Montag, 19. März 2018

Infotainment im Auto

Unser Auto hat ein Infotainmentsystem, das aus Radio, Navigation, Touchscreen, Spracherkennung (Aktivierung per Taster und dann Menüpunkteanzeige), Festplatte, CD und Geräteanbindung über Bluetooth verfügt.

Es funktioniert soweit ganz gut, in dem Sinne dass es tut was es soll - also zuverlässig.

Dinge, die ich für verbesserungswürdig halte sind:
- Einblendung der Playlist vom Smartphone auf dem Touchsreen - derzeit kann ich Titel nur auf dem Smartphone selbst auswählen. Diese Einschränkung resultiert vermutlich aus der Verbindungsart Bluetooth.
- Direktere Ansteuerbarkeit von Menüpunkten. Ich kann den Blick immer nur für 1 Sekunde von der Fahrbahn ablenken. Ich will auf dem Touchsreen möglichst wenig irrelevante Information sehen - z. B. Sender die ich noch nie benutzt habe.
- Einfachere, schnellere Smartphoneanmeldung. Derzeit muss ich das "Pairing" an beiden Seiten aktivieren: An der "Head-Unit" im Auto und am iPhone selbst.

Kurz und gut: Eine Bedienbarkeit mit möglichst wenig Gucken und Tasten wäre gut. Sprache scheint mir hierzu das geeignete Medium. Gesten wie Wischen brauche ich im Auto eher nicht. Ich will auch nicht die Menüphilosophie erforschen müssen, sondern intuitiv nutzen können.

Ich habe zum Beispiel erst nach Monaten angefangen, unseren Spracherkennung zu nutzen. Denn der Verkäufer hatte uns erklärt, es würde sich lohnen, sich die Zeit zu nehmen, die Spracherkennung anzulernen... Diese Zeit hatte ich mir nie genommen. Siri verlangt das ja auch nicht von mir. Und als ich es spontan einfach mal ausprobierte, da funktionierte es auf Anhieb.
Da frage ich mich, wie viele anderen Kunden es wohl genauso geht, dass sie für Geld eine tolle Funktionalität kaufen und sie dann nie benutzen.

Wenn ich dann aber Videos von Messen sehe -und die nächste Cebit kommt bestimmt, ebenso die IAA- dann hält da die schöne neue, noch komplexere Welt Einzug in die Cockpits. Noch größere Displays, noch mehr Animation und noch mehr Konnektivität - zur Cloud, zur Ampel, zu anderen Autos, zu künftig jedem Smartphone im Auto. So dass sich jeder Mitfahrer mit etwas anderem als seinen Mitfahrern beschäftigen kann. Alle haben Kopfhörer auf, und alle schauen auf ein Display.



Ja, die automatische Anmeldung meines Smartphones im Auto will ich auch. Es hilft auch, dass mir das Cockpit (sorry, die Head-Unit) Emails vorliest, wenn ich das will.
Aber werde ich das Auto so benutzen wie einen Zug, den ich mir mit Fremden teile? Viele sagen ja: das autonome Auto bewegt sich wie ein Sammeltaxi von A nach B und nimmt mit, wer noch reinpasst. An Bord geben wir uns hipster und sind ernsthaft mit der Titelauswahl für die 10 Minuten unterm Kopfhörer beschäftigt?

Ich argumentiere nicht gegen technischen Fortschritt. Aber ich will nicht mehr Komplexität, deren Bedienung ich erst anlesen muss. Auch Trainingvideos machen das nicht sympathischer. Ich will Übersichtlichkeit, Relevanz und Einfachheit. Und ich glaube, dazu müsste man die Softwarewelt mal kräftig entrümpeln. Es läuft nämlich immer so, dass man erst nach dem ersten Produktrelease weiß, wie man es eigentlich hätte angehen müssen. Aber beim zweiten Anlauf, gibt es schon wieder ein Update der Softwarearchitekturen und -repositories und Standards. Und es sind neue Leute im Projekt, die von Autosar, Genivi etc. noch nie etwas gehört haben...

Aber eigentlich will ich eher eine Andockstelle für das Smartphone oder Tablet, das ich eh bei mir habe. Wozu alles im Auto noch einmal nachbilden?
Ok, Fahrzeugdaten -wie Reichweite- mit Navigation zu verknüpfen ist sinnvoll. Aber vielleicht reicht es, den umgekehrten Weg einzuschlagen: Fahrzeugdaten ins Smartphone zu übertragen...?

Donnerstag, 15. März 2018

Nervengift Nowitschok

Nowitschok (russisch: Novichok, "Neuling") ist die Bezeichnung des Nervengiftes mit dem der Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia im englischen Salisbury getötet wurden.

Wirkungsweise:
Das Gift stört die Steuerung der Muskeln durch den Neurotransmitter Acetylcholin. Genauer: es verhindert die Entspannung eines Muskels. Regelmäßige Anspannungs-Entspannungsbewegungen von Muskeln wie insbesondere von Lunge und Herz werden damit zum Stillstand gebracht, weil die Muskel zwar noch angespannt werden, aber nicht mehr entspannt.

Unsere Muskeln sind also nicht in einer always-off Stellung, sondern über Enzyme wird genau gesteuert, in welchem Zustand sie sein sollen. Und das Nervengift Nowitschow blockiert also den Botenstoff, der zur Muskelentspannung führt.

Somit wirkt das Gift etwa wie ein Krampf aller Muskeln. Als Wehrpflichtige lernten wir, dass man Krämpfe mit einer Spritze Atropin entkrampfen kann. Jedenfalls ein wenig. Und es muss rechtzeitig gespritzt werden.

Was hat das mit den Russen zu tun?

Die damalige Führung der Sowjetunion beschloss 1971 die Entwicklung neuer chemischer Kampfstoffe unter strenger Geheimhaltung, Nowitschok wurde bereits 1973 entwickelt. In den 80er Jahren wurde Nowitschok zu einem binären Kampfstoff weiterentwickelt. Dies hat zum Ziel, den Transport zum Einsatzort einfacher und sicherer zu machen, indem die beiden Komponenten weniger giftig designt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass ungefährliche Komponenten keiner Chemiewaffenkonvention unterliegen. In diesem Sinne sagte Gorbatschow auch nicht direkt die Unwahrheit als er 1987 ankündigte, die Sowjetunion werde die Produktion chemischer Waffen einstellen. Für die Komponenten binärer Waffen galt das aber offensichtlich nicht...

Für die Säuren, aus denen Nowitschok gewonnen wird, benötigt man Stoffe, die auch für die Landwirtschaft benötigt werden: Kohlenstoff und Phosphor. Das macht die Aufklärung nicht einfacher.

Es existieren mehrere Varianten von Nowitschok, die entweder injektiert, inhaliert oder durch Hautkontakt übertragen werden. Die Substanzen durchdringen die Blut-Hirn-Schranke und gelangen so ins zentrale Nervensystem. Erste Anzeichen sind Schwindel, Ohrensausen, Hautausschläge und Halluzinationen. Danach setzt die Hemmung der Muskelentspannung ein.

Sergei Skripal ist ein ehemaliger Oberst des sowjetischen/russischen Militärnachrichtendienstes GRU, der später zum MI6 überlief.

2006 verurteilte ihn ein Moskauer Militärgericht wegen Hochverrats, weil er angeblich Identitäten russischer Spione an den MI6 verraten habe. Skripal trat seine Strafe im Arbeitslager an, wurde 2010 aber begnadigt und im Rahmen eines Agentenaustauschs freigelassen. Danach ging er nach Salisbury.

Auffällig in Skripals Leben seit seiner Freilassung: In kurzen Abständen starben seine Ehefrau (2012), sein Bruder (2016) und sein Sohn (2017).

Sergei und seine Tochter Julia wurden am 7. März tot aufgefunden. Die Diagnose erfolgte auf Nervenkampfstoff. Dies verweis auf die Herkunft aus einem Militärlager. Die britische Antiterroreinheit CTC wies den Kampfstoff noch in einem Restaurant und in einem Pub nach, in dem die Opfer sich vor ihrem Tod aufgehalten hatten.

Da es von Nowitschok mehrere Varianten gibt, kann man aus einer genauen Diagnose im Prinzip eine Signatur des Kampfstoffes ableiten, zumindest wo er hergestellt worden sein müsste. Aber durch  wessen Hände diese Stoffe über Jahrzehnte wandern, nicht so genau.

Die britische Regierung ist wohl deshalb so erregt, weil dies nicht der erste Fall dieser Art ist. Und weil es wieder auf britischem Boden stattfand. Die russische Regierung forderte mehr Informationen und insbesondere Proben des gefundenen Kampfstoffes ein.

Persönliche Wertung:
Ich finde die Erregung und das kurze Ultimatum der britischen Regierung überzogen. Eine Regierung ist kein Gericht. Erst auf Basis eines Gerichtsurteils könnte man sich so verhalten.

Ich -als Laie- finde bemerkenswert, dass inzwischen die ganze Familie Skripniks ausgelöscht ist. Wenn auch auf unterschiedliche Weisen (Krebs, Unfall), aber doch auffallend in kurzer Zeit seit seiner Freilassung. Ein Rational könnte sein, dass man Skripal doch noch bestrafen will, und zwar sehr hart, auch wenn er offiziell freigelassen wurde. Verrat ist ein schweres Vergehen in Militärkreisen und wenn die Vorwürfe stimmen und womöglich persönliche Motive im Spiel sind, dann könnte Rache ein Motiv sein.

Allerdings wird die Angelegenheit derzeit so hoch gespielt, dass sich die Eskalation auf die NATO und also auch uns ausbreitet.

Mittwoch, 14. März 2018

Alte Videos aus Dortmund

Großen Dank an David, an den findigen RWEer und die Stadt Dortmund, die diesen Werbefilm von 1964 gefunden und bereitgestellt haben.

 Eine frisch wieder aufgebaute und im Saft stehende Stadt. Meine Stadt.



Ich weiß gar nicht, womit ich anfangen soll. Stadtszenen, die ich kannte als sie schon ein bisschen abgenutzt waren, erstrahlen hier neu. Stadtmitte, Stadthaus, Alter Markt, Westenhellweg, Straßenbahnen, LKWs, PKWs. Fließender Verkehr, Bürger in Kostüm und Anzug. Schulen, Kliniken, Ämter, Hauptbahnhof mit Dampfzügen. Und ein Bürgermeister, der mit der Entwicklung "seiner Stadt" beschäftigt ist, und von Gender und Social Justice noch nix ahnt.

Bastelnde Schulkinder, mit Etuis auf Holztischen. Fluren und Gänge in dem einst auch mir vertrauten Klinker. Nüchtern, streng, zweckmäßig - aber in Schuss. Kinder mit Respekt vor den Lehrern, aber auch der Freiheit zur Kreativität. Weder tropft es durch die Decke ins Klassenzimmer, noch müssen sich Lehrer um Messerstecher und angehende Rapper kümmern und das Niveau ihres Unterrichts absenken. Aber einige dieser Kinder haben später den Untergang ihrer eigenen "Welt von gestern" vorbereitet und führen ihn jetzt gerade durch.

Und wie das bei YouTube so ist, gibt ein Video das nächste. Zum Beispiel dieses hier: Hoesch Westfalenhütte, Warmwalzwerk 1995. Eine Videodokumentation des Walzvorgangs einer Bramme.



Etwa genau zu der Zeit war ich genau an dem Ort, weil mein damaliger Schwager in spe, der als Elektroingenieur bei Siemens an der Steuerung des Warmwalzwerkes arbeitete, mal für ein paar Tage in den Semester"ferien" mitgenommen hatte. Es ist berührend, das einmal genau so wieder zu sehen. Denn das ganze Werk gibt es heute nicht mehr. Auch nicht die Fabrik MfD, die den Brückenkran für die Umsetzung der Brammen baute, gibt es nicht mehr. Auch diese Fabrik hatte ich kurz vor ihrem Exitus als Praktikant noch einmal besucht. Mein Vater hatte dort seine Lehre gemacht und später angefangen. Er sprang aber auch rechtzeitig wieder ab.

Ich erinnere mich, wie ich mit meinem Schwippschwager darüber philosophierte, ob man die Kranfahrten mit einem Schwingungsdämpfer beschleunigen könnte. Damals war Fuzzylogik gerade "in" und ich suchte nach Anwendungsmöglichkeiten ;-). Aber er sagte nur, im Walzwerk herrsche eine ganz einfache Logik: Bramme kommt, oder kommt nicht.

Vielleicht spiegelte sich darin die damalige Mentalität der "Belegschaft", die der bis dato Erfolg so sicher gemacht hatte, dass man sich weder im Betrieb noch in der Weiterentwicklung überschlagen müsse. Trotzdem bin ich voller Sympathie für die Gesichter, die ich in dem Video sehe. Ich war im Glauben, dass etwa so mal mein späterer Arbeitsplatz aussehen müsse: Spektakulär mit sprühenden Funken und Höllenlärm. Dazwischen ich, mit den Händen an einer Tastatur ;-)
Stahl oder Kraftwerk, dachte ich. Und nahm wenig später ein Angebot von RWE an..

Heute beschäftige ich mich mit agiler Softwareentwicklung in allen möglichen Organisationen. Ich habe in der Automobilentwicklung gearbeitet und kenne inzwischen sogar die Bundesverwaltung.  Irgendwann hat man als Jugendlicher ja plötzlich eine Intuition und greift nach etwas, was man sein Leben lang nicht mehr loslassen wird. Weil es einen fasziniert. "Alles!" war 1982 meine Antwort, als meine Eltern mich fragten, was man denn mit einem "Homecomputer" machen könne.

Ich komme ins Sinnieren. Wie oft ich meine berufliche Wirkungsstätte schon gewechselt habe, obwohl ich abstrakt einem roten Faden folgte. Ich traue keinem Frieden, auch wenn es mal gut läuft. Der Ingenieursberuf bewirkt und unterliegt Veränderungen. Es hält mich aber nich davon ab, Gelegenheiten zu nutzen. Zum Beispiel für einen Umzug nach Berlin. Das war seit 1987 mein Traum.

Vielleicht berührt mich der Anblick meiner Vergangenheit auch gerade deshalb. In der Gegenwart ist man immer gerade dabei, sich etwas zu erkämpfen. Mit Anstrengung und Unsicherheit. Dann wieder mit Momenten der Bestätigung und der Sinngebung und Motivation für die nächste Etappe.

Erst Rückblickend verstehe ich immer, was das eigentlich gerade gewesen ist.

Montag, 12. März 2018

Auslegungsvarianten der Product Owner Rolle

Wer im Anforderungsmanagement "groß" geworden ist, wundert sich bisweilen über die sehr unterschiedlichen Auslegungsarten seiner neuen Rolle "Product Owner" in agilen Projekten.

Product Owner kompilieren aus dem Bedarf ihrer Anspruchsgruppen Anforderungen und kommunizieren sie in geeigneten Formen an das Entwicklungsteam. Insofern muss ein Product Owner mindestens zwei Sprachen sprechen:

- Die seiner Anspruchsgruppen, z. B. Geschäftsprozesse oder Produktfunktionen.
- Die der Softwareentwickler und Architekten. z. B. funktionale und nicht-funktionale Anforderungen

Ein Product Owner muss nicht alles wissen, aber er muss alles Wichtige in Erfahrung bringen und Klärungspunkte erkennen können. Wer muss was wann wissen und wann klären diesen Punkt - nicht unnötig früh, nicht zu spät?
Es entstehen zwei Kommunikationsrichtungen: eine von oben nach unten, die die Vorgaben und Richtungen festlegt. Und eine von unten nach oben, die die Machbarkeiten prüft und Einwände kommuniziert. In der Mitte entsteht das sinnvoll Machbare.

Da ich beide Welten kenne - Unternehmenssoftware und Steuergeräte- würde ich sagen, die Welt der Unternehmenssoftware ist hier weiter als die der Steuergeräte. Mit Ökonomen und Informatikern kommt man schnell in ein methodisches Fahrwasser und legt erst einmal einen sinnvollen Arbeitsfluss fest. Mit Steuergeräteingenieuren geht es oft sehr schnell in Richtung technischer Details - ohne die Perspektiven anderer Gruppen -zum Beispiel Anwender- einzunehmen. Damit meine ich nicht, dass Usecases unter den Tisch fallen. Sondern dass man glaubt, diese selbst ohne Rücksprachen festlegen zu können.

Ich bin jedes mal sehr dankbar, wenn es im Projekt einen guten, erfahrenen Systemarchitekten gibt. Mit ihm kann ein Product Owner "über alles reden". Am besten sitzt man mit ihm oder ihr Tür an Tür oder im selben Raum.

Ingenieure bestätigen einander gerne und suchen selbst für sich die Bestätigung ihres Expertenwissens. Das gilt auch für solche, die sich agil nennen. Ein Product Owner schätzt Experten, braucht aber keine Domänen, die nach außen nicht gut kommunizieren. Dieses Risiko besteht oft in Steuergeräteprojekten, aber man bedenke, dass auch sehr alte Softwaresysteme in Unternehmen und Verwaltungen von Programmierern mit Ingenieursmentalität geschrieben wurden. Hier lauert eine Fußangel und Falle nach der anderen. Auch Verunsicherungsangriffe auf den Anforderungsmanager oder Product Owner lauern hier. Es kostet viel Kraft, aber Ausdauer und Durchhaltevermögen werden am Ende (ca. 1 Jahr) belohnt. Obwohl ich das weiß, kostet es auch mich immer wieder Überwindung, mich nicht irre machen zu lassen. Weil ich mich ja nicht abschotten will, sondern mich bewusst dem Kommunikationsstrom aussetze. Und mit Annahmen arbeite. Und erst einmal Vertrauen bei den Meinen aufbauen muss. Die vielleicht selbst anfällig für diese Expertenkultur sind.

Somit komme ich zu dem Schluss, dass ein Product Owner auch das benötigt was früher im positiven Sinn unter Beratungsmentalität lief: Sensibilität, Hellhörigkeit, plus innerer Kompass plus dickes Fell.

Die meisten Anforderungsprofile an Product Owner stimmen deshalb m. E. nicht. Sie sind zu einseitig auf technische Expertisen ausgelegt.

Ich sehe hierin auch einen tief sitzenden Grund dafür, warum deutsche Startups nicht so erfolgreich sind, wie z. B. US-amerikanische. Es fehlt die Perspektive des Produktmanagers, der aus Endkundensicht Anforderungen beschreibt und priorisiert.

Samstag, 3. März 2018

Motive gegen Veränderung

Die Innovationsberater reichen im Internet einen Cartoon herum, auf dem ein Anführer die Versammlung fragt, wer von ihnen FÜR Veränderungen sei. Alle Hände gehen hoch. Dann fragt er, wer von ihnen bereit sei, sich selbst zu verändern. Und alle Hände bleiben unten.

Es ist leicht zu sagen, "genau so ist das". Aber warum? Und warum sind so viele dagegen, sich selbst zu verändern und erwarten Veränderungsbereitschaft nur von allen anderen? 

Einmal abgesehen von der Binsenweisheit, dass Veränderung kein Wert an sich ist, erlebe ich folgende Fälle:

- Die Mächtigen haben etwas zu verlieren: Budget, Einfluss, Macht, Ansehen. Die Veränderungsprotagonisten hingegen können oft mehr gewinnen als verlieren. Beide unterstellen einander unter vier Augen vor allem diese Motive, bei denen es nicht um das gemeinsame Unternehmen, Bereich etc. geht, sondern persönliche Ziele.
- Die "Operativen" haben auch etwas zu verlieren: den Wert ihrer jahrelang gewachsenen Erfahrungen, Spezialisierungen und Optimierungen. Die Alteingesessenen bezeichnen die Veränderungsprotagonisten als "ahnungslos", was in Bezug auf die alten Verhältnisse ja auch zutrifft.

Es gibt noch ein drittes Motiv, das vor allem auf mich zutrifft:
- Vorsicht hinsichtlich der unbewussten Annahmen, die wir gerade alle treffen.

Gehe ich in ein neues Projekt, erwarten die Sponsoren oder mein eigener Programmleiter häufig einen sofortigen Stimmungsumschwung von mir. "Bringen Sie frischen Wind darein." - Aber das riecht mir zu sehr nach Aktionismus. Und ehrlich gesagt etwas zu simpel, heroisch, manchmal auch naiv. Ich bin zwar der "Agent" des Neuen. Aber zuerst schaue ich mich mal um.

Ich reite also sozusagen in die Stadt und schaue mir als erstes die Leute an. Manche treffe ich in Gruppen, manche unter vier Augen. Und ich höre erstmal rein. Denn ich weiß, ich selbst komme mit tausend Annahmen, die auf bisherigen Erfahrungen basieren. Allzu leicht packt man Leute und Dinge in Schubladen und fängt an mit falschen Annahmen zu operieren. 
Deshalb baue ich als erstes Beziehungen auf.

In dieser Phase höre ich dann manchmal, ich bewege mich zu langsam und fordern mich zu mehr "Beraterarroganz" auf. Wer so spricht offenbart mir vor allem die Angst, mit der er selbst in neue Situationen geht: Wie ein Hund, der erst mal alle anderen anbellt. Und auf der Straße sehe ich nur kleine Hunde, die große Hunde anbellen. Umgekehrt sehe ich das nur sehr selten.

Oder wenn man es in Westernmetaphern will: Ich bin eher Scharfschütze als Revolverheld. Mir reichen ein oder zwei Patronen, ich trage keinen Patronengürtel um meinen Oberkörper. Aber eigentlich passen Westernfiguren überhaupt nicht. Eher schon Kommissare aus Krimiserien. Poirot, der die Leute mit Rückfragen prüft, ob sie über Annahmen oder Erfahrungen sprechen: "Der Bosporus ist um diese Jahreszeit sehr ruhig, Sie werden sehen." - "Hm, haben Sie ihn um diese Jahreszeit schon einmal selbst überquert?" - "Nein."
Oder Columbo, der die Leute in Sicherheit wiegt und dann mit einer letzten Frage Schachmatt setzt: "Ach ähm, eine Frage noch...:" Insbesondere hierbei nutze ich das psychologische Phänomen, dass man Menschen entlang des Kennenlernens in bestimmten Phasen nur bestimmte Dinge Fragen kann. Es gibt Dinge, die erfährt man nur am Anfang und Dinge, die erfährt man nur später.

Also bewege ich mich langsam, aber sehr aufmerksam durchs Projektdorf. Treffe Leute im Salon und am Brunnen. Treffe große und kleine Leute. Und allmählich baut sich mir ein Bild auf aus Dingen und Leuten, Beziehungen zwischen Leuten, die die Dinge behandeln um die sich alles dreht. 

Meine Bewegungen werden dann allmählich schneller und zielgerichteter, wenn ich der Meinung bin, dass ich nun den höchst möglichen Themeneinstieg gefunden und geöffnet habe. Es ist dann auch viel einfacher, Argumentationsketten aufzubauen die die höchste und die niedrigste Ebene adressieren.


Mittwoch, 21. Februar 2018

Zum sogenannten "Effektiven Altriusmus"

Ich habe endlich die Ideologie gefunden, die der Startpunkt für das ist, was ich für das Ergebnis einer Gehirnwäsche halte: Immer mehr Leute und Gruppen der westlichen Welt bewerten die dritte Welt höher als sich selbst:

Sie bewerten andere Kulturen höher als die eigene. Sie haben ihrer Religion abgeschworen, auf aufgeklärt gemacht, nur um sich dann "sensibel" und bereitwillig den Machtansprüchen extremistischer Religionsideologen zu unterwerfen. Sie fordern von mir Anerkennung der fremden Folklore, kritisieren mich aber heftig wenn ich deutschen Rap höre oder mir zu Karnevall Indianerfedern an den Kopf stecke.

Sie geben vor, auf eigenen Wohlstandszuwachs oder auch nur -sicherung verzichten zu wollen, bis global gleiche Lebensverhältnisse "hergestellt" sind (kennen wir vom Soli) - und nennen das "Gerechtigkeit".

Diese Ideologie nennt sich: "Effektiver Altruismus" und beansprucht die Entscheidungshoheit darüber, mit wem wir solidarisch zu sein haben und vor allem -und da kommt der Machtanspruch ins Spiel- wem wir spenden sollen.

Wenn du im Park siehst, wie ein Kind auf dem Eis einbricht, wirst du sofort hinlaufen und es retten. Aber hast du überlegt, ob du mit der eingesetzten Zeit nicht woanders mehr Leben retten könntest?

Klingt wie brutaler Schwachsinn, läuft aber in Pittsburgh unter "Philosophie", also "Erkenntnisliebe"..

Du sollst nicht für den Bettler an Deiner U-Bahn Station spenden sondern vorher ausrechnen, wo dein gespendeter Euro die höchste Wirkung haben wird - und dort spenden. Das läuft natürlich jedesmal -aber nur theoretisch- darauf hinaus, im Zweifel stets für Afrika oder Arabien zu spenden. Aber ich huste denen was. Ich spende natürlich vorrangig für die, die ich kenne. Meine Gründe:

- Hilfsbereitschaft basiert für mich auf Empathie und Verbundenheit. Meine Prioritäten lauten: eigene Familie, Verwandte und Freunde, mein Bezirk, meine Stadt, mein Land.
- Ich will Gewissheit, dass mein Euro bei den Hilfsbedürftigen ankommt.
- Ich bin nicht solidarischer als der Durchschnitt meiner Gesellschaft. Kriterium hierfür: Meine Steuern und Sozialabgaben.

Das führt in der Praxis dazu, dass ich nur in Einzelfällen zusätzlich spende. Denn ich zahle bereits überdurchschnittlich Steuern und Abgaben. Und ich bin damit permanent solidarisch, denn ich zahle mehr ein als ich zurückbekomme.

Nur in begründeten Einzelfällen spende ich zusätzlich für konkrete Projekte. Und dabei bleibt es.

Der große Widerspruch dieser rotgrünen Ideologie ist der folgende:

Wenn Ingenieure in der Umweltdebatte früher sagten, jede Solaranlage sei in Sonnenscheinstaaten besser angelegt, jede Windkraftanlage besser in windigen Regionen als in dem von-allem-etwas-Land Deutschland entgegneten Rotgrüne stets: Aber wir müssen mit gutem Beispiel voran gehen!

Und seht ihr: Genau so verhält es sich mit meiner Solidarität. Ich gehe mit gutem Beispiel voran. Wenn auch unter Zwang..

Und zuguterletzt: So etwas wie Altruismus gibt es nicht. Auch Helfen dient dem Ego: Gewissenserleichterung, Einflussnahme auf Hilfsallokationen.

Oder wie man beim Roten Kreuz sagt: "Helfen ist Herrschen".

Link: Wikipedia


Freitag, 16. Februar 2018

Wie subjektiv wir unser Gedächtnis anlegen

Der Braunschweiger Martin Korte erklärt in seinem Podcast "Die Biografie in den Neuronen" (SWR2 Wissen, Link), wie jeder Abruf einer Erinnerung diese verändert:

Wir greifen nicht jedesmal auf eine unveränderliche Datei auf unserer "Festplatte" zu, sondern lesen aus und reichern mit unseren in dem Moment empfundenen Sichten, Gefühlen etc. an und speichern dann neu. Auch nimmt die Art, wie wir uns befragen -oder befragt werden-  Einfluss darauf, welche Informationen wir beim nächsten Speichern betonen, abschwächen oder weglassen.

Schaut man noch genauer hin, wird gar nicht eine einheitliche Datei abgespeichert, sondern Links auf verteilte Stellen im Gehirn. Beim Abruf wird aus den verlinkten Informationen die Erinnerung konstruiert.

Damit wird plausibel, wie subjektiv und beeinflussbar unser Gedächtnis ist. Noch wichtiger wird diese Erkenntnis, wenn wir wissen, dass unser Gedächtnis einen sehr großen Einfluss auf unser Bewusstsein hat. Würden wir nicht an einer zentralen Stelle ein Modell von der Wirklichkeit bzw. der Erinnerung konstruieren, zerfiele unser Bewusstsein in seine Einzelteile.

Damit wird mir klar, dass es nicht nur unsere gespeicherten und momentan wahrgenommenen Informationen sind, die uns zu einer "Person" integrieren, sondern die Verbindungen zwischen diesen.

Besonders wichtig in der heutigen Zeit ist, dass uns alles was wir beim Verarbeiten einer Information - z. B. beim Lernen- zusätzlich aufnehmen, ablenkt und Einfluss auf die Qualität der gespeicherten Information nimmt.

Untersuchungen an der Generation "Digital Native" haben gezeigt, dass Leute, die "im Internet" herangewachsen sind, immer weniger Informationen selbst verarbeiten und speichern, sondern immer mehr Fragen mit Suchstrategien beantworten.

Dies hat großen Einfluss auf das Bewusstsein dieser Leute. Insbesondere, wenn sie auch Fragen nach sich selbst mit Suchstrategien beantworten. Z. B. Suchen in der eigenen Fotosammlung...

Aber auch die permanente Versorgung mit Informationen hat großen Einfluss auf die Art unserer Wahrnehmung von der Welt. Wenn wir die Informationsverarbeitung so übertreiben, dass unser Gehirn seine Selektion verstärkt -die einzige Reaktionsmöglichkeit, die es hat- geraten wir nicht nur in eine Filterblase sondern einen Trichter. Die Selektion verstärkt sich immer mehr auf Bekanntes, was wiederum zur Bestätigung von bereits gespeicherten führt.

Wir verlieren dabei unsere Fähigkeit, die Welt zu verstehen. Denn wir verstehen die Welt anhand dessen, was wir schon wissen - also geordnet und in Kontexten gespeichert haben.

Mir erklärt dieser Zusammenhang ein wenig meinen Eindruck, dass immer mehr Leute auf mich wirken, als unterlägen sie einer Gehirnwäsche: Wer sich ohne ein Mindestmaß an Vorbildung und der Fähigkeit zu lernen ins Internet, insbesondere soziale Medien, begibt, wird sich dort radikalisieren. Und Regierungen nutzen das, indem sie Informationen immer ungenierter vereinfachen und zuspitzen. Bis am Ende nur noch Minderheiten kritische Fragen stellen. Und die Regierung zeigt auf diese und ruft: "Haltet den Dieb!"

Donnerstag, 15. Februar 2018

Nächste Schritte der Aufklärung

Angeregt durch die Lektüre einiger Evolutionsbiologen, Hirnforscher und angesichts der häufigen Betonung der "Vernunft", die den Menschen doch auszeichne, kam mir folgender Gedanke:

Die "Kritik der reinen Vernunft", die Aufklärung und die damit einhergehende Emanzipation von Göttern und Hierarchen, die sich auf diese Götter beziehen, ermutigte uns, für unsere Freiheit zu kämpfen. Dies war sowohl eine Freiheit "von" als auch eine Freiheit "zu".

Seit wir uns die Entstehung von Blitz und Donner erklären können, kann uns niemand mehr mit ihnen drohen. Selbiges gilt für andere Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben. Auch verstanden wir, dass wir unser Schicksal zu großen Teilen selbst in der Hand haben. Die Erkenntnis, die aus der Beobachtung und Überlegung -also dem Mut, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen- folgte, hat uns befreit.

Mit Befreiung gehen aber zweierlei Wirkungen einher: Wir entledigen uns eines Zwanges. Aber wir werden auch einsamer. Da ist keine höhere Macht mehr, die uns bestrafen kann. Aber auch niemand mehr zu dem wir beten, von dem wir etwas wünschen oder erwarten oder erhoffen können, der uns für Wohlverhalten belohnt. Die Pflicht, die Erwartungen eines Gottes zu erfüllen, wird ersetzt durch die Pflicht, für uns selbst zu sorgen. Die Hoffnung, belohnt zu werden wird ersetzt durch den Willen zur Planung und zur Tat.

Wissenschaft und Philosophie haben also Erkenntnisse geschaffen, die uns vom Aberglauben und selbst auferlegten Zwängen befreien konnten. Dies hatte auch Auswirkungen auf unsere Vorstellungen von Moral. Vieles von dem, was mal verboten oder verpönt war, ist heute nicht nur erlaubt, sondern toleriert oder eine Selbstverständlichkeit. Die moralische Instanz wurde vom Himmel auf die Erde geholt. Die Humanisten leiteten aus den einst heiligen Schriften Moralvorstellungen ab, die sie selbst begründet. Dabei schufen sie aber fast unbemerkt einen neuen Gott: den selbstlosen, "humanistischen" Menschen.

Besonders ausgeprägt ist diese Ideologie in Deutschland zu beobachten, wo frühere Ökologen und Sozialisten heute von uns Bürgern Selbstlosigkeit bis zur Selbstaufgabe einfordern. Dies zum Wohle der restlichen Menschheit. Dass wir uns damit überfordern, will diesen Ideologen nicht in den Sinn - oder schlimmer: Ist sogar ihr unausgesprochenes Ziel. In dieser Ideologie muss jedes Menschenleben von uns, denjenigen "die schon länger hier leben" gerettet werden. Eine Obergrenze dafür, gibt es in dieser Ideologie nicht.

Dies löst bei Menschen, die sich für Freiheit und Selbstverantwortung entschieden haben, und dies auch leben, den Überlebensinstinkt aus. Und aktiviert Gegenwehr.

Ich begründe meinen Überlebensinstinkt aber nicht nur "instinktiv", sondern auch ideologisch: Meines Erachtens müssen wir die Aufklärung weiterentwickeln indem wir neue wissenschaftliche und philosophische Erkenntnisse einbeziehen.

Um die Humanisten von ihrem Sockel zu holen, müssen wir den Homo sapiens nun so entzaubern, wie wir das mit unseren bisherigen Göttern getan haben. Und das Ding, das wir dazu attackieren müssen, ist die letzte Zaubervorstellung, die im gesellschaftlichen Theater noch gegeben wird: die sogenannte "unsterbliche Seele" des Menschen.

Die Existenz einer Seele ist bis heute nicht erwiesen. Wohl aber empfindet jeder Mensch -oder bildet sich ein- eine zu haben. Die Frage, wo das eigene Ich sitzt, führt instinktiv zum Kopf, wo unsere zentrale Sinneswahrnehmung und -verarbeitung sowie unser Gedächtnis ihren Sitz haben. Und wo insbesondere unser Gehirn seinen Sitz hat. Aber da wir um die Sterblichkeit all dessen wissen, erfanden wir zusätzlich etwas, was sich der Beobachtung und damit dem Tod angeblich entzieht: die Seele.

Und darauf bauten die Wahrsager, Propheten, Heilsbringer etc. wieder ein Konstrukt, dass den Menschen in eine neue Abhängigkeit brachte: Von nun an sollte er nicht mehr in der Kirche beten sondern sich ständig selbst beobachten, analysieren und sich "gutes" tun. Aber mehr noch: Er sollte sich um die Seelen der anderen (in Deutschland: aller anderen) kümmern. Er soll emphatisch sein.

Die Vorstellung, sich um seine unsterbliche Seele kümmern zu sollen, löst neue Ängste, Ideologien und (eingebildete) Zwänge aus. Sie setzt nun den Menschen auf den Sockel, von dem wir gerade erst unsere Götter heruntergeholt hatten.

Und wiederum bewirkt die Entzauberung des Mysteriums eine Befreiung: Stell dir vor, keine unsterbliche Seele zu haben und erlebe, welche Ängste von dir abfallen. Am Ende erkennst du deine eigene Insignifikanz. Und wie klein die Entscheidungen sind, die du triffst. Wie klein die Wirkungen, wenn du falsche Entscheidungen triffst. Und wir kurzlebig die richtigen.

Dienstag, 6. Februar 2018

Wie der Evolutionsbiologe Richard Dawkins Familie und Nation modelliert

Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins veröffentlichte bereits 1976 einen revolutionären Vorschlag, wie wir Evolution (weiter) denken müssen. Jetzt, da ich es lese, verstehe ich nicht, warum sein Gedanken nicht längst einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind. Denn sie liefern gute Argumente gegen den linksliberalen Mainstream der da von Selbstaufgabe und Fremdüberhöhung predigt. Und also antiwissenschaftlich handelt. Und das geht so:

Wessen Interessen verfolgen Individuen in ihrem Überlebnskampf? Ihre individuell eigenen? Die ihrer Familie? Die ihrer Gruppe oder die ihrer Gattung?

Dawkins interpretiert all die bis dahin veröffentlichten Beobachtungen indem er sie auf eine Ebene tiefer verschiebt? Wer ist "Individuum"? Inspiriert von den Erkenntnissen Darwins und anderer verschiebt er den Betrachtungsgegenstand auf die Gene des Individuums und sagt:

Nicht der Mensch kämpft ums Überleben sondern jedes einzelne seiner Gene um möglichst breite Vervielfältigung in anderen "Überlebensmaschinen". Es ist nicht die Gattung, die sich an den Umweltbedingungen misst, sondern das Gen, das eigentlich -aber über den Umweg seines Wirts- dem Ausleseprozess unterliegt.

Mithin sei es nicht so, dass der Mensch (oder jedes andere Lebewesen) Gene habe, sondern die Gene haben ihn. Als "Überlebensmaschine". Und bei der Paarung kämpft jedes einzelne Gen um Dominanz. Was sich in unserem Körper abspiele, sei der Kampf ums Überleben einzelner Gene um die Wertigkeit im Genom. Der gemeinsame Abwehrkampf gegen Viren via Immunsystem entspreche dem Phänomen, nichts eine mehr als der Kampf gegen einen gemeinsamen Gegner (der eigenen Überlebensmaschine).

Folgt man dieser Interpretation von Leben stellen sich viele wichtige Fragen ganz anders. Wenn jedes Gen einzeln nach Vervielfältigung strebt, dann hat das Folgen für die Überlebensstrategien von Menschen. Dann spielt nicht nur "man selbst" eine Rolle, sondern auch die Verwandtschaft, mit der man halt einen besonders hohen Anteil von Genen teilt. Dawkins durchläuft den Stammbaum und rechnet aus, wer ihm gentechnisch "am nächsten" liegt. Dabei spielt noch ein geschlechtsspezifischer
Faktor eine Rolle: Die Mutter ist immer sicher, der Vater immer mit einer Unsicherheit behaftet. Linien entlang von Frauen sind deshalb sicherer und deshalb "näher" als die über Männer.

Daraus folgt zum Beispiel: Die Enkelin der Tochter ist einer Großmutter näher als der Sohn des eigenen Sohnes. Denn der eigene Sohn wisse nicht sicher, dass sein Sohn von ihm stamme. Usw. Es ist ein interessantes Gedankenexperiment, mit dieser These einmal Verhaltensmomente in der eigenen Verwandtschaft durchzuspielen ;-)

Mit seiner Genmathematik zeigt Dawkins, dass die familiäre Bande nur zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Geschwistern besonders ausgeprägt ist. Schon bei Cousins / Cousinen fällt der Anteil gleicher "Familiengene" stark ab. Aber dies ist ein relativer Wert, der davon abhängt, wie "homogen" der Kreis ist, mit dem man die eigene Familie vergleicht.

Dieser Umstand bewirkt, dass wir a) unsere Verwandtschaft bevorzugen, b) innerhalb unserer Verwandtschaft wiederum Unterschiede anhand der genetischen Nähe zu uns selbst machen. Nach außen wirkt dieses Verhalten wie familiärer Altruismus, tatsächlich steckt aber der Egoismus unserer Gene dahinter.

Interessant insbesondere das Verhältnis zwischen Frau und Mann eines Paares. Denn diese beiden haben -Inzucht ausgenommen- keine genetische Verwandtschaft. Mithin gäbe es keinen Anlass zu Altruismus. Stattdessen kommen hier Verliebtheit und Liebe ins Spiel. An anderer Stelle (Quelle weiß ich nicht mehr) las ich, dass Verliebtheit ein biochemischer, hormoneller Vorgang sei, der die Nähe herstelle, die aufgrund fehlender genetischer Verwandtschaft fehle. Wo zwischen normalen Fremden ein gesundes Misstrauen herrsche, überwinde Verliebtheit genau das. Und genau das, und nur das, schafft die Voraussetzung für die Paarung, wo aus zwei fremden Chromosomen ein gemeinsames Neues entstehe.


Daraus folgen jede Menge wissenschaftliche Gründe für das moralische Gedankengebäude vom Wert der Familie. Wenn wir als Wesen nur Erscheinungsformen von um Verbreitung kämpfenden Genen sind, dann erklären sich plötzlich viele kulturelle -und politische- Phänomene wissenschaftlich.

Dann ist zum Beispiel das eigene Territorium -bzw. Revier- der Schutzraum, in dem Gene die Reproduktion ihrer selbst sicherstellen. Denn nicht nur die eigentliche Reproduktion bedarf des besonderen Schutzes, sondern auch die Aufzucht. Fast alle Tiere erkämpfen und verteidigen Reviere für Futter und Aufzucht. Viele Tiere -wie auch Menschen- ziehen gemeinsam die Nachkommen ihres Rudels groß. Löwenmütter zum Beispiel säugen ihre eigenen Jungen, erziehen sie dann aber gemeinsam mit den anderen Müttern.

Von den Vögeln lernen wir über die Herausforderung, sich keine Brut unterjubeln zu lassen. Im Unterschied zu jungen Säugetieren kann man Eier nicht so einfach voneinander unterscheiden. Was sich z. B. der Kuckuck zunutze macht. Die Evolution reagierte darauf, mit der Herausbildung von Mustern auf den Eierschalen einiger Vogelarten. Einige Kuckucke zogen mit diesen Mustern nach. Allerdings natürlich regional typischen Mustern, abhängig von den Vögeln, die in ihren Revieren die Bruttiere ihrer Eier stellen...

Spannend wird es, wenn man diese Erkenntnisse auf unsere aktuelle politische Lage überträgt. Der derzeit verpönte sog. "Egoismus" der "Privilegierten" z. B. ist nichts anderes als gesunder Egoismus. Es ist nicht nur natürlich, der eigenen Familie die höchste Priorität einzuräumen, es hat auch seinen Sinn. Völlig kontraproduktiv, geradezu selbstzerstörerisch, ist es, Fremden eine höhere Priorität einzuräumen, als der eigenen Familie oder gar sich selbst. Dies führt binnen weniger Generationen zum Selbstmord. Schon die Verschiebung der Geburt des ersten Kindes von den 20ern auf die 30er Jahre schwächt die Dynamik des eigenen Volkes. Eine Kinderzahl kleiner 2 schwächt sie weiter.

Wer zusätzlich in signifikanten Größen fremde, geburtenstarke Gruppen in sein Revier aufnimmt, betreibt den Selbstmord des eigenen Volkes. Das ist gegen unsere Natur und deshalb rebelliert bei gesunden Menschen innerlich alles gegen die gegenwärtige Politik.

Ich weiß, dass diese Thesen in den Ohren linksliberaler Narzissten "völkisch" klingt. Denen sage ich: Ihr werdet schon noch merken, was es mit den inneren Triebkräften ums Überleben auf sich hat, wenn die Räume für Euch mal enger werden. Wenn ihr den Unterschied zwischen "dominant" und "rezessiv" am eigenen Leibe erfahren werdet. Seid gewiss, dass nur weil ihr selbst auf die Vertretung eurer eigenen Interessen verzichtet, es andere deshalb nicht genau so tun werden. In wirtschaftlich guten Zeiten wie der jetzigen funktioniert das vielleicht. Aber auch nur unter den gebildeten Schichten. Wartet ab, wenn es mal wieder um die Wurst geht. (Auch wenn ich weiß, dass ihr auf Wurst gar nicht so steht...)

Wenn ich diesen Text noch einmal Korrektur lese, bin ich selbst etwas erstaunt, wie schnell man doch wieder in "völkische" oder "rassistische" Raster und Muster rutschen kann. Doch ich meine es in keiner Weise in einem solchen Sinne. Denn ich plädiere nicht für solche Ziele. Ich stelle keine Ethnie über eine andere in absoluten Werten gesprochen. Wohl aber sind mir die meinen näher als die anderen. Und im liberalen Sinne sage ich: wenn alle so dächten, hätten wir ein stabiles Gleichgewicht. Aber so denken nicht alle. Einige, und zwar ausgerechnet solche, die demnächst wieder in der Regierung sind, bewerten die eigenen niedriger als die anderen. Und alles was sich da in mir regt, sind Überlebensinstinkte. Und Dank der Wissenschaft kann ich sie sogar rational begründen.

Richard Dawkins ist auch Atheist (geworden). Trost findet er nicht im Glauben, sondern in der Erkenntnis. Ich selbst bin noch im Glauben verhaftet, aber mit immer mehr Distanz. Ich kann immer noch staunen, glaube aber nicht mehr an den Weihnachtsmann.

Quelle: Richard Dawkins, "Das egoistische Gen", 1976
Website seiner Stiftung: Link
Interview im Stern: Link

Samstag, 27. Januar 2018

Made in Germany

Mein Vater langte mit dem Messer in die Margarine um etwas für sein Brötchen abzuheben. Auf dem Weg vom Margarinebecher zu seinem Brötchen fiel ihm die Margarine vom Messer. Zum ersten Mal beobachtete ich, dass es nicht nur mir so geht. Und er fragte: "Seit wann können die eigentliche keine normale Margarine mehr herstellen?" Ich stimmte ihm zu, eine Antwort wusste ich nicht.

Ich weiß auch nicht, seit wann "die" keine normalen Brötchen mehr herstellen können. Seitdem sie nicht mehr selber backen, sondern vorgefertigten Teig aus China einfliegen lassen, schon klar. Aber seit WANN ist das so? Es muss mindestens seit Bundespräsident Wulff so gewesen sein, denn der ließ auch einfliegen: Brötchen aus Hannover. 

Vorigen Sonntag im Bayerischen Fernsehstamttisch (mit Helmut Markwort, Link) hielt der Direktor des Deutschen Museums, Wolfgang M. Heckl, einen originalverpackten USB-Stick in die Kamera. Das Ding bestand zu 70% aus Plastikverpackung. Hartplastik, bei dem man sich "beim Öffnen die Hände blutig machen kann", wie er zurecht bemängelte (vom Müllvolumen mal ganz abgesehen).

Aber auch harmlose Plastikfolien sind ein Ärgernis, denn seit einigen Jahren haben sie keine Öffnungslaschen mehr, sondern sind perfekt glatt verschweißt. Ohne Messer kann man sie nur selten öffnen. Das führt dazu, dass ich heute weniger Verpackung im Laden lasse als früher. 

Gehe ich mal meinen Alltag durch, fallen mir noch mehr Dinge ein, die früher besser und zuverlässiger funktionierten: Rolltreppen, Fahrstühle, Armlängenfreiheit im Restaurant, Passanten, die rechts gehen, damit alle schneller vorwärts kommen, 

Gibt es irgendwo mal traditionell hohe Qualität, steht man dort Schlange. Bei Bäcker Wiedermann zum Beispiel oder Butter Lindner.  Will man mal etwas mehr, muss man es sogar vorher bestellen.

Vielleicht sind es die Spätfolgen unserer Geiz-ist-geil-Mentalität vor zehn Jahren? Mir zeigt es jedenfalls, dass Unternehmen nicht nur in die Verbesserungen von Produkten und Dienstleistungen investieren, sondern diese gezielt verschlechtern - jedenfalls aus Kundensicht. 

Aber auch Sortimente verschlechtern sich. In einem Kreuzberger Supermarkt findet man nicht mehr unbedingt Wurst und Schweinefleisch. Die Nachfrage danach sinkt offenbar rapide. Auch Kuhmilch geht zurück, dafür finde ich mehr Produkte aus Ziegenmilch. 

"Kartoffel" ist ja schon lange ein linker Kampfbegriff gegen Leute, die einfach mal gut essen wollen. Wobei mal wieder deutlich wird, dass es nicht darauf ankommt, was gesagt oder getan wird. Sondern wer etwas sagt oder tut, und warum. 

Verlangst Du an der Gemüsetheke "deutsche Kartoffeln", riskiert man die Brandmarkung als Nazi. Verlangst Du Kartoffeln aus biologischem Anbau in der Region, bist Du progressiv.

Dienstag, 23. Januar 2018

Beratung oder Dienstleistung?

Ihre Selbstsicherheit konnten sie nur aus ihrer Unwissenheit beziehen.
Franz Kafka, "Der Process"

In der Beziehung Kunde - Berater/Fachmann gibt es ein Paradoxon, das fast immer zu Konflikten führt. Der selbstsichere, Führungsstärke ausstrahlende Anbieter bekommt den Auftrag. Später entpuppt sich diese Stärke als Schwäche und sogar als Hindernis.

Der in der Ausschreibungsphase stark Auftretende vermittelt, dass er sein Metier versteht, sein Kunde also kein Risiko eingeht. Er vermittelt Selbstsicherheit, wird sich also auch gegen andere Mitspieler, wie Lieferanten oder andere Spezialisten durchsetzen können, wenn das Projekt unübersichtlich werden sollte.

Nach der Beauftragung legt er schon bald einen Plan fürs Projekt vor. Und verkündet, wen und was er dafür braucht. Führungsstärke, Sicherheit. Dann kommt die erste Bodenwelle. Der Kunde erinnert seinen Dienstleister an die Besonderheiten, die er in der Ausschreibung genannt und im Gespräch wiederholt hatte. Und damit bringt er den selbstischeren Dienstleister von seinem geplanten Weg ab. Das will dieser nicht und versucht er zu vermeiden: "Das geht nicht." Er sieht seine Planung, sein Budget, seinen Zeitplan in Frage gestellt. Und er weiß vor allem noch nicht die Methode wie er bei diesem für ihn unbekannten Ziel landen soll.

Genau diese Kompetenz aber, Führung durch ein noch unbekanntes Gelände, suchen viele Kunden. Einen Partner, der ihnen zuhört, ihre Wünsche versteht und auf Machbarkeit prüft, unter Aufbietung all seiner -möglichst mannigfaltigen- Erfahrung.

Handwerker z.B. sind ein sehr konservatives Metier. Gegen sie haben kreative Architekten, Ausstatter, Designer auf der Baustelle selten eine Chance. Der Handwerker scheut den Umgang mit unbekannten Mitteln und lehnt sie ab. In der ersten Welle des Internet war es ähnlich. Viele gute und keinesfalls unrealistische Ideen wurden nicht umgesetzt, weil sie für SAP-Berater, Middlewarehandwerker und ihre Sponsoren in den IT-Abteilungen das Risiko des Unbekannten bargen: "Das ist unrealistisch."

Diese Dienstleister sind sicher, aber nur auf ihrem schmalen, ausgetrampelten Pfad. Sie sind auch nicht kundenorientiert. Spätestens im dritten Kundengespräch entpuppt sich ihre "Selbstsicherheit" als Sturheit. Sie "korrigieren" Aussagen des Kunden, wenn diese nicht in das Schema des standardisierten Dienstleisters passen. Sie vergessen ganz und gar den Charakter der entstandenen Beziehung: Kunde und Auftragnehmer.

Der Unterschied zwischen Beraten und Dienstleisten ist die Unklarheit des Lösungsweges, manchmal sogar der Aufgabenstellung zu Beginn des Projektes. Der Berater legt Wert auf die Analyse und sagt zu, eine Lösung zu suchen, sobald die Aufgabenstellung klar ist. Der Dienstleister erwartet eine klare Aufgabenstellung. Der Berater muss sicher in der Beziehung sein. Ihm ist klar, dass bereits die Klärung der Aufgabenstellung eine Leistung ist. (Diesen Typus gibt es auch unter Dienstleistern, Handwerkern, Werkstätten, aber eher selten. Findet man einen solchen, ist er Gold wert. Übrigens kommen immer mehr Baumärkte auf die Idee über Video handwerkliche Anleitungen zu ihren Produkten anzubieten..)

Im Unterschied zum Berater legt sich der Experte die Aufgabenstellung so zurecht, dass sie in sein Erfahrungsschema passt. Was seine Erfahrungen angeht, sucht er immer nur mehr vom Gleichen. Das ist seine Art, dem Kunden Sicherheit zu vermitteln: Durch Unflexibilität. Weicht der Kunde davon ab, verunsichert er den Experten. Den empfundenen Druck versucht dieser mit Gegendruck abzuwehren: "Dann ist Ihr Termin gefährdet. Sie sind der Erste, der das so haben will. So sind wir alle nicht eingespielt. Am besten kaufen Sie bei meinem langjährigen Partner etwas aus dem Katalog, dann sind wir morgen fertig." Im schlimmsten Fall versucht der Experte, wenn er sich in Frage gestellt fühlt, seinen Kunden mit Fachwissen auszustechen, am besten noch vor anderen Projektteilnehmern, um deren Zustimmung einzuholen und sich endlich wieder stark zu fühlen.

Worauf ich hinaus will: Bei komplexen Projekten, in denen mehrere völlig unterschiedliche Kompetenzen zusammen spielen müssen, um herauszufinden, ob und wie nah an den Kundenvorstellungen man ein Projekt umsetzen kann, ist auffällige Selbstsicherheit zu Beginn ein Indiz für mangelnde Flexibilität und unter Stress vielleicht sogar auch für mangelnden Respekt (weil die Art der Beziehung vergessen wird) - im schlimmsten Fall muss man unterwegs diesen Experten gegen einen anderen auswechseln. Wer nur mit seinen Wettbewerbern gleichziehen will, braucht nur den Standardexperten. Wer sich differenzieren will, braucht einen guten Berater, der bei Bedarf einen Satz unterschiedlicher, aber guter Experten kennt. Zu erkennen am Feedback zur Aufgabenstellung und dem Fokus auf einer Vorgehensweise, in der man zwischendurch entscheiden kann, wie es weitergeht und ob es überhaupt weitergeht.

Für den Berater hingegen ist ein neues Projekt auch immer eine psychologische Hürde. In dem Sinne, dass man in der Frühphase, in der sich seine Beziehung zum Kunden erst bilden muss, gerne nur gute Nachrichten bringt. Er verwöhnt seinen Kunden damit allerdings. Es ist eine Hürde, erkannte Probleme sofort zu artikulieren. Aber das muss er tun, sofort nach der ersten Bodenwelle, die ihm die erste positive Annahme in Frage stellt.

Montag, 22. Januar 2018

Teambesetzung in Beratungsunternehmen

Je unschärfer ein Problem erscheint oder die Aufgabenstellung für ein Projekt ist, desto mehr lohnt der Einsatz eines Teams aus komplimentären Fähigkeiten, Kenntnissen und Kulturen. Denn um so mehr kommt es hier darauf an, eine Situation aus möglichst vielen Perspektiven zu analysieren.

Je konkreter die Aufgabe ist, desto eher sollte man einen Mix aus nahe beieinander liegenden Spezialisten einsetzen. Wie Peter Felixberger (Gründer von ChangeX) schreibt: Man will nicht von einem Team aus Visionären, Elektrikern und Schuhdesignern operiert liegen, wenn man auf dem OP-Tisch liegt. Man will auch nicht vier OP-Schwestern oder vier Chirurgen. Man braucht insbesondere nicht die, die gerade zufällig Zeit haben (!).

Genau letzteres ist aber leider der Normalfall in vielen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen. Das gilt erstaunlicherweise besonders für die knowhow-intensiven Branchen. Jedenfalls, wenn diese traditionell und hierarchisch auf "Ressourcenauslastung" gesteuert werden. Hier versucht jeder Abteilungsleiter lediglich, seine Leute irgendwie unterzubringen und die sich zufällig ergebenen Projektthemen anschließend zu einem Abteilungsprofil zusammen zu reimen...

Das hohe Risiko dieser Vorgehensweise reduziert man in der Industrie, indem man dem Kundenprojektleiter die Projektverantwortung überlässt. Das Ergebnis schadet am Ende allen. Zuerst der Qualität der Projektergebnisse. Dann der Zufriedenheit des Kunden. Es macht einen Unterschied, ob dieser sich lediglich Verstärkung einkaufen wollte und selbst wusste, wohin die Reise gehen soll. Oder ob er glaubte, sich echte Spezialisten einzukaufen, die selbst eine Problemlösung entwickeln. Aber auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter, leidet, wenn diese permanent als etwas verkauft werden, was sie nicht sind. Sie kommen so nicht weiter und bauen so ihre Stärken nicht aus. Der Wertbeitrag ihres Arbeitgebers zu ihrem Lebenslauf sinkt.

Wohlgemerkt: Es geht mir nicht darum, immer nur dasselbe Handwerk auszuüben. Aber der rote Faden muss erkennbar und entwickelbar bleiben. Dies macht den Unterschied zwischen attraktiven und unattraktiven Dienstleistungsarbeitgebern aus.

Fazit:
Der wahllose, gerade verfügbare, Skillmix macht noch keine "Diversity". Breite Diversity braucht man in Projekten mit unscharfen oder grundlegenden strategischen Aufgabenstellungen. je konkreter der Auftrag, desto enger wird der Bedarf an Diversity.

Freitag, 19. Januar 2018

Aufbruchstimmung im Januar

Der Januar ist für mich der Monat, Neues zu planen und innere Aufbruchstimmung zu erzeugen. Auch wenn die Tage noch kurz sind, und es draußen kalt und stürmisch ist. Im engsten Kreis entwickle ich dann neue Pläne und Zielbilder.

November und Dezember waren großartig verlaufen. In beiden Projekten konnte ich Ergebnisse liefern, die anerkannt wurden.

In dem schwierigeren von beiden war ich schon mit der Entscheidung des Kunden zufrieden, mein Konzept zu beschließen und es ab sofort in der neu gegründeten Organisationseinheit umzusetzen. Das Umfeld in diesem Projekt war und ist äußerst herausfordernd. Sowohl auf Kunden- als auch der eigenen Seite. Wir waren ohne fachliche Kenntnis in ein "strategisches" Modernisierungsprojekt gestartet und unsere Leitung meinte, als Stratege brauche man von der Sache her nicht so viel zu verstehen, weil es nur um Strukturen gehe. Dazu kann ich nur sagen: So redet nur jemand, der sein Leben ausschließlich als Berater verbraucht hat. Strategie folgt immer aus den Zielen des Geschäftszweckes, egal ob es um Produkte in einem Markt oder interne Verbesserungen geht.
Meine Empfehlung lautete: Dann helfen wir dem Kunden eben herauszufinden, was seine Ziele sind, und wie er dort hinkommt. Mein Beitrag war ein möglichst konkretes Konzept und Handbuch für ein agiles Anforderungsmanagement. Gegeben waren nur die jahrzehntealten Altsysteme und ihre Betreuer bzw. Programmierer. Inzwischen haben wir die ersten Geschäftsprozesse analysiert, Anforderungen geklärt und testen prototypenhaft die Umsetzbarkeit mit Standardsoftware.

Extern lief es also gut, intern weniger. Denn meine Projektleiter hat bis heute den Zusammenhang der Dinge nicht verstanden oder gar anerkannt. Sie konnte auch nicht gut damit umgehen, dass ich besseres Feedback bekommen habe als sie. Ich meine: Wenn wir dem Kunden "agil" empfehlen, können wir nicht gleichzeitig Distanz und die Arroganz des Beraters exerzieren.

Mein zweites Projekt war ein konzeptioneller Turnaround bzw. eine Feuerlöschaktion. Der Kunde konnte mit seinem Konzept seine Abstimminstanz nicht überzeugen. Die meiste Zeit war im Herbst verbraucht und bis Weihnachten sollte ein neues Konzept her und die Zustimmung der Abstimminstanz ebenso.
Auch hier ging es um Anforderungsmanagement, aber weniger um Systemmondernisierung sondern Konsolidierung und Standardisierung. Wir besetzten unser kleines Team optimal und konnten mit Erfahrung und Sachkenntnis einsteigen. Auch die Zusammenarbeit mit Projektpartnern startete gut. Interviews und Workshops liefen gut, weil das Kundenteam sofort verstand, dass wir wussten wovon wir sprachen. Und in weniger als zwei Monaten entstand ein neues Konzept, dem die Mitglieder der Abstimminstanz zustimmten. Danach stimmte auch noch das erste Entscheidungsgremium zu. Und diese Woche hörten wir, dass nicht nur nicht gemeckert wurde, sondern sogar gelobt :-).

Was will man als Berater mehr? Was kann mehr bestätigen, dass Beratung nicht von abstrakter Strategie sondern angewandter, systematisierter Erfahrung lebt? So wie Hubraum beim Automotor ist im IT-Geschäft Erfahrung durch nichts zu ersetzen :-)

Zur positiven Erfahrung des vorigen Jahres zähle ich auch die Weiterbildung, die ich genießen durfte. Die meisten Erkenntnisse hatte ich im Architekturmanagement nach TOGAF. Dies versetzt mich noch besser in die Lage, mich künftig mit Architekten abzustimmen.

Also, gut gerüstet und ohne Kater sondern mit Aufbruchstimmung gehe ich ins neue Jahr. Ich sehe es positiv, dass das neue Jahr vor mit liegt. Ich freue mich darüber umso mehr, weil ich lange gegen Widerstände, externe wie interne, ankämpfen musste. Am Ende ging die Runde an mich.