Mittwoch, 6. Juni 2012

Ein Rundgang um den Tatort Kreuzberg

Als ich die trauernden Frauen da stehen sah, an der Stelle im Hof, auf die der Mörder den abgetrennten Kopf seiner Ehefrau hatte fallen lassen, da ergriff es mich nicht mehr länger nur im Kopf, sondern körperlich. Sie standen vor den Blumen und dem Foto der Ermordeten und schwiegen. Steht man an einem Tatort unvorstellbarer Grausamkeit, wird man in der Tat sprachlos, vor Entsetzen und Trauer. 

Das erste Foto unten zeigt rechts, mit violetter Fassade, das Haus, auf dessen Dachterrasse es passierte. Die Straße in der ich das Foto aufnahm kreuzt die Köthener Straße. Im weiteren Verlauf führt eine Treppe auf den Übergang zum Potsdamer Platz, dessen Gebäude man ganz hinten sieht. Es stimmt, hier wohnen gestrandete Einwanderer neben Studenten der Technischen Kunsthochschule fast Tür an Tür mit den "Gentrifizierern" und den überheblichen Angestellten von Pfizer am Potsdamer Platz. Aber mit Gentrifizierung hat diese Tat überhaupt nichts zu tun. Das hätten nur einige grüne Bezirkspolitiker gerne, die jetzt vor den Scherben ihrer gescheiterten "Integrationspolitik" stehen.



Der Mörder Orhan S. rief seinen Gott Allah an, als er die Messer wetzte. Wäre er ein Glatzkopf gewesen, der seinen Führer angerufen hätte, wäre sonnenklar, welche Schlagzeilen in dieser Woche die Medien beherrschen würden. So aber recherchiert der Tagesspiegel die entlastenden Befunde für den Täter. Gestern zitierte er Experten, die via Ferndiagnose feststellten: Gerade aus der Grausamkeit der Tat müsse man schließen, dass der Mörder entweder unter Drogen gestanden oder umgekehrt auf Entzug gewesen sein muss. Heute legen sie nach: Heute war die Tat nicht mal mehr grausam genug, um als Mord durchzugehen. Tagesspiegel wörtlich (Link): "Weil die Frau schon tot war, als er sie köpfte und zerstückelte", sei das Mordkriterium besondere Grausamkeit nicht gegeben.


Gehen wir weiter und vergessen vor lauter Sprachlosigkeit das Atmen nicht. Direkt nebenan die berühmten Hansa Tonstudios. Und gegenüber sind der Bundesumweltminister und die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit sowie KPMG "abgestiegen."


Berlin gibt sehr viel Geld (das es nicht hat) für Beratungs-, Integrations- und sonst was für Stellen aus. Mit "Häkeln für Migrantinnen" kümmert man sich allerdings bequemerweise nicht um die, die das Problem sind: Die Frauen. Es sind die Frauen, die schnell verstehen, dass man in Deutschland etwas erreichen kann, wenn man in Schule und Ausbildung die Gelegenheit beim Schopfe packt. Nicht wenige studieren oder machen sich selbständig. Wer mit ihnen nicht mitkommt, sind ihre gleichaltrigen Männer. Die bevorzugen es, auf dem Schulhof mit Dummheit zu glänzen, sich in den Schritt zu packen und die Größe ihrer gestern geraubten Smarktphones zu vergleichen. Nein, das ist keine Projektion oder Vorurteil, ich habe es in der S-Bahn schon selbst mitbekommen.

Diese Männer machen bei den schlauen Miteinwanderinnen keinen Schnitt. Deshalb fordern sie bei ihren Eltern in Anatolien "Importbräute" an. Eine von ihnen war die Ermorderte. Sie wurde gezwungen, sie kannte hier fast niemanden und lebte wohl vor allem für ihre Kinder. Ihr Mann lebte orientalische Traditionen aus und gönnte sich gleich noch eine Nebenfrau. Als beide Frauen von einander erfuhren, drohten sie mit Trennung. Zu viel für den Gekränkten, er musste zur Tat schreiten.


Ist das ein Einzelfall? Nein, familiäre Gewalt ist alltäglich. Hat es was mit Religion zu tun? Ich würde sagen: Ja, weil er Gott anrief, was auch immer er ihm glaubte beweisen zu müssen. Hat es was mit Integrationspolitik zu tun? Ja, besonders mit dem Scheitern des Konzeptes, das auf "Angeboten" basiert. Gewaltbereiten Männern darf man keine Angebote machen, man muss ihnen Grenzen setzen. Auch seitens Politik und Polizei.

Aber so wie die Dinge liegen, drohen dem Mann, wenn er nicht als völlig schuldunfähig begutachtet wird, ca. 5 Jahre wegen Totschlages unter Drogeneinfluss.

Mittwoch, 30. Mai 2012

Photovoltaikbetreiber sollten sich an den Markt trauen

Operation misslungen, Patient gerade noch gerettet. So könnte man die letzten Wochen in der Photovoltaikbranche deuten. Dass die Pläne von Ex-Umweltminister Röttgen zur abrupten Kürzung der Einspeisevergütung im Bundesrat gestoppt wurden, kam für manche Entwickler und Hersteller in Deutschland zu spät. Sie meldeten Insolvenz an, weil ihre Nachfrage ebenfalls abrupt zurückgegangen war. Kein Wunder, denn die Kürzung sollte massiv ausfallen: Von bisher rd. 24 Ct/kWh auf rd. 18. Da musste jeder neu rechnen, der eine solche Investition plante.

Wehmütig schauten deutsche Hersteller sicherlich auf die USA, wo Obama Importzöller auf die zu  Dumpingpreisen vertriebenen chinesischen Anlagen ankündigte. (Ganz schlecht fand ich dem Zusammenhang Aussagen von FDP Mitgliedern, wir sollten uns doch über die gesunkenen Anlagepreise freuen.)

Im deutschen Markt aber gingen Nachfrage und auch Aktienkurse stark zurück. Doch Pfingsten könnte die erneute Wende gebracht haben: Die Nachricht von den 22 Gigawatt Einspeiseleistung, die 20 Atomkraftwerke ersetzen würden, war beste PR, hat die Phantasie neu angeregt und die Aktienkurse gestern um bis zu 7% steigen lassen. Zusätzliche Phantasie bewirkte Peter Altmaier mit der Aussage, er wolle im Bundesrat schnelle eine Einigung mit den Ländern erzielen.

Bisher war die gesetzliche Einspeisevergütung auf diesem Niveau eine bequeme und lukrative Grundlage für die privaten Betreiber von PVA Anlagen. Allerdings bekamen sie auch nur soviel, wie die großen Stromversorgungsunternehmen selbst für eine Kilowattstunde Ökostrom verlangen. Eigentlich noch weniger, denn einen Grundpreis ("festen Leistungspreis"), der das Investitionsrisiko zu einem Fixanteil auf den Abnehmer abwälzt, konnten sie nicht in Rechnung stellen.

Was die Vergütungspläne des Energieeinspeisegesetztes EEG bisher auch nicht berücksichtigt haben, ist die unterschiedliche Wertigkeit von Leistung und Energie abhängig von der Tageszeit. Die würde Photovoltaik aber zugute kommen.

Denn die Einspeiseleistung geht mit dem Sonnenstand und hat mittags ihr Maximum. Also genau dann, wenn auch die Stromnachfrage ihr Maximum hat. Weil alle konventionellen Kraftwerke nach dieser Spitzenlast (die man auch noch übers Jahr betrachten muss) ausgelegt sind, ist die Last- bzw. Leistungsspitze ein gewichtiger Faktor für den Strompreis. Photovoltaik mit ihre Mittagsspitze senkt also die Leistungskosten im Kraftwerkspark, was sich über die Jahrzehnte mit kleineren Auslegungen bemerkbar machen müsste. Schon heute merkt man den positiven Effekt an den gesunkenen Preisen an der Strombörse.

Röttgens Vorhaben hätte man deshalb auch so interpretieren können: Nachdem die Privaten nun kräftig in Spitzenlastkraftwerke investiert haben und nicht mehr zurückkönnen, könnte man diesen Nutzeneffekt doch einfach mitnehmen und den Preis dafür nun kürzen. Zugunsten der großen Energieversorger, die davon durch künftig geringeren Bedarf an teuren Spitzenlastkraftwerken und geringere Einspeisevergütung  profitieren. (Sie gehen sogar noch weiter und wollen sich auch die verbliebenen Investitionen in Spitzenlastkraftwerke subventionieren lassen. Sie rechnen das so, dass die Experten in den Ministerien womöglich kaum durchblicken..)

Die privaten Betreiber könnten darauf mutig und marktwirtschaftlich reagieren: Indem sie ihre Anlagen mittags vom Netz nehmen und sich bessere Angebote machen lassen. Sie könnten sich virtuell zusammen schließen und gemeinsam am Markt anbieten. Wäre doch spannend, wo der Preis dann liegen würde.

Was ich allerdings noch nicht verstanden habe in dem ganzen Spiel: Warum verbrauchen private Erzeuger ihren selbsterzeugten Strom nicht zuerst selbst? Gibt es ein besseres Gefühl, als sich zumindest etwas von den steigenden Strompreisen unabhängig zu machen? Zumindest auf dem Lande müsste der Trend doch dahin gehen, lokale Teilnetze zu betreiben, um Schwankungen in Erzeugung und Verbrauch auszugleichen. NATÜRLICH WÜRDE SONNENSTROM DEN BEDARF BEI DUNKELHEIT NICHT DECKEN, das weiß ich selbst. Aber man würde mit den Großanbietern anders ins Geschäft kommen.


Sonntag, 20. Mai 2012

Die beste Saison aller Zeiten



Ich kann mich an keine so gute Fussballsaison erinnern wie diese. Double-Jubel in Dortmund. Herablassende Worte aus München, und eine Woche drauf die passende Antwort. Die Borussia auf bestem Wege und der FC Bayern am Boden. Ich bin eigentlich zu alt, um Fussball zu wichtig zu nehmen und auch für eine solche Schadenfreude. Aber in dem Moment, in dem es passiert, tut es doch  gut.

Nur wenige Bundesligamannschaften beherrschen Fussball als Mannschaftsspiel so wie die Dortmunder Borussen und versetzen Fans wie neutrale Zuschauer in Begeisterung. Die Bayern beherrschen es nicht. Ein Mario Gomez richtet sich als erstes das Haar, wenn er mal zu Boden gegangen ist. Ribery und Robben spielen einander um Verrecken keinen Ball zu, wenn der andere besser steht. Sie lauern alle auf ihren Alleingang, und der führte gestern für jeden von ihnen ins Abseits. Recht so. Es war schon etwas außergewöhnliches, dass der Torschütze Müller nicht den Weg zur Bayernkurve oder Fernsehkamera suchte, sondern sich von seinen Mannschaftskameraden bejubeln ließ.

Doch schon bei Robbens Elfmeter staunte man, dass der überhaupt schießen durfte. Noch bezeichnender später, die Weigerung etlicher Bayernspieler, beim Elfmeterschießen anzutreten. Normalerweise schießt der Torwart nur, wenn alle Feldspieler schon dran waren. Aber Neuer zeigte gestern Verantwortungsbewusstsein, als die anderen kniffen.

Wie bei Twitter jemand schrieb: Das ist Fussball der 90er, und es trägt die Handschrift von Jupp Heynckes, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

Die Arroganz der Bayern zeigte sich auch in den schlechten Verlieren. Sie schlugen den tröstenden Händedruck des Bundespräsidenten aus, sie vergaßen dem Championsleaguegewinner Chelsea zu gratulieren, und die Fans strömten in Scharen heim, als die Siegerehrung noch lief.

Den Satz "Wir waren eigentlich die bessere Mannschaft und haben hervorragend gespielt." kann ich nicht mehr hören. Ich hoffe, dass die "Biggest Loser" (Sat1 Werbeeinblendung gestern), ihr Verlierergen nicht in die Nationalmannschaft tragen. Ich hoffe auch, dass sie von Löw und Co. keine Sondertherapie erwarten. Entweder stoßen Schweinsteiger und Kollegen fit und motiviert zum Kader oder Löw sucht Ersatz.

Uli Hoeneß hat angedroht, seine Ungeduld auf den nächsten Titel mit "Brute Force" erlösen zu wollen. Mit Geld. "Wir werden so lange Spieler kaufen, bis wir gegen Dortmund wieder gewinnen." Das ist Bonzenrhetorik. Er wird sicher auch vielen Dortmundern ein vulgäres Angebot machen. Vielleicht sogar Jürgen Klopp. Vielleicht aber ist es schon bald auch irrelevant, was ein Uli Hoeneß denkt und sagt und wie viele EUROS er auf den Tisch legt.

War es die beste Saison aller Zeiten für BvB-Fans? Als Schüler war ich Dauergast auf der Südtribüne. Es waren die Zeiten von Burgsmüller, Raducanu, Huber, Immel und: Zorc. Jedes Jahr ging es um die Teilnahme am UEFA-Cup und oft wurde sie am letzten Spieltag versemmelt. Ich erinner mich heute noch an das 4-6 gegen die Namensvettern aus Gladbach. Später klappte es dann öfter. Erst als ich die Lust verlor zum Spiel zu gehen, wurde es besser. Es kam die Ottmar Hitzfeld Zeit. Ich war Student und hatte zum ersten mal Satellitenfernsehen - und deshalb Championsleague live. Es war super, aber an Karten kam man nur noch als Dauerkarteninhaber. Dann zog ich nach Essen, dann nach Schalker (!) und schließlich nach Berlin. Der Championsleaguegewinn war der letzte größtmögliche Triumph. Aber er war anders errungen als die Titel unter Klopp, sagen wir so. So wie Klopp es macht, so ist Fussball gemeint. Ich hoffe, dass das im kommenden Herbst dann auch in der CL besser läuft. Und dass Klopp dann noch Trainer des BvB ist.


Donnerstag, 17. Mai 2012

Wie soll der Fiskalpakt durchgesetzt werden?

Bei Unternehmensfinanzierungen gibt es im wesentlichen zwei Varianten:

Kredite gegen Sicherheit, dafür ohne Mitspracherecht.
Beteiligung ohne Sicherheit, dafür mit Mitspracherecht.

Staaten geben keine Beteiligungen heraus, sondern nehmen Kredite auf, in dem sie Anleihen emittieren. Der Anleihezeichner hat nur Anspruch auf Zinszahlungen und Kapitalrückzahlung. Mitspracherechte hat er nicht.

Genau das ist den "Geberländern" der EU ein Dorn im Auge und begründet die Vorlage eines sog. Fiskalpaktes. Er schreibt den Mitgliedsstaaten ein Mitspracherecht ins Stammbuch, wenn diese die Schuldengrenze überschreiten. Mitspracherecht heißt derzeit aber lediglich: Pflicht zur Berichtserstattung an den Europäischen Rat und das Recht, den Staat zu verklagen.

Die Frage ist: Wer exekutiert gegebenfalls ein Urteil auf Schuldensenkung? Schickt die EU dann ihre Geheimpolizei? Und wer sagt, wie die Schulden gesenkt werden: Ausgabensenkung, Einnahmenerhöhung - oder gar: Eintreibung hinterzogener Steuern bei schweizer Banken?

Wer den Fiskalpakt vorantreibt muss also längst weitergehende Pläne haben..

Mittwoch, 16. Mai 2012

Energiewende a la Eon: Nach Stromlücke jetzt Überlast

Wir erinnern uns: Seit den 80ern warnen die Energiemonopolisten vor Stromlücken, wenn wir Atom- und Kohlekraftwerke durch Wind, Sonne und Laufwasser ersetzen sollten. Das Licht würde flackern, Rechner abstürzen, das Mittagessen bliebe kalt.

Sonne und Wind gebe es in DE prinzipiell zu wenig, um damit den Strombedarf zu decken. Sagten die, die auch nichts unterließen, den Strombedarf künstlich zu pushen. Z.B. mit Stromheizungen, die sie grob irreführend "Fernwärme per Draht" nannten.

Die Monopolisten rechneten ihre Anlagen schön, indem sie -ähnlich wie heute die Banken- Risiken an den Steuerzahler auslagerten. Forschung und Entsorgung von Kernbrennstäben z.B. überließen sie großzügig uns. Oder wie es mal ein SZ Redakteur formulierte: Die Risiken der Kernenergie trägt zur Hälfte der Stromkunde, die andere Hälfte trägt der Steuerzahler.

Laut Eon und Co. also würde der Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen nur noch aus der Leitung tröpfeln.

Inzwischen haben Wind und Sonne ihren Anteil an der Stromversorgung auf 11%, die Regenerativen insgesamt auf 20% hochgeschraubt. Und der Anschluss von Seewindkraft ans Transportnetz steht erst noch bevor. Sonnenstrom, der natürlich nicht nachts verfügbar ist, hat die hohen Kosten für die Lastspitze am Mittag deutlich gekappt, also verbilligt. Die Warnungen der Monopolanbieter sind also widerlegt.

Doch was jetzt? Jetzt wenden auch sie. Allerdings nur ihre Argumentation für neue Subventionen. Jetzt drohen Stromlücken nicht mehr wegen zu wenig, sondern zu viel Windstrom. Jetzt stellt sich heraus, dass sie ihre goldenen Netze jahrzehntelang falsch geplant haben, bzw. planerisch überhaupt nicht auf den Energietrend reagiert haben. Jetzt droht plötzlich Überlast, also: Netzabschaltung, also: eine neue Stromlücke. Und natürlich halten sie wieder die Hand auf beim Steuerzahler. Obwohl sie seit fast zehn Jahren die Monopolpreise für Strom kräftigst erhöht haben, nehmen sie weiter kräftig Einfluss auf den Wirtschaftsminister, um neue Abgaben einzuführen. Mit Erfolg: Heute berichtet die FAZ von einer neuen Umlage, mit der Planungs- und Wartungsfehler bei Netzanschlüssen von Offshore-Anlagen abgesichert werden sollen. Der Netzbetreiber Tennet, an den man die Nordnetze vergeben hat, ist finanziell zu schwach auf der Brust, um das Unternehmen Energiewende tatsächlich stemmen zu können. Mehr Chaos, mehr Dilettantismus in der Energiepolitik geht kaum.

Strom und Benzin sind bereits Inflationstreiber Nummer eins. Aber Rösler, Mitglied der Steuersenkungspartei, packt noch einen drauf.


Dienstag, 15. Mai 2012

Aktuelle Varianten der Projektion

Im April berichtete die SZ (Link) über eine angelsächsische Studie, nach der die extremsten Eiferer gegen Homosexualität mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre eigene, verdrängte Neigung bekämpfen. Woher sollte auch sonst die Phantasie kommen, die diesen Eifer nährt? Noch eine Spur verwerflicher ist es, wenn Homophobie mit Verweis auf höhere Mächte wie z.B. einen Gott "gerechtfertigt" wird.

Ich ergänze aus eigener Beobachtung: Auch unter Heteros gibt es extreme Homophobie. Nämlich solche, die Frauen vorrangig als verfügbare Objekte betrachten. Und dem Schwulen unterstellen, er würde nun seinerzeit ihn, den Macho, genauso betrachten, wie dieser die Frau: Also als verfügbares Objekt. Der Anblick des Schwulen erzürnt den Macho, weil er sich als souveränes, über andere bestimmender Mann in Frage gestellt sieht.

Es gibt noch eine Variante der Projektion: Die, des schlechten Gewissens. Wenn z.B. heute Frankfurter Banker öffentlich ihrer Angst vor Ausschreitungen der Blockupy-Aktivisten Ausdruck geben (Handelsblatt, Link), muss man sich fragen: Wie kommen die darauf? Hätten die Aktivisten etwa Anlass dazu? Ich finde es niederträchtig als Finanzindustrie selbst unserer Gesellschaft zur Last zu sein und wenn diese sich wehrt, vor "Ausschreitungen" zu warnen. Das ist Manipulation.


Samstag, 12. Mai 2012

BvB Fantreff an der Gedächtniskirche

Inzwischen ist es schon Tradition, dass der Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche vor dem DFB Pokal vom Ruhrpott dominiert wird. Voriges Jahr die Schalker, dieses Jahr die Dortmunder. In der Hoffnung auf Double-Jubel :-) Dass es ein "Heimspiel in Berlin" sei, war nicht übertrieben.  Bayernfans waren so gut wie keine zu sehen.











Dienstag, 8. Mai 2012

Hoimar von Ditfurths Blick auf die Welt

In Zeiten, in denen der Aberglaube wieder um sich greift, muss man an längst erzählte, aber wieder vergessene Befunde (um das verdächtige Wort "Wahrheiten" zu vermeiden) erinnern. Dass wir sie vergessen konnten liegt nicht an einem Mangel an Erzählern. Wir hatten in den Achtzigern Hoimar von Ditfurth, Joachim Bublath und Carl Sagan. Heute haben wir Yogeshwar. Das Problem ist, dass Erzähler heute nicht mehr durchkommen, im sogenannten Informationszeitalter. "Populist" ist ein Schimpfort unter Politikern geworden. "Populärwissenschaftler" eines unter Wissenschaftlern.

Also, von Sonnenwinden haben wir in der BILD gelesen. Geladene Teilchen, die die Sonne in die Gegend spuckt. Kein Atommüll wie aus einem Kraftwerk, sondern im wesentlichen aus Plasma bestehend - also freien Elektronen und Protonen. Mit ein paar Heliumkernen. Also durchaus ungesund. Und die DNA verändernd.

Vor ihnen uns schützt das Magnetfeld der Erde, indem es den Sonnenwind ablenkt. Nur deshalb konnte sich Leben auf der Erde erhalten. Aber auch nur, weil der Sonnenwind in der Stärke schwankt und das Magnetfeld ihn nicht vollständig ablenkt, kommt soviel Strahlung durch, dass es hin und wieder zu Mutationen kommt. Ohne Magnetfeld hätten wir keine Überlebenschance. Aber ohne Sonnenwind wären wir über das Amöbenstadium nicht hinausgekommen, weil die Mutationen gefehlt hätten. Bis hierhin ist es schon spannend, es kommt aber noch besser:

Links die Sonne, rechts irdisches Magnetfeld. Grafik: NASA

Das Erdmagnetfeld entsteht aufgrund einer Besonderheit der Erdmasse: Erdkern und Oberfläche sind fest, die dicke Schicht "in der Mitte" besteht aus heißen, (mehrere tausend Grad) flüssigen Metallen, Wie der Informationsdienst IDW schrieb (Link):

Das Magnetfeld der Erde entsteht dadurch, dass Materie - im Wesentlichen flüssige Metalle - im Erdinnern unter dem Einfluß physikalischer Kräfte schraubenförmige Bewegungen ausführt. Unter bestimmten Bedingungen soll dabei ein sich selbst erhaltendes Magnetfeld entstehen, der so genannte Geodynamo. 

Die speziellen Strömungen, die es für einen dauerhaften "Geodynamo" braucht, entstehen wegen des Mondes. Ohne ihn würden sich die Rotationen von Erdmantel und die Schichten des flüssigem Inneren irgendwann aneinander anpassen, es würden die Relativbewegungen fehlen, die ein Dynamo braucht. Es ist die Gravitation des um die Erde eiernden Mondes, die das Notwendige bewirkt.

Dies ist die Versuchsanordnung, in der unsere Biologie aus dem "Nichts" entstehen und sich entwickeln konnte. Fällt es da schwer an "Zufall" zu glauben?

Die Stoffe, aus denen die Biologie entstand, waren in der Uratmosphäre reichlich vorhanden:  Wasser (H2O), Methan (CH4), Ammoniak(NH3), Wasserstoff (H2) und Kohlenstoffmonoxid (CO). 

In den fünfziger Jahren experimentierten zwei Chicagoer (Miller und Urey) mit einer solchen Ur-Atmosphäre in ihrem Labor, indem sie Blitze auf die o.g. Stoffe gaben. Wie Hoimar v. Ditfurth in einem Interview des Saarländischen Rundfunks mal erklärte, dauerte es gerade eine Nacht, um in dem Glaskobeln 3 der damals 20 (heute: 22) bekannten Aminosäuren zu erzeugen. (Nebenbei; Ein interessanter Fingerzeig darauf, warum das menschliche Kollektivgedächtnis Gewitter für göttlich hält.). Aminosäuren sind die Bausteine unserer Peptide und Proteine (Eiweiße).  Aus diesen gerade mal 20 Säuren, hundert- bis tausendfach, kombiniert sich der Aufbau unseres Organismus. Die angewandte Kombinationsvorschrift ist in der DNA gespeichert.

Einige Aminosäuren müssen wir unserer Nahrung entnehmen, weil unser Körper sie nicht selbst herstellen kann. Dass wir überhaupt einen Stoffwechsel haben, der weiß, was er der Nahrung entnehmen kann und dafür sorgt, dass wir -fast egal was wir essen, solange es ungiftig und mindestens zum Teil wertvoll ist- immer gleich aussehen, das finde ich fast so erstaunlich wie Intelligenz und Bewusstsein. Wir mutieren nicht durch das, was wir zu uns nehmen, sondern nur durch Manipulationen an unserer Erbsubstanz.


Freitag, 27. April 2012

Resümee über Kreativität nach sechzehn Ingenieursjahren


Resümee aus meinen Ingenieursjahren in Konzernen und kleinen Organisationen:

  • Ja, ich habe mir angewöhnt, Erfindungs-und Verbesserungsideen schriftlich festzuhalten und einzureichen.
  • Ja, ich habe ein Skizzenbuch, in dem ich auch noch nach Jahren Werdegänge von Ideen verfolgen kann und immer wieder erstaunt feststelle, wie schnell "utopische" Annahmen von der Realität übertroffen werden.
  • Nein, meine besten Inspirationen hatte ich nicht in Brainstormingsitzungen, sondern wenn ich einen Mangel oder Bedarf entdeckte, den man durch Transformation von Erfahrenem oder Gelesenem bedienen könnte.
  • Ich hatte gleich mit der ersten Idee den größten Erfolg. Es hat mich ermutigt, Ideen nicht wegzuschmeißen, sondern zu entwickeln. 
  • Besser als eine Brainstorminggruppe ist das Gespräch mit einem oder zwei Gleichgesinnten, die aus unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen kommen. Ungefilterte Assoziationen kommen nur in vertrauenswürdiger Umgebung oder wenn klar ist, dass die Ideenurheber als solche anerkannt bleiben (d.h. wenn der Chef teilnimmt, der aber selbst als starker Filter wirkt).
  • Im trockenem Konzernumfeld fliegt mir mehr Inspiration zu als in einer aufgekratzten  "Kreativagentur" oder "Beratung". Eitle Konkurrenz stachelt nicht an, sondern törnt ab. Die Antwort auf die Frage liegt nicht darin, das Fragezeichen wegzuwischen.
  • Viele Manager, sogar solche, die Ideenwettbewerbe organisieren, dementieren es, selbst auch kreativ sein zu müssen. Als "unsere Kreativen" bezeichnen sie nämlich gerne die unteren Gehaltsbänder in der FuE.
  • Politiker verstehen nicht, dass Kreativität erst dann wirtschaftlich zündet, wenn sie zu Massenprodukten führt, die sich exportieren lassen. Sie halten eine "kreative" Dienstleisterszene aus Auftragsprogrammierern bereits für Erfolg.
  • Viele wahrhaft kreative Menschen unterschätzen ihre Ideen und trauen sich nicht, eine Erfindungsmeldung einzureichen. 
  • Bring Funktionenerfinder mit Technologieerfindern zusammen. 
  • Bring ITler mit Prozessorganisatoren zusammen. 
  • Bring Absolventen mit Seniorberatern zusammen.
  • Vorsicht: Der Ideenklau geht um. Ein Kollege reichte einen fremden Beratungsthemenvorschlag  als Beitrag zu einem Ideenwettbewerb ein. Und verlor ;-)
  • In der Wertschöpfungskette der Piraterie folgt nach dem Ideenklau der Kampf um die Projektleitung. Ok, das Management hat das Go! gegeben. Und wer setzt es nun um? 
  • Die Geschäftsführung (und der Parteivorstand) tendieren dazu, die Organisatoren der Workshops auszuzeichnen, nicht die, die entscheidende Impulse geben. Jedenfalls eine Zeit lang. 
  • Andererseits: Eine solche Arbeitsteilung ist sinnvoll (vgl. Thomas Edison), die Rollenbesetzung gehört aber in den Nachspann.
  • Hinweis: Wenn das Patent des Angestellten "in Serie geht", bekommt er zusätzlich zu dem Gehalt eine Erfindervergütung. Das ist Gesetz, wissen aber die wenigsten! (Wo das nicht der Fall ist: den Betriebsrat ansprechen.)
  • Alte Erfinderhasen wissen, wie man seine Patente in Serie bringt ;-)
  • Sei nicht stolz auf Deine erste Erfindungsmeldung und Dein erstes Patent. Sei stolz, wenn Dein erstes Patent in Serie geht. Dazu brauchst Du voraussichtlich zig  Erfindungsmeldungen.
  • Finanziere die Umsetzung Deiner Idee in konzentrischen Kreisen: Wärst Du bereit, eigenes Geld zu investieren (nur dann glaubst Du wirklich an sie)? Könntest Du Verwandte und Freunde überzeugen, mit Dir zu investieren? Gehe erst danach zum Chef oder zur Bank.
  • Businesspläne schreibt man vor allem für sich selbst. Wie man überhaupt nur schreibt, um sich selbst etwas klar zu machen. 

Resümee über Kreativität nach sechzehn Ingenieursjahren

Resümee aus meinen Ingenieursjahren in Konzernen und kleinen Organisationen:

  • Ja, ich habe mir angewöhnt, Erfindungs-und Verbesserungsideen schriftlich festzuhalten und einzureichen.
  • Ja, ich habe ein Skizzenbuch, in dem ich auch noch nach Jahren Werdegänge von Ideen verfolgen kann und immer wieder erstaunt feststelle, wie schnell "utopische" Annahmen von der Realität übertroffen werden.
  • Nein, meine besten Inspirationen hatte ich nicht in Brainstormingsitzungen, sondern wenn ich einen Mangel oder Bedarf entdeckte, den man durch Transformation von Erfahrenem oder Gelesenem bedienen könnte.
  • Ich hatte gleich mit der ersten Idee den größten Erfolg. Es hat mich ermutigt, Ideen nicht wegzuschmeißen, sondern zu entwickeln. 
  • Besser als eine Brainstorminggruppe ist das Gespräch mit einem oder zwei Gleichgesinnten, die aus unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen kommen. Ungefilterte Assoziationen kommen nur in vertrauenswürdiger Umgebung oder wenn klar ist, dass die Ideenurheber als solche anerkannt bleiben (d.h. wenn der Chef teilnimmt, der aber selbst als starker Filter wirkt).
  • Im trockenem Konzernumfeld fliegt mir mehr Inspiration zu als in einer aufgekratzten  "Kreativagentur" oder "Beratung". Eitle Konkurrenz stachelt nicht an, sondern törnt ab. Die Antwort auf die Frage liegt nicht darin, das Fragezeichen wegzuwischen.
  • Viele Manager, sogar solche, die Ideenwettbewerbe organisieren, dementieren es, selbst auch kreativ sein zu müssen. Als "unsere Kreativen" bezeichnen sie nämlich gerne die unteren Gehaltsbänder in der FuE.
  • Politiker verstehen nicht, dass Kreativität erst dann wirtschaftlich zündet, wenn sie zu Massenprodukten führt, die sich exportieren lassen. Sie halten eine "kreative" Dienstleisterszene aus Auftragsprogrammierern bereits für Erfolg.
  • Viele wahrhaft kreative Menschen unterschätzen ihre Ideen und trauen sich nicht, eine Erfindungsmeldung einzureichen. 
  • Bring Funktionenerfinder mit Technologieerfindern zusammen. 
  • Bring ITler mit Prozessorganisatoren zusammen. 
  • Bring Absolventen mit Seniorberatern zusammen.
  • Vorsicht: Der Ideenklau geht um. Ein Kollege reichte einen fremden Beratungsthemenvorschlag  als Beitrag zu einem Ideenwettbewerb ein. Und verlor ;-)
  • In der Wertschöpfungskette der Piraterie folgt nach dem Ideenklau der Kampf um die Projektleitung. Ok, das Management hat das Go! gegeben. Und wer setzt es nun um? 
  • Die Geschäftsführung (und der Parteivorstand) tendieren dazu, die Organisatoren der Workshops auszuzeichnen, nicht die, die entscheidende Impulse geben. Jedenfalls eine Zeit lang. 
  • Andererseits: Eine solche Arbeitsteilung ist sinnvoll (vgl. Thomas Edison), die Rollenbesetzung gehört aber in den Nachspann.
  • Hinweis: Wenn das Patent des Angestellten "in Serie geht", bekommt er zusätzlich zu dem Gehalt eine Erfindervergütung. Das ist Gesetz, wissen aber die wenigsten! (Wo das nicht der Fall ist: den Betriebsrat ansprechen.)
  • Alte Erfinderhasen wissen, wie man seine Patente in Serie bringt ;-)
  • Sei nicht stolz auf Deine erste Erfindungsmeldung und Dein erstes Patent. Sei stolz, wenn Dein erstes Patent in Serie geht. Dazu brauchst Du voraussichtlich zig  Erfindungsmeldungen.
  • Finanziere die Umsetzung Deiner Idee in konzentrischen Kreisen: Wärst Du bereit, eigenes Geld zu investieren (nur dann glaubst Du wirklich an sie)? Könntest Du Verwandte und Freunde überzeugen, mit Dir zu investieren? Gehe erst danach zum Chef oder zur Bank.
  • Businesspläne schreibt man vor allem für sich selbst. Wie man überhaupt nur schreibt, um sich selbst etwas klar zu machen. 

Montag, 23. April 2012

Nachtgedanken vor der Hannover Messe


Anfang 2010 suchten etliche Hersteller regenerativer Energieanlagen Patentingenieure oder Patentmanager. Ich hatte reichlich praktische Erfahrung im Thema Patente und 2009 auch ein Fernstudium in Patentrecht abgeschlossen und dachte: Boombranche, sinnvolle Produkte und mein Spezialthema - was will ich mehr? Also schrieb ich Bewerbungen. Und wurde eingeladen: Von Norderstedt über Berlin bis Frankfurt/Oder.

Aber irgendwie, irgendetwas passte mir immer nicht. Einmal war es die Unübersichtlichkeit durch die Übernahme in einen internationalen Konzern. Mal fand ich den Vorstand zu aufgekratzt. Mal war das Angebot schlechter als mein Stand. Ich verstand, nach näherem Hinsehen aber, warum die alle nun Patentingenieure suchten. Da war wirklich lange nichts, oder noch nie etwas getan worden. Womöglich zu lange. 

Den einen sagte ich ab, weil mir eine Fusion im Leben gereicht hat. Den anderen, weil sie unverschämt verhandelten. Den dritten sagte ich auf dem Weg zum zweiten Gespräch ab, weil mir plötzlich klar wurde: Ich will gar nicht.

Und heute, zwei Jahre später sind die einen insolvent und die anderen an der Börse abgestürzt. Ich bin heilfroh, es nicht gemacht zu haben. Einerseits.

Andererseits frage ich mich: Warum ist es in Deutschland eigentlich so riskant, in einer Hitechbranche zu arbeiten? Ich meine nicht das kapitalistische Risiko, dass man mal aufs falsche Pferd setzen kann, auch wenn die Richtung an sich stimmt. Und dass die Richtung regenerative Energie mal stimmen würde, glaubte ich schon als Student in den Neunzigern und "wusste" ich, seit Merkels "Energiewende" voriges Jahr. 

Aber auch andere Hitechbranchen: Nimm Nokia, Siemens, OPEL Gar nicht so unwahrscheinlich, aus- und weiterbildungs- und gefühlsmäßig voll auf Hitech zu setzen und doch später auf der Straße zu stehen. 

Die letzte Hoffnung der Regenerativen heißt ja Offshore Windparks. Aber wie man hört: heilloses Durcheinander von WKA-Herstellern, Netzbetreibern und Regulierungsbehörde. Nein danke. 

Samstag, 21. April 2012

Nur der BvB



Herzlichen Glückwunsch - Dortmund bleibt Meister - sehr schön!!
Was jetzt wohl zwischen Friedensplatz, Altem Markt und Ostwall los ist :-)

Ich freu mich aufs Pokalfinale gegen die Bayern..

Markt für Porsche Frontmotorwagen

Quelle: Mobile.de

Angebote in DE an Porsche Youngtimern mit vier Zylindermotoren (Frontmotor):

924 2.0l Sauger (125 PS): 52
924 2.0l Turbo (170-177 PS): 10

924S 2.5l (150-163 PS): 22 (z. Vgl. 2008: 30)

944 2.5l bis 3.0l: 163
davon: Turbo (220 PS): 35, S2 (211 PS): 64 (darunter Cabrio: 32)

968 3.0l (239 PS): 45
davon Cabrio: 10


Donnerstag, 19. April 2012

Die Geschichte eingebildeter Rechtsansprüche auf Lizenzeinnahmen

Handelsblatt Online, Sven Regener und Dieter Gorny echauffieren sich seit Tagen gegen einen eingebildeten Gegner, der ihnen ihre Eigentumsrechte streitig machen soll. Dahinter steckt: ein finanzielles Interesse. Innovationen wecken immer Begehrlichkeiten. Das ist normal. Aber jedes mal entstehen auch absonderliche Denkfiguren, die einige Jahrzehnte später nur noch lächerlich wirken. Nachlesen kann man sie bei Lawrence Lessig.

 Beispiele: Als die Gebrüder Wright, nach etlichen vorherigen Fehlschlägen anderer, endlich die Fliegerei sicher machten und damit popularisierten, kamen einige Großgrundbesitzer auf die Idee, Lizenzeinnahmen mit Überflugrechten generieren zu wollen. Begründung: Sie leiteten aus dem Besitz ihrer Flächen zusätzlich den Besitz der darüber befindlichen Luftsäulen ab. Das sei immer klar gewesen, so argumentierten sie ernsthaft vor Gericht. Durch kamen sie damit Gott sei Dank nicht.

 Und weiter: Als ein Gewisser Kodak den Papierfilm erfand, waren Fotofreunde nicht mehr die Dienste professioneller Fotogafen angewiesen die die Daguerreplattentechnik beherrschten. Und als dann immer mehr Menschen mit ihren Kodakkameras durch die Straßen liefen, darunter immer mehr Touristen, kamen etliche Stadtväter gleichzeitig auf die Idee, für das Fotografieren gewisser Sehenswürdigkeiten, Lizenzeinnahmen generieren zu können. Indem sie die Rechte am Fotomotiv reklamierten. Durch kamen sie damit nicht.

 Und heute? Als ein gewisser Steve Jobs, nach etlichen Fehlschlägen von Dieter Gorny, der Deutschen Telekom und anderen, die digitale Musik popularisierte, in dem er funktionierende Wertschöpfungsketten aus iPod und iTunes erfand, kamen die Gornys auf die Idee, doch noch Geld verdienen zu können. Indem sie Lizenzansprüche auf die Privatkopie erfanden. War es früher selbstverständlich, selbst entscheiden zu können, ob man die gekauften Single oder LP nur auf dem Plattenteller oder auch im Cassettenradio im Auto oder dem Walkman hören wollte, sollte hierfür jetzt jedes mal neu gezahlt werden. Einzig und allein aus dem Grund, dass es MÖGLICH wurde, das technisch zu kontrollieren.

 Ich hoffe, dass sie damit nicht durchkommen.

Robotcars kreuzen effizient - ohne Ampeln

Ampeln ohne Kontaktschaltung gehören zu den dümmsten und nervigsten Verkehrsregeleinrichtungen unserer Zeit. Entwickler träumen von Fahrzeug-zu-Ampel-Kommunikation, bei der die Ampel den Autos mitteilt, wann sie auf Rot springt. So kann jedes Auto ausrechnen, ob es die Grünphase noch schafft. Das wäre ein Fortschritt, aber mit aufwendigen Mitteln errungen.

Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.


Untitled from Amanda Erickson on Vimeo.

Mittwoch, 18. April 2012

Was Manager aus dem Fall Gottschalk lernen sollten

Thomas Gottschalk selbst mag sich ärgern. Allen anderen dient er als Beleg für eine alte, aber selten beherzigte Weisheit der Talenteforschung: Es gibt für jeden Job eine beste Besetzung. Aber niemand kann alles gleich gut. Die Amerikaner nennen dieses Prinzip "Best person for the job".

Es besagt, dass Hocheleistung nur erbringen kann, wer da eingesetzt ist, wo er seine Talente voll einbringen und trainieren kann. Nur so macht es überhaupt Sinn, von "Talent" zu reden. Talent für was, muss man fragen. Es gibt keinen Top-Irgendwas, der per so top ist. Sondern nur, wenn die Aufgabe passt.

Gottschalk war ideal für Wetten dass.., aber nicht für die tägliche Vorabendquasselstunde. Auch von Anke Engelke wissen wir, dass sie was drauf hat - aber nicht in jedem Format. Das gilt auch für Harald Schmidt.

Und das gilt für uns alle. Auch in der Industrie und für ihre Berater gilt: Nehme die beste Person für den vakanten Job. Nimm nicht den, der gerade Zeit hat. Doch genau das ist inzwischen Usus in der Industrie, die Wolfgang Clement erfunden hat: Der Leiharbeit. Die gibt es -wenn wir ehrlich sind- ja auch für Akademiker. Man nennt sie hier nur anders, nämlich: Beratung. Oder Dienstleistung. Und hier machen die Leute alle naselang was anderes. Doch nur selten das, was sie am besten können. Der Leiharbeitgeber nennt das "Abwechslung". Er entwickelt seine Leute nicht, sondern utilisiert sie. In Stunden pro Jahr.

Aber nehmen wir den günstigen Fall: Jemand wird für das eingesetzt, was er am besten kann. Für Jahre. Als Festangesteller, nich Leiharbeiter. Was wird passieren? Er wird befördert. Nach dem Peter-Prinzip. Dieses herrliche Buch schenkte mir vor mehr als zehn Jahren ein lieber Kollege, als ich in die Beratung wechselte. Darin steht: Jeder wird solange befördert, bis er die höchst Stufe seiner Inkompetenz erreicht hat. Streng genommen müsste da also den Zustand der meisten Unternehmen beschreiben...

Muss das so sein? Um zu zeigen wie dämlich dieses Prinzip ist: Würde ein Verlag seinen Bestseller-Autor zu einem Verlagsmanager befördern? Ein Fussballverein seinen Stürmer zum Präsidenten? Eine Gallerie ihren besten Künstler zum Galleristen? Eine Plattenfirma Mark Knopfler zum Vertriebschef?

Sehen Sie.

Robotcars kreuzen effizient - ohne Ampeln

Ampeln ohne Kontaktschaltung gehören zu den dümmsten und nervigsten Verkehrsregeleinrichtungen unserer Zeit. Entwickler träumen von Fahrzeug-zu-Ampel-Kommunikation, bei der die Ampel den Autos mitteilt, wann sie auf Rot springt. So kann jedes Auto ausrechnen, ob es die Grünphase noch schafft. Das wäre ein Fortschritt, aber mit aufwendigen Mitteln errungen.

Das folgende Video der Universität Texas in Austin zeigt eine Lösung, bei der die Sensorik und Rechenleistung der neuesten Fahrzeuggenerationen ("Robotcars") voll ausgereiztz wird: Es gibt keine Ampeln mehr. Jedes Fahrzeug rechnet individuell aus, wie es die Kreuzung ohne Kollisionen passiert. Ein Problem unterschlägt das Video allerdings: Wenn zwei Fahrzeuge gegeneinander regeln, kann da nur Mist rauskommen.

Untitled from Amanda Erickson on Vimeo.

Dienstag, 10. April 2012

Traummargen: Wissenschaftsverlage verwerten öffentliches geistiges Eigentum

Sollten die Erkenntnisse und Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenlos zugänglich sein? Das meint die Open Access Bewegung schon lange. Sie stört sich an den dramatisch gestiegenen Kosten für Fachbücher und -magazine. Deren Inhalte erarbeiten Professoren und Doktoranden, sie sind also -überwiegend- öffentlich finanziert. Privat finanziert sind die Forschungen und Entwicklungen, die anschließend der Geheimhaltung oder Exklusivlizenzierung unterliegen.

Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.

Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.

Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.

Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?

Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.

In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.

Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.

Quelle: The Guardian

Was "lernt" uns das?

1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.

Traummargen: Wissenschaftsverlage verwerten öffentliches geistiges Eigentum

Sollten die Erkenntnisse und Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenlos zugänglich sein? Das meint die Open Access Bewegung schon lange. Sie stört sich an den dramatisch gestiegenen Kosten für Fachbücher und -magazine. Deren Inhalte erarbeiten Professoren und Doktoranden, sie sind also -überwiegend- öffentlich finanziert. Privat finanziert sind die Forschungen und Entwicklungen, die anschließend der Geheimhaltung oder Exklusivlizenzierung unterliegen.

Schon als das Hochschullehrerprivileg fiel, das Hochschullehrern bis dahin ihre Patente auf eigene Faust vermarkten ließ, war die Industrie irritiert: Wieso denn nochmal für das Nutzungsrecht von etwas zahlen, dessen Entwicklung sie bereits vorfinanziert hatte? Die Antwort war: Weil die Hochschule die Rahmenbedingungen und die Vorleistungen bereits finanziert hatte. Und weil Exklusivität extra kostet. Bei Patenten gilt allerdings, und zwar im Gegensatz zu sonstigem wissenschaftlichem "Content": Die darf jeder lesen, und zwar gratis. Und zwar in den kostenlosen Online Patentdatenbanken.

Bei den Fachbüchern liegt der Fall so: Weil sich der Markt für Fachbuchanbieter heute auf nur noch wenige Große (Elsevier, Sptinger, Wiley) konzentriert hat, sind die Preise entsprechend gestiegen. Meistens geht es bei 50 EUR erst los, 100 EUR zu überbieten ist keine Kunst. Fachmagazinabos kosten erheblich mehr.

Der Hochschullehrer wirkt hier als Autor und fasst in Worte, was öffentlich finanziert wurde. Gut so. Wir wünschen uns solche Verbreitungen von Wissen (Übrigens auch von den Geisteswissenschaftlern). Der Prof schreibt, der Verlag bringt es in Form, produziert und vertreibt. Arbeitsteilung.

Bei Fachmagazinen kommt noch etwas hinzu: Die Reviews, also die Redaktion, die Auswahl, machen ebenso die Wissenschaftler. Sie besorgen dem Verlag, bzw. dem Magazin die Reputation. Wer es in die hoch angesehenen Magazine schafft, hat es geschafft. Aber wieso dafür diejenigen noch mal zahlen lassen, die die Arbeit damit hatten?

Die Hochschulen, und mit ihnen manche Hochschulprofs, beginnen sich zu wehren. Die Universitätsbibliotheken ächzen unter den steigenden Beschaffungskosten für Werke, die sie, als Hochschule, selbst finanziert haben. In UK sind das 200 Mio Pfund p.a., 10% des Forschungsetat. Die Fachbuch- und -magazinverlage machen eine Marge von 35%, schreibt der Guardian.

In Cambridge ist im Januar der Mathematiker Tim Gowers voran gegangen, als er einen Blogbeitrag über Elsevier postete (Link), in dem er sich über deren Bundleangebote beklagte. Elsevier bietet seine Magazine nur noch als Bundleabo an, nicht mehr als Einzelthemen. Elsevier unterstützte bis dahin auch Proteste gegen die Open Access Bewegung und die Befürworter von SOPA, PIPA usw.

Ein Leser seines Blogs griff das Thema sofort auf und rief eine Unterschriftensammlung namens "The cost of knowledge" ins Leben, die sich gegen das Verhalten von Elsevier richtet (Link). Daraufhin ließ Elsevier seine Unterstützung von Openacess Gegnern fallen.

Quelle: The Guardian

Was "lernt" uns das?

1. Es wird Zeit, dieses Verlagsoligopol, das sich von Autoren und Lesern bezahlen und Autoren und Reviewern die Arbeit machen lässt, aufzubrechen. Man kann sie vermutlich sogar ersetzen durch Funktionen, die das Web 2.0 anbietet.
2. Die Verwertung öffentlicher Werke zugunsten privater Gewinne ist das unternehmerische Pendant zur unterstellten Raubkopie des Privatkonsumenten. Wo bleibt der Aufschrei z.B. des Handelsblatts?
3. Elsevier und Co. sollten vorsichtig sein. Wenn sie von ihren hohen Rössern nicht herunterkommen könnte es ihnen ergehen wie der Enzyklopedia Britannica.

Montag, 9. April 2012

Simulation von Kontrolle - Oder: Wir sind das GE in der Pflegeaufsicht

In den vergangenen Wochen berichteten Medien wieder einmal über Misstände in Pflegeheimen (z.B. hier, hier oder hier). Georg Schramm tourt seit geraumer Zeit mit seinem Wachrüttelprogramm über deutsche Pflegeheim über die Lande. Ein psychologisches Problem bei Problemen mit der Pflege ist: Die pflegebedürftigen Bewohner können sich oft nicht selbst wehren. Oder wenn, wird ihr Verhalten als lästig und querulant ausgelegt und behandelt. Als Angehöriger traut man sich auch nicht so richtig, Krach zu schlagen. Schließlich haben sie Oma (oder Opa). Und wenn der Angehörige verstirbt, so wie in diesem Fall Ende November, fragt man sich nach der Trauer einen Moment lang, ob man es nun nicht auf sich beruhen lassen soll, für Oma kann man ja nichts mehr tun. Für unsere Oma nicht. Aber für alle, die noch da sind.

Von uns kommt deshalb jetzt auch ein Beitrag zur Pflegedebatte. Einer von mehreren, zu denen wir Anlass gehabt hätten. Aber erst als das Fass überlief, wurden wir aktiv gingen durch die Aufsichtsinstanzen und schrieben danach mit dem "Ergebnis" die Fraktionen im Stadtrat Gelsenkirchen an. Auslöser war der leere Kleiderschrank von Oma, die Wäsche funktionierte seit längerem nicht. Als wir den Rat bekamen, wir könnten Omas Unterwäsche doch aus dem großen Wäschesack einfach selbst rausfischen, musste ich an meine Bundeswehrzeit denken.

Zwei Fraktionen haben bisher reagiert. Wir sind gespannt, ob die übrigen das Thema im laufenden NRW Wahlkampf auch noch interessiert.

Post kam auch vom Forum zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger e.V, (Link), das seit längerem über die Zustände in deutschen Pflegeheimen recherchiert und berichtet.

Ich dokumentiere hier den Brief an die Fraktionen. Klarnamen von Personen habe ich anonymisiert. Den des Pflegeheims nicht.

An die
Fraktionsvorsitzende/-en
der Fraktionen im Rat der Stadt Gelsenkirchen
Rathaus Buer
D- 45891 Gelsenkirchen


Berlin, 01.03.2012


„Würden Sie die Unterwäsche Ihrer Nachbarn anziehen?“


Nach einem Jahr kafkaesker Bemühungen in der Verbesserung der Pflege und Versorgung im städtischen Pflegeheim Haunerfeld-Heimaufsicht 50/3-Regierungsbezirk Münster, bei dem sich zwar die Verwaltungs“vorgänge“ gefüllt haben, aber die Missstände nicht beseitigt wurden, schreibe ich Ihnen diesen Brief, um folgende Initiativen in den politischen Raum einzubringen:

1. Neubesetzung der Pflegedienstleitung, der Hausleitung, Betriebsleitung und Geschäftsleitung des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, wegen mangelnder fachlicher, sozialer und menschlicher Kompetenzen!

2. Kontrolle der Einhaltung des Pflegevertrages (§ 2.1.g) und Verbesserungen in allen Fragen zeitgemäßer Pflege nach der Pflegecharta in den städtischen Heimen - insbesondere für demente Bewohner - wie z.B. Pflege nach Kitwood, Snoozle Räume, Biografiearbeit, Austausch mit Kindergärten bzw. Tierbesuche u.Ä. Gerade unter dem Aspekt, dass sich die SP im oberen Preissegment von 81,47 E /Stufe 1 (2007: 62,79 E) der Gelsenkirchener Einrichtungen befinden (Vergleich: städt. Pflegebericht vom 01.01.2011).

3. Auflösung des Referats 50.3.1/Heimaufsicht und Dezernat 24.2 Bezirksregierung Münster. Da die Heimaufsicht zwar nach § 2 Abs.1 HeimG die „Stimme der Bewohner“ sein soll, im Moment in der Gelsenkirchener Realität aber nur eine „Simulation der Kontrolle“ stattfindet, fordere ich einen UNABHÄNGIGEN Beirat, z. B. aus Wohlfahrtsunternehmen, Angehörigenvertretern, Stadt Referat 30 und Kirchen, der die Prüfungen durchführt und mit entsprechenden Straf- und Kontrollvollmachten für die Heime ausgestattet wird.




- 2 -


Begründung:

Meine Großmutter war seit 2007 Bewohnerin des städtischen Pflegeheims Haunerfeld, Station Nordstern. Die ersten drei Jahre waren unkritisch, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Stationsschwester (Name bekannt). Nach Erweiterung der Leitungsebene 2010/11 (Pflegedienst/Betrieb) wurde der Bereich Wäscheversorgung und Pflege immer katastrophaler. Zwar war von Beginn an die Wäscheversorgung nachlässig, so dass meine Mutter (wie die meisten Angehörigen) immer wieder Bekleidung mitgewaschen hat, steigerte sich aber zuletzt so, dass gar keine Kleidung mehr im Schrank vorrätig war (siehe Foto), Rücklauf der Wäscherei bis zu 6 Wochen dauerte, Bewohner-bekleidung (Reinigung) wochenlang in Säcken im Keller/Bad aufbewahrt wurden, meiner Mutter „bekotete“ Wäsche im Sack zum Waschen hingestellt wurde und der Höhepunkt des Ganzen, meiner Großmutter Nacht-/Unterwäsche der Nachbarin angezogen wurde, weil ihre „unterwegs“ war.

Im April sah ich mich gezwungen die Heimaufsicht der Stadt Gelsenkirchen zu alarmieren. Die vorherige persönliche Ansprache der Pflegedienst- bzw. Heimleitung (GF mir persönlich bekannt) erwies sich wegen Realitätsverweigerung als zwecklos.(O-Ton Frau (Name bekannt): “Das kann nicht sein.“ GF/Email vom 3.2.2011: “die Wäscheversorgung ist seit jeher ein Problem. Keine Großwäscherei ist in der Lage, die Wäsche ohne Beanstandung zeitgenau zu liefern.“)
Nachdem die Heimaufsicht die Missstände ausdrücklich bestätigt hatte (Prüfungsbericht: Anlage 1), eine „Verwaltungsgebühr“ von 81,25 E gegen das Heim (siehe Vermerk 08.05.2011) verhängt und „Empfehlungen“ zur Besserung der Situation gegeben hatte - geschah: NICHTS.

Am 12. Juli 2011 alarmierte ich per Email die aufsichtführende Fachbehörde der Heimaufsicht, die Bezirksregierung Münster (Dez. 24.2/ (Name bekannt)) über den Prüfungsbericht und die Untätigkeit der Heimaufsicht. Diese versprach die Umsetzung der „Empfehlungen“ der Heimaufsicht zu überprüfen. (Email: Anlage 2)
Man ahnt es schon - nach einer leichten Korrektur über den Sommer, verschlimmerte sich die Situation im November im Bereich Wäscheversorgung wieder so unerträglich, so dass ich bei der Bezirksregierung Münster nach den ausstehenden Überprüfungsergebnissen nachfragte. Dort erklärte man mir, es hätte eine „Nachschau“ im September durch die Heimaufsicht gegeben und es sei alles erledigt. Bei „erneuten“ Beschwerden sollte ich mich wiederum an die örtliche Pflegedienstleitung bzw. Betriebsleitung wenden. (Email: Anlage 3)

Nach Beantragung der Akteneinsicht nach IFG NRW bei der Heimaufsicht Gelsenkirchen und Dienstaufsichtsbeschwerde und Akteneinsicht Bezirksregierung Münster, konnte ich nachlesen, dass die Heimaufsicht/(Name bekannt) (50.3.1) zwar bei Ihrer Nachschau (Bericht: Anlage 4) die gleichen Mängel bzgl. Wäsche („überschaubar“/“keine Handtücher“) wie bei der ersten Prüfung feststellte. Statt diese Missstände aber endlich beseitigen zu lassen, konzentrierte sich Frau (Name bekannt) mit der Pflegedienstleistung darauf „Vorschläge“ für die Angehörigen zu beratschlagen: Besorgung von Bekleidung (siehe Auflistung Wäschebestand) Besuch eines Neurologen (siehe Kopie: Diagnose Demenz lag durch die Hausärztin vor- allerdings ohne Ruhigstellung durch Tabletten) und Bestellung eines amtlichen (sic!) Betreuers (Generalvollmacht durch mich lag vor).


- 3 -

Ich schreibe Ihnen, um zu dokumentieren, dass sich zukünftig die Kontrollgremien nicht damit ausreden können
1. Kritik an den städtischen Pflegeeinrichtungen wären „Einzelfälle“, die Angehörige sind „Querulanten“ oder „man hätte von nichts gewusst“ und
2. „es hätte keine Interessenskollisionen zum Nachteil von Pflegebedürftigen gegeben“ ( Brief MGEPA Dr. Kassen: Anlage 5). Es hat in unserem Fall lediglich eine Simulation von Kontrolle stattgefunden, die, durch das unselige „Berichtswesen“ innerhalb der Verwaltungsebenen, zu einer kollektiven Verantwortungslosigkeit führt - auf Kosten aller Heimbewohner in Gelsenkirchen.

Bei Rückfragen stehe ich gerne unter 030... zur Verfügung.

mit Grüßen aus Berlin,

(Die Enkelin)

Freitag, 6. April 2012

Replik auf Handelsblattkampagne "Mein Kopf gehört mir"

The creative process is a process of paying lawyers.
Lawrence Lessig

Das Handelsblatt versucht heute, was schon Dieter Gorny vor Jahren missglückt ist: Eigenes Unvermögen in einen Angriff auf ihre Kunden umzuwandeln. Sie nennt es "Mein Kopf gehört mir" und leitet wie folgt ein:

Denker, Tüftler und Dichter fordern im Handelsblatt: Auch künftig muss, wer immaterielle Werte schafft, entlohnt werden. Eine Gesellschaft, die ihre Kreativen vernachlässigt, beraubt sich der Zukunft.

Fast ein Jahrzehnt nachdem der New Yorker Juraprofessor und Miterfinder des Creative Commons Lizenzmodells Lawrence Lessig unsere Denkfiguren von Schutzrechten ins digitale Zeitalter transformiert hat, kommt dieser Diskurs endlich auch in Deutschland an. Die Protagonisten der alten Welt meinen aber, keine Antworten sondern vor allem Anklagen liefern zu müssen. Sie meinen hier sicherlich, wie vor kurzem Sven Regener, allen voran die Piraten und ihre Wähler. Verstanden haben sie aber offenbar wenig. Niemand will den Kreativen etwas wegnehmen.

Die Piraten positionieren sich auf ihrer Website wie folgt (Zitate):
Die Fähigkeit zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft hängt heute in immer größerem Maße vom erworbenen Wissen und Können ab. Aus diesem Grunde muss allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden, diese Fähigkeiten zu erwerben. Erforderlich hierfür ist ein freier Zugang zu hochwertiger Bildung für alle Menschen. Alle finanziellen und rechtlichen Beschränkungen, die den Zugang zum Wissen verhindern oder erschweren, müssen überprüft und – soweit möglich – abgebaut werden.
Quelle: http://www.piratenpartei.de/politik/wissensgesellschaft/

Dies zielt auf freien Zugang zu Bildung und Wissen. "Frei" ist im Deutschen ja leider doppeldeutig: Meinen sie "kostenlos" oder "unbehindert"? Sie meinen beides, das steht da explizit. Hier ist noch nicht von Urheberrechten die Rede. Könnte sie aber einführen, z.B. indem man die horrend hohen Preise für Fachbücher thematisiert, die Verlage für einen Content verlangen, der mit Steuermitteln finanziert worden ist: die Forschungserkenntnisse deutscher Hochschulen.

Ihre Positionen zum Urheberrecht formulieren die Piraten so:
Ablehnung des Verbots der Privatkopie und der damit einhergehenden technischen Kopierschutztechniken (Digitales Rechtemanagement".
Begründung: Künstliche Verknappung, Kontrolle des Benutzers.
Zitat:
Wir sind der Überzeugung, dass die nichtkommerzielle Vervielfältigung und Nutzung von Werken als natürlich betrachtet werden sollte und die Interessen der meisten Urheber entgegen anders lautender Behauptungen von bestimmten Interessengruppen nicht negativ tangiert.
Dem stimme ich zu, solange mit "privat" nicht die ungebremste Weitergabe auch an Freunde und Bekannte gemeint ist: Ich erwerbe mit dem Kauf eines digitalen Musikstückes das Recht, dieses beliebig oft zu hören. Ein Teil des Preises deckt auch die Aufnahmekosten (Studio), Produktions- und Vertriebskosten. Für die Privatkopie, d.h. der Kopie fürs Auto, den iPod, die Hifianlage, entstehen dem Anbieter keine Produktions- und Vertriebskosten. Was früher möglich war, z.B. eine Single fürs Autoradio auf eine Cassette zu kopieren, muss auch mit MP3 möglich bleiben. Apple hat dies inzwischen auch eingesehen und die Limitierung für die Privatkopien im iTunes aufgehoben. Ich selbst habe eigentlich noch nie einen Kopienraub begangen, wohl aber schon x Stücke inzwischen dreimal erworben: als Vinyl, CD und MP3.

Das gleiche muss für elektronische Bücher und Zeitungen gelten. Was verboten bleiben muss, weil es dem Urheber Umsatz wegnehmen würde, ist die gewerbsmäßige Kopie zum Weiterverkauf. Nur das sind Raubkopien. Gerade die Zeitungsverlage leiden aber unter einer Kostenloskultur, die sie selbst geschaffen haben. Sie beklagen also im wesentlichen, wie früher Dieter Gorny, eigenes Unvermögen, aus den neuen Möglichkeiten ein Geschäft zu machen.

Bei Filmen hat sich das digitale Angebot auch schon an die Unterschiede und Möglichkeiten angepasst: Ich sehe Filme nur einmal, besonders gute auch ein paar mal mehr. Aber weitaus weniger als ich Musikstücke höre. Deshalb unterscheidet iTunes Angebote zwischen Kauf (beliebig oft schauen) und Ausleihe (1x schauen).

Was die digitalen Verlage uns noch schuldig sind, ist der Weiterverkauf gebrauchter Werke. Ich räume die besondere Schwierigkeit ein, weil sich ein gebrauchtes MP3 in seiner Qualität nicht von einem neuen unterscheidet. Außerdem müsste man sicherstellen, dass das Werk nach meinem Weiterverkauf von meinem Rechner auch gelöscht wird. Und natürlich auch alle Privatkopien... Schwierig, wenn nicht unmöglich.

Die Piraten erkennen die Rechte des Urhebers ausdrücklich an. Sie weisen aber völlig zu recht darauf hin, dass jedes kreative Werk als Input selbst auf vorherige Werke zurückgegriffen hat. Der kreative Prozess, das Werk, ist ohne kreativen Input so gut wie un-möglich. Man denke nur an Disneys Verarbeitungen von Grimms Märchen zu eigenen Filmen (z.B. Schneewittchen zu Cinderella). Übrigens flogen ausgerechnet die Kopierer hartnäckig verfolgende US-Filmindustrie nur deshalb an der Westküste, weil die Patentinhaber für Film- und Studiotechnik wie z.B. ein gewisser Thomas Alva Edison an der Ostküste saßen. Die Gründer von Hollywood waren durch die Bank Patentverletzer. Die Kritiker der Elche... Fachbücher führen im Anhang ein Literaturverzeichnis, eine Liste von Werken, die sie inspiriert hat und die sie zitieren. Neue Musikstile entwickeln sich ebenfalls durch Zitate, Anlehnungen und Inspirationen.

Das Patentwesen ist by the way ähnlich gestrickt wie der kreative Prozess des Künstlers: Wer ein Patent anmeldet muss erklären, welche Aufgabe er löst und wie diese früher gelöst wurde (Patentzitate). Und worin die Verbesserung der eigenen Erfindung liegt.

Die Piraten reagieren mit ihren Positionen auch auf die unangemessenen Verhaltensweisen von Verlagen gegen -meist minderjährige- Ersteller von Privatkopien. Die drakonischen Strafen der Vergangenheit waren umso ungerechter, weil die Kläger eigene legale Angebote, die die Vorteile der digitalen Möglichkeiten unterstützt hätten, lange schuldig blieben. Allen voran in Deutschland. Erst Apple hat daraus ein funktionierendes Geschäft gemacht. 1 Song für 1 Euro. Zu analogen Zeiten zahlten wir 5DM für eine Single.

Was die Piratenkritiker auch verkennen ist der Unterschied zwischen einem Download und einem Stream: Wenn ich bei YouTube ein Video schaue ist das für mich als Konsumenten wie Fernsehen. Ich erzeuge keine Kopie auf meinem Rechner. Es hat eher einen Werbeeffekt, der mich evtl. zum Kauf des Videos oder den Song anregt.

Vor allem noch unbekannte Bands oder Autoren/Blogger nutzen das Internet, um bekannt zu werden und sich einen Ruf aufzubauen. Der Aufstieg beginnt immer bei Null. Am Anfang steckt man nur rein, spielt auf der Straße, liest in einem Autorenworkshop etc. Erst später, wenn man gut ist, kann man Einnahmen erzielen.
Das ist auch die Motivation vieler Open Source Programmierer: Anfänger leisten etwas für die Codebibliotheken und machen sich sukzessive einen Namen. Wer andere überzeugt, verbessert seinen Marktwert. Und: Wer für eine Community arbeitet bekommt das Recht, auch deren Werke zu benutzen.

Wer sich also auf den Standpunkt stellt, die Piraten wollen alle geistigen Eigentümer enteignen hat das Programm nicht gelesen oder die feinen Unterschiede zwischen heute und früher nicht erkannt. Das Handelsblatt und ihre besorgten Köpfe beantworten Fragen, die keiner gestellt hat. Die Piraten wollen niemanden enteignen.

Die Nichtanerkennung des geistigen Eigentums ist keine linke Position, sondern eine libertäre, wie die Lektüre der Website "Eigentümlich Frei" beweist.

Die Sozialdemokraten sollten beides unterstützen: Das Urheberrecht. Und das Recht auf die kostenlose Privatkopie.

Donnerstag, 5. April 2012

Typisch deutsch: Grass' Gegenklage als Entlastungsversuch

Die Debatte aber müsste darum geführt werden, ob es gerechtfertigt ist, die ganze Welt zum Opfer Israels zu machen, nur damit ein fünfundachtzigjähriger Mann seinen Frieden mit der eigenen Biographie machen kann.
Frank Schirrmacher

Damit trifft Schirrmacher vermutlich ins Schwarze. Ich habe gestern hin und her überlegt, wie ich zu Grass' Gedicht stehe. Schließlich habe ich hier selbst Partei ergriffen und mich gegen einen Krieg gegen den Iran ausgesprochen. Aus ähnlichen Abwägungen heraus, wie Grass sie zu haben vorgibt. Aber ich gehe ihm nicht auf den Leim.

Schirrmacher erinnert uns an ein bestens bekanntes Verhaltensmuster bürgerlicher Kreise, wenn man sie, die sie gerne moralisch und mit "Anstand" argumentieren, wenn es gegen Minderheiten (in ihren Gedanken gerne auch: Minderwertigkeiten) und die da unten geht. Spricht man sie aber auf eigene Vergehen oder gar Schuld an und appelliert an ihre christlichen Werte von Reue und Buße, wehren sie ab und suchen Entlastung indem sie auf mindestens gleichwertige Taten ihrer "Ankläger" verweisen. Und von Vorbildcharakter, mit denen sie häufig genug ihre gesellschaftlichen Pivilegien rechtfertigen, wollen sie dann dreimal nichts wissen. Weil sie ihn nicht haben und nicht wollen.

Als mit dem früheren Postchef Zumwinkel exemplarisch aufgedeckt wurde, wie dreist manche Angehörige der Oberschicht sich ihren (Steuer-)Pflichten entziehen, da lenkten die sich angesprochen und mitbeschuldigt fühlenden die Kritikpfeile gleich mal auf "alle kleinen Sünderlein" ab. Das tun doch alle. Nein, es tun eben nicht alle! Die meisten tun es nicht. Aus Anstand! Sie tun es selbst dann nicht, wenn sie nicht Gefahr liefen erwischt zu werden. Weil sie ein Anstands- und Rechtsempfinden haben und sich nicht mit Schuld beladen und beschmutzt fühlen möchten.

Moralische Rechtfertigung der Mitläufer durch den Fingerzeig zurück auf die, die sie anklagen, um sich moralische Entlastung zu verschaffen. Sie sagen nicht: Ja, ich bin schuldig. Aber seht, ich war Mitläufer in einer verdorbenen Atmosphäre, die ich atmete. Sie halten die Beschuldigung und die Auseinandersetzung mit eigenen Taten schlicht nicht aus. Es macht sie aggressiv und sie behaupten frech: Ihr seid auch nicht besser. Und beginnen mit dem, was sie für Beweisführung halten. "Beweise", wo Reflexion, Erkenntnis, Reue und Verhaltensänderung angesagt wären.

Den letzten Versuch auf einem intellektuell verkleidetem Niveau unternahm ein gewisser Hohmann. Er wollte den Begriff Tätervolk für "die" Deutschen (wer redet denn so..?) widerlegen, indem er ihn für "die" Juden widerlegte und ihn dann für "die" Deutschen zurückgenommen wissen wollte. Er ging sogar bis zur Bereitschaft, den Volksbegriff aufzulösen, nur um für moralische Appelle und gesellschaftliche Verantwortung nicht mehr adressierbar zu sein. Indem er darauf hinwies, dass die russische Revolution ja ebenfalls Millionen Opfer auf dem Gewissen habe (Relativierung). Und die russischen Revolutionäre seien überwiegend Juden gewesen (Fingerzeig). Das hielt er für eine Beweisführung, die zur eigenen moralischen Entlastung führen müsse. Man fasste sich an den Kopf, als einige Halbgebildete sagten: Tatsächlich. "Die" waren ja genauso schlimm. Oder fast genau so schlimmm. Jedenfalls nicht unschuldig. Und haben deshalb zu schweigen? Saldobildung, um eine Schuld mit der anderen zu begleichen? (So haben auch Linke gegen die Vertriebenen argumentiert. Und das war genau so falsch wie jeder andere Saldo. Weil ein Saldo überhaupt nichts belegt und überhaupt nichts verarbeitet oder gar löst. Ein Opfer ist ein Opfer und als solches anzuerkennen. Es relativiert nichts, wenn sein Nachbar ein Täter war.)

Die gesamte linksintellektuelle Empörung gegen Hohmann richtete sich nur auf seinen Relativierungsversuch des deutschen Holocausts zu den Massenmorden in Russland.
Die Widerlegung Hohmanns hatte aber nicht über Statistik darüber zu erfolgen, wie viele russische Revolutionäre tatsächlich jüdischen Glaubens gewesen sind. Sondern über die Widerlegung der Unterstellung, die russische Revolution sei aus einem bewusst jüdischen Bewusstsein heraus organisiert worden. Die Handelnden mögen jüdisch gewesen sein, aber ihr Glaube war nicht, was sie zusammen gebracht hatte. Bei den Nazis aber war genau das Ideologie: Aus der Angehörigkeit zu einer Gruppe eine Ideologie zu konstruieren, die zur Mittäterschaft verpflichtet. Es kommt also für die Beurteilung eines Wortes nicht nur darauf an, wer etwas sagt, sondern auch für die Beurteilung einer Tat, warum er handelt.

Möllemann hingegen bediente die mittelmäßigen Antisemiten. Die, oder deren Eltern, sich schon am 9. Mai 1945 entrüsteten, jetzt müsse aber langsam mal Schluss sein mit dem Fingerzeig auf "uns". (Übrigens: Parteichef Westerwelle ließ Möllemann so lange gewähren, bis sich eine Mehrheitsmeinung gegen ihn gefunden hatte.)

Im Ergebnis: Reflexe bei den eher triebhaft ausgebildeten Schuldigen. Und wahnsinnige Konstruktionen zur ersehnten eigenen moralischen Entlastung bei den Intellektuellen.

Ich denke, Grass hat seine Werke nun, mit "letzter Tinte" entschlüsselt. Dies kurz vor Karfreitag und Ostern. In der Nähe des ans Kreuz genagelten, weil er menschliche Wahrheiten aussprach.

Bliebe die Frage: "Dürfen" wir denn jetzt trotzdem weiter über israelische Außenpolitik diskutieren und eine Meinung vertreten, die sich gegen seine Regierung richtet?
Wird etwas Richtiges falsch, wenn es von den Falschen gesagt wird? Nein, es wird nicht falsch. Aber unglaubwürdig und deshalb schädlich, denn es versperrt den Weg zu einer offenen Aussprache.

"Unglaubwürdig" in dem Sinne: Solange ich dem Sprechenden nicht vertrauen kann, dass er wahrhaftig, fair (und bei Israel auch: wohlwollend) an einer Konfliktklösung interessiert ist sondern verdeckt andere Interessen verfolgt, habe ich das Recht, ihm nicht zuzuhören.
Daraus folgt: In Deutschland darf israelische Politik kritisieren, wer genügend Vertrauen aufgebaut hat, kein verdeckter Antisemit zu sein. Genau das ist das Wesen von Diplomatie. Über Vertrauensbildung Kommunikationskanäle aufzubauen, über die man sich wahrhaftig austauschen kann. (Ich glaube, weil er das erfüllt, ist Sigmar Gabriel eine heftigere Debatte erspart geblieben.)

Aber das gilt für beide Seiten: In die Kritik an Grass werden jetzt auch etliche islamophobe Kübel ausgeschüttet. Und auch hier gilt: Das Richtige kann falsch oder wirkungslos sein, wenn es von den Falschen gesagt wird.

Grass zeigt aber auch, dass die Forschung über den Nationalsozialismus weiter gehen muss. Wir müssen offen legen, wie sich nicht verarbeitete Schuld in der Gesellschaft auswirkt. Das wird uns weiter beschäftigen. Und: Wie viele sind damals noch in die SPD eingetreten oder suchten ihre Nähe, nur um sich den Mantel der Verfolgten umhängen zu können?

Mittwoch, 4. April 2012

Hybridantrieb spielt immer noch keine Rolle

Die Zulassungsstatistik für das 1. Quartal 2012, also etwa drei Jahre nach der Autokrise, zeigt folgendes:

Die damals insbesondere von Daimlerchef Zetsche anstehende "Neuerfindung des Autos" spielt auf dem Markt bis heute keine Rolle. Nicht nur bei Mercedes, sondern gänzlich. Von den 774.000 Neuzulassungen in Q1/2012 hatten gerade mal 4020 einen Hybridantrieb, das ist ein halbes Prozent. Mit reinem Elektroantrieb wurden knapp 700 verkauft. 3.066 hatten einen Gasantrieb.

Dass der durchschnittliche CO2-Wert inzwischen auf 144g/km gesunken ist, ist also auf die Fortschritte bei den Verbrennungsmotoren zurückzuführen, d.h. Direkteinspritzung, Bi-Turbos (für oberen und unteren Drehzahlbereich), Startstop-Automatik und das Energiemanagement im Bordnetz, das nicht benötigte Verbraucher abschalten kann.

48 Prozent hatten einen Dieselantrieb.

Der CO2 Wert wird weiter sinken, wenn die einzeln abschaltbaren Zylinder in Serie gehen. Der Verbrennungsmotor ahmt also zunehmend die Vorteile des Elektromotors nach, der nur Energie verbraucht, wenn er Nutzarbeit leistet.

Der Hybridantrieb wird nicht nachgefragt. Dazu fallen mir folgende Erklärungen ein: 1. Neuwagen wurden vor allem von Autovermietern und Flottenbetreibern nachgefragt. Die achten auf den Anschaffungspreis und geben die Wagen nach wenigen Jahren zurück. Mehrkosten müssten sich in zügigen Returns niederschlagen. Dazu kommt: Dienstwagen fahren mehr weite Strecken, ein Hybrid rechnet sich aber vor allem im Stadtzyklus.

Die Privaten halten sich generell mit Neuwagen zurück, was hauptsächlich am Preis liegen dürfte. Einen Preisaufschlag für Hybrid leistet man sich da noch weniger, wenn man den gleichen Effekt mit Diesel erzielen kann.
Bliebe der Statusgewinn bei den Nachbarn, wenn man lautlos elektrisch durch die Einfamilienhaussiedlung rollt? Nein. Eigene Tests mit dem Lexus RX 400h öffneten mir die Augen: Rein elektrisch fährt man nur, wenn die Batterie voll genug ist. Das ist sie aber seltener als man denkt. Selbst wenn man die Verbraucher reduziert und es schafft, im Winter elektrisch aus der Siedlung zu rollen: Der Verbrennungsmotor schaltet dann eben später zu. Dadurch reduziert sich aber der Zeitanteil, in dem man ihn warm fährt. Der Zeitanteil, in dem er kalt ist, reduziert sich. Dadurch erhöht sich der durchschnittliche Verbrauch des Verbrennungsmotor. Man sieht: Keine einfache Rechnung.

Ok, warten wir trotzdem mal ab. Vielleicht können die künftigen Kleinwagen die Kunden locken, die mit rein elektrischem Antrieb kommen. Chic aussehen tun sie ja schon mal und sie vermeiden dadurch das Handycap des Smart.

Quelle: Kraftfahrtbundesamt

Mittwoch, 21. März 2012

"Der Fortschritt bleibt mit der OPEL-Zuverlässigkeit verbunden"

Admiral, Kapitän und Diplomat. "Wagen der Weltklasse" - Das war einmal der Anspruch des OPEL-Management. Den Diplomat positionierte OPEL mal gegen die Mercedes S-Klasse. Auch Ascona, Manta und Kadett liefen immer oben mit. OPEL verdiente Geld mit allen Käuferschichten. Das ist vorbei.

OPEL ale Marke kennt noch jeder. Aber bei den Modellreihen hört es schon auf: Astra und Corsa kennt man so gerade noch, obwohl man wenig über sie liest oder sieht. Aber Agila? Meriva, Antara, Vivaro?? Nie gehört. Hat OPEL mit irgend einer Neuerung Schlagzeilen gemacht? Ja, dem Elektroauto Ampera. Aber der läuft nicht. Das muss nicht am Konzept liegen, ich halte den Reichweitenverlängerer für die momentan beste Antwort auf die eingebildete Reichweitenangst. Aber lesen tun wir immer nur von Angst und Problemen bei OPEL: Selbstentzündung, Überkapazität, Werksschließungen. Traurige Kapitel.

Und wieder mal sind aus Sicht des Managements alle Schuld, nur nicht sie selbst. Ja, die Finanzkrise und hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa schwächt die Käuferschichten. Hätte man doch nur auch in Premium investiert, wozu hat man denn das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim? Wird da nur in Produktionstechnik und Kostensenkungen investiert? Wer einmal einen Mietwagen von OPEL aus einer Tiefgarage bugsieren musste, fragt sich, wer bei den Rüsselsheimern die Vorgaben für Anzeigen und Bedienung macht (Entschuldigung..). Premium hat OPEL nicht. Ein gutes Image auch nicht mehr. Drei Jahre Negativschlagzeilen, wer kauft denn sowas? "Das Management verliert allmählich die Geduld" steht im Handelsblatt. Tja, wann verlieren wohl die GM Aktionäre die Geduld mit diesem Management? Oder die Bandarbeiter in Bochum?

Ich bin ja schon still. Was OPEL demnächst an Marktanteilen preisgeben wird, werden sich andere schnappen, die größere Pläne haben. Aus der Autokrise ist inzwischen eine OPEL-Krise geworden. Auch die deutschen Premiummarken verdienen zu Hause nicht so berauschend. Aber sie haben verstanden, wo man für Made in Germany noch bereit ist, einen EURO mehr zu bezahlen.

Montag, 19. März 2012

H- (WOB) - B: Warum die Bahn durch Wolfsburg rauscht

Tja. Am Anfang dachte ich in WOB immer nur, was alle Pendler dachten: Augen zu und ab zum Werk, arbeiten, Augen zu und zurück zum Bahnhof. Inzwischen aber hat der Wolfsburger Bahnhof fast Kultstatus. Immer mehr fangen an, ihn zu mögen. Und auch die Stadt, jedenfalls in Nähe des Bahnhofs. Wolfsburg gibt sich alle Mühe, immer besser auszusehen. Zwischen Bahnhof und Mittellandkanal kann man inzwischen sogar spazieren gehen, direkt am Wasser.

Nur wie der Geschäftsbereich Traktion seine Kunden behandelt, das geht immer noch auf keine Kuhhaut:

Sonntag, 18. März 2012

Der grundlegende Irrtum heutiger Medienmanager - und wie man ihn korrigieren könnte

Eine der größten Fehlkonstruktionen unter den Geschäftsmodellen ist die einer Werbung, die die große Erwartungshaltung einer großen Menge zu missbrauchen gedenkt.

Wenn ich z.B. auf BILD Online einen Bericht über Gauck lese und mir dazu ein Video angeboten wird. Nach dem Lesen will ich meinen Gedankenfluss und meine Aufmerksamkeit nicht unterbrechen lassen, sondern das Video nahtlos daran anknüpfen lassen. Mir dann aber zuerst einen Werbespot von Eon zu einem komplett anderen Thema zuzumuten ist krass respektlos. Die Idee des Werbespots ist ja, dass ich diesen wahrnehme und seine Botschaft verfolge und auch noch speichere, damit ich später etwas tue. Der Werbespot wird dorthin gesetzt, wo er mich erwischen kann. Wo ich eh schon bin, weil ich mich für etwas anderes interessiere. Ein funda-"mentaler" Wechsel meiner Gedanken ist da also einkalkuliert und beabsichtigt. Würde ich dem folgen, wäre ich aber raus aus dem Thema, das mich zu diesem Werbespot gebracht hat. Ich würde nicht in Sekundenschnelle wieder zum Gauck zurückkehren. Wäre es aber das Kalkül von BILD, dass ich dieses Video eh überhöre und übersehe, weil ich ja auf Gauck warte, wäre dies unseriös Eon gegenüber. Denn Eon bezahlt BILD ja dafür, dass sie meine Präsenz und Aufmerksamkeit, in dem Sinne, dass ich mich gerade mit nichts anderem beschäftige, ausnutzen und entführen dürfen.

Dieses Geschäftsmodell ist absurd. Es basiert auf der Annahme, dass Menschen bereit sind, sich gedanklich entführen zu lassen, nur weil sie gerade massenhaft in einer gemeinsamen Erwartungshaltung versammelt und ansprechbar ("adressierbar") sind.

So etwas passiert aber nicht nur in den Medien. Wenn ich z.B. morgens -und wie immer spät dran, wie fast alle anderen- in den Hauptbahnhof hetze, die Rolltreppe zu meinem Gleis vor Augen, will ich nicht von einer Kreditkartenverkäuferin aufgehalten werden. Die Tatsache, dass wir hier alle vorbei kommen rechtfertigt kein Geschäftsmodell das auf der Annahme einer hohen Responserate basiert. Wir sind alle hier, haben aber keine Zeit bzw. keine Aufmerksamkeit für irgendetwas anderes als unseren Zug.

Aber viele Manager denken so. Sie glauben auch, dass man einen Wissensarbeiter, also jemanden, der bei seiner Arbeit nachdenken und reflektieren muss, in einer Stunde zehnmal unterbrechen darf. Sie rechnen dann immer noch so, dass der Wissensarbeiter eine Stunde lang geleistet hat, abzüglich der Minuten, für die ihn sein Manager unterbrochen hatte. Doch modernere Manager wissen inzwischen, dass Aufgabenwechsel Zeit kosten. Immens viel Zeit. Sie gehen zulasten des Outputs und seiner Qualität. Tom de Marco hat dies u.a. in "Wien wartet auf Dich" beschrieben.

Noch deutlicher wird dies beim Musikhören. Musik ist Flow. Wenn man bei einem Stück zehnmal unterbrochen wird und danach an derselben Stelle fortsetzen kann, dann hat man anschließend nicht das ganze Stück genossen.

Kann man das Kennzahlgläubigen begreiflich machen? Kann man sie dazu bringen, dass sie sich intelligente Werbung ausdenken, und uns nicht mehr bei der Arbeit unterbrechen?

Samstag, 17. März 2012

Crash in Zeitlupe: Besuch im Kunstmuseum Wolfsburg

Gibts nicht nur an der Börse: Crash auf Raten

Wenn der ICE in Wolfsburg das nächste mal an Dir vorbei rauscht und Dich stehen lässt, nutze die Gelegenheit: Laufe die Fußgängerzone in der Porschestraße hoch bis zum Ende und besuche das Kunstmuseum Wolfsburg.

Da gibts noch für einige Zeit zwei sehr gute Ausstellungen: "Die Geometrie des Augenblicks" über den "Magnum" Fotografen Henri Cartier-Bresson. Und die "Kunst der Entschleunigung".

Los gehts mit "Entschleunigung". Vor der Tür: Der Crash in Zeitlupe, der 1cm pro Stunde Vortrieb leistet. Wir gehen rein und lernen: Das Lebensgefühl einer überfordernden Beschleunigung ist 250 Jahre alt. Seitdem leiden Menschen unter dem Gefühl, nichts mehr zu Ende denken oder bringen zu dürfen, bevor sie etwas neues anfangen müssen. "Velozeferisch" nannte Goethe das.

Beschlauliche Gemälde vom Vollmond am Strand, einem Blick in die Wolen bereitet die spätere Fallhöhe. Geht über in abstrakte Darstellungen von Geschwindigkeit und der Zentrifugalkraft der Kurve. Dann Autos, Flugzeuge, Raketen.

Dann die Geschwindigkeit der Computerbörse. Ein Video, "Middlemen". Niedergeschlagene Männer in einem Börsensaal, der mit Papieren übersät ist. Plötzlicher, schneller Kurssturz. Man denkt: In einer Welt, in der man sich mit Papieren und Computern um sein gesamtes Hab und Gut bringen kann, stimmt sowieso etwas nicht.

Daneben zwei Photos aus einem japanischen Börsensaal. Hunderte Händler und Makler beengt in Reihe und Glied vor ihren Handels-PCs, wie Soldaten. Womöglich acht Stunden am Tag. Womöglich jeden Tag. Highspeedhandel anno 1997. Die Fotos haben Plakatgröße, damit deutlich wird, wie absurd das eigentlich ist. Highspeedhandel ist immer so schnell, wie die IT-Ressourcen es zulassen. Neben der militärischen Verschlüsselungstechnik ist er inzwischen Fortschrittstreiber Nummer eins in der Computerbranche. Damit ist die kostolyanische Kunst der reflektierten Spekulation einer bewusstlosen Hyperaktivität gewichen, die uns ins Verderben stürzt, wenn sie instabil wird. Wie bei einem Reaktorunfall können wir nicht mehr beobachten, was vor sich geht, sondern müssen ggf. postmortem rekonstruieren, was passiert ist. Und warum. Und "warum?" ist überhaupt eine völlig deplatzierte Frage geworden im Zeitalter der Beschleunigung..

Am meisten beeindruckt hat mich die Visualisierung der schnellen Vergänglichkeit des geschriebenen und gesendeten Wortes (die "Erregermaschine"). Hier nicht dargestellt, als Empörungsspannung die durch den Dreh im moralischen Magnetfeld entsteht. Sondern als Wasserfall, der Worte formt, die beim Runterfallen außeinander driften und unten vom Leser schon nicht mehr zu entziffern sind. Ein Wort fällt aufs andere. Jeden Entzifferungs- und Deutungsversuch muss man vor seinem Ergebnis abbrechen, weil das nächste Wort schon gefallen ist.

Ein kluger Spruch an der Wand:
Die Beschleunigungsleistung (Anm.: oder die Bewegungsnergie) steigt überproportional mit der Geschwindigkeit. Deshalb bekommt man auch soviel Energie zurück, wenn man entschleunigt.

Ein anderer Spruch von Anselm Kiefer über die Nachbildung einer ausgegrabenen Trümmerstadt:
Trümmer sind Zukunft an sich.
Er meint, weil alles mal zum Trümmer wird. Darüber wächst Gras. Dann eine neue Stadt. Darüber wachse dann wieder Gras. Und so weiter.

Zwischendurch empfiehlt sich eine Pause im japanischen Garten des Museums.

Die schwarz-weißen Momentaufnahmen von Cartier-Bresson kennen wir: Der Mann, der mit seinem Spiegelbild über die Pfütze springt. Der Mann mit dem dreieckigen Mantel vor der Allee. Seine Reisefotos machen den Großteil seines Werkes und dieser Ausstellung aus. Besonders interessant finde ich den Dokumentationsfilm: Cartier-Bresson selbst und Freunde erzählen die Geschichten seiner Fotos. Ein Freund sagt: Er hatte einen Instinkt für politische Fotos. Er reiste viel. Und irgendwie immer dorthin, wo der Ball hinkommen sollte, wo ein Weltereignis passieren sollte.

So erzählt Bresson selbst von einer Sitzung mit Ghandi, den er am nächsten Tag fotografieren wollte. Er zeigt ihm seine Fotos, besprach die Sitzung. Ghandi habe eines, auf dem ein Leichenzug zu sehen ist, lange in der Hand gehalten und gesagt: "Der Tod, der Tod, der Tod." Später verabschiedete sich Ghandi von ihm, ging raus - und wurde erschossen.

Crash in Zeitlupe: Besuch im Kunstmuseum Wolfsburg



Gibts nicht nur an der Börse: Crash auf Raten

Wenn der ICE in Wolfsburg das nächste mal an Dir vorbei rauscht und Dich stehen lässt, nutze die Gelegenheit: Laufe die Fußgängerzone in der Porschestraße hoch bis zum Ende und besuche das Kunstmuseum Wolfsburg.

Da gibts noch für einige Zeit zwei sehr gute Ausstellungen: "Die Geometrie des Augenblicks" über den "Magnum" Fotografen Henri Cartier-Bresson. Und die "Kunst der Entschleunigung".

Los gehts mit "Entschleunigung". Vor der Tür: Der Crash in Zeitlupe, der 1cm pro Stunde Vortrieb leistet. Wir gehen rein und lernen: Das Lebensgefühl einer überfordernden Beschleunigung ist 250 Jahre alt. Seitdem leiden Menschen unter dem Gefühl, nichts mehr zu Ende denken oder bringen zu dürfen, bevor sie etwas neues anfangen müssen. "Velozeferisch" nannte Goethe das.

Beschlauliche Gemälde vom Vollmond am Strand, einem Blick in die Wolen bereitet die spätere Fallhöhe. Geht über in abstrakte Darstellungen von Geschwindigkeit und der Zentrifugalkraft der Kurve. Dann Autos, Flugzeuge, Raketen.

Dann die Geschwindigkeit der Computerbörse. Ein Video, "Middlemen". Niedergeschlagene Männer in einem Börsensaal, der mit Papieren übersät ist. Plötzlicher, schneller Kurssturz. Man denkt: In einer Welt, in der man sich mit Papieren und Computern um sein gesamtes Hab und Gut bringen kann, stimmt sowieso etwas nicht.

Daneben zwei Photos aus einem japanischen Börsensaal. Hunderte Händler und Makler beengt in Reihe und Glied vor ihren Handels-PCs, wie Soldaten. Womöglich acht Stunden am Tag. Womöglich jeden Tag. Highspeedhandel anno 1997. Die Fotos haben Plakatgröße, damit deutlich wird, wie absurd das eigentlich ist. Highspeedhandel ist immer so schnell, wie die IT-Ressourcen es zulassen. Neben der militärischen Verschlüsselungstechnik ist er inzwischen Fortschrittstreiber Nummer eins in der Computerbranche. Damit ist die kostolyanische Kunst der reflektierten Spekulation einer bewusstlosen Hyperaktivität gewichen, die uns ins Verderben stürzt, wenn sie instabil wird. Wie bei einem Reaktorunfall können wir nicht mehr beobachten, was vor sich geht, sondern müssen ggf. postmortem rekonstruieren, was passiert ist. Und warum. Und "warum?" ist überhaupt eine völlig deplatzierte Frage geworden im Zeitalter der Beschleunigung..

Am meisten beeindruckt hat mich die Visualisierung der schnellen Vergänglichkeit des geschriebenen und gesendeten Wortes (die "Erregermaschine"). Hier nicht dargestellt, als Empörungsspannung die durch den Dreh im moralischen Magnetfeld entsteht. Sondern als Wasserfall, der Worte formt, die beim Runterfallen außeinander driften und unten vom Leser schon nicht mehr zu entziffern sind. Ein Wort fällt aufs andere. Jeden Entzifferungs- und Deutungsversuch muss man vor seinem Ergebnis abbrechen, weil das nächste Wort schon gefallen ist.

Ein kluger Spruch an der Wand:
Die Beschleunigungsleistung (Anm.: oder die Bewegungsnergie) steigt überproportional mit der Geschwindigkeit. Deshalb bekommt man auch soviel Energie zurück, wenn man entschleunigt.

Ein anderer Spruch von Anselm Kiefer über die Nachbildung einer ausgegrabenen Trümmerstadt:
Trümmer sind Zukunft an sich.
Er meint, weil alles mal zum Trümmer wird. Darüber wächst Gras. Dann eine neue Stadt. Darüber wachse dann wieder Gras. Und so weiter.

Zwischendurch empfiehlt sich eine Pause im japanischen Garten des Museums.

Die schwarz-weißen Momentaufnahmen von Cartier-Bresson kennen wir: Der Mann, der mit seinem Spiegelbild über die Pfütze springt. Der Mann mit dem dreieckigen Mantel vor der Allee. Seine Reisefotos machen den Großteil seines Werkes und dieser Ausstellung aus. Besonders interessant finde ich den Dokumentationsfilm: Cartier-Bresson selbst und Freunde erzählen die Geschichten seiner Fotos. Ein Freund sagt: Er hatte einen Instinkt für politische Fotos. Er reiste viel. Und irgendwie immer dorthin, wo der Ball hinkommen sollte, wo ein Weltereignis passieren sollte.

So erzählt Bresson selbst von einer Sitzung mit Ghandi, den er am nächsten Tag fotografieren wollte. Er zeigt ihm seine Fotos, besprach die Sitzung. Ghandi habe eines, auf dem ein Leichenzug zu sehen ist, lange in der Hand gehalten und gesagt: "Der Tod, der Tod, der Tod." Später verabschiedete sich Ghandi von ihm, ging raus - und wurde erschossen.