Ich habe selten so viele Fußballspieler heulen gesehen wie an diesem Wochenende: Was mich dabei so abstößt ist die Kombination aus Leistungsverweigerung, Chancenvergabe und dann hemmungslosem Selbstmitleid: Dortmund verbaselt die Meisterschaft, Schalke steigt ab, Hertha sowieso. Und der HSV steigt nach dem Abpfiff des eigenen Spiels doch nicht auf, weil sein Rivale in der 93. und der 99. Minute seinen Spielstand ins Positive wendet. Resultat: Hemmungslose Tränen.
Als Grund für das Versagen wird der "Erwartungsdruck" genannt. Was früher einmal Ausdruck von Leistungswillen war, ja eigentlich der Zweck von Spiel und Saison, gilt jetzt als Negativem und Entschuldigung. Du vergeigst Deine Abutirprüfung? Sorry, der Erwartungsdruck. Du verschießt den Elfmeter? Sorry, Erwartungsdruck. Du hast Premiere und vergeigst sie? Tja, Erwartungsdruck.
Es muss noch nicht mal eine Spezialität von Deutschen sein, aber ich glaube, das Phänomen gibt es nur in Deutschland. Wer hier einwandert oder Gastspiele gibt, lernt es schnell.
Oder bekommt es von deutschen Journalisten in den Mund gelegt. Und zwar nicht nur im Sport. Schon vor 35 Jahren lautete die erste Frage eines deutschen Musiksenders an eine Band, die gerade ihren Durchbruch geschafft hatte: "Wie geht Ihr jetzt mit dem Erwartungsdruck um?".
Die Deutschen haben nicht nur ein Problem mit sich selbst. Und sie neiden nicht nur anderen den Lohn für Schweiß und Risiken, die sie selbst nicht eingehen wollen. Auch wenn sie selbst mal am Drücker sind, boykottieren sie seich selbst und schieben die Schuld auf die anderen.
Was für diese Leute aber überhaupt nicht geht, ist: der Umgang mit Kritik. Vom FC Bayern schreibt der FOCUS heute, ein Grund für die Entlassung der beiden Bosse sei gewesen, dass sich die Spieler Sand und Gnabry von Oliver Kahn ungerecht kritisiert gefühlt hätten. Das haben sie ihm nicht etwa selbst gesagt. Sondern sie sind zum Oberboss petzen gegangen.
Die Generation Y (oder war es Z?) sucht den direkten Weg vom Wunsch zur Erfüllung. Der Schweiß treibende Teil dazwischen ist ihnen zu mühselig. Und die Abhängigkeiten von Glück und Gunst empfinden sie als Diskriminierung oder Gewalt.
In Köln gab es jetzt eine Sondersitzung von Juristen, weil sich einige Frauen über zu harte Rezensionen ihrer Veröffentlichungen beschwert hatten. Eine habe sogar ihren Beruf aufgegeben, weil sie mit ihrer Veröffentlichung gerne Reputation erworben hätte (Selfies auf LinkedIn wahrscheinlich, man kennt das..). Aber Kritik? Und dann noch scharfe? Das geht unter Juristen, deren Beruf die Führung des Schwertes mit dem Wort ist ja mal gar nicht.
In Deutschland muss irgendjemand irgendetwas ins Trinkwasser mischen, dass kollektive Depressionen auslöst. Einen Krieg werden wir so nie gewinnen. Wir können froh sein, wenn sich die meisten morgens Kraft und Entschlossenheit aufbringen, sich selbst ihre Schuhe zu zu binden..