Montag, 9. Oktober 2023

Brandmauern brauchen wir nur an den Außengrenzen

 Das Festhalten der CDU/CSU an der "Brandmauer" zur AfD wird allmählich lächerlich. Es gibt inzwischen in allen Landesteilen eine Mehrheit für Schwarz-Blau, in einigen vielleicht bald auch Blau-Schwarz.

Verzweifelte Wähler, denen von Rotgrün entweder der Arbeitsplatz entzogen wird oder das eigene Häuschen energetisch entwertet wird (oder beides) könnten sich bald fragen, wozu sie noch CDU wählen sollten, wenn die ja doch nicht regieren will.

Denn die FDP liefert derzeit ja auch nicht und fließt aus den Landtagen. Da wirkt eine Stimme für die FDP schnell als verschwendet. 

Den meisten Deutschen geht es ja noch gut, und sie fürchten sich nur vor der Zukunft, die Rotgrün ihnen bescheren will. 

Aber wer bereits Existenzsorgen hat, wer arbeitslos wird, wer die Zinserhöhung nicht mehr tragen kann, wer seine energetische Sanierung nicht stemmen kann - oder bei dem Bank den Wertverlust gegen die Restschuld verrechnet und dann mal anklopft (denkt an Subprime), der wird künftig nicht mehr lange fackeln und direkt AfD wählen.

Die CDU hat so viel bei der AfD abgeschrieben, zuletzt übrigens die Abschaffung der Grunderwerbssteuer in Hessen, macht sich mit "Brandmauern" lächerlich. Das Punktesystem für Einwanderer, die Abschiebung illegaler Einwanderer, den Stopp der Terrorfinanzierung im Nahen Osten, das sind alles Forderungen aus der Gründerzeit der AfD.

Brandmauern brauchen wir nur an unseren Außengrenzen. Und zwar sofort.

Razzien brauchen wir bei den Transfergeldempfängern der SPD Klientel. Sprich: Fatah (kein Witz: die sind offizielle Juso-Partner), Hamas, Hizbollah und ihre Vorfeldorganisationen, die von Claudia Roth und dem Frauenministerium protegiert werden.

Es wird Zeit, Herr Merz! Tear down this firewall!

Mittwoch, 4. Oktober 2023

Unterschätzt den Shut-down nicht

Der drohende Shut-down in den USA wird in unseren Medien immer als eine Art Tag ohne Müllabfuhr dargestellt, also eine Art Streik von oben. Sogar Markus Koch sagte kürzlich, die Wallstreet würde darüber einmal die Stirn runzeln und dann weiter machen.

Aber er wäre viel mehr als das. Die USA wären in dem Falle zahlungsunfähig. Denn streng genommen wäre dann auch kein Geld mehr für Zinszahlungen und Tilgungen. Das Rating müsste abgestuft werden und der Leitzins in den USA würde weniger von der FED als vielmehr von den Anleihemärkten bestimmt. Mächte, die dem Dollar eh ans Leder wollen, würden diese Chance zu nutzen versuchen.

Es wäre auch das Ende der großzügigen Rüstungen der USA an die Ukraine und womöglich das schnelle Ende des Krieges.

Sind die EU Kommission und der Rat auf etwas derartiges vorbereitet? Verstehen sie überhaupt was gerade passiert und was droht?

Montag, 2. Oktober 2023

Douglas Murray erklärt das Motiv der "woken" Westenhasser

Woher kommt der plötzliche Selbsthass im Westen? Woher der Hass auf all die Errungenschaften der westlichen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur?

Eine Generation, die so viel erbt wie keine vor ihr, die einen technischen Stand und materiellen Wohlstand erlebt wie keine vor ihr, rastet angesichts dessen aus und verweigert ihre Pflichten. Und mehr: sie organisiert die Zerstörung all der Werke von denen sie zehrt. Während sie selbst kaum etwas konstruktives zustande bringt. Die zuschaut, wie Nachbarn und bisherige dritte Welt Länder aufsteigen.

Die mehr Rechte genießt und ein Minimum an Diskriminierung aber trotzdem dauernd von Kolonialisierung labert und Statuen westlicher Denker und Macher stürzt. Die sich an gebührenfreien Hochschulen einschreibt und dann nichts besseres zu tun hat, als die Leute, die ihnen diese Hochschulen finanzieren morgens auf dem Weg zur Arbeit zu blockieren. Die für eine Verflachung von Film und Musik gesorgt hat, aber Suppen auf Gemälde und Farbeimer aufs Brandenburger Tor schmeißt.

Woher kommt dieser Hass auf sich und das eigene Land?

Douglas Murray beschreibt in seinem Buch "Krieg dem Westen" ("War on the West") einen Erklärungsansatz, den er beifällig in Dostojewski's Werk "Die Gebrüder Kamasarow" gefunden hat: Sie kennen das Gefühl der Dankbarkeit nicht. Sie kennen das Gefühl nicht, etwas geschafft zu haben und zu wissen, dass sie das sohl der eigenen Anstrengung als auch den günstigen Gelegenheiten in ihrer Umgebung verdanken. 

Sie sehen nur andere, die etwas aus ihren Talenten und Gelegenheiten machen. Und das erzeugt in ihnen die destruktivste Kraft, die es in einer Zivilisation gibt: Missgunst.

Sie streben nicht danach, aufzuholen. Sondern danach, die anderen zu ihnen herunter zu reißen. Sie suchen Schuldige an ihrer Situation und faseln etwas von "Gerechtigkeit". Und "Dekolonialisierung". Sie durchsuchen eBooks nach Schlüsselworten wie Sklaven, Neger oder "hell" und "dunkel" und tun anschließend so, als hätten sie Literasturanalyse betrieben.

Wir haben mindestens eine Generation verwöhnt, in denen wir es ihnen zu leicht gemacht haben. Sie kennen Wohlstand nur ohne Anstrengung. Und wissen nicht, dass dieser Wohlstand erarbeitet ist. Wir haben die Elementarerfahrung aus der Sozialpolitik und Kindererziehung jetzt als Massenphänomen: Gibst Du einem Kind eine Tafel Schokolade weiß es nicht Deine Großzügigkeit zu schätzen, sondern wirft Steine nach Dir werfen, wenn Du irgendwann damit aufhörst. Grüne und linke Sozialpolitiker begründen die immer weiter steigenden Sozialtransfers nicht mehr mit Nothilfe sondern mit "Teilhabe", die inzwischen Kino und iPhone mit einschließt.

Sie denken sich unfassbar dumme und flache Theorien aus und finden sogar in den Hochschulen Gehör. Da werden Mathematik und klassische Musik als Instrumente der weißen Vorherrschaft tituliert. Da werden Zitate mit Positionen verwechselt und Fiktion mit Wissenschaft.

Wie kann man diese irre Entwicklung stoppen?

Murray empfiehlt, ihnen bei jeder Gelegenheit ins Gesicht zu sagen: Für Deine Misere gibt es nur einen Schuldigen: Dich!

Donnerstag, 28. September 2023

Die Hochrüstung der Ukraine als künftiges Sicherheitsrisiko

 Wir rüsten die Ukraine hoch als gäbe es kein Morgen. So wie früher die Mujaheddin in Afghanistan (gegen die Sowjets) und den Irak (gegen den Iran). Wir wissen, was später daraus wurde: Weil beides instabile Staaten sind fielen die Waffen später Terroristen in die Hände, die sie gegen uns benutzten.

Nun ist die Ukraine kein islamistisch geprägter Steinzeitstaat. Aber eine stabile Demokratie gemäß Aufnahmekriterien in die EU ist sie auch nicht. Dafür reichen ein Blick in die jüngste Geschichte. Aber auch die letzten 200 Jahre liefern hierfür Argumente.

Da alle NATO Staaten Waffen an die Ukraine liefern, die sie zur Niederringung eines zahlenmäßig überlegenen Gegners braucht, hat die Ukraine inzwischen ein Best Of NATO-Waffen in ihren Arsenalen. Und sie muss noch nicht mal etwas dafür zahlen. Weil ihr Präsident diese Waffen unentwegt aggressiv einfordert. Der frühere ukrainische Botschafter Melnyk beleidigte deutsche Politiker sogar, wenn diese sich Zeit zum Nachdenken vor der Lieferung nahmen. Melnyk selbst gehört dem rechtsextremen politischen Lager der Ukraine an, das gerne an den Patriotismus der Landsleute appelliert, während er selbst lieber in Berlin wohnte und seinen Sohn nachzog, so dass der hier ein Studium beginnen konnte - das ihn bis heute vor der Einberufung an die Front schützt.

Und dann ist der bis heute unaufgeklärte Anschlag auf die Nordstream Gasröhren. Hier führen Spuren in die Ukraine.

Und drohte Selenskyi nicht neulich Polen, als diese sich weigerten ihren Agrarmarkt für ukrainisches Getreide zu öffnen? Weil sie an die Abmachung erinnerten, dass der Landweg durch Osteuropa nur eine Ersatzroute für den Hafen in Odessa sein soll, solange die Rissen hier scharf schießen? Ein Widerwort genügte und Selenskyi drohte Polen mit "Vergeltung".

Nein, ich traue der Ukraine nicht mehr. Wir dürfen höchstens stets nur so viele Waffen liefern, wie wir sicher sind, dass die Ukraine sie auch verbraucht - und nicht in eigenen Arsenalen sammelt für spätere Pläne, zu denen sie sich dann als neue Großmacht in Europa inspiriert fühlen könnte.

Dienstag, 12. September 2023

Was mich an 9/11 heute irritiert

 Doch, es machte Sinn, sich gestern zum x-ten Male eine Dokumentation von den Anschlägen des 11. September 2001 anzuschauen. Auch wenn sie bei Bertelsmann, d. h. n-tv, lief.

Denn bekanntlich verstehen wir Geschichte nicht in dem Moment, in dem sie passiert. Sondern nach Jahren, oder Jahrzehnten, wenn wir mehr Kontext haben und einige Folgen beobachten konnten.

Und so war ich seit 20 Jahren hin- und hergerissen. Um die Jahrtausendwende war ich ein großer Fan von Amerika. Ich war 1998 zum ersten Mal dort gewesen, 1999 zum zweiten Mal. Und 2im Herbst 000 habe ich dort geheiratet. Als 9/11 passierte hatten meine Frau und ich schon Flugtickets nach New York gebucht, keine drei Wochen später sollte es los gehen.

Ich arbeitete bei Big Blue und war erfüllt vom Rausch des Internets und der Technologiebörsen. Die Welt schien uns offen, die Möglichkeiten so groß wie seit 100 Jahren nicht. Und dann kamen die Söhne eines abergläubischen Höhlenmenschen und zerstörten uns alles. Indem sie die Kräfte des Westens gegen sich selbst lenkten, eigene hatten sie nämlich nicht.

Komischerweise hatte ich schon im April 2001 eine Vorahnung über die kommenden Zeiten gehabt, ohne dass ich sie selbst besonders ernst nahm. George W. Bush war gerade im Amt, da brachte ein US Kampfjet ein chinesisches Flugzeug im chinesischen Flugraum zum Absturz. Als ich das abends in den Nachrichten sah dachte ich: "George W. Bush werden wir noch in olivgrüner Uniform erleben." Fünf Monate später war es soweit. Allerdings nicht in einer Frontstellung gegen China. Und nicht als Angreifer.

Ich erinnere mich an ungezählte Gesprächsabende mit Freunden im Kaffee Einstein in der Kurfürstenstraße, an Themenabende in der American Academy (mit Richard Clarke und Peter Frey), Lesungen mit US-Autoren (Franzen, Eugenidis, Auster). Und an eine Überschrift auf einer US Newssite. Ein Zitat von Hillary Clinton: "The president knew what?"

Dann kamen die Analysen, die Theorien. Die Behauptungen, die Türme seien gesprengt worden, die CIA sei mindestens eingeweiht gewesen, wenn sie es nicht gar gelenkt habe. Damals wurde der Begriff "Verschwörungstheoretiker" populär. Das kritische Denken kam im Wesen aus der Mode. Wie eigentlich alles, was zu verteidigen unsere Regierungen seitdem immer wieder vorgeben, während sie es abschaffen.

Von M. Bröckers gab es ein Buch, in dem er nachweisen wollte, die Türme hätten nicht durch die Last der Flugzeuge und deren Brände einstürzen können. Es gab sogar eine ZDF-Sendung über dieses Thema.

Was mir gestern aber zum ersten Mal ins Auge sprang war dies: Wie konnten die angeblich nur in Simulatoren und Sportflugzeugen trainierten Terroristen mehrere Passagiermaschinen auf Reiseflughöhen  in ihre Gewalt bringen und im Sturzflug korrekt in eng begrenzte Ziele lenken?

Das sind Manöver, die eine höhere Präzision als ein Landeanflug unter technisch erschwerten Bedingungen erfordern. Wie kann man da auf Anhieb drei Treffer landen (2 Türme und das Pentagon)? 

Wikipedia schreibt dazu:

Im Mai 2000 erhielten die ebenfalls als Piloten vorgesehenen Atta, Al-Shehhi und Jarrah ihre Einreisevisa für die USA. Unmittelbar nach ihrer Ankunft in den USA im Juni 2000 besuchten Atta und Al-Shehhi eine Flugschule in Florida und erwarben schließlich im Dezember 2000 ihre Berufspilotenlizenzen, die sie zum Führen von Flugzeugen mit einem Gesamtgewicht von 5,7 Tonnen und zur Beförderung von maximal 9 Passagieren berechtigte. 
Ziad Jarrah besuchte zeitgleich ebenfalls die gleiche Flugschule in Florida. Er kehrte jedoch zwischenzeitlich nach Deutschland zu seiner in Bochum lebenden Freundin zurück und besuchte eine Flugschule im nahe gelegenen Mülheim an der Ruhr, um dort weitere Übungsstunden zum Erwerb einer Privatpilotenlizenz zu absolvieren.[96] 
Im Anschluss an die Lizenzerteilungen begannen die Attentäter das Training am Simulator für Passagierflugzeuge. Jarrah und Handschur buchten Übungsflüge mit Kleinflugzeugen im Raum New York und Washington, D.C., um Flugrouten, Luftverkehr und Topografie kennenzulernen. Es folgten zahlreiche Erkundungsflüge nach Los Angeles und Las Vegas. 

Persönliche Notiz am Rande: Ich bewegte mich im Jahr 2000 zwischen ähnlichen Orten wie einige der Terroristen. Ich wohnte in einer Nachbarstadt von Mülheim an der Ruhr und hatte einen Projekteinsatz in Hamburg (dem Wohnort der Terrorzelle, in dem Olaf Scholz Innensenator war). Unsere Urlaubsreisen führten 1999 und 2000 nach New York. 

Nennt mir ein weltgeschichtliches Großereignis, in dem verdeckte, staatliche Agenten keine große Rolle gespielt haben. Nimm Putsche, nimm Terroranschläge. Sollten die Anschläge des 11. September das erste Ereignis dieser Dimension sein, das ohne Zutun oder auch nur Mitwisser staatlicher Stellen stattfand?

Donnerstag, 7. September 2023

Nach getanem Werk ist leichter Abschied

 Wenn Softwareprojekte live gegangen sind dauert es bei mir oft nur ein oder zwei weitere Releases, bis ich es als getanes Werk betracht. Sagen wir, sobald die letzte große Benutzergruppe "am Netz" ist und die gröbsten Fehler ausgebügelt sind.

Danach fällt es mir merkwürdig leicht, mich davon zu verabschieden. Im Kopf dachte ich immer, es seien zufriedene Anwender, die mich motivieren. Aber inzwischen glaube ich, es ist die geknackte Nuss, die mir die innere Befriedigung verschafft. Das nächste Projekt ist ja immer etwas größer oder schwieriger, und deshalb ist da immer eine Unsicherheit, ob man es denn schaffen werde. Und diese Unsicherheit zu überwinden ist für mich der erlösende Moment. 

Wenn ich auf dem TE-Gelände unterwegs bin, treffe ich manchmal Anwender von "früher". Oder einer von den ersten Anwendern stellt mich an der Kaffeebar einem anderen Anwender vor. "Ach, Du bist das?" höre ich dann oft. Und immer auch einen Kommentar zu der Anwendung selbst. Was gefällt, was nicht. Natürlich ärgere ich mich über Dinge, an die wir auch noch hätten denken können, und die nicht viel gekostet hätten. Aber eigentlich ist das Perfektionismus. Und den versuche ich mir seit Jahren abzutrainieren.

Mich interessiert schon länger ob es anderen auch so geht. Und immer wieder höre ich es in Interviews mit Sportlern und Künstlern entweder direkt oder indirekt heraus, dass auch sie diesen Effekt haben. Musiker werden nicht gerne auf alte Stücke angesprochen. Sportler nicht auf frühere Erfolge. Jedenfalls solange sie alle noch aktiv sind. Später, im Ruhestand, sprechen manche dann doch gerne darüber. So wie man hin und wieder gerne alte Fotos schaut. Man erneuert dann seine Identität mit früheren Werken, baut sie in die eigene Lebenslinie ein und sucht nach dem roten Faden.

Kann man diesen Effekt auch vergrößern und aufs ganze Leben beziehen?

Ich hatte ja geschrieben, dass mir der Abschied von Verstorbenen leichter fällt bei denjenigen, die ein erfülltes bzw. aktives Leben hatten, und mit denen ich im Reinen war, und es deshalb beurteilen konnte. Das Leben als die Summe aller Werke und die Reflexion darüber. Und natürlich die Summe aller Genüsse und Leiden.

Aber die Summe aller Werke. Wenn wir das, was wir abschließen einen Anfang hatte, unseren Beitrag und ein sinnvolles Ende, dann kann man es leicht beenden und ins Regal stellen. Könnte so auch das Gefühl sein, wenn das eigene Leben zu Ende geht?

Donnerstag, 31. August 2023

Das allmähliche Verschwinden der Heimat

Wenn nahe stehende Menschen sterben unterscheiden wir zwischen "davor" und "danach". Wir hatten vor etwa zehn Jahren, im Unglücksjahr 2013, einen regelrechten Schub. Da starben Großeltern, Onkels, Tanten aber auch Cousinen.

Jetzt scheint der Sensenmann wieder durch die Reihen zu gehen. Erst vorigen Sonntag waren wir zu einer Beerdigung in Gelsenkirchen. Die Eltern und Freunde waren immer ein Grund, ins Ruhrgebiet zu fahren. Aber so wie wir unsere Verwandten überleben geht es auch den alten Freunden. Und inzwischen gibt es die ersten, die gar keine Verwandten mehr im Ruhrgebiet haben.

Uns wird bewusst, dass es auch uns irgendwann so gehen wird. Dann kommen wir nicht mehr her. Dann fahren wir vielleicht einmal an Dortmund oder Gelsenkirchen vorbei und erinnern uns, das das mal unsere Heimat, unser Lebensmittelpunkt war. 

Ähnliche Gefühle hatte ich schon beim Anblick des abgerissenen RWE Hochhauses in Essen. Ich weiß noch, wie ich am 2. Mai 1996 hier meinen ersten Berufstag als Ingenieur antrat. Zwar kannte ich es schon aus meiner vorherigen Zeit als Werkstudent. Aber jetzt dachte ich: "Und das werde ich nun 40 Jahre machen?". Die vor mir liegende Zeit schien mir unendlich, unermessbar. Jetzt habe ich schon drei Viertel dieser Zeit hinter mir. Und sie schien mir nicht lang, weil fast dauernd etwas los war. 

Ich blättere zurück in meine Fotosammlung und sehe meine Eltern in meinem heutigen Alter. Ich sehe mich mit 20 oder 30 und halte mich da aus heutiger Sicht noch für ein Kind. Wie ambitioniert und obrigkeitshörig ich war. Wie lange ich brauchte, um vom Mitschwimmen zum Schwimmen in die eigene Richtung zu kommen. 

Und wie jung mir überhaupt Verwandte erscheinen, die ich damals für erwachsen und mitten im Leben hielt. Heute weiß ich von den meisten, wie passiv sie doch eigentlich durchs Leben gegangen sind. 

Umso heller strahlen die wenigen, die wirklich Spuren hinterlassen haben. Auch diese verwischt die Brandung im Sand allmählich. Aber sie waren zumindest mal da. Und es gab Leute, die da mitgemacht hatten, die es gesehen und anerkannt hatten. 

Mit diesen wenigen habe ich mich fast immer gut verstanden. Wir haben uns oft ausgetauscht. Und irgendwie entwickelten wir ähnliche Haltungen zum Leben. Man muss es nutzen, es selbst zu lenken versuchen - es greifen auch so schon genug andere ins Steuer. Und stolz sein auf alles was man gegen die Strömung schafft. Wir wussten und wissen es. Wir leben bewusst und schöpfen. 

Und irgendwann wussten wir um unsere eigene Sterblichkeit. Zunächst ein Schock, dann eine Art Befreiung. Dann kommt der Tod als der große Bruder des Schlafes.

Diese Menschen kann ich relativ leicht gehen lassen. Wenn da nichts Ungesagtes mehr gesagt werden wollte. Wenn man voneinander wusste. Ich kann dann ganz bewusst, und nicht so sehr überwältigt, Abschied nehmen. 

Am Sonntag verstand ich zum ersten Mal, warum es Trauer"Feier" heißt. Die beste Ehefrau von allen gestaltete den Tod ihres Vaters so, dass sie ihn noch einmal, in aller Sanftmut und mit den richtigen Klängen, hoch leben ließ. Das war würdig und schön. 

Natürlich verstand das nicht jeder. Und natürlich wissen die meisten Verwandten und Bekannten auch in höherem Alter immer noch nicht, was Würde und Anstand sind, was es heißt, aktiv zu leben. Ich habe mich früher immer gefragt, ob es diese Leute nicht auch in anderen Verwandtschaften gibt. Warum ließt man sie nie bei Hermann Hesse zum Beispiel? Heute weiß ich es: Man versaut sich nur den Tag und das eigene Erleben, wenn man sie wahrnimmt. 

Und so verließen wir am Sonntag unsere Heimat und sahen sie im Rückspiegel wieder etwas blasser werden.

Mittwoch, 16. August 2023

Zwei gern gehörte Experten sind zu früh verstorben

Am 03. August verstarb "langer und schwerer Krankheit" die Börsenjournalistin Katja Dofel. Sie wurde nur 52 Jahre alt. Ich erfuhr es auf dem Account ihres langjährigen Weggefährten Markus Koch. Sie gehörte zu den Journalisten, die mir Ende der 90er Jahre die Börse beigebracht haben. Ich sah sie bis vor kurzem genauso regelmäßig wie Markus Koch, Jens Korte und Anja Kohl.

Sie war eine sympathische Expertin, in meinem Alter und mir nur über die Medien vertraut. Deshalb ging mir die Nachricht von ihrem Tod nahe. Ich hatte mich einige Tage vorher mal halb bewusst gefragt, was sie eigentlich macht. Denn schon seit längerem war sie von der Bildfläche verschwunden. Und dann diese böse Nachricht.

Eine andere Todesnachricht ereilte mich gestern. Stefan Tilkov ist vorigen Donnerstag gestorben. Er war Mitinhaber einer IT-Dienstleistungsfirma (INOQ). Mir war er seit über zehn Jahren als sehr kompetente und angenehme Stimme in Heises Podcast "SoftwarearchitekTour" vertraut. Er war der erste, von dem ich fundierte Informationen über die Bedeutung von IT-Architekturen hörte und lernte. Auch er war in meinem Alter. Anders als Katja Dofel erwischte es ihn wohl mehr oder weniger aus heiterem Himmel.

Mich berührt das, weil ich beide einseitig kannte, weil sie gut waren, und weil sie in meinem Alter waren. Nichts schützt einen davor, dass es einen früh erwischt. 

Wieder einmal werde ich still. Mögen sie in Frieden ruhen.

Sonntag, 6. August 2023

Improvisation als Ausgangspunkt für Karrieren

Bei Walter Röhrl waren es die zu kleinen Radkästen seines Rallye Fiat 131. Bei Larry Mullen jr. das fehlende Geld für einen Schlagzeuglehrer. Und bei Jürgen Klopp war es zu wenig Zeit für eine Vorbereitung als Trainer. Um nur einige zu nennen. Alle drei machten aus einer Not eine Tugend und genau diese machte später die Unterschiede, die ihre Karrieren begründeten:

Walter Röhrl erkannte, dass er die Kurven nicht so anfahren konnte wie alle anderen, um entweder mit einem Powerslide oder einer Drift möglichst schnell durch zu kommen. Fiat Ingenieure hatten Räder und Radkasten nicht aufeinander abgestimmt und so blieb ihm nur ein sehr eingeschränkter Lenkwinkel. Er hätte das akzeptieren und als Entschuldigung für ausbleibende Erfolge nehmen können. Aber er tat das Gegenteil, er entwickelte einen alternativen Fahrstil: Die Ideallinie, bei der möglichst geringe Lenkwinkel benötigt werden. 

Larry Mullen Jr. offenbarte anlässlich seiner Auszeichnung für sein Lebenswerk durch seinen Schlagzeugausrüster Yamaha, dass er Schlagzeug nicht wie jeder andere gelernt habe, weil er keinen Schlagzeuglehrer hatte. Das habe bewirkt, dass bei ihm zwischen ersten Inspirationen für einen Song und dem späteren Werk nicht der Filter für das üblicherweise "Machbare" liege. Hätte er eine Schlagzeugschule besucht, wäre er so nie an den Song "Sunday, bloody Sunday" herangegangen.

Und Jürgen Klopp erzählte im Podcast "Hotel Matze", dass er völlig ohne Vorbereitung plötzlich Trainer wurde. Er sei zunächst so verunsichert gewesen, dass er ständig bei ihm bekannten Trainern angerufen hätte um sich Rat zu holen. Bis er die Erkenntnis hatte, er wolle keinen Mix aus ihm bekannten Trainern entwickeln sondern einen eigenen Stil. Geholfen habe ihm der Rat eines Trainers, dass die Unsicherheit am Anfang normal sei. Das wichtigste für seine Mannschaft sei aber, dass er so wirke als wisse er was er tue. Man müsse eh dauernd entscheiden, was man im Trainingsprogramm weglasse, niemand aber wisse, ob dies aus bewusster Taktik oder Unwissenheit passiere ;-).

Ich glaube, dass uns in Sport, Kunst, aber auch im Ingenieurwesen diese Fähigkeit zum zuversichtlichen Improvisieren fehlt. Wir sind auf Perfektionismus, vor allem aber auf Fehlerlosigkeit getrimmt. Achten ständig auf Rechtfertigbarkeit unserer Arbeit und sichern uns ab. So entsteht aber nichts Neues, jedenfalls nichts großartig Neues. Die Arbeit bleibt so ohne Unterschrift.

Samstag, 5. August 2023

DFB reagiert: Abschaffung des Wettbewerbprinzips im Jugendfussball

Nach dem Ersatz des objektiven durch das relative Leistungsprinzip bei den Bundesjugendspielen zieht der DFB nun nach. Ab 2024 findet der Jugendfußball nicht mehr als Liga mit Ergebnissen und Tabellen statt, sondern als Happening, bei denen jeder mal den Ball haben darf.

Kein Witz: Quelle

Das DFB Management um Präsident Neuendorf, den eine Karriere als SPD-Pressesprecher zu seinem Amt qualifiziert hatte, hat erkannt, wie ausgrenzend das Leistungsprinzip für die Jugend ist. Da werden Spieler ausgewechselt, wenn sie die Erwartungen nicht erfüllen. Sie werden an schlechten Tagen nicht angespielt. Usw.

Damit macht der DFB jetzt Schluss. Zitat:
Einsatzzeiten dürfen sich entsprechend nie nach Ergebnissen richten. Alle Kinder wollen und sollen spielen! Auch bei den F-Junior*innen sind Meisterschaftswettbewerbe demnach unangebracht! Die Kinder sollen sich frei und ohne Ergebniszwänge entfalten und entwickeln können. In vielen Kreisen wird hierfür auch mit der innovativen FairPlay-Liga gespielt. Das bedeutet, es gibt keine Schiedsrichter, und die Kinder entscheiden selbst!

Ist das nicht toll? Weiter heißt es:

Um den Leistungsdruck zu minimieren und die sportliche Entwicklung der Kinder stärker in den Vordergrund zu rücken, wird in der G- und F-Jugend keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen.

Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spieler*innen, um allen Kindern Einsatzzeiten zu ermöglichen. Wichtigstes Ziel der Reform in den Altersklassen U 6 bis U 11 ist es, mit einer kindgerechten Art des Fußballs den Spaß am Spiel nachhaltig zu fördern. Den Spieler*innen werden mehr Aktionen und persönliche Erfolgserlebnisse ermöglicht.

Hätte es das doch bloß schon zu meiner E-Jugendzeit gegeben! Wir hatten damals einen Schleifer als Trainer, der Kondition gebolzt hat und vor Spieltagen knallharte Auslese betrieb. Der mich nach der Halbzeit einwechselte und schnell wieder rausnahm, weil ich bei einem langen Pass vom Anstoßkreis aufs eigene Tor den Seitenwechsel vergessen hatte. Heute würde der Trainer sagen: Macht nichts, Hauptsache Du warst auch mal am Ball!

Dabei sein ist alles sagen sich ja auch unsere Nationaltrainer schon lange. Und die Frauen stellen sich da den Männern absolut gleich. Ist doch klar: Es geht vor einer WM doch wirklich nicht um Ergebnisse und Titel. Sondern darum, für welche politische Botschaft wir die Aufmerksamkeit der Welt nutzen und dass Frauen endlich so hoch bezahlt werden müssen wir Männer, auch wenn gerade keine arabischen Mäzene zur Stelle sind.

Warum übertragen wir das nicht auch auf die Wirtschaft? Es geht nicht mehr ums Geld verdienen sondern ums Dabeisein? Ach, machen wir schon, meinen Sie? Ja, also. Mir war auch schon länger so, aber ich dachte bis heute, dass ich mich verhört hatte. Oder dass da einige wenige irr gegangen waren. Aber Sie haben schon recht, Deutschland geht da nur progressiv voran. Wir werden der Welt schon zeigen, dass es ohne Leistung, Druck und dafür mehr Spaß am Spiel und Achtsamkeit viel besser geht...!

Ich bin nur gespannt, ob die arabischen und türkischen Eltern das auch so sehen werden. Die greifen ja jeden Schiedsrichter, der die Mannschaft ihres Prinzen zur Niederlage pfeift tätlich an..

Freitag, 4. August 2023

Meine Filmkritik zu "Oppenheimer" (Aktualisiert)

Vielleicht kann man heute schon sagen, dass die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts das vorläufige Allzeithoch menschlicher Fähigkeiten gewesen ist. Aber auch das Allzeittief. 

Die Entdeckungen, Entwicklungen und Schaffenskräfte in Wissenschaft, Kunst und Technik sind bis heute noch nicht ganz verstanden. Und leider verlieren wir allmählich auch die Fähigkeiten, sie vollends zu verstehen. Weil wir, zumindest im Westen und vor allem in Deutschland, dabei sind, Willen und Leistung zu diffamieren. Dazu gehört es, sich grundsätzlich auf den niedrigsten gemeinsamen Nenner einigen zu müssen und alles in einfacher Sprache ausdrücken zu sollen.

Und damit bin ich bei meiner rein persönlichen Kritik an dem Film "Oppenheimer", den wir gestern im Cineplex Kino in Berlin Spandau gesehen haben.

Denn auch dieser leidet darunter, mit viel "Haltung" und Spektakel auf viele Likes aus zu sein, aber dabei auch Wahrhaftigkeit und Qualität zu opfern.

Aber nähern wir uns dem Ganzen vom Groben ins Feine. Die Berliner Humboldt Universität war einmal, man kann sich das heute nicht mehr vorstellen, das Labor der hellsten Geister aus Wissenschaft und Literatur. Etliche Nobelpreisträger, deren Portraits man im Foyer der Universität hängen, zeugen davon.

Was Einstein, Heisenberg, Planck, Schrödinger, Bohr und andere in Berlin und anderswo entdeckten, modellierten, entwickelten, testeten, interpretierten war in kurzer Zeit so viel Stoff über das Verständnis der Beschaffenheit unserer Welt, dass wir bis heute dabei sind, es zu verstehen und Nutzen daraus zu ziehen.

Die Gegenwart der Wissenschaftler war aber leider auch von der Dynamik in einer anderen Disziplin geprägt: politischen Ideologien als neuem Motiv oder auch Vorwand für imperialistische Kriege. 

Und so griffen die Machthaber in Deutschland, den USA und der Sowjetunion sogleich nach den Wissenschaftlern um ein Wettrennen um Atombomben und Raketen zu starten.

Man muss sich das klar machen: Die Grundlagen für die prägendsten Leistungen der Menschheit, die Atombombe und die Mondlandung, wurden in Berlin entwickelt. Die Umsetzung erfolgte aber in den USA (und der Sowjetunion).

Die USA profitierten zweimal von Deutschland: Während des Krieges nahmen sie geflüchtete Wissenschaftler aus Deutschland auf. Nach dem Krieg griffen sie Forschungs- und Entwicklungsergebnisse als Siegermacht aus den deutschen Laboren ab. Wernher von Braun wechselte vom V2-Programm in die NASA und bereitete den Weg zum Mond.

Aber davon handelt der Film von Christopher Nolan nicht. Nicht ganz. Sondern von dem Projektleiter und Atomphysiker Robert Oppenheimer in Los Alamos. Der Zwiespalt zwischen dem Reiz der Erkenntnis und der Verantwortung für den Missbrauch der Wissenschaft wurde bei uns schon in der Schule gelehrt, wo wir in den 80ern "In der Sache Robert Oppenheimer" lasen. Und schon damals war es die Stunde derjenigen, die es in Mathe und Physik nicht so weit brachten, die sich dann aber groß hervortaten, angehenden Physikern und Ingenieuren schon mal ihre moralischen Grenzen und Pflichten aufzeigen zu wollen. Unser linker SoWi-Lehrer verstieg sich zu der Bemerkung, die Mondlandung habe dem Normalverbraucher nur die Teflonpfanne gebracht. 
Dieses Niveau haben wir heute in Deutschland ja im XXL-Format.

Regisseur Nolan nimmt aber nicht exakt diese Richtung sondern passt sich noch mehr an unsere Zeit an. Denn seine Botschaft lautet:

Du sollst Deine Fähigkeiten nicht in den Dienst der bösen Russen stellen. Und: Du sollst den Weltfrieden nicht als Wirkung einer Sicherheitsarchitektur und Abrüstung betrachten sondern als Wirkung einer einzigen Supermacht mit Atomwaffen: Uns!

Denn die Russen kommen immer mit einer Verführung. In den 30er und 40er Jahren war es der Kommunismus (übrigens auch eine deutsche Erfindung). Und was man heute kaum noch weiß: Stalin hatte seine ersten Regierungsjahre dem Marketing der roten Ideologie gewidmet, indem er Moskau als Vorzeigegesellschaft herausputzte. Er beutete russische Städte und annektierte Länder aus um die Welt mit einem Schauspiel in Moskau zu täuschen. Inmitten von Armut, Hunger, Mangel gab es ein Moskau, dem es an nichts fehlte, das sogar glänzte. Journalisten, Intellektuelle und auch Wissenschaftler ließen sich davon blenden und anstecken (Filmtipp: "Red Secrets" von 2019).

Und so gab es auch in den USA kommunistische Bewegungen, die via neu gegründete Gewerkschaften auch helle Köpfe gewannen. So auch einige der Atomphysiker in amerikanischen Universitäten. Oppenheimer flirtet immer wieder mit dieser Ideologie und ihren Protagonisten und zieht keine harten Linien gegenüber nahe stehenden Personen. Weil er die Völker als Bewohner der gleichen Welt denkt und nicht nach ihren Regierungen und Systemen unterscheidet, ist ihm irgendwann die Nicht-Zündung einer Atombombe wichtiger als der Gewinner im Rennen um ihre erste Realisierung zu werden. Der Film wirft die Frage auf: Wenn die Sowjets auch fähig sind, eine Bombe zu bauen. Von wem haben sie das Knowhow? Hat Oppenheimer ein doppeltes Spiel gespielt? Oder jemand aus seinem Projekt?

Oppenheimer diskutiert mit Einstein und anderen die Frage. ob die Zündung einer genügend starken Atombombe, namentlich der Wasserstoffbombe, so außer Kontrolle geraten könnte, dass sich am Ende die ganze Atmosphäre entzündet. Wenn so, sei das ein Grund, sie nie zu bauen. Und so periodisiert er auch nicht Edward Tellers Vorschlag, von der Kernspaltungs- zur Fusionsbombe zu wechseln. Und auch das wird ihm später negativ ausgelegt.

In der Schule hörten wir die Botschaft: "Wenn Du unbedingt Physiker oder Ingenieur werden willst, werden wir Dir aber genau auf die Finger schauen. Im Zweifel solltest Du Deine Arbeit einstellen. Oder sie zumindest für die linke Sache einsetzen."

Die Botschaft von Nolans Film ist: "Bedenke das Wohl des Planeten und lasse Dich nie mit den Russen ein. Wenn die Regierung Dein Projekt sponsert, bestimmt sie auch, was sie mit den Ergebnissen Deiner Arbeit macht. Und die Russen sind die Bösen." Und als Resume: Ohne Oppenheimer hätten wir heute nichts, womit wir die bösen Russen in Schach halten können.

Aber der Kampf gegen die Sowjets war gar nicht Oppenheimers ursprüngliche Motivation. Sondern der Kampf gegen die Nazis, denn Oppenheimer war Jude. Und nach der Kapitulation Deutschlands versiegt Oppenheimers Motivation, die Bombe jemals zu zünden. Aber er wird unter Druck gesetzt und macht weiter. 

Von der "Sache Robert Oppenheimer" zu "Oppenheimer" verschiebt sich also die Botschaft von "Die Bombe an sich ist schlecht und die Wissenschaftler sind Schuld" hin zu "Gegen die Russen ist die Bombe  nicht so schlecht."

Leider blendet der Film viele der interessantesten Fragen gänzlich aus:
  • War der Einsatz von Waffen gegen die Zivilbevölkerung nicht schon damals ein Kriegsverbrechen? (Die Frage wird im Russland-Ukraine Konflikt auch diskutiert.). Inwieweit dürfen Völker für ihre Regierungen bzw. Diktatoren haftbar gemacht werden?
  • Hat der Einsatz zweier Atombomben durch seine Anschauung und abschreckende Wirkung langfristig mehr Menschenleben gerettet als er in Japan gekostet hat?
  • Welche Schuld haben die USA insgesamt durch Bomben auf Zivilbevölkerung auf sich geladen?

Gibt es irgendetwas Neues oder Reizvolles, was den Besuch eines Kinos für diesen Film rechtfertigen könnte? Ich meine: Nein:
  • Nichts rechtfertigt die Dauer von 3h. Ich habe sie als Zumutung empfunden.
  • Keine visuellen Effekte, die das Verständnis von der Zündung einer Atombombe weiter vertiefen. Man hat das so schon gesehen (auch wenn man anerkennen muss, dass Nolan hier auf Computeranimation verzichtet hat und stattdessen eine reale Explosion mit analogen Mitteln gekonnt in Szene gesetzt hat.).
  • Dass die Mc Carthy haften Repressalien Oppenheimers auf der Rache eines gekränkten Wissenschaftsfunktionärs beruhten, wusste ich noch nicht. Diese Erkenntnis nehme ich allerdings als neu mit.
  • Inquisitionen, Verhöre, Drangsalierungen hat man im Film schon x-mal gesehen. 
Meine Empfehlung:
Wen der Stoff interessiert (insbesondere das spannende Projektleben in der Cowboyartigen Stadt Los Alamos) ist mit der Serie "Manhattan" besser bedient.

PS: Interessantes Interview mit Charles, einem Enkel von Robert Oppenheimer: TIME

Mittwoch, 2. August 2023

Am nächsten Morgen mit rauher Laune

Die See wechselte über Nacht ihre Laune. Schon am nächsten Morgen wollte sie von unserem sonnigen Flirt nichts mehr wissen. So ist das mit den Hanseatentöchtern. Sie gab mir nicht mal die Hand sondern ließ rot-gelb flaggen. Was so viel hieß wie: Nichts für Anfänger, aber die Rettung wird da sein, wenn du zu sinken drohst.

ich weiß was Sie jetzt denken und Sie haben recht. Da muss man selbst auf Abstand gehen und das rein dokumentarische Interesse eines Chronisten vortäuschen. "Ich bin nur hier um dich mit kalter Neugier zu beobachten. Nicht mit Gefühl. Wenn es spektakulär wird, halte ich einfach drauf."


Und sie lebte ihren Rausch mit Rauschen. Eine Armada heftiger Vorwürfe (für was?). Salven tosender Wellen schmiss sie an Land und Brecher. Zuhören wollte sie nicht, sie wollte walten.


Wenn das Schicksal ungebremst seinen Lauf nimmt, dachte ich, kann ich das sogar noch beschleunigen. Das Jiu-Jitsu des Fotografen sind die Effektfilter. Und so schaltete ich um auf den Rausch am Spektakel und ließ sie gewähren. Schon heute Abend könnte sie sich ausgetobt haben und es sich wieder anders überlegen. Ich aber würde in meinem Fotolabor sitzen und mich daran erinnern was ihr vielleicht schon wieder peinlich sein könnte. Vielleicht aber auch nicht. Mein Eindruck war: Die See weiß nichts vom morgen und nichts vom gestern. Sie lebt im hier und jetzt. Und genau das macht sie so hinreißend!






Dienstag, 1. August 2023

Am sonnigen Ostseestrand

Das Dauertief über Nordeuropa hatte die Mecklenburger Bucht in Wallung gebracht. So kam es, dass wir Wellen und Gischt sahen (und hörten), als wir an den Strand von Ahrenshoop kamen. Wellen hatte ich an der Ostsee nur selten gesehen. Im Herbst vielleicht, wenn wir mal wieder für eine oder zwei Nächte in Warnemünde in der Nachsaison gebucht hatten.

Aber heute passte alles zusammen. Die Sonne schien. Die Tafel am DLRG-Turm am Strandzugang in den Dünen zeigte eine Wassertemperatur von 18° Celsius. Das ist nicht jedermanns Wohlfühltemperatur. Aber wir sind ein bisschen abgehärtet aus dem Havelland. Der Sand weiß, die Strandkörbe fast alle noch ungenutzt. Aber wie kommt man an den Schlüssel? Und schon kam eine Mitarbeiterin von unserem Hotel entlang und verkaufte uns den, den sie gerade in der Hand hatte. Und da kann mir einer sagen was er will: Die Dinger sind praktisch, wenn so ein Wind geht. Man dreht ihn in Richtung Sonne und kippt ihn in eine angenehme Lage. Und dann hinpflanzen und sehen, was die anderen machen. Niemand traute sich ins Wasser. Ok, es war auch noch etwas früh, quasi direkt nach dem Frühstück. Und plenum venter non natat libenter ;-).

Nachdem uns die Sonne windgeschützt etwas aufgeheizt hatte, machte ich den Anfang. Schwimmen im Meer ist das Höchste. Im See ist es auch schon schön. Man stößt sich von der Stehleiter am Steg ab und ist augenblicklich das Leben an Land los. Aber dort fehlt der Seegang. Und denn erfuhr ich nun. Die Gischt rauschte. Die Wellenausläufer leckten am Strandsand und man bekam die erste Temperaturprobe an den Füßen. Und sogleich entzog sich das Wasser dem Willigen wieder mit einer Sogwirkung. Jetzt hieß es weitergehen. Schön, dass hier weder Muscheln noch Seetang lagen, der Strand war gut gekämmt. Und schon war ich bis zu den Knien drin und die nächste Welle erledigte den Rest. Heißa, jetzt brauchte ich nicht mehr zu überlegen oder mich überwinden ganz reinzugehen, das war jetzt erledigt. Und es war nicht zu warm, es war ganz schön frisch. Die Luft wirkte sogleich viel wärmer. Noch ein paar Meter rein. Die Möwen auf den Wellenbrecherpfählen schauten mich an und ich konnte erkennen dass sie grinsten.

Die nächste Welle nutzte ich, ich stieg ein und begann zurück an Land zu schwimmen. Herrlich! Sich den Kräften der Natur auszusetzen und einfach mitzugehen. Ein Wogen und Rauschen. Im Nu war ich zurück auf Kniehöhe und stand auf. Ich fühlte mich von Grund auf erfrischt! Gleich nochmal! Zurück ins Tiefe waten, gegen die Wellen schwimmen und dann irgendwann umkehren. Herrlich. Alles was größer ist als man selbst bindet die ganze Aufmerksamkeit und alles andere ist vergessen. So muss es sein. 

Irgendwann wurde es mir dann doch etwas frisch und ich ging zurück an Land. Meine Frau hielt ihr Smartphone noch auf mich gerichtet, sie hatte mich photographiert oder gefilmt, was weiß ich. Eine Fahrradklingel kündigte den Eiswagen an. "Like Ice In The Sunshine", der Tag war wirklich perfekt. 

Die Möwen schrien, lachten, flogen tief und lauerten auf das Langneseeis das rund um uns herum ausgepackt wurde. Die Brandung rauschte. Und ich dachte: Man muss doch wirklich nicht ans Mittelmeer fahren. Man muss einfach nur an der Ostsee die richtigen Tage erwischen.