Mittwoch, 18. Januar 2012

Zensur über das Urheberrecht geht so

In Kurzform:
Du brauchst eine Lizenz von mir, wenn Du mich zitieren willst, um mich zu kritisieren.


Wie man über Schutzrechte auf geistiges Eigentum Zensur ausüben kann, habe ich hier schon mehrmals beschrieben - und ich bin auch nicht der einzige.

Man sichert sich z.B. das Markenrecht auf seinen eigenen Namen und verbietet Kritikern dann diesen Namen in Film- oder Buchtiteln zu nennen. Aberwitzige Folge: Man braucht dann eine Lizenz, um dies tun zu können. Der Markeninhaber kann dies tun oder lassen - wie eine Zensurbehörde. Ein Beispiel hierfür ist Valentin Ceausescu, der so einen Film über seine Familie verhindern wollte.

Viel umfassender lässt sich aber das Urheberrecht für Zensur missbrauchen. Die Idee: Ich verfolge, wo mich Kritiker zitieren, um mich kritisieren zu können. Das Prinzip Rede und Gegenrede wird ausgehebelt, wenn ich jeden meiner Debattenbeiträge als schützenswertes "Werk" bezeichne. Dieses Werk kann natürlich auch die Form eines Buches oder eines Essays haben. Wenn dieses jedoch politischer Natur ist, dann sollte ich mit meinem Urheberrecht großzügig umgehen, denn politische Beiträge haben in unserer Demokratie den Zweck, erwidert zu werden. Man stelle sich vor, Sarrazin würde auf die Gegner seines Buches nur noch über seinen Urheberrechtsanwalt reagieren. Durchgezogen hat dieses Prinzip bis jetzt u.a. eine bekannte Sekte, die in ihrem Namen eine Anspielung auf Wissenschaftlichkeit führt. Sie verklagte Kritiker, die sich in ihren Beiträgen auf Bücher des Sektengründers bezogen. Woraus sofort ersichtlich wird, was man auch in der Wissenschaft mit dem Missbrauch, also der übertriebenen Ausübung des Urheberrechts machen könnte.

Aber auch das Whistleblowing würde erschwert, wenn vorgelegtes Beweismaterial als "Werk" gelten würde, dessen Verbreitung einer Lizenz bedarf, weil es z.B. durch eine Geheimhaltungsvereinbarung vor Verbreitung geschützt wurde.

Fatal an dem heiß diskutierten SOPA (Stop Online Piracy Act) Gesetzesvorhaben der USA ist, dass es sich auch gegen ausländische Webseiten richtet.

Von einem Gesetz zur Verhinderung von Raubkopien einen Bogen zur Meinungsfreiheit zu ziehen, scheint also zunächst weit hergeholt. Den Medienkonzernen, die dieses Gesetz auf den Werk gebracht haben, geht es sicher mehr um den Schutz ihrer finanziellen Interessen, als um Zensur. Dieses Gesetz wäre jedoch auf einfache Weise wandelbar in ein Instrument der Zensur, und deshalb sollte es nie in Kraft treten. Vor allem in den USA, wo die Bush-Jahre gelehrt haben, wie schnell in den USA eine Stimmung erzeugt werden kann, die Kritiker faktisch mundtot macht und sogar kritische Sender und Verlage plötzlich die Schere im Kopf walten lassen.

Der Fall SOPA ist ein weiteres Lehrbeispiel dafür, dass Netzpolitik allerhöchste Aufmerksamkeit braucht, weil es um den Schutz der Meinungsfreiheit geht.

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