Mittwoch, 28. April 2010

Desiderate

Banken scheinen eine höhere Aufgabe zu haben, als gemeine realwirtschaftliche Unternehmen. Sie haben mehr Rechte aber weniger Pflichten als wir Wertschöpfenden.

Sie dürfen z.B. unsere Hypothekenkredite verkaufen, ohne uns zu fragen. Darf ich umgekehrt auch mein Festgeld verkaufen, wenn ich meine Bank allmählich nicht mehr für kreditwürdig halte?

Banken nehmen für Kredite einen umso höheren Zins, je höher sie das Kreditausfallrisiko einschätzen. Solange der Schuldner zahlen kann, verdient die Bank an ihm überdurchschnittlich. Fällt der Schuldner aus, erwartet die Bank, dass der Staat in Haftung tritt.

Banker haben Derivate (der göttliche Lloyd Blankfein von Goldman Sachs nennt sie vielleicht: Desiderate) erfunden und uns erzählt, damit könne man sich vor Kursbewegungen absichern. Z.B. mit kollateralisierten Schuldverschreibungen. Wir dachten: kollateralisiertes im Sinne von gestreutes Risiko innerhalb des Portfolios eines CDO. Die Bank meinte aber: kollateralisiert im Sinne sozialisierbarer Verluste. Die Banken nutzen ihre eigenen CDOs nicht zur Versicherung riskanter Kredite. Genau hierin hätte aber der Beitrag der Banken zur Weiterentwicklung des Kapitalismus gelegen: Riskanten Schuldnern Kredite zu ermöglichen, so dass sie die Chance haben, wieder auf die Beine zu kommen.

Aber Versicherungsprämien schmälern die Gewinnmarge und deshalb haben die Banken darauf verzichtet.
Stattdessen zocken sie mit ihnen. Wenn die Kreditebedienung ausfällt, kritisieren sie die Gesellschaft, die sie "aus politischen" Gründen zur Kreditvergabe animiert habe und erwarten von der Gesellschaft die Leistung - und zwar ohne Gegenleistung-, die eigentlich ihre CDOs hätten leisten sollen.

Nach dem Verständnis des Papstes aller Spielcasinos verrichten Banken Gottes Werk. Wir zahlen zwar keine Kirchensteuer für ihn, aber wir haften für all seine Spielschulden. So kann er sich die Gewinne alle selbst einstecken. Schuldscheine lässt er einfach für uns auf dem Tisch liegen.

Ein amerikanischer Investmentbanker hielt für das Nummernschild seines Cayenne den Spruch passend: "2 BIG 2 FAIL"..

Beim Nachsinnen über Assoziationen zum Selbstverständnis der Bänker und die Frage, wie wir diese Geister wieder loswerden, fielen mir weder Bilder noch Lösungen ein. Mir fiel stattdessen ein, dass es die Bänker sind, die uns erlegen wollen. Und zwar, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Es ist immer die gleiche Zunft, die uns stresst: Es sind die Analysten, die AG Vorstände zu Entlassungen auffordern, um die Arbeitskosten zu senken. Es sind die Volkswirte der Banken, die uns zu Lohnverzicht ermahnen. Es sind Analysten, die uns Aktien andrehen, die sie selbst für sich schon lange abgeschrieben haben. Es sind Kreditabteilungen, die Hypotheken zu Wertpapieren verbriefen und verkaufen. Es sind die Investmentbänker, die zocken und sich vom Steuerzahler raushauen lassen. Und es sind dann wieder die Volkswirte, die den Staat zum Sparen auffordern. Sparen, natürlich bei denen, die sie für nutzlos erachten: Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger.

Das erinnert mich an das Foto von David Wojnarowicz von den Büffeln, die über die Klippe fallen. Indianer jagten Büffel, die ihnen nach Zahl und Kraft eigentlich überlegen waren, indem sie sie in Richtung einer steilen Klippe trieben. Wer mit viel Getöse gejagt wird, vergisst, dass er den Jägern eigentlich überlegen wäre, würde er sich nur auf seine Solidarität besinnen und sich nicht dieses miese Spiel aufzwingen lassen.

Wojnarowicz "identifies himself and ourselves with the buffalo, pushed into the unknown by forces we cannot control or even understand".

Ein Bild, das das krude Selbstverständnis und die Vorgehensweise von Blankfein perfekt illustriert.

2 Kommentare:

  1. Ich finde es nicht überraschend, dass sie zocken ohne Ende - sie Zielkonflikte zwischen Ehtik und Geld lösen Menschen in der Regel recht eindeutig. Das wäre auch etwa so, als einem Hai zu sagen, er soll nicht die niedlichen Fische fressen: das ist nunmal sein Wesen (ok, er kann auch nicht anders).

    Skandalös finde ich, dass die soziale Marktwirtschaft in den 80ern und 90ern verkam zum Kapitalismus. Ziel des deutschen Modells war ja gerade, dem Markt Freiheit und Chancen zu geben mit dem Staat als Regulator und Wächter. Das war eigentlich noch das beste Modell, solange es ausgeglichen war. Der Turbokapitalismus, dem auch Schröder gehuldigt hat, drängte das "verstaubte" Modell in die Ecke: wie viele Interviews konnte man lesen, in denen hochbezahlte, auf Internaten ausgebildete Manager schwadronieren konnten von der Arbeitswut der Chinesen und von der Vermufftheit deutscher Verhältnisse? Dummerweise war gerade die SPD an der Macht, eigentlich wäre später besser in ihrem Element gewesen, den Ausschlag des Pendels wieder zurück zu bewegen.
    Ich glaube, der Markt braucht die Regulierung, sonst zerstört er sich selbst, die Regulierung braucht den Freiheitsdrang des Marktes, sonst erstarrt der Fortschritt.

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  2. Ja, so sehe ich das auch.

    Nur eines nicht: Ich muss nicht akzeptieren, dass der Hai so rummacht, nur weil der "eben so ist". Der muss umerzogen, sozialisiert werden - oder in ein anderes Becken.

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