkrankung nach einer Boosterimpfung und insbesondere nach einer zweiten Boosterimpfung eine Seltenheit. Somit können wir mit dieser Kampagne nicht jede Infektion vermeiden; aber die schweren Erkrankungen können wir beherrschen. Die Sterblichkeit würde drastisch sinken.

Außerdem erkrankt: Baerbock (4x geimpft) und Habeck (Impfstatus unbekannt).

Darüberhinaus kenne ich erstmals noch viele weitere Coronakranke persönlich. Und sie sind alle geimpft. "Ja, das ist kein Wunder", sagt ein Bekannter, "denn wenn so viele geimpft sind, dann erhöht sich auch die Zahl der Impfdurchbrüche." Da ist einerseits qualitativ etwas dran. Aber quantitativ haben wir eine Boosterrate von etwas über 70%. Aber eine Impfquote von 100% unter den Kranken, die ich persönlich kenne. Und: unter den wenigen völlig Ungeimpften, die ich persönlich kenne, gab es zwar einige positiv Ggetestete, aber keinen mit Symptomen.

Und schließlich kenne ich mehrere geimpfte Senioren mit Gürtelrose und eine Geboosterte mit Herzproblemen. Diese sind zwischen 60 und Mitte 70.

Wir haben Corona, bzw. Covid-19 noch nicht verstanden. Wir haben eine Gentherapie, die den Körper ein Coronoaprotein nachbauen lässt. Wir haben ein Immunsystem, das daraufhin eine Immunantwort entwickelt, und sie dann schnell wieder vergisst. Kann man das noch Impfung nennen?

Was also haben wir insgesamt? 

Wolf Schneider hatte vor einem Jahr bei Gabor Steinhart auf die Möglichkeit einer weltweiten politisch gesteuerten Kampagne geantwortet, für eine weltweite Kampagne brauche man keine Weltsteuerung, es genüge das Virus in die Welt zu setzen. Man wisse ja, wie Regierungen darauf reagieren: Regierungen streben nach Machterhalt. 

Die Hauptwidersprüche sind also zur Zeit:

  • Hohe Inzidenzzahlen im Sommer (Sommergrippe?)
  • Viele Impfdurchbrüche
  • Niedrige Intensivbelegung (aber hoher Personalausfall in Kliniken.
  • Ein Gesundheitsminister, der auf Millionen unbenutzter Impfdosen sitzt und unentwegt neue bestellt.

Sonntag, 26. Juni 2022

Semlin gedenkt einer nicht belegten Hexenverbrennung

Semlin ist ein malerischer Ortsteil von Rathenow, Havelland. Den kleinen Dorfkern prägen eine Kirche und -deutscher geht es nicht- ein Denkmal an eine Hexenverbrennung. Das Denkmal, eine Skulptur, die die damalige Angeklagte Anna Rahns zeigt, steht mitten auf einer Wiese, um die sich Wohnhäuser des Dorfes scharen. Wer durch Semlin kommt, kommt am Denkmal der sogenannten "Butterhexe" vorbei.

Voran getrieben wurde die Errichtung dieses Denkmals vor zwanzig Jahren von einem Zugereisten aus dem Sauerland. Wessis zeigten den Osten also nicht nur im Großen, wie Demokratie und Marktwirtschaft gehen. Sie übernahmen hier und da auch moralische Führungsrollen auf dem Land. Und wer schon immer Probleme mit der eigenen Identität hatte, dem liegt es nahe, auch anderen dieses Problem nahe zu bringen. Und dann wühlt man ein bisschen in der Vergangenheit der neuen Heimat. Und das größte Verbrechen, das man da findet erwählt man zur Identitätsstiftung. Kommt einem als Deutscher teilweise bekannt vor.

Kurzum. Der Neu-Semliner aus dem Sauerland brachte nicht nur die sogenannten "Semliner Hefte" heraus, mit der er die Deutungshoheit über das Semliner Geschehen errang. Er schaffte es auch, vis a vis zur Kirche ein Mahnmal an eine Hexenverbrennung errichten zu lassen. Wanderer, kommst Du nach Semlin, dann wisse: Dieser Ort definiert sich über eine Hexenverbrennung vor 300 Jahren. Mehr gibt es aus Sicht der Gemeinde offenbar nicht zu wissen. Been there, done that. 

Zur Absicherung seiner Mission band der Neusemliner aber offenbar eine gebürtige Hobbyhistorikerin mit ein. Man will sich ja nichts nachsagen lassen. Viele Ostdeutsche tun sich auch heute schwer, eigene Anliegen zu vermarkten, da ist ein sendungsbewusster Zugereister schon eine gute Ergänzung. 

Vor einigen Jahren starb der Neusemliner und die Hobbyhistorikerin forschte weiter in den Archiven. Es fehlte, kleines Detail am Rande, der Beleg, dass die Angeklagte Anna Rahns auch wirklich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Dass man trotzdem schon ein Mahnmal in Stein meißeln ließ ist schon bemerkenswert genug. Aber jetzt wurde es der Hobbyhistorikerin offenbar immer unwohler. Im Brandenburger Wochenblatt (herausgegeben von der MOZ) stand jetzt ein Artikel, in dem sie darauf hinweist, dass die Grundlage des Mahnmals nicht belegt ist. 



Samstag, 18. Juni 2022

"Aggressive Projektion" - guter Erklärungsansatz der Psychologin Fischer bei Kontrafunk.radio

Die Psychoanalytikerin Jeannette Fischer war zu Gast bei Burkhard Müller-Ullrich. Dort erklärte sie sehr gut nachvollziehbare Erklärungsmuster für das Verhalten konformistischer Zeitgenossen. Also jene, die demonstrativ ihre Maske tragen, überall. Die einen sofort anranzen, wenn man sich nicht konform verhält. Die einen sofort in die Ecke stellen, wenn sie am Ende ihres eigenen intellektuellen Horizonts angekommen sind.

Es geht dabei um das Ausagieren der eigenen Aggression aus einer sicheren Deckung: Auch diese Leute haben Wut, aber sie trauen sich nicht, diese auszuleben, außer wenn es gesellschaftlich (vermeintlich, suggeriert durch Agitation in den Medien) gebilligt oder gewollt ist. Deren Aggressionen werden durch Angst geschürt. Genauer: Durch die Säue, die die Medien in regelmäßigen Abständen durch das globale Dorf jagen. 

Frau Fischer unterscheidet zwischen Angst und Furcht (und es war guter Journalismus, dass Müller-Ullrich zuerst die Basisbegriffe klären wollte). Furcht bewirkt rationales Handeln zur Reduzierung eines erkannten Risikos. Angst hingegen bewirkt Lähmung. Entspannung entsteht hier nur durch kollektives Verhalten gegen einen gemeinsamen Feind. Z. B. Kollektives Maske Tragen und kollektive Hetze gegen Verweigerer. Die ängstlichen Konformisten sind unbewusst sogar froh über die Verweigerer, denn so können sie die Projektion ihrer Aggression von einem unsichtbaren Virus auf sichtbare Zeitgenossen lenken und ausagieren. Die konformistische Masse sehnt sich nach Entlastung durch Entladung ihrer angestauten Aggression gegen einen Sündenbock. 

Dass es auch in der verkündeten Pandemie entweder auch oder vor allem darum ging, verriet übrigens Christian Droste in einem seiner ersten NDR Podcasts: "Auch wenn der Nutzen der Masken noch nicht eindeutig erwiesen ist, signalisiert ihr Träger aber auf jeden Fall: Ich habe verstanden, und aus Solidarität mache ich mit."

Ich selbst erlebte in der Anfangsphase, im Februar 2020 übrigens folgendes: Die Nachrichten aus Wuhan standen da noch nicht auf den Titelseiten, aber eine chinesische Kollegin aus dem Nachbarbüro trug bereits eine Maske. Sie nannte das "Wuhan-Virus" als Grund, und sie wisse um die Geschwindigkeit, mit der sich Viren auf der Welt ausbreiten. Ok, dachte ich: Wer sollte das besser wissen, als eine chinesische Kollegin und meine Frau und ich besorgten uns Masken in einer Apotheke. Allerdings gab es zu der Zeit noch keine OP- oder FFP2-Masken zu kaufen, sondern nur diese ganz einfachen Stoffmasken.

Als ich am nächsten Morgen im Projektbüro auftauchte erlebte ich Staunen, Gelächter und Witzchen. Ich sagte: Als Zugpendler werde ich auf Nummer sicher gehen. Meine Kollegin erwähnte ich nicht, so dass sich meine witzelnden Kollegen in diesem Moment allein auf ihr eigenes Urteilsvermögen stützen mussten. Sie erklärten mir im Brustton der Überzeugung, warum Masken gegen "gefährlich Viren" nutzlos seien. Krankenhausmasken trage man nur zum Schutz von OP-Patienten, gegen die Verbreitung von Keimen. Aha.

Die gleichen Kollegen gehörten später zu den härtesten Kritikern von Kollegen ohne Masken, als die Regierung und der Vorstand Masken in Büros anordneten. 

Ich erklärte es mir dann auch so, dass es einem angespannten Kollektiv bei der Bewertung von abweichendem Verhalten, nicht um die Wahrheit geht - nicht mal aus Eigeninteresse, um sich selbst zu schützen. Es geht nur darum, selbst auf der sicheren ("befohlenen") Seite zu stehen. Und einen Sündenbock zu haben, falls die eigene, konforme Angst nicht mehr auszuhalten ist.

Montag, 30. Mai 2022

Apocalypse now

 Woher kommt unsere Vorstellung, es müsse erst noch schlimmer werden, bevor es wieder besser wird? Dass es erst "knallen" muss. Dass mal einer mit der Faust auf den Tisch hauen muss. Dass man wieder einer "kommen muss, der aufräumt". 

Es scheint Alltagserfahrungen zu entspringen. Ein Konflikt hat lange geschwelt und jetzt haben wir mal "Klar Schiff" gemacht. "Ich muss alle paar Wochen mal drauf hauen, dann geht es wieder." sagte mein früherer Chef über unsere Dienstleistungsfirma. Oder vom Wetter: Wenn es unerträglich heiß und schwül geworden ist wünschen wir uns das erlösende Gewitter.

Im Neuen Testament ist es das große Motiv der Apokalypse. Dem Endkampf zwischen Gut und Böse, bevor Jesus zurück auf die Erde kehrt und ein goldenes Zeitalter einläutet.

Aber woher hatte der Verfasser der Offenbarung sein Motiv? Von den gebärenden Frauen? Die zuerst einen anschwellenden, unerträglichen Schmerz aushalten müssen. Und der erst aufhört, wenn das Kind geboren ist? Das Kind, das als die eigene Erlösung angesehen wird?

Seit den Terrorangriffen vom 11. September suchen auch gebildete Leute nach Zeichen und Deutungen. Nach einem Sinn in einer Welt, die ihnen zunehmend sinnloser vorkommt. In der sich geschaffene Ordnungen auflösen und scheinbar willfährig an das Böse ergeben. Oder das Böse für das Gute halten.

Aber mit so einer Wortwahl habe ich mich schon selbst in die Begriffswelt der Gläubigen der letzten Tage begeben. Aber ist da nicht etwas Wahres dran? 

Gut, könnte man einwenden, wenn du schon den 11. September oder den Krieg in der Ukraine für die Apokalypse hält, was waren dann erst die Weltkriege im vorigen Jahrhundert? Geht es denn noch schlimmer?

Ja, sagen die Klimawandelgläubigen. Diesmal steht "der Planet" auf dem Spiel. Und diese Leute sehen in uns, den Guten das Böse. 

Aber wen interessiert "der Planet"? Die Bibel handelt vom östlichen Mittelmeerraum. Die Stämme Israels gegen den Rest der Welt mit Gott Jaweh auf ihrer Seite. Das Volk, das immer herumziehen musste. Das im gelobten Land ankam, es eroberte und bewohnbar machte. Und wieder vertrieben wurde. Und den Nachkommen, die es irgendwann satt hatten, die verfolgten Sündenböcke zu sein und sich assimilierten. Und wo dann Gott genug hatte und mit der Faust auf den Tisch haute.

Ist da kein Entkommen? Nein, sage ich. Wir dem Ursprungs nach Europäer hatten das Böse 1989 besiegt. Und zehn Jahre hielten wir die neue Freiheit aus. Und erarbeiteten einen rasanten Fortschritt, der unzählige Science Fiction Visionen in die Realität umsetzte. Aber dann ging es einigen schon wieder zu gut und sie begannen, ihren Überdruss an sich selbst über die Welt zu bringen. 

  • In den 90er Jahren bombardierten sie serbische Christen, die sich von kosovarischen Muslimen und Islamisten distanzieren wollten.
  • In den 2000er Jahren denunzierten sie die Christen und Juden, die sich gegen die irakisch-afghanischen Islamisten wehren wollten.
  • In den 10er Jahren öffneten sie Grenzen Europas für Massen und Marodeure, die sich einfach mit ins Boot setzten. Aber nicht mitruderten.
  • In den 20er Jahren wandelten sie die westlichen Staaten in autoritäre Gebilde, die sich ihre Massen zu Konformisten und Denunzianten erzogen. Immer weniger arbeiteten mit und diese mussten immer mehr Steuern zahlen für die, die sich mit an den Tisch setzten und die hinter den Überwachungskameras standen. Und sie provozierten einen Krieg direkt vor ihrer Haustür.
Der Gott des Alten Testamentes war ein strafender. Illoyalität und Verstöße gegen seine Gesetze vergalt er mit harten Strafen. Die Israeliten hatten sich nicht ihn ausgesucht. Er hatte sie sich ausgesucht. Ein Schicksal ohne Entkommen. Ein Gesetz ohne Entkommen. Aber auch eine menschliche Natur vom gleichen Schöpfer. Ein Schöpfer, der sich eine Natur geschaffen hat, die gegen seine Gesetze verstößt und die deshalb regelmäßig angeklagt, verurteilt und bestraft wird. 

Nein, sagen die Apokalyptiker. Du hast die freie Wahl, dich für die guten oder die bösen Dämonen zu entscheiden. Für den heiligen Geist oder den Dämon auf der Wanduhr in Deinem Zimmer. Wen du über deine Seele herrschen lässt, bestimmst du selbst.

Doch, so denken inzwischen auch wieder gebildete Leute. Leute, denen man den Blick hinter den Vorhang vorenthält. Gebildete Leute, die sich von weniger gebildeten Leuten, herumkommandieren lassen. Die das nicht wollen, aber die auch keinen offenen Widerspruch wagen. Und die deshalb auf die Erlösung durch die gute höhere Macht hoffen. Und deshalb zum Himmel und in die Medien blicken in der Hoffnung, ein Zeichen zu sehen. 

Und die sich versammeln. Beim Montagsspaziergang, auf dem Hambacher Fest. Immer mehr, und dazu gehören immer mehr Leute auch aus meinem Bekanntenkreis, denken so und halten es nicht mehr aus, diese Widersprüche allein in ihrem Kopf auszutragen. Eine wachsende Anspannung, die auf Erlösung wartet. Den Knall, das reinigende Gewitter oder die Faust auf dem Tisch.

Die Ähnlichkeiten mit den letzten beiden Vorkriegszeiten in Europa sind unübersehbar. Die Staaten rüsten gegen ihre Bürger. Drangsalieren sie mit Formularen, Regeln, Preissteigerungen, Zensur, Gewalttätern (was früher die organisierten Schläger in Uniformen und auf Lastwagen waren sind heute Islamisten, Verwahrloste und die Antifa). Die Grenzen passen immer weniger zu den gewachsenen Völkern. Die Spannungen zwischen immer weniger Fleißigen und immer mehr Mitessern wachsen. Es kommt von allen Seiten und wir sollen uns um immer mehr kümmern. Sollen Afrika retten und Syrien und die Ukraine. An uns selbst sollen wir überhaupt nicht mehr denken.

Der Staat zählt auf die gewaltbereiten Ungebildeten. Und kennt nicht jeder von uns mindestens einen, der nie so richtig erwachsen wurde, der die Verantwortung für sein Leben schon immer gerne auf andere und den Staat abgewälzt hat. Dessen Gehalt auch dann kam, wenn er regelmäßig seine 20 Krankheitstage im Jahr machte und sich Kuren "zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft" verschreiben ließ. Der Abends beim Bier über die Kapitalisten klagte, die endlich etwas abgeben sollten. Und der sicher kein Problem hätte, seine Verwandten und Freunde zu denunzieren, wenn er im Gegenzug "endlich auch mal dran" käme.

Der Westen ist dabei, sich totalitäre Strukturen zu geben, die nicht von einem einzigen Diktator abhängen. Stattdessen wurde ein System geschaffen, in dem die Macht vom System ausgeht. In dem sich viele dumme Menschen gerne unterwerfen und auf nichts mehr hoffen als auf Rache an denen, denen sie nie das Wasser reichen konnten. Das Vorbild ist China. 

Diejenigen, die das auch so sehen, hoffen. Hoffen, dass es erst nach ihrer Zeit so richtig losgeht. Oder hoffen auf Flucht, wenn sie glauben, es noch mitzuerleben. Nur an bessere Zeiten glaubt von den Guten kaum noch einer.

Sonntag, 22. Mai 2022

Wie Propaganda wirkt

Über einen professionellen Lügner sagen die Leute nicht, dass er ein professioneller Lügner sei. Sondern sie sagen: Der kann gar nicht lügen.

Ähnlich ist es mit professioneller PR und Werbung.


Und es gilt auch für professionelle Propaganda in Kriegszeiten. Ihr gehen auch Intellektuelle auf den Leim und lässt sie denken: "Gut, dass es das bei uns nicht gibt."


Sie benutzt den gleichen Trick wie Change Agents in Großorganisationen: Sie stellen nicht selbst Wertungen und Forderungen in den Raum, weil sie um deren Ablehnung wissen.

Sondern geben den Leuten die Informationshäppchen, aus denen sie selbst die gewünschten Schlüsse ziehen und Forderungen formulieren.


Daran musste ich gerade nach dem Hören der aktuellen Podcast Episode von Lanz & Precht denken. Ich halte von beiden nicht viel und hörte nur mal rein, weil mein Podcastprogramm es mir empfahl. Es ging um "das Böse" und handelte von: Putin. Ich hörte rein - und blieb kleben. Die beiden haben es wirklich drauf, so zu reden, dass man davon besoffen wird. Als würde man einem interessanten Thekengespräch nebenan folgen.

Beide bauen ein Bild von Putin auf, das einen erstarren lässt. "Da war am Anfang die U-Boot Katastrophe der Kursk. Wo den Männern unten im Polarmeer die Batterien ausgingen. Zuerst geht das Licht aus, dann wird es kalt und der Sauerstoff geht aus. Und oben feiert Putin eine Gartenparty. Und lehnt internationale Hilfsangebote ab." - "Ja, der Soundso hat ja neulich darauf hingewiesen, dass wir nie vergessen dürfen, dass Putin durch und durch ein Agent ist. Der hat keine Empathie mehr. Der erwartet von seinem Personal, dass es funktioniert, andernfalls ist es wertlos." - "Ja, und unsere ZDF Korrespondentin in Moskau sagt, dass man dort immer häufiger das Gerücht hört, die vermeintlich Tschetschenische Sprengstoffanschläge auf Moskauer Hochhäuser hätte der Geheimdienst selbst durchgeführt, um einen Anlass für einen Krieg zu konstruieren."


Atemlose Spannung. Irgendwann wird mir klar: Hier wird ein Monster aufgebaut. Das Monster eines Diktator den man wohl schon bald nicht mehr für einen Menschen halten soll. Und dann kommen die Beispiele aus der -richtig- Nazizeit. Wie skrupellos wir alle unter bestimmten Bedingungen werden können. Soll heißen: Es steckt in jedem von uns, und jetzt kommt es gerade bei Putin zum Vorschein.

Lanz bringt auch noch Beispiele aus dem Drohnenkrieg der USA. Wie unempathisch der Druck auf den Knopf vonstatten geht. Aber nur als Beispiel. Der aktuelle Akteur ist Putin.


Unsere Medien bauen gerade das Bild vom Bösen an sich auf, und es trägt Putins Gesicht. Vorsicht: Genau das ist Kriegspropaganda. Und man erkennt es gerade daran, dass man denkt: Gut, dass es bei uns solche nachdenklich, gebildeten Medienmacher gibt anstatt solch platter Propaganda wie in Russland.

Man muss sich beim Lesen, Hören und Schauen selbst beobachten: Was wird mir hier gerade vermittelt? Was baut sich da gerade in mir auf? Ah, der brutale Putin, der nicht nur abtrünnige Agenten vergiften lässt, sondern auch eigene Matrosen drauf gehen lässt, wenn sie versagt haben.

Ich bin weit davon, Putin in Schutz zu nehmen. Aber welchen Zweck verfolgen Medien, die solche Bilder aufbauen? Welchen anderen Zweck, als unsere Zustimmung zur Eskalation eines Krieges zu erzeugen?

Sonntag, 15. Mai 2022

Was unsere "Welt von gestern" von Stefan Zweig's unterscheidet

 Ich lese gerade zum wiederholten Male in Zweig's "Unsere Welt von gestern". Und es drängt mich, Parallelen, aber auch Unterschiede zu unserer heutigen Trauer um die Vergangenheit zu ziehen. 

Stefan Zweig bringt seine Zeit in Österreich vor dem ersten Weltkrieg auf den Nenner Sicherheit und Stabilität. Immer ging alles seinen Gang und wer zur gebildeten und begüterten Schicht gehörte, konnte sein Leben schon bis zur Pension ausrechnen. Als Garanten für diesen Komfort, der den Leuten wegen der Gewohnheit daran nicht mehr bewusst war, nennt er Kaiser Franz, bzw. die 700 jährige Monarchie der Habsburger

Sind Sicherheit und Stabilität auch, was wir heute vermissen? Vordergründig ja. Denn seit zehn Jahren treiben uns die Eliten von einer Krise in die nächste. Die Angst um die eigenen Ersparnisse, die Angst um gesichertes Einkommen, die Angst vor Epidemien und nun die Angst vor einem Atomkrieg. Wir werden auf Trab gehalten. Wenn wir uns früher nach Feierabend oder am Wochenende erholen wollten oder unser Leben verbesserten, fängt heute die zweite Schicht an, nämlich die Absicherung und Planung des weiteren eigenen Lebens. Geht so etwas über Jahre, zehrt es an den Kräften und den Nerven. Ich z. B. bekomme immer wieder mal Zahnschmerzen, die einige Tage später wieder von selbst verschwinden. Als suche sich mein Körper ein Ventil, über das er all den Überdruss und Unwillen ablassen kann.

Aber eigentlich wünsche ich mir nicht frühere Sicherheit und Stabilität zurück, Sondern die Freiheit, wieder selbst wirksam sein zu können. Wenn etwas meine erste Lebenshälfte beschrieb, dann war es die Gewissheit, die Qualität meines Lebens selbst beeinflussen zu können. Ich habe die Gelegenheiten genutzt, die uns unser Gemeinwesen früher bot. Als Kind interessierte mich die Welt der Erwachsenen. Die Autos, über die mein Vater und meine Onkels fachsimpelten. Unser Radion, der Plattenspieler, das Fernsehen. "Aus Forschung und Technik" und "Querschnitte". Aber auch Science Fiction. Deshalb war ich in der Schule wirklich neugierig, zu lernen. Lernen hieß Verstehen. Verstehen hieß, mitdenken zu können. Mitdenken befähigte zum Basteln und Ausprobieren. Ich hielt meine Einstellung für normal. Aber in der Schule lernte ich auch, dass ich damit zu einer Minderheit gehörte. von unseren 23 i-Männchen interessierten sich vielleicht fünf andere genau so. Die Mehrheit lief mit und tat, was nötig war. und eine andere Minderheit verweigerte das Lernen. Und versuchte, die anderen ebenfalls vom Lernen und guter Laune abzuhalten. Sie suchten Streit, neideten den anderen ihre guten Noten und Fähigkeiten. Im Ergebnis bremsten sie das Tempo. Anstatt die Lücke zwischen ihnen und uns durch eigene Anstrengung zu schließen, versuchten sie, uns zu bremsen. Und nur die älteren Lehrer gaben ihnen Kontra und versuchten sie zu disziplinieren. Die neuen Lehrerinnen verhandelten mit ihnen Bedingungen, zu denen die Marodeure bereit wären, im Unterricht wenigstens nicht mehr zu stören. Unser Staat bot allen Kindern kostenlose Schulbildung an. Aber nicht alle erkannten das als Chance. Die meisten kauten gedankenlos auf dem herum, was der Staat ihnen täglich vorlegte.

Gut, dachte der Staat, dann werden wir nach der Grundschule, diejenigen belohnen, die ihre Chancen erkennen und nutzen. Und er schuf das dreigliedrige Schulsystem. Ich nutzte die Chance aufs Gymnasium zu gehen., Danach nutzte ich die Chance, ein Studium zu beginnen. Alles weiterhin für mich kostenlos, was ich für selbstverständlich hielt. Aber neben mir wuchs die Gruppe derjenigen, die selbst solche Chancen für zu anstrengend hielten und Parolen erfanden wie "Abitur für alle", "Teilhabe für alle". Die den Selbstverantwortlichen noch die Bürde auferlegten, die Unwilligen, Gewaltbereiten weiter "mit zu nehmen". Hinter mir schufen sie das Gymnasium ab und ersetzten es durch die Gesamtschule. Aber schon bei uns tummelten sich viele, von denen ich mich später fragte: Was wollten die eigentlich da und warum wurden sie nicht früh ausgesiebt? In den Klassen 5 bis 7 waren Kloppereien zwischen guten Gymnasiasten und überforderten, neidischen und gewaltbereiten Problemschülern an der Tagesordnung. Wie sehr uns das im Lerntempo bremste, wurde mir erst bewusst, als ich in der Oberstufe meinen Physik-Leistungskurs auf dem Nachbargymnasium belegen musste. Das nämlich war inoffiziell eine Art städtisches Elitegymnasium. Meine Eltern, und die meiner Freunde, hatten sich nicht getraut, uns dort anzumelden. Aus Angst, dort weder leistungsmäßig noch vom Habitus der Eltern aus mithalten zu können. Denn dort trafen sich die Kinder der Oberschicht. Aber mit 18 begann für mich der Ausflug in diese Oberschicht. Und hoppla, das Tempo und die Intensität waren hier höher. Ich musste mich richtig anstrengen (zum ersten Mal), aber ich arbeitete mich bis auf eine 2+ hoch. Was ich auch lernte war: Auch in der Oberschicht gab es Schüler, die nicht in diesen Kurs gehörten, obwohl ihr Vater selbst Ingenieur war. Und der Lehrer siebte sie gnadenlos aus. Ich lernte den direkten Zusammenhang zwischen Anstrengung und Ergebnis.

Und das half mir direkt im ersten Semester meines Studiums, wo Physik wiederum ein Siebfach war. Ich kann an der Uni an und hatte bereits intensives Lernen gelernt. Etliche anderen fielen raus. Auch hier galt wieder: Einsatz lohnt sich. Und eine Stufe ergab hier die nächste. Ich bewarb mich als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl. Ich bekam den Job. Und machte hier meine Studienarbeit (übrigens bereits über den Einsatz künstlicher neuroyaler Netze in der Netzleittechnik). Und von hier aus bekam ich die Chance als Werkstudent bei RWE in Essen anzufangen. Und hier konnte ich später meine Diplomarbeit machen. Und dann bot man mir hier, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, einen befristeten Traineeevertrag an. Und auch hier musste ich mich wieder anstrengen, denn ich kannte bei RWE niemanden, der mich protegieren konnte. Außer meinem Diplomarbeitsbetreuer, zu dem ich mir meine Beziehung aber selbst erarbeitet hatte. 

Und so weiter. Bis heute würde ich sagen: Alles in allem, habe ich mich meistens als wirksam empfunden. Hoher Einsatz bewirkte neue Fähigkeiten und guten Lohn. Es war "normal", dass die Entwicklung solange nach oben zeigte, solange ich bereit war, Einsatz zu bringen. Aber immer bemerkte ich neben mir auch diejenigen, die ohne Fähigkeiten durch reine Protektion nach oben kamen und solche, die nur an Beziehungen arbeiteten, die sie ohne Anstrengung in hohem Lohn halten würden.

Aber das hat sich geändert. Die leistende einsatzbereite Schicht und Mentalität ist inzwischen eine Minderheit. Staat und Gesellschaft belohnen die Leistungsträger nicht  mehr. Sondern beschuldigen sie, dass sie den Deal nicht mehr einseitig einlösen wollen. In den Institutionen, der Form unseres Gemeinwesens, haben sich Kostgänger breit gemacht, die über die Gesamtschulen und Gesamthochschulen (wenn überhaupt mit einer Ausbildung) in Funktionen kamen, die sie nicht mehr ausfüllen können. Wo sie aber die Macht ausüben. Sie denunzieren die Leistungsträger als "Privilegierte". Leistungsfähigkeit und -bereitschaft werden hier inzwischen als angeborene Privilegien weißer Männer denunziert. Damit einher geht die große Selbstentlastung und der Freispruch von jedweder Aufforderung, selbst etwas leisten zu müssen. Damit einher gehen immer größere Hürden, selbst mal etwas aus den Versicherungskassen bekommen zu können, die man ein Leben lang finanziert hat. Und für sich selbst senken sie fortwährend die Hürden, sich an öffentlichen Kassen bedienen zu können. Obendrauf ziehen sie Millionen von Einwanderern ins Land, deren Unterhalt sie auch noch uns aufbürden wollen. Denn "Deutschland ist ein reiches Land", ist das Lieblingszitat der höheren Söhne und Töchter, die am Leistungsprinzip gescheitert sind, und jetzt dafür sorgen, dass ihr Scheitern als Schuld der Gesellschaft angesehen wird. Sie verbieten ja schon heute den Klügeren den Mund. Sie schaffen die Freiheit ab und installieren den Überwachungsstaat. Denn so wie die Mächtigen früher ihre Geheimdienste brauchten, um sich des Monopols des Staates zu vergewissern, so brauchen sie heute den Zensurstaat, um ihre Dummheit von den Klugen nicht enttarnen lassen zu können.

Eine Gesellschaft, die sich wehrlos diesen Marodeuren der Moderne ergibt, sich in Selbstzensur und Opferbereitschaft übt, ist zum Niedergang verurteilt. Und zwar einem Niedergang, der sich exponentiell beschleunigen wird. Zuerst werden nur die Goldränder abbröckeln. Dann bröckeln Putz und öffentliche Infrastruktur. Dann sieht es hier irgendwann so aus wie zum Ende der DDR und sie werden sagen: Schuld ist der Kapitalismus. Und sie werden die leistende Minderheit immer mehr beschuldigen und belasten. Und dann brechen irgendwann die Fundamente weg und dann wankt das Ganze. Und wenn es irgendwann nichts mehr zu verteilen gibt, werden die Bestien wieder erwachen. Und die Bestien werden nicht nur Hunger haben. Sie werden sich für die moralisch Höherwertigen halten und mit Selbstjustiz durch die Straßen ziehen. Die Anfänge davon kann man heute schon sehen.

Und dann werden wir beides verloren haben: Unseren Fortschritt und Stabilität.. 

Sonntag, 8. Mai 2022

Agilität und Demokratie brauchen Struktur

Ohne Massenmedien ist Demokratie in Deutschland nicht vorstellbar. Denn wen sollten die Leute wählen, wenn ihnen niemand sagt, wen? "Die plötzliche Freiheit ist das schlimmste." sagte eine mir bekannte Rentnerin. Sagten vielleicht auch viele Deutsche nach 1848, 1918 und 1989? 

Und nein, das hat nichts mit deutscher Ordnungsliebe zu tun. Diese halte ich noch für eines der konstruktivsten Wesensmerkmale der Deutschen. Denn nur was eine stabile, die Funktion unterstützende Struktur hat, kann etwas bewegen. Ordnung entspringt also der Erkenntnis, dass es wenig Sinn macht, sinn- und planlos irgendwie hin und her zu diffundieren. 

Aber genau das halten viele, die jetzt ungelernt in die Softwarebranche strömen, für Agilität. "Gebt Eure alten Vorstellungen auf und geht mit uns, mit der neuen Zeit. Werdet agil!" Rufen die, die gehört haben, dass bei uns jetzt viel von "Mindset" die Rede ist. Die jetzt hoffen, und glauben machen wollen, auf Fachkompetenz komme es jetzt gar nicht  mehr an. Sondern nur noch darauf, pseudofortschrittlich und vor allem soziologisch daher zu quatschen. Und da sind sie auch schon, Bachelors of Art, die Filmstudioassistenten, die Superschlauen die Festanstellungen nach dem Abitur für "superlangweilig" hielten und lieber "was mit Medien machten". 

Agilität ist, wenn wir jeden Tag neu darüber reden, was wir als nächstes machen und "was der Kunde will". Für ihren größten Widersacher halten diese Erwachten die Fachkompetenzen. Und unter diesen am meisten die Architekten, "Architekten sind Statiker - wir aber müssen agil denken." 

Falsch. Denn Agilität ist vielmehr die Kunst, von einem stabilen funktionalen Zustand in einen anderen stabilen funktionalen Zustand zu wechseln, ohne sich auf dem Weg dorthin im Chaos zu verlieren. Ständige Fluktuationen kosten nur Zeit und Energie. Und gehen in keine Richtung. Deshalb brauchen wir sie beide: Den, der um den Bedarf über das gewünschte Systemverhalten weiß. Und den, der um die Struktur weiß, die zu diesem Verhalten auf stabile Weise fähig ist. 

D. h. es laufen etwa folgende Analyseschritte ab:

Ist-Struktur --- ermöglicht---> Ist-Fähigkeiten

Ist-Fähigkeiten ---- ermöglichen ---> Ist-Verhalten

Soll-Verhalten ---- erfordert -> Soll-Fähigkeiten

Soll Fähigkeiten ----erfordern ---> Soll-.Struktur

Die hohe Kunst ist es, eine Struktur zu schaffen, die man gut auf neue Anforderungen anpassen kann. Wenn diese Kunst erfüllt ist, würde ich von einem agilen Projekt sprechen. Die Ungelernten propagieren aber, dass Agilität bedeute, man brauche keine Struktur mehr.

Aber nicht nur die Ungelernten stören. Auch Manager, die auf dem Weg zur neuen Struktur, das Soll-Verhalten oder Randbedingungen ändern, z. B. Terminvorgaben. Wenn man merkt, dass zwei Jahre Entwicklungszeit zu wenig waren, dann bedeuten zwei Jahre mehr Entwicklungszeit keinen Gewinn, wenn sich gleichzeitig die Anforderungen ändern. Dann wird man wieder da landen, wo man noch mal zwei Jahre bräuchte. (Aber ein CEO hat dann schon vier Jahre gewonnen, in denen er dem Aufsichtsrat unheimlich starke Visionen und Strategien präsentiert hat - und die Defizite der Organisation...).

Das Fazit der verzweifelten Kompetenzen lautet: Es war ohne Agilität schon schlimm. Aber jetzt ist es noch schlimmer. Jetzt werden sie für ihre Planlosigkeit auch noch gefeiert. Und sie werden die Folgen bei uns abladen. Als denjenigen, die mit der "neuen Freiheit und Selbstverantwortung" nicht umgehen konnten. Denn natürlich haben sie die operative Umsetzung ihrer Vorgaben komplett bei uns abgeladen.

Und im Intranet, dem Binnen-Massenmedium der Konzerne, wird es heißen: Die alten weißen Männer haben den Fortschritt behindert. Deshalb müssen wir sie loswerden. 

Vielleicht muss man mit dieser Erkenntnis auch die Skepsis gegenüber der Einführung von Demokratie verstehen. Vielleicht weniger gegenüber der Demokratie, sondern gegenüber den real existierenden Demokraten. Wenn Struktur und Stabilität verpönt sind, weil sie auch Missstände zementiert hatten, dann kann jeder Depp auf Fortschritt machen, indem er Demokratie und Freiheit propagiert. Und sich mittels Medien zu inszenieren weiß. Die Inkompetenten kommen in Demokratie über die Medien an die Macht. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert die Demokratie. Weil die Mehrheit der Regierten zu bequem ist, entweder selbst zu kandidieren oder sich selbst auf den Weg zu den Quellen zu machen.

Für die wissenden Systemarchitekten ist das ein Dilemma: Sie wissen, die alte Struktur kann die neuen Anforderungen nicht - aber immerhin die alten, und zwar stabil. Und zu der neuen Struktur werden sie nicht gelangen, weil die manipulierte Mehrheit von Strukturen nichts mehr wissen will. Die Mächtigen aber leben jetzt davon, ständig neue Anforderungen durch das Projekt zu jagen. 

Sonntag, 1. Mai 2022

Wenn die Kriegsangst in die Magengrube rutscht

Vier Jahre ist es schon her, dass ich hier über meine Arbeit in einem internationalen Softwareprojekt in Berlin geschrieben hatte, Über Infotainment im Auto. Über die Welt als Dorf von Ingenieuren, die man irgendwo rekrutieren und sofort an Bord nehmen kann. Über die einzige erlebte Grenze die zwischen unserem Startup-Schnellboot und dem Konzernmutterschiff, dass sich nie bewegen wollte.

Und wir hatten viele Leute an Bord, deren Länder miteinander im Clinch oder sogar im Krieg lagen, also auch Russen und Ukrainer. Ich weiß noch, wie wir in Göteborg abends in einer Kneipe saßen und mir ein Projektkollege aus der Ukraine die frühere Marineindustrie am schwarzen Meer erklärte. Welch hohe Bedeutung die Ukraine für die frühere UdSSR gehabt hatte. 2018 lag der russische Angriff auf die Krim schon vier Jahre zurück, Und ich muss gestehen, in meinem Bewusstsein spielte das kaum eine Rolle. Viel vertrauter waren mir die Diskussionen zwischen einem US-amerikanischen Kollegen und einem aus Pakistan ("Ich could see your fighter planes towards Afghanistan from my window." - "Ah, the same as I had your islamists in my supermarket?"). Uns wurde die Absurdität von Krieg bewusst, wenn man sich persönlich kennt, Krieg ist Stellvertreterkrieg. Immer.

Inzwischen ist kaum noch einer der damaligen ersten Crew in dem Projekt tätig. Und die Frage, ob man im Auto einen Apple Music Account braucht kommt mir vor wie eine Diskussion über Sachertorte in Sarajevo 1914.

Mit Krieg und Kriegsgefahr ist es mit so vielen anderen Phänomenen. Man kann das alles vom Kopf her denken und diskutieren. Das ist ja der bevorzugte Diskurs von Bullerbü bis Prenzlberg über "Seebrücken", Windräder und Waffengänge. Man hört das und denkt. Aber man lebt auch - und erlebt manches. Und manches überlebt man nur durch Zufall: Nein, ich bin kein Rassist (bis ich zum ersten Mal beinahe selbst drauf gegangen wäre). Nein, ich bin kein Pazifist (bis ich zum ersten Mal selbst Uniform und Waffe trug). Nein, wir dürfen jetzt keine Angst zeigen und müssen Gegenrüsten (bis man die Panzertransporte selbst an einem Bahnübergang vorbei fahren sieht).

Was für Stefan Zwei die Heimkehr aus dem Strandurlaub in Ostende im Sommer 1914 war, steht uns allen noch bevor. Es hatte sich über Jahre eine Anspannung aufgebaut, die kaum noch auszuhalten war. Wer in der Lage war, selbst nachzudenken und sich möglichst bei Quellen zu informieren, zog sich aus allem zurück, was ein Risiko darstellte. Insbesondere den Rückzug aus der Großstadt aufs Land. Raus aus der Hauptströmung, die sich aufheizt, weil sie mit propagandistischem Dauerfeuer gegen "den Feind" gehetzt wird. Aufs Land, wo man sich mit vertrauenswürdigen Freunden aus allen Himmelsrichtungen persönlich trifft. Und nein, die Völker zogen 1914 nicht von sich aus enthusiastisch in den "Ausflug nach Paris". Dieser kurze Moment der Euphorie entsprang der sich entladenden jahrelangen Anspannung (so wie wir es beinahe zum Ende der Coronamaßnahmen erlebt hätte). Und den Blaskapellen, die die Kaiser durch Berlin und Wien schickten, um wie der Rattenfänger von Hameln, junge unwissende Propagandakonsumenten als Kanonenfutter zu rekrutieren. Damals wie heute, missbrauchten die gebildeten, in Sicherheit lebenden Stände das Volk da unten für ihre Zwecke Die von ihnen selbst angestimmte Propaganda geglaubt zu haben werfen sie ihnen nach der Katastrophe als Feigheit vor.

Die Kriegsangst rutscht irgendwann aus dem Kopf in die Magengrube. Wenn einem so richtig klar wird, was der Fall ist. Das Bewusstsein persönlicher Bedrohung. Und diese Kriegsangst ist es, die Leute Petitionen für Olaf Scholz schreiben lässt. Es muss keine persönliche Qualität von Scholz sein, dass er zögert. Ein Informationsvorsprung gegenüber uns kann das auch schon erklären. So ein Informationsvorsprung wie ihn Hans-.Dietrich Genscher während der NATO Übung Winter/Cimex im Februar / März 1989 hatte. Ich selbst nahm an dieser Übung als Wehrdienstlleistender Fernmelder teil.

Vordergründung sollte diese "Stabsrahmenübung" die Abläufe der NATO Führungsebenen erproben. Hierzu bauten wir in einem Wald in Schleswig-Holstein Fernmeldeverbindungen per Kabel und Richtfunk auf, über die dann NATO Offiziere ihre Kommunikation abwickelten. Für uns Fernmelder hieß das immer Stress am Übungsanfang (Infrastruktur aufbauen) und am Ende (Abbau). Dazwischen verbrachten wir langweilige Tage auf unserem Trupp. Es herrschte Winter. Wir hatten keine Toiletten. Wir hatten einen Dieselgenerator, einen beheizten Trinkwassertank. Und Lebensmittel wurden von der MatV gebracht. 

Wie ich erst später vom damaligen Sturmgeschütz der Demokratie erfuhr, offenbarten die US-Vertreter auf dieser Übung, wie sie die NATO wirklich dachten: Als Klassengesellschaft aus Opfer- und Führungsstaaten. Es gab nicht DIE Abschreckung, und nicht DIE Atomraketen. Kaum jemand las damals mal tiefer, um die Bedeutung von Kurz-, Mittelstrecken und Interkontinentalraketen wirklich zu verstehen. Um es zu verstehen, muss man Clausewitz und Brzesinsky gelesen haben. Nichts setzt die Bedingungen und die Rolle eines Landes in einem Krieg mehr als dessen geographische Lage. Und da sind die Staaten zwischen zwei Supermächte nur deren Spielbälle und Opferanoden. 

Ronald Reagan und George Shultz gaben im Februar 1989 folgendes Planspiel über unsere Leitungen bekannt: Wir beantworten die konventionelle Offensive der Sowjets mit einem taktischen Einsatz atomarer Kurzstreckenraketen auf die zentraleuropäischen Vasallen der UdSSR. Russland selbst sollte verschont bleiben, weil das eine "Eskalation" zum Einsatz von Interkontinentalraketen hätte bedeuten können, also einen Angriff auf die USA selbst. Und das wollten die Amis nicht. Nein, sie kalkulierten eine ebenso taktische Antwort des Kreml ein: Kurzstreckenraketen auf die Bundesrepublik und andere westliche Länder Mitteleuropas. 

Ob das der Sinn des Artikel 5 des NATO Vertrages sei, darüber stritten Kohl und Genscher mit ihren "Freunden". Und ich gehe jede Wette ein, dass man die Sache bis heute in den USA, und womöglich auch UK und Frankreich genau so denkt. Würden NATO-Frontstaaten angegriffen, würden die USA die Frage oder Sorge nach dem Risiko einer Eskalation aufwerfen. Die USA zeigten sich weder von der Enthüllung noch vom deutschen Protest beeindruckt. Unmittelbar nach der Übung planten sie die nächste in genau demselben Stil. (Und hat das vielleicht irgendeine Rolle beim Ende des kalten Krieges gespielt?)

Und übrigens: Waren wir uns beim Abfeiern von Reagan und Gorbatschow in Reykjavik bewusst, dass die beiden Supermächte dort nur über ihre eigene Sicherheit verhandelten? INF und die START Verträge handelten von Interkontinentalraketen, nicht Kurzstreckenwaffen. Wir Deutschen hatten davon fast nichts, außer etwas entspannteren Supermachtspräsidenten bei den 2+4 Verhandlungen zur Wiedervereinigung.

Und ich bin sicher, dass der Kreml das schon immer genau so gesehen hat: Die mitteleuropäischen Staaten sind Opferstaaten - einzig und allein wegen ihrer geographischen Lage. Im Kriege bedeutet Raum einen Zeitgewinn. Und das ist die Flugzeit von Angriffsraketen. Die Zeit, die der Angegriffene hat, um den Angriff zu erkennen und zu reagieren. 

Wenn man also versucht, Putins echte Eskalationsbereitschaft in seiner Drohgebärde zu erkennen, sollte man wieder daran denken. Auch er wird den Krieg auf Europa begrenzen wollen. Ich glaube, er würde seine Satellitenstaaten alle angreifen. Vielleicht auch noch Polen. Und in einer höheren Eskalation auf Deutschland. Aber niemals die USA, solange diese nicht ihn angreifen.

Das alles sind schon wieder Kopfgedanken. Aber wenn sie erstmal in die Magengrube rutschen. Wenn unsere Abschreckung bis hierher nicht funktioniert hat, auch weil unsere Uschi-Truppe niemand mehr ernst nehmen muss. Dann überlegt man sich wirklich haarscharf, ob eine Eskalation in Form von Waffenlieferungen (zu einem Proxy) wirklich in unserem Interesse ist. Ich neige zu der Antwort: Nein.