Freitag, 5. August 2011

Weg mit den Eurotechnokraten

In der Phantasie unserer Eurotechnokraten handelt es sich bei "den Märkten" oder "den Investoren" offenbar um eine Gruppe gesichtsloser, unbekannter Akteure, die in Absprache Welten bewegen, sich aber durch technokratische Worte beeindrucken und dirigieren lassen wie eine Seniorenreisegruppe aus Haltern Hullern in Berlin Friedrichshain.

Der konservative Kommissionspräsident Barroso z.B. scheint absolut nichts über die Psychologie von Anlegern zu wissen. Seine tapsige Panikmache muss gut gemeint gewesen sein, aber welcher -wenn auch verqueren- Logik folgte er dabei?

Und Währungskommissar Rehn glaubte gestern mit einer nichts sagenden technokratischen Rede die Anleger auf Spur bringen zu können. Ohne eine einzige inhaltliche Aussage wiederholte er: Wir haben einen Plan. Wir sind "zutiefst überzeugt" (also voller Zweifel), dass er funktioniert und wir werden die Ziele verfolgen und prüfen.
Allen Ernstes richtete er solche Worte an die in Panik ausgebrochenen Anleger, Investoren, Börsianer. Wie ein Feuerwehrfunktionär der den flüchtenden Bewohnern eines brennenden Straßenzuges zuruft, ihre Häuser seien - und davon sei er "überzeugt"- feuerfest.

Das erinnert an die Manager von TEPCO, die auch meinten, die Welt mit Technokratensprech zum Narren halten zu können. Technokraten beziehen sich bei ihrem Handeln und Argumentieren nur auf sich selbst. Und sie glauben auch, dass sich die Naturgesetze nach ihren Methoden und Prozessen richten. Aber, wie es ein FAZ-Leser neulich so schön formulierte: "Die Mathematik wird's schon richten."

Die Sache ist auch deshalb so aussichtslos, weil die Verantwortlichen nicht einmal zur Kenntnis nehmen, was vor sich geht. Sie erschlagen die Überbringer schlechter Nachrichten. Die italienische Justiz durchsucht jetzt schon die Büroräume von Ratingagenturen, wenn diese "unbegründet" negative Urteile über italienische Banken abgeben.

Dabei waren es doch die EURO-Funktionäre, die den Ratingagenturen so eine hohe Bedeutung zugewiesen haben. Kurz gesagt: Weil sie selbst vom Fach nicht so viel verstehen, wollten sie Kreditwürdigkeiten von Banken und Unternehmen gerne in eine einzige Zahl zusammengefasst haben. So wie das Prozess- und Methodenleute, die sich nicht um Inhalte und Bedeutungen kümmern, gerne so machen. Sie schauen nicht mehr in den Himmel um abzuschätzen wie das Wetter wird, sondern auf die Kennziffer. Auf diese Weise kann jeder zum Meteorologen werden..

Was gestern eigentlich nur noch fehlte, war eine europäische Gesetzesinitiative, die uns alle zu der Einsicht in die Notwendigkeit verdonnert, gefälligst zuversichtlich zu sein und den Weisheiten und Fähigkeiten der Verantwortlichen zu folgen. Davon blieben wir gestern noch verschont. Genauso wie vor den staatsmännischen Blut-, Schweiß- und Tränenworten eines Philip Rösler oder einer Angela Merkel (etwa: "Wir glauben, dass mehr Optimismus und Vertrauen in den EURO besser für die Menschen wäre und deshalb verpflichten wir die Märkte dazu jetzt per Gesetz.")

Die Akteure wissen NICHTS von der Funktionsweise von "Märkten". Sie sind ihnen fremd. Das muss man verblüfft zur Kenntnis nehmen. Sie, die Kanzlerin und der Wirtschaftsminister, die Physikerin und der Mediziner, haben noch nie einen Fonds, eine Rente oder eine Aktie gekauft und sich vorher in Analysen und Spekulationen begeben. Sie wissen vermutlich noch nicht mal, wie die Preisbewegungen auf ihrem Wochenmarkt um die Ecke zustande kommen. Deshalb fremdeln sie so mit Begriffen wie "Märkte" und "Investoren". Sie halten die für eine gesichtslose, nicht greifbare Gruppe von Hintermännern, die in Absprache alles tun, um die Politiker zu ärgern.

Weil wir kein fähiges politisches Personal mehr haben, bezieht sich dieses auch ständig auf die Größen, die wir mal hatten: Westerwelle auf Genscher, Merkel auf Erhard (obwohl sie ihn ja nie erlebt hat).

Ich verstehe längst nicht alles, was da vor sich geht. Mir kommen nur viele Verläufe reichlich bekannt vor. Ein nach innen gewandter Technokrat hält stur an seiner Sicht auf die Welt fest, bis man ihn stürzt oder alles um ihn zusammenbricht. Sie betonen in immer kürzeren Abständen, was nicht mehr der Fall ist, und dementieren gleichzeitig, was unübersehbares Faktum ist.

In der CDU darf man inzwischen offen sagen, dass die Einführung des EURO eine Bedingung der Franzosen zur Zustimmung zur deutschen Einheit war. Das war leicht zu verhandeln, denn auch Kohl hatte von Wirtschaft keine Ahnung. (Welche weiteren geheimen Staatsverträge oder direkten Absprachen zwischen Kohl und Mitterand bestanden, werden wir wohl erst nach Kohls Ableben erfahren..) Kohl führte ja auch in Deutschland eine Währungsunion ein ohne Rücksicht auf Verluste und Spekulationen. Vorbild muss ihm der deutsche Zollverein gewesen sein: Der einheitlichen Währung folgt die politische Einigung und Stärke. Und wenn Kohl immer von der deutschen Wiedervereinigung als Vorbote der europäischen Einigung sprach, meinte er damit den EURO - auf Biegen und Brechen.

Nach dem EURO kamen noch einige andere Technokratenprojekte, wie z.B. "einheitliche Bildungsstandards", eine Art Ratingsystem für Hochschulabschlüsse. Auch hier gilt: Die Sache muss nur formell vergleichbar sein, Inhalte und Qualitäten sind egal.

Unsere Regierungen reden vom EURO als Garant für Frieden in Europa. Das ist eine intellektuelle Geiselnahme. Sie wollen uns damit den Mund verbieten, weil auch sie selbst keine Erklärung dafür nachreichen können. Sie behaupten einfach und setzen darauf, dass wir uns beeindrucken lassen. Es ist eine Argumentation mit niederen Instinkten, die mehr über den Sprecher als über den so Angesprochenen aussagt. (Ähnlich wie das Dauerargument "Neid" der eitlen Marodeure in den Vorstandsetagen früherer Qualitätsunternehmen).

Der Anblick dieses Schauspiels macht sprach- und kraftlos. Wir stellen schnell Spontandemos gegen die Guttenbergs, Koch-Mehrins, die Mehdorns und Grubes und gegen Atomkraft auf die Beine. Gegen das klandestine EURO-System ist das schwieriger zu bewerkstelligen. Weil wir -außer der Abschaffung des EURO- kein konkretes Ziel benennen können. Aber vielleicht müssen wir auch da größer denken, so wie die Protestler des arabischen Frühlings.

Wir brauchen keinen EURO, um uns in Europa zusammengehörig zu fühlen. Billigflieger und Markenketten tun dafür viel mehr. Wir können uns günstig überall besuchen dank EasyJet, wir können billig telefonieren oder netzwerken, wir schauen auf Straßen und Plätzen gemeinsam Fussball, wir finden in allen Einkaufsstraßen die gleichen Marken. Wie leiden aufrichtig mit, wenn es irgendwo in Europa einen Amoklauf oder Anschlag gibt. Mehr muss man für die europäische Einigung nicht tun.

Wir müssen uns mit keinen neuen Fronten zwischen den Nationen drohen lassen. "Republiken führen gegeneinander keinen Krieg" (Kant). Die Front verläuft längst zwischen uns hier in der Mitte und denen da oben. Die kosten uns zuviel und bringen uns mehr Schaden als Nutzen. Weg mit ihnen.

Freitag, 29. Juli 2011

Der neue neue Käfer

Und jetzt: Werbung!

Da ich vom Käfer sprach: Auf dem Walk of Fame am Potsdamer Platz stehen gerade welche rum:

Denn: Im Oktober kommt ein neuer Beetle in die Läden. Er hat vom alten Käfer mehr als der sog. New Beetle, der in den Neunzigern raus kam. In Berlin sieht man einen roten Beetle Design (mit kleinem Heckspoiler) herumfahren. Der sieht gut aus und wird dem Mini sicher Konkurrenz machen.

Startpreis für das Basismodell (1,2 Liter, 77kW, 5,9 Liter Benzin/100km): 17.000 EUR. Die Rennversion RS (der Blaue auf dem Foto) kostet 135.000 EUR. Mehr Infos hier.







Donnerstag, 28. Juli 2011

Massenindividualisierung durch LED-Design

In der vorletzten Ausgabe nahm das brand eins Team die Frage unter die Lupe, ob es "intelligentes Leben im Konzern" gibt (Link). Wolf Lotter bringt darin einen interessanten Zusammenhang zur Sprache:

Es sind die Großunternehmen, gegen die der Einzelne keine Chance hat. Aber es sind die gleichen Unternehmen, die dem Einzelnen den Zugang zu Innovationen ermöglichen. Durch Standardisierung und Massenproduktion, die Preissenkungen ermöglicht.

Deshalb sei die Prozessinnovation mindestens genau so wichtig wie die Produktinnovation. Es wird erst zu einem Fortschritt für alle, wenn es nicht nur neu und nützlich ist, sondern auch günstig herstellbar durch standardisierte Arbeitsabläufe und Maschinen.

Das stimmt.

Heute geht man noch einen Schritt weiter. Der VW Käfer war ein Massenprodukt. Zum Kultobjekt der Amerikaner wurde er durch die richtige PR: Die "Herbie"- Filme gaben dem Auto die Hauptrolle und machten es populär. Das Produkt war die Marke.

Heute liegt die Herausforderung nicht darin, ein Produkt massenhaft herzustellen, sondern massenhaft variabel zu halten. Nicht das Produkt wird standardisiert, sondern seine sogenannten Module. Alles Unsichtbare wird gerastert und standardisiert. Alles Sichtbare individualisiert.

Dabei muss es weiterhin einzelne Elemente geben, an denen man die Marke wieder erkennt. Bei den iPods ist es das Click-Wheel. Bei Baukastenautos ist es die Front. (Im Rückspiegel des Vordermanns entscheidet sich, wie viel Respekt man auf der linken Spur hat. Meine persönliche Erfahrung ist, dass ohne eingeschaltete Beleuchtung ca. 1/4 rechtzeitig nach rechts rüberziehen, mit Beleuchtung 3/4.) Die Unterscheidung der Modellklassen erfolgt hier künftig hauptsächlich über die Anordnung der LED Beleuchtung. (Die derzeitige strasschmuckartige Gestaltung mancher Frontleuchten ist sicher Geschmackssache.) Die leuchtstarken LED brauchen nicht viel Platz und eignen sich hervorragend zum Design. Indem Tagfahrlicht in manchen Ländern zum Gesetz in anderen zur Gewohnheit wird, wirkt es wie früher die Neonlichter der Werbung. Auch bei Tag schon weitem zu sehen, nicht zu übersehen, etwas aufdringlich und eine Marke transportierend. LEDs sind der günstigste Weg, Baukastenprodukten eine Signatur zu geben.

Massenindividualisierung durch LED-Design

In der vorletzten Ausgabe nahm das brand eins Team die Frage unter die Lupe, ob es "intelligentes Leben im Konzern" gibt (Link). Wolf Lotter bringt darin einen interessanten Zusammenhang zur Sprache:

Es sind die Großunternehmen, gegen die der Einzelne keine Chance hat. Aber es sind die gleichen Unternehmen, die dem Einzelnen den Zugang zu Innovationen ermöglichen. Durch Standardisierung und Massenproduktion, die Preissenkungen ermöglicht.

Deshalb sei die Prozessinnovation mindestens genau so wichtig wie die Produktinnovation. Es wird erst zu einem Fortschritt für alle, wenn es nicht nur neu und nützlich ist, sondern auch günstig herstellbar durch standardisierte Arbeitsabläufe und Maschinen.

Das stimmt.

Heute geht man noch einen Schritt weiter. Der VW Käfer war ein Massenprodukt. Zum Kultobjekt der Amerikaner wurde er durch die richtige PR: Die "Herbie"- Filme gaben dem Auto die Hauptrolle und machten es populär. Das Produkt war die Marke.

Heute liegt die Herausforderung nicht darin, ein Produkt massenhaft herzustellen, sondern massenhaft variabel zu halten. Nicht das Produkt wird standardisiert, sondern seine sogenannten Module. Alles Unsichtbare wird gerastert und standardisiert. Alles Sichtbare individualisiert.

Dabei muss es weiterhin einzelne Elemente geben, an denen man die Marke wieder erkennt. Bei den iPods ist es das Click-Wheel. Bei Baukastenautos ist es die Front. (Im Rückspiegel des Vordermanns entscheidet sich, wie viel Respekt man auf der linken Spur hat. Meine persönliche Erfahrung ist, dass ohne eingeschaltete Beleuchtung ca. 1/4 rechtzeitig nach rechts rüberziehen, mit Beleuchtung 3/4.) Die Unterscheidung der Modellklassen erfolgt hier künftig hauptsächlich über die Anordnung der LED Beleuchtung. (Die derzeitige strasschmuckartige Gestaltung mancher Frontleuchten ist sicher Geschmackssache.) Die leuchtstarken LED brauchen nicht viel Platz und eignen sich hervorragend zum Design. Indem Tagfahrlicht in manchen Ländern zum Gesetz in anderen zur Gewohnheit wird, wirkt es wie früher die Neonlichter der Werbung. Auch bei Tag schon weitem zu sehen, nicht zu übersehen, etwas aufdringlich und eine Marke transportierend. LEDs sind der günstigste Weg, Baukastenprodukten eine Signatur zu geben.

Mittwoch, 27. Juli 2011

Zitat der Woche (Larry Ellison)

Steve Jobs ist im Kopf ein Ingenieur und im Herzen ein Künstler. Das ist eine ganz seltene Mischung in unserer Industrie und begründet seinen großen Erfolg.
Larry Ellison

Zitat der Woche (Larry Ellison)

Steve Jobs ist im Kopf ein Ingenieur und im Herzen ein Künstler. Das ist eine ganz seltene Mischung in unserer Industrie und begründet seinen großen Erfolg.
Larry Ellison

Dienstag, 26. Juli 2011

Kein Innovationsmanagement ohne Redakteure

Die Empfehlungssysteme von amazon, iTunes und dem Apple Appstore entwickeln sich zur Käseglocke. Kurzfristig finde ich es gut, wenn ich zu einem Suchmuster weitere Angebote bekomme. Darunter Raritäten, die ich selbst nie finden würde.

Aber meine Suchprofile ändern sich. Bzw. sollen sich manchmal ändern, dann suche ich Inspiration. Dann weiß ich nur, dass ich nichts weiß. Genau da versagt das Profiling.

Aber auch manche realen Läden versagen. Wenn ich vor einem alphabetisch sortierten Bücherregal stehe, vergesse ich, was ich je gelesen habe. Ähnlich gehts mir bei Saturn und Mediamarkt, die ich nur noch in Ausnahmefällen besuche.

Ich brauche Tips, wie sie früher das Radio brachte. Einen Moderator. Einen Alan Bangs, Wolfgang Neumann und ihre Redakteure. (Ok, es gibt inzwischen immerhin einen Stefan Laurin, der Neuvorstellungen bloggt.)

Da ich selbst die Zeit nicht habe, mich durch alle Neuveröffentlichungen zu wühlen, brauche ich eine Vorsortierung, deren Qualitätskriterien ich teile. Die aus der langen Liste eine kurze macht, aus der dann ich auswählen kann.

Das ist übrigens im Innovationsmanagement nicht viel anders. Die Zulieferer sind die Kreativen und stellen ihren OEMs (Auto-, Geräteherstellern) Ideen und Produktprototypen vor. Oft sagen die zuerst: Och, nee. Zu innovativ. Das kauft keiner, das ist zu sperrig, wird nicht akzeptiert, erfordert zu viele Voraussetzungen. Ähnlich wie bei neuen Stilen in der Kunst.

Dann vergeht ein bisschen Zeit. Man sieht die Ideen plötzlich woanders und denkt: Muss wohl doch was dran sein. Spinnt die Sachen ein wenig selbst weiter. Und ist am Ende überzeugt, die Idee selbst gehabt zu haben. Und fragt dann seine Zulieferer, ob sie so etwas wohl realisieren könnten....

Die Marketingstrategen kennen das inzwischen. Die Kreativen schmerzt es immer wieder. Die Ideen, mit denen der OEM zu seinem Zulieferer zurück kommt, bilden die kurze Liste. Der OEM hat quasi Redaktionsarbeit gemacht. Die langen Ideenlisten abgeklopft auf Brauchbares. Es gibt auch externe Redaktionen, die ihm dabei behilflich sein können: Marktforschungsinstitute. Aber Vorsicht: Die fragen Kunden oft auch nur nach dem, was die schon kennen. Mehr vom Gleichen. Und auf eigene Ideen kommen Kunden nun mal nicht. Sie wollen inspiriert werden.

Aus dieser kurzen Liste entstehen später Produktinnovationen, die sich in Verkaufshitparaden bewähren müssen. Hit oder Niete?

Innovationsmanagement ist wie Redaktionsarbeit

Die Empfehlungssysteme von amazon, iTunes und dem Apple Appstore entwickeln sich zur Käseglocke. Kurzfristig finde ich es gut, wenn ich zu einem Suchmuster weitere Angebote bekomme. Darunter Raritäten, die ich selbst nie finden würde.

Aber meine Suchprofile ändern sich. Bzw. sollen sich manchmal ändern, dann suche ich Inspiration. Dann weiß ich nur, dass ich nichts weiß. Genau da versagt das Profiling.

Aber auch manche realen Läden versagen. Wenn ich vor einem alphabetisch sortierten Bücherregal stehe, vergesse ich, was ich je gelesen habe. Ähnlich gehts mir bei Saturn und Mediamarkt, die ich nur noch in Ausnahmefällen besuche.

Ich brauche Tips, wie sie früher das Radio brachte. Einen Moderator. Einen Alan Bangs, Wolfgang Neumann und ihre Redakteure. (Ok, es gibt inzwischen immerhin einen Stefan Laurin, der Neuvorstellungen bloggt.)

Da ich selbst die Zeit nicht habe, mich durch alle Neuveröffentlichungen zu wühlen, brauche ich eine Vorsortierung, deren Qualitätskriterien ich teile. Die aus der langen Liste eine kurze macht, aus der dann ich auswählen kann.

Das ist übrigens im Innovationsmanagement nicht viel anders. Die Zulieferer sind die Kreativen und stellen ihren OEMs (Auto-, Geräteherstellern) Ideen und Produktprototypen vor. Oft sagen die zuerst: Och, nee. Zu innovativ. Das kauft keiner, das ist zu sperrig, wird nicht akzeptiert, erfordert zu viele Voraussetzungen. Ähnlich wie bei neuen Stilen in der Kunst.

Dann vergeht ein bisschen Zeit. Man sieht die Ideen plötzlich woanders und denkt: Muss wohl doch was dran sein. Spinnt die Sachen ein wenig selbst weiter. Und ist am Ende überzeugt, die Idee selbst gehabt zu haben. Und fragt dann seine Zulieferer, ob sie so etwas wohl realisieren könnten....

Die Marketingstrategen kennen das inzwischen. Die Kreativen schmerzt es immer wieder. Die Ideen, mit denen der OEM zu seinem Zulieferer zurück kommt, bilden die kurze Liste. Der OEM hat quasi Redaktionsarbeit gemacht. Die langen Ideenlisten abgeklopft auf Brauchbares. Es gibt auch externe Redaktionen, die ihm dabei behilflich sein können: Marktforschungsinstitute. Aber Vorsicht: Die fragen Kunden oft auch nur nach dem, was die schon kennen. Mehr vom Gleichen. Und auf eigene Ideen kommen Kunden nun mal nicht. Sie wollen inspiriert werden.

Aus dieser kurzen Liste entstehen später Produktinnovationen, die sich in Verkaufshitparaden bewähren müssen. Hit oder Niete?

Ein paar Zahlen zum Stromliefervertrag zw. RWE und Deutsche Bahn

Welche Bedeutung hat der kürzlich veröffentlichte Stromliefervertrag zwischen RWE und Deutsche Bahn. der rein mit aus Wasserkraft erzeugtem Strom erfüllt werden soll?

Von RWE veröffentlichte Zahlen zum Liefervertrag mit der Deutschen Bahn und ihren Wasserkraftwerkskapazitäten:

RWE-DB Liefervertrag
Jährliche Energielieferung: 900 GWh (Gigawattstunden) = 900 Mio kWh
Quelle: RWE AG


RWE Wasserkraftkapazitäten
In Deutschland: 1,4 Mrd kWh
Davon Laufwasserkraftwerke an Flüssen:
Mosel: 800 Mio kWh (bei 200 MW Leistung)
Ruhr: 62 Mio kWh (bei 20 MW Leistung)
Rur (Eiffel): 58 Mio kWh (bei 30 MW Leistung)
Saar: 154 Mio kWh
Sieg: 5 Mio kWh
RADAG (Hochrhein):
180 Mio kWh (bei 24 MW Leistung)
Summe: 1259 Mio kWh (1259 GWh, Die Abweichung zu obiger Zahl entsteht durch Schwankungen)) bei 274 MW mittlerer Leistung
Quelle: RWE Innogy


Erzeugungsstruktur der Bahn heute:
Wasserkraft: 1,1 TWh (1100 GWh) bei 352 MW Leistung (entspricht 10% des Bedarfs der Bahn)
Gesamt: 11.000 GWh bei 3200 MW Leistung
Quelle: Wikipedia

Ergebnisse:
1. RWE kann den Vertrag mit seiner heutigen Erzeugungsstruktur erfüllen. Dieser Strom fehlt dann natürlich für andere Zuweisungen z.B. Elektroautos. (Aber vielleicht zählt die Bahn ja bald mit zur Elektromobilität.)
2. Die Bahn verdoppelt mit dem RWE-Vertrag ihren Anteil an Strom aus Wasserkraft fast, von 10 auf 20%.

Das ist kein Pappenstiel.

Montag, 25. Juli 2011

Die Vorläufer der Reichweitenangst

Interviewte Fahrer von Elektroautos sagen meist, dass die im Verhältnis zum Verbrennungsmotor geringere Reichweite des Elektroautos im wirklichen Leben nur selten eine Rolle spielt. Die meisten Fahrten seien Kurzstrecken und in 80% der Fälle reiche die vorhandene Batterie. Deshalb sei das Elektroauto für die Stadt auch kein Zweitwagen, sondern der Erstwagen (ZDF Frontal21).

Das klingt logisch und konsequent.

Trotzdem pflegen wir "Petrolheads" unsere Reichweitenangst. Das ist die Angst liegen zu bleiben. Allein auf der Landstraße, mit leerer Batterie. Diese Angst entspringt keiner Erfahrung, außer bei denen, die schon mal mit leerem Tank liegen geblieben sind. Diese Angst ist angelesen, wie die meisten Ängste, und von der eigenen Phantasie geschürt. Und sie ist nicht der erste Fall dieser Art.

Da gab es den Moment, wo wir zum ersten mal ein Auto ohne Reserverad probefuhren. "Der hat ein Kit zum Flicken, damit schaffen Sie es bis zur nächsten Werkstatt." Oder: "Dieses Notrad spart Platz und leistet dasselbe." Und da war sie, die Angst, mit einem Platten liegen zu bleiben, und mit dem Flickkit nicht zurecht zu kommen, oder mit einem hässlichen Notrad über die Autobahn zu hinken. Und wie oft haben wir im Leben schonmal ein Reserverad gebraucht?

Noch weiter zurück reicht die Angst, dass wir nicht mit leerem Tank dumm da stehen, sondern mit vollem Darm. Davon zeugen alte, kölsche Protestsongs über umhäkelte Klopapierrollen auf der Hutablagen. Übrigens fehlt mir bis heute eine psychologische Deutungsstudie darüber, warum diese ausgerechnet für jedermann sichtbar auf der Hutablage abgelegt werden musste..

Die Reichweite kann man selbst steuern: Über den Fahrstil. Nicht erst seit Elektroautos kennen wir die Anzeige des Bordcomputers über die Restreichweite. Es ist eines der mächtigsten Instrumente im Kampf ums Energiesparen: Zu sehen, wie man durch vorausschauende Fahrweise binnen zehn oder zwanzig Minuten zehn, im weiteren Verlauf bis zu hundert Kilometer extra herausfahren kann. Noch mehr wäre drin, wenn wir intelligente Verkehrslenkungen hätten, z.B. grüne Ampelwellen. Aber so weit sind die Verkehrslplaner z.B. in Berlin noch nicht.

Die erste Verkaufsrunde wird an die Hersteller gehen, deren Elektroautos eine Antwort auf die Reichweitenangst mit eingebaut haben. Und das ist der Reichweitenverlängerer (Rangeextender) in Form eines Notstromaggregates für die Traktionsbatterie.
Der zweite Reichweitenverlängerer sitzt aber -wie gesehen- hinterm Steuer.

Die zweite Verkaufsrunde wird an die Hersteller billiger Elektroautos gehen, denn dann werden die Käufer schon gelesen haben, dass die frühen Anwender nur selten liegen geblieben sind. Dann darf die Batteriekapazität etwas geringer sein, wenn nur die Batterie deutlich billiger ist.

Die Vorläufer der Reichweitenangst

Interviewte Fahrer von Elektroautos sagen meist, dass die im Verhältnis zum Verbrennungsmotor geringere Reichweite des Elektroautos im wirklichen Leben nur selten eine Rolle spielt. Die meisten Fahrten seien Kurzstrecken und in 80% der Fälle reiche die vorhandene Batterie. Deshalb sei das Elektroauto für die Stadt auch kein Zweitwagen, sondern der Erstwagen (ZDF Frontal21).

Das klingt logisch und konsequent.

Trotzdem pflegen wir "Petrolheads" unsere Reichweitenangst. Das ist die Angst liegen zu bleiben. Allein auf der Landstraße, mit leerer Batterie. Diese Angst entspringt keiner Erfahrung, außer bei denen, die schon mal mit leerem Tank liegen geblieben sind. Diese Angst ist angelesen, wie die meisten Ängste, und von der eigenen Phantasie geschürt. Und sie ist nicht der erste Fall dieser Art.

Da gab es den Moment, wo wir zum ersten mal ein Auto ohne Reserverad probefuhren. "Der hat ein Kit zum Flicken, damit schaffen Sie es bis zur nächsten Werkstatt." Oder: "Dieses Notrad spart Platz und leistet dasselbe." Und da war sie, die Angst, mit einem Platten liegen zu bleiben, und mit dem Flickkit nicht zurecht zu kommen, oder mit einem hässlichen Notrad über die Autobahn zu hinken. Und wie oft haben wir im Leben schonmal ein Reserverad gebraucht?

Noch weiter zurück reicht die Angst, dass wir nicht mit leerem Tank dumm da stehen, sondern mit vollem Darm. Davon zeugen alte, kölsche Protestsongs über umhäkelte Klopapierrollen auf der Hutablagen. Übrigens fehlt mir bis heute eine psychologische Deutungsstudie darüber, warum diese ausgerechnet für jedermann sichtbar auf der Hutablage abgelegt werden musste..

Die Reichweite kann man selbst steuern: Über den Fahrstil. Nicht erst seit Elektroautos kennen wir die Anzeige des Bordcomputers über die Restreichweite. Es ist eines der mächtigsten Instrumente im Kampf ums Energiesparen: Zu sehen, wie man durch vorausschauende Fahrweise binnen zehn oder zwanzig Minuten zehn, im weiteren Verlauf bis zu hundert Kilometer extra herausfahren kann. Noch mehr wäre drin, wenn wir intelligente Verkehrslenkungen hätten, z.B. grüne Ampelwellen. Aber so weit sind die Verkehrslplaner z.B. in Berlin noch nicht.

Die erste Verkaufsrunde wird an die Hersteller gehen, deren Elektroautos eine Antwort auf die Reichweitenangst mit eingebaut haben. Und das ist der Reichweitenverlängerer (Rangeextender) in Form eines Notstromaggregates für die Traktionsbatterie.
Der zweite Reichweitenverlängerer sitzt aber -wie gesehen- hinterm Steuer.

Die zweite Verkaufsrunde wird an die Hersteller billiger Elektroautos gehen, denn dann werden die Käufer schon gelesen haben, dass die frühen Anwender nur selten liegen geblieben sind. Dann darf die Batteriekapazität etwas geringer sein, wenn nur die Batterie deutlich billiger ist.

Samstag, 23. Juli 2011

Web 2.0 basierte Ansätze für das Patentmanagement

An welcher Stelle spielt das Wissen der Vielen eine Rolle im Patentmanagement? Antwort: Bei der Suche nach dem Stand der Technik, genauer: bei der Neuheitsprüfung.

Das amerikanische Patentamt USPTO hat zusammen mit Sponsoren aus der IT-Industrie seit 2005 die Idee der New Yorker Professorin Beth Noveck umgesetzt, die Öffentlichkeit direkt in den Patentprüfungsprozess mit einzubinden. Unter http://peertopatent.org/ kann sich jeder anmelden, um am Peer-to-Patent teilzunehmen. Die wichtigste Aufgabe ist das Review neu eingereichter Patente, insbesondere die Suche nach Entgegenhaltungen hinsichtlich Neuheit.

Die Idee ist: Man verbessert die Qualität eines Patentes, und damit die Beständigkeit gegen spätere Nichtigkeitsklagen, wenn man im Recherche- oder Prüfprozess alle relevanten Technikstände findet. Das ist ein Gewinn für beide Seiten: Der Anmelder weiß, wenn er diesen Prozess übersteht, dann sinkt das Risiko einer späteren Anfechtungsklage. Und die Reviewer passen auf, dass ihre Erfindungen nicht noch einmal eingereicht und womöglich patentiert werden.

Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Projektes ist auch hier: Vertrauen. Der Erfinder braucht die Gewissheit, dass seine Idee nur geprüft, aber nicht gestohlen wird. Deshalb bedarf die Einbindung der Community in die Patentprüfung der Zustimmung des Anmelders.

Da das Projekt unmöglich alle Experten der abertausenden Technologiefelder kennen kann, aber die Anzahl der Experten in einem Gebiet wiederum überschaubar ist, ist seine Aufgabe, die Arbeit richtig zu organisieren. Erfindungen müssen Fachexperten finden. Dafür kann man auf das Klassifizierungssystem des geistigen Eigentums zurückgreifen.

Neue Mitglieder der Community ordnen sich also einem Fachgebiet zu und bekommen danach Offerten für die Durchsicht neuer Patentanmeldungen. Je mehr Experten mitmachen, desto eher wird der passende Experte dabei sein, der ohne langes Wühlen relevante Dokumente entgegenhalten kann.

Ein Nebenbei Effekt für die Teilnehmer ist es, stets auf dem Laufenden über Patentaktivitäten in ihrem Metier zu bleiben.

Eine gute Idee finde ich. Derzeit wird das Projekt im Rahmen eines Pilotversuchs auf Groß-Britannien ausgeweitet.

Inzwischen haben auch andere diese Idee aufgegriffen und für andere Zwecke weiterentwickelt. Article One setzt im Lebenszyklus der erteilten Patente später an: Sie begegnen Klägern auf Patentverletzung indem sie die Community aufrufen, denjenigen Stand der Technik zu suchen und einzureichen, die der Erteilung des verletzten Patentes schon bei dessen Erteilung hätten entgegen stehen müssen - aber vom Patentamt nicht recherchiert wurden. Aktuelles und prominentes Beisiel ist der Entwickler des Smartphonespiels Angry Birds. Er wird von dem Patentverwerter Lodsys der Patentverletzung angeklagt. Article One sucht nun "Munition" um die Patente des Verwerters zu Fall zu bringen. Wer etwas hat, kann sich hier melden: Link

Mitmachinternet basierte Ansätze im Patentmanagement

An welcher Stelle spielt das Wissen der Vielen eine Rolle im Patentmanagement? Antwort: Bei der Suche nach dem Stand der Technik, genauer: bei der Neuheitsprüfung.

Das amerikanische Patentamt USPTO hat zusammen mit Sponsoren aus der IT-Industrie seit 2005 die Idee der New Yorker Professorin Beth Noveck umgesetzt, die Öffentlichkeit direkt in den Patentprüfungsprozess mit einzubinden. Unter http://peertopatent.org/ kann sich jeder anmelden, um am Peer-to-Patent teilzunehmen. Die wichtigste Aufgabe ist das Review neu eingereichter Patente, insbesondere die Suche nach Entgegenhaltungen hinsichtlich Neuheit.

Die Idee ist: Man verbessert die Qualität eines Patentes, und damit die Beständigkeit gegen spätere Nichtigkeitsklagen, wenn man im Recherche- oder Prüfprozess alle relevanten Technikstände findet. Das ist ein Gewinn für beide Seiten: Der Anmelder weiß, wenn er diesen Prozess übersteht, dann sinkt das Risiko einer späteren Anfechtungsklage. Und die Reviewer passen auf, dass ihre Erfindungen nicht noch einmal eingereicht und womöglich patentiert werden.

Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Projektes ist auch hier: Vertrauen. Der Erfinder braucht die Gewissheit, dass seine Idee nur geprüft, aber nicht gestohlen wird. Deshalb bedarf die Einbindung der Community in die Patentprüfung der Zustimmung des Anmelders.

Da das Projekt unmöglich alle Experten der abertausenden Technologiefelder kennen kann, aber die Anzahl der Experten in einem Gebiet wiederum überschaubar ist, ist seine Aufgabe, die Arbeit richtig zu organisieren. Erfindungen müssen Fachexperten finden. Dafür kann man auf das Klassifizierungssystem des geistigen Eigentums zurückgreifen.

Neue Mitglieder der Community ordnen sich also einem Fachgebiet zu und bekommen danach Offerten für die Durchsicht neuer Patentanmeldungen. Je mehr Experten mitmachen, desto eher wird der passende Experte dabei sein, der ohne langes Wühlen relevante Dokumente entgegenhalten kann.

Ein Nebenbei Effekt für die Teilnehmer ist es, stets auf dem Laufenden über Patentaktivitäten in ihrem Metier zu bleiben.

Eine gute Idee finde ich. Derzeit wird das Projekt im Rahmen eines Pilotversuchs auf Groß-Britannien ausgeweitet.


Inzwischen haben auch andere diese Idee aufgegriffen und für andere Zwecke weiterentwickelt. Article One setzt im Lebenszyklus der erteilten Patente später an: Sie begegnen Klägern auf Patentverletzung indem sie die Community aufrufen, denjenigen Stand der Technik zu suchen und einzureichen, die der Erteilung des verletzten Patentes schon bei dessen Erteilung hätten entgegen stehen müssen - aber vom Patentamt nicht recherchiert wurden. Aktuelles und prominentes Beisiel ist der Entwickler des Smartphonespiels Angry Birds. Er wird von dem Patentverwerter Lodsys der Patentverletzung angeklagt. Article One sucht nun "Munition" um die Patente des Verwerters zu Fall zu bringen. Wer etwas hat, kann sich hier melden: Link