Sonntag, 23. Juni 2019

"Teilen"

Die GroKo tut Deutschland nicht gut. Ich zum Beispiel merke das am Verlust meiner politischen Sprache. Ich kann denken, was mich an der GroKo aufregt. Aber ich habe inzwischen so viele Scheren im Kopf, dass ich es kaum aussprechen kann. Also eigentlich könnte ich es aussprechen, aber nicht wenn Sie dabei sind. Ich kenne Sie ja nicht, und ich weiß nicht, wie Sie denken. Ob Sie mein Problem auch kennen - oder wie man heute sagt: "teilen".

"Teilen" ist so ein Modebegriff geworden, an dem kann man die ganze GroKo aufwickeln. Teilen klingt nach "teil mit deinem Bruder", klingt nach bravem Verhalten. Klingt auch nach christlichem Verhalten, St. Martin teilte ja seinen Mantel. Es klingt also nach moralischem Verhalten, wenn ich etwas "teile". Klingt, als würde ich etwas abgeben von dem was ich habe und anschließend davon selbst weniger haben. Darin lag doch immer das Gute, das Moralische nicht wahr? Weil es selbstlos ist.

Aber es ist nicht das, was die neuen Generationen - wie heißen die jetzt: Y oder schon Z? - darunter verstehen.
Die mögen schon das Moralische am "Teilen", ja. Genauer: Sie mögen es, für moralisch gehalten zu werden, wenn sie sagen "ich teile". Deshalb haben es inzwischen auch die Politiker aufgegriffen, die diese Generation wählt. Frau Göring-Eckardt und Frau Baerbock, die teilen auch sehr viel.

Das Problem ist: Sie teilen gar nich im christlichen Sinne. Sie teilen am liebsten, was sie gar nicht besitzen  z. B. die Gehälter anderer Leute. Oder unsere Kultur. Oder "unseren Wohlstand". Auf Wahlplakaten in Kreuzberg werben die Grünen immer mit Plakaten, die aussehen, als hätten sie Kinder gemalt. Kinder in einem Kinderladen. Beaufsichtigt von einer Latzhose. Kinder, schön teilen. Und diese Kitaelternattitüde ist es ja, die hier mitschwingt und die wiedererkannt werden soll.

Teilen ist so magisch. Jesus teilte die Fische, die gar nicht alle wurden. Und Annalena Baerbock teilt den Strom aus dem Blockheizkraftwerk an der polnisch-deutschen Grenze. Der Strom wird ja auch nicht alle, sagt Frau Baerbock - so wie die Fische bei Jesus. Wer "teilt" muss nichts beweisen. Muss auch keine Ahnung haben. Und auch nichts zum teilen. Denn es sind hier nicht die Teilenden, die etwas abgeben.

Vor ein paar Jahren haben die Millenials am liebsten digitale Musik "geteilt". Da waren sie weder Autor noch Komponist. Aber sie "teilten" die Musik mit ihren Freunden. Wir sagten früher verleihen, wenn wir uns eine Platte gekauft hatten und ein Freund eine andere, die wir auch gut fanden und dann haben wir sie anschließend einander geliehen. Auf die Idee, das moralisch aufzuwerten, indem wir es "teilen" nennen, kamen wir nicht. 

In den sozialen Netzen teilen Teilende gerne ihre Gedanken. "Teilen" ist hier ein Synonym für "Aufdrängen". So wie ich jetzt hier gerade Euch meine "Gedanken" aufdränge, nein: mit Euch teile. In den beruflichen Netzwerken posten die Postenden gerne Links zu Beiträgen von anderen. Und kriegen prompt Antworten wie: "Danke fürs Teilen!". Or in English: "Thanks for sharing!".

Fazit: "Teilen" steht für das Primat unserer Zeit: die Doppelmoral. 

Wie war ich darauf gekommen? Ach ja, Verlust meiner Sprache. 

Mehr denn je müssen wir darauf achten, welche oder wessen Sprache wir konsumieren oder gar inhalieren. Man läuft heute leicht Gefahr, sich intellektuell sehr einseitig zu ernähren. Mir ist das jetzt auch bewusst geworden. Ich habe nur noch Zeitungen und Blogs über das Zeitgeschehen gelesen. Wenn ich einen Roman pro Jahr schaffe und wirklich zu Ende, dann war das viel in den letzten Jahren. Und obwohl ich so viel Aktuelles lese, verliere ich die Sprache dafür zu sagen, was ich eigentlich meine ohne das Risiko irgendwo in einer Schublade zu landen.

Ich weiß im Innern, dass meine Sicht, meine Perspektive und meine Meinung, die von meinen Interessen herrührt, berechtigt ist. Aber wie sagen?

Im vorigen Jahrzehnt, mit September 11, George W. Bush und so weiter da habe ich dicke Romane von amerikanischen Autoren gelesen. Jonathan Franzen, Siri Hustvedt, Paul Austen, Euginidis usw. Und amerikanische und europäische Intellektuelle, die hart Stellung gegen Bush, Schröder und Blair bezogen. Sie alle bereicherten nicht nur meinen Horizont sondern auch meinen Sprachraum. 

Die Lösung ist also, mir wieder mehr Zeit für Offline Lektüre zu reservieren und Bücher nicht nur zu kaufen - sondern auch lesen - am Stück und zu Ende.

Mir ist bewusst geworden, wie wichtig Literatur und ihre Lektüre sind. Die eigenen Gedanken werden ohne sie Gefangene, die den Kopf nicht mehr verlassen.

Samstag, 11. Mai 2019

Freie Fahrt ins Wochenende


Wie der April hat auch der Mai mehrere Gesichter, denke ich, als ich im ICE nach Hause ins Wochenende fahre. Der Frühling ist Erwachen, das blühende pralle Leben. Aber das Erwachen aus dem Winter (dem Tod) hat auch etwas Sakrales, dessen Seite wir an Ostern ausleben. Dementsprechend gemixt ist mein iPod im April. Er reicht von den Bach Passionen über Talks Talk's "Color of Spring" rüber zum pinkfarbenen "A New Flame" von Simply Red. Die allererste Frühlingsphase im März ist bei mir dominiert von Simple Minds Aufnahmen, die irgendwie Aufbruchstimmung transportieren ("Real Life", Street Fighting Years" und "Sparkles in the Rain").

Ich glaube ich muss nicht erklären, warum ich gerade den Frühling mit sehr viel Musik verbinde, die mir die eine oder andere schöne Erinnerungen zurückbringt..


Und auch mein jetziges Leben, in dem ich schon länger lebe, ist mit viel Frühlingsmusik verbunden. Aber hier ist es eher die Hintergrundmusik zur Gartenarbeit am Wochenende. Hier stehen in der Playlist Stücke wie "An einem Tag im Frühling", "Junger Mann im Frühling", "Ein neuer Frühling wird in die Heimat kommen" und natürlich die Mitsingstücke vom "Weißen Rössl" und Peter Alexander ("Frühling in Wien"). Dazu Max Rabe's "Veronika" und Big Band Stücke wie "Bobby back einen Kuchen" und vieles mehr vom RIAS Tanzorchester und Werner Müller.

Ja ich weiß, das klingt voll Nazi. Jedenfalls für Leute, die auch die Architektur des Tempelhofes Flughafens für Naziarchitektur halten. Sie haben es im Fernsehen gesehen oder auf Twitter gelesen oder auf der YouTube Universität gelernt..

Apropos Twitter und Bildung und so: Ich bin -um es mit Herwig Mitteregger zu sagen:- "raus, jetzt steh' ich hier." Wie ich das geschafft habe? Ich hatte eine Meldung über US Flugzeugträger und Iran mit einem Goethezitat kommentiert. Gut, ich hatte es etwas -aber nur etwas- variiert, so das klar wurde auf welche groben Klötze grobe Keile gehören. Aber woher sollen ein abgebrochener arbeitsloser Antifaaktivist und ein Zeitarbeiter im Twitter Löschzentrum wissen, wer Goethe war?



Aber das alles wollte ich gar nicht erzählen. Die gewonnene Zeit nutzte ich gestern dazu, mal wieder die Elbe-Überfahrt mitzubekommen. Denn egal welches Wetter herrscht, das Licht über der Elbe ist immer speziell. Es wirkt immer wie eine gemalte Flusslandschaft. Ich glaube, es ist das umbegradigte Sandufer, das mich das assoziieren lässt. Auch quere ich sie im Zug ja stets bei Sonnenauf- oder Untergang. Vielleicht ist es dann bei jedem Fluss so. Jedenfalls bedauere ich jedesmal, jetzt meine Kamera nicht dabei zu haben. Und mit dem iPhone wird es mehr ein Schnappschuss.



Der Mai beginnt ja schon zwiespältig, jedenfalls für Großstadtbewohner. Man trinkt Maibowle, tanzt um den Maibaum in den Mai. Und am nächsten Tag hofft man, dass man verschont bleibt. Wenn das arbeitsscheue linke Gesinde den Tag der Arbeit (!) begeht. Die Natur bricht aus, üppig blühen jetzt auch die Bäume. Und es ist herrlich, wieder draußen sitzen oder im Garten werkeln zu können.

Oder am Auto. Saugen, pflegen, Füllstände. Ich bin ein Spießer vor dem Herrn, ich kümmere mich um meine Sachen. Die aussterbende Gattung, die Besitz nicht scheut nur weil er mit Verantwortung verbunden ist.

Der Mai ist heuer kühler als der April. Aber immerhin bringt er auch Regen. Und die klimabesorgten Stimmen verstummen plötzlich. So hört man endlich wieder das Summen der Bienen und Brummer.

Nach getaner Arbeit dann den Grill an und Radio. Wenigstens die letzten beiden Spieltage sind nicht zerpflückt sondern finden an einem Tag statt. Fußball-Dauerkonferenz. Die beste Sendung im RBB Inforadio ist die mit Guido Ringel, dem leidenden Herthafan, der seine Verzweiflung so schön verbergen kann. Seit den Zeiten von Kurt Brumme und Co. ist diese Studiobesetzung die beste, die ich kenne.

So fliegt der Samstagnachmittag vorbei. Mein spießiger Samstagnachmittag.

Was wollte ich eigentlich erzählen? Ich hab es vergessen...

Dienstag, 30. April 2019

Aufgeblasene Organisationen

Bevor die Künstliche Intelligenz in Deutschland irgendwelche Arbeitsplätze für Menschen ersetzt wird eine andere Welle durch unser Land rollen. Und die heißt "Smart + Leon" - so nenne ich sie mal.

Fangen wir in Berlin an. Nicht bei den Digital Labs und Startups. Sondern in der Bundesverwaltung. Die Bundesregierung profitiert seit Jahren von Rekordsteuereinnahmen und verplempert sie. Anstatt ihre Pflichten zu erfüllen um den Laden am Laufen zu halten und die Einnahmen von morgen zu sichern, verschleudert sie die Milliarden an ihre Günstlinge. Abwechselnd bedient sie "neue" Wählergruppen und Parteimitglieder.

Es werden Behörden gegründet, was das Zeug hält. Und da man leicht den Überblick über das Bundesdickicht verlieren kann, gründen die Minister auch Behörden, die den Zweck haben, andere Behörden zu "koordinieren". Ich kannte das vor 15 in der Landesverwaltung von Berlin/Brandenburg. Gründernetzwerke und so. Dauernd gründete sich irgendwo ein "Netzwerk", und lud zu Häppchen in einer IHK oder sonstigen öffentlichen Einrichtung ein. Gerechtfertigt wurden diese Ausgaben immer damit, dass man junge Unternehmen zusammenbringe und über Fördermöglichkeiten informieren wolle. Also, man stellte nicht nur Mittel in den Haushalt, die an Unternehmen als Kredite oder Coförderung weitergereicht werden sollten. Sie waren obendrein so komplex und bedingt, dass man zusätzlich einen Berater brauchte, der es ihnen erklärte. Und da das immer noch nicht funktionierte, machte man zusätzlich "Events". So belohnt sich die Verwaltung für ihre eigenes Versagen und das ihrer Regierung. Sylvana Koch-Mehrin hatte eine Beratung für EU-Förderung, in der sie ihr Wissen über den EU Förderdschungel einer Zweitverwertung zuführte.

Kein Mensch braucht Wirtschaftsförderungsgesellschaften etc. außer um als Standort um ansiedlungswillige Unternehmen zu werben. Das wiederum war den Angestellten von Berlin Partner und Invest-in-Brandenburg meist zu mühselig. Wowereit und Strauch kokettierten im kleinen Kreis stets damit, dass sie von Wirtschaft nüscht verstünden, aber das sei auch nicht nötig, denn man renne ihnen die Türe ohnehin ein.

Aber jetzt bin ich abgerutscht. Halten wir fest: Diesen sich selbst unterhaltenden Zirkus braucht kein Mensch.

Aber auch in den großen Verwaltungen der Aktiengesellschaften könnte es demnächst merklich schlanker zugehen. Zum Beispiel in der technischen Entwicklung.

Die Vorstellung, dass ein Autohersteller tausende von Leuten braucht, um zu beschreiben, was entwickelt werden soll, und um zu testen ob es funktioniert, ist falsch. Aber sie ist auch Realität. Zu erkennen an den in der Vergangenheit gewachsenen Koordinatorstellen. Unnötige Produktkomplexität (insbesondere die Disziplinlosigkeit bei der Vermeidung von Varianten) in Kombination mit dem Need-to-know-Prinzip ("Wir sagen dir nur, was du wissen musst.") schafft schnell Bedarf an Koordinatoren, die den Wasserkopf durchblicken sollen. Und für alles, was man schafft, braucht man irgendwann noch mehr Infrastruktur. Abteilungen, Leitende, Budgets.

Die Unterabteilungs- und Abteilungsleiter werden sich aber noch wundern, mit wie wenig Leuten die Entwicklung von Plattformen für autonomes Fahren und Infotainment im Kern braucht. Man braucht nach wie vor die Verantwortlichen die Design, Funktionen und innere Struktur vorgeben. Und man braucht die Codierter. Aber die Umwandlung des Quellendes in Objektcode, das Flachen auf die Platine und die Tests kann man automatisieren.

Aber wie gesagt: Es braucht Disziplin, Entscheidungsfreude und -sicherheit. Komplexität entsteht auch durch "Im Zweifel machen wir beides", wenn der Entscheidet nicht mehr versteht, was er entscheiden soll.

Ich bin z. B. ein Befürworter davon, Bluetooth rauszuschmeißen, wenn wir WLAN im Auto bekommen. Zuhause brauchen wir kein Bluetooth um zu telefonieren oder Musik zu hören, weil wir WLAN haben. Es ist zudem breitbanniger. Und es verbindet bekannte Geräte automatisch. Sollen Kunden ihr Smartphone (oder Smart Glass) im Auto 2x anmelden?

Ich hörte 10 Gründe, es drin zu lassen. "Oder wenigstens dieses eine mal noch drin zu lassen." Weil der Kunde es so wolle. Na klar. So wie 2008: "Unsere Kunden googeln nicht."

Aber auch in der Unternehmens-IT brauchen wir weniger Leute. Dafür mehr Kompetenz. Gott sei Dank sind diese alten SAP-Projektschlachten vorbei. Wo sich IBM und wie sie alle hießen mit ungelernten SAP "Fachberatern" ins Renne warfen und es dann nicht hinbekamen. Und dann "Schnellboote" gründeten..

Ich prognostiziere einen Personalabbau in der technischen Entwicklung von Autoherstellern von mind. 50% in den nächsten 10 Jahren allein aufgrund des beschriebenen Effekts und er Softwareentwicklung. Dazu kommen die Vereinfachungen im Antrieb, vor dem die süddeutsche Metallindustrie schon zittert.

Neue Arbeitsplätze entstehen beim Autohersteller, aber auch in der neuen Peripherie des Autos. Backendfunktionen und vor allem Datenmanagement für Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsteilnehmer.

Auch die Mentalität von Leitenden, ihre Motivation, muss sich ändern. Kopfzahlen können nicht länger das Ziel eines Leitenden sein. Sondern er sollte auf Ergebnisse verpflichtet werden und Potenziale ausschöpfen. Ich habe Zweifel, dass alle gegenwärtigen Leitenden das können oder wollen.


Freitag, 26. April 2019

Von Schnellbooten, Tankern und Bohrinseln

Großunternehmen stehen sich hauptsächlich selbst im Weg. Sie haben alles, was es braucht. Aber auch alles was es zur Verzögerung, Verschleppung, Verlangsamung braucht. Was wir beim Verbrennungsmotor akzeptieren, eine Mindestdrehzahl (Leerlaufdrehzahl n0) damit er nicht abstirbt, das akzeptieren wir bei den menschlichen Antrieben nicht: eine Mindestfortschrittsgeschwindigkeit, unterhalb der man vergisst, worauf man eigentlich hinauswollte und mental abzusterben droht.

Aus dem Schnellboot kommend, baue ich nun Verbindungen zum Tanker auf. Das Schnellboot soll den Tanker ziehen. Eine aberwitzige Vorstellung. Noch aberwitziger, wenn man feststellt, dass der Tanker ja eine Bohrinsel ist, die mit n=0 Ebbe und Flut standzuhalten sucht. D. h. was wir eigentlich tun ist, erstmal aufzudecken, wo die Bohrinsel überall im Meeresboden verankert ist. Danach planen, wie wir sie bewegungsfähig machen und dann die Verankerungen lösen.

Gott sei Dank treffe ich überall auch Gleichgesinnte. Die mit anpacken, um die Bohrinsel zu verrücken. Aber wir fragen uns, ob diese Dauerkraftanstrengung ins Ziel führen kann. Denn n=0 ist wirklich fundamental angelegt. Wo immer Du ein Seil vertäust, um an einer vermeintlich empfindlichen Stelle zu ruckeln, da tauschst Du Dich. Auch diese wunden Punkte sind gut geschützt. Diese Leute haben viel Zeit und tun den ganzen Tag eigentlich nichts anderes, als die Bohrinsel noch fester zu verankern.

Kann es sein, dass es erst noch schlimmer werden muss? Dass der Stillstand von den Aufständischen ganz oben bewusst, aber taktisch unterstützt wird, um es ins Absurde zu führen? Um bei aufgestauten Drehmoment plötzlich die Anker zu lichten und nach vorne zu schnellen?

Wir haben so viele lähmende mittlere Manager zu viel an Bord, die nach Kräften bremsen. Die "den Ball so weit werfen können, dass Ihr den nicht mehr findet."

Beispiele (die harmlosesten):
Wo wir im Digital Lab ein Wiki hatten, um Wissen aufzubauen, Protokolle, Aufgabenlisten, Spezifikationen zu beschreiben, da haben wir hier deren drei. Die Stärke eines Wiki wie Confluence ist, über Entwürfe zu diskutieren, sie im Termin gemeinsam zu editieren, und das was wir dann stehen lassen, das ist die Endversion. Fragen zu beantworten, Gegenvorschläge als Versionen zu handhaben. Offene Aufgaben im Blick zu halten und termingerecht zu erinnern. Und beschlossene Regeln und Spezifikationen als "publiziert" zu handhaben. Ein Leben ohne MS Office und Outlook ist nicht nur möglich, sondern besser.
Unser IT-Management der Bohrinsel geht da auf Nummer sicher. Und teilt (und beherrscht) das Wiki in seine Bestandteile auf, bietet drei "kollaborative Werkzeuge" an und organisiert die typische Bürokratie drumherum: "Owner", Budgetverantwortliche, Administratoren etc. Ich warte bis heute auf die Freischaltung in meinem eigenen Wiki, in dem wir beschlossene Inhalte publizieren. Teile und herrsche, entschärfe die Synergien und die Selbstermächtigung des Volkes.

Außerdem wird jede Rolle, die in agilen Vorgehensweisen ermächtigt und befähigt ist, Entscheidungen im Rahmen zu treffen, gesplittet. Wo man im "Lab" genug weiß, um hier und jetzt beschließen zu können, da rennt man auf der Bohrinsel eine Woche durch Gremien. Gremien, von denen keiner mehr weiß, wozu sie gegründet wurden. Wo sich fast die gleichen Leute treffen, um sich in hintereinander liegenden Sitzungen -mal Arbeitsebene, mal strategische Ebene- die gleichen Dinge vorzutragen. Und weil das so langweilig ist, entsenden immer mehr Teilnehmer ihre Vertretungen, die aber weder mandatiert sind noch Informationen haben. Vertane Zeit.

Es wird umorganisiert, und man versteht nicht, wozu. Hauptabteilungsleiter, die schon lange keine Fortbildung mehr gemacht haben, hören sich Product Owner und etliche weitere (künstliche) Funktionäre an, um über Budgets und "Building Blocks" zu entscheiden. Sie nicken, sagen nichts. Einer fragt, keiner weiß, also delegiert an die "Experten". Vertagt, Woche verloren.

Dann der Höhepunkt der Woche. Eine Belehrung über korrektes Benehmen (Compliance). Warum wir uns an Anstand und Gesetz halten sollen. Warum wir kein Altöl ins Abwasser kippen sollen (wert tut sowas in der Softwarewelt?). Junge, erfahrungslose, aber moralisch auf Ballhöhe befindliche und mit der heute so gängigen Doppelgesichtigkeit aus jugendlicher Weltoffenheit und listigem Hinterhalt, erklären uns, was wir zu tun und zu lassen haben. Weder nennen sie den Anlass, noch die eigentlichen Adressaten. Da steht ein Elefant im Raum, keiner benennt ihn. Alle wollen es schnell hinter sich bringen, deshalb fragt keiner nach. Ich ja auch nicht. (Aber ich erkenne das Muster wieder: Nach den Steuerhinterziehungen, all den "Papers", hoben Juncker und Steinbrück irgendwann das Bankgeheimnis auf - für uns Otto Normalos. Genauso wird jetzt so getan, als hätten Monteure, die zu früh nach Hause gehen und unterwegs Altöl wegkippen, das Unternehmen in die Krise gestürzt.)

Krass auch der Kontrast zu den anderen "Labs", die im großen Dauerwerbeintranet gelegentlich publizieren. Sie gehen ganz anders vor als wir es taten. Ich will uns nicht belobhudeln. Aber bei uns erinnerte nichts an Kindergarten. Wir hatten einen guten Mix aus Lebenserfahrung, beruflicher Erfahrung und aktuellem Wissen. Wir delegierten, kamen aber auch wöchentlich zusammen. Fast nichts delegierten wir zurück an den Tanker. Wir trauten uns selbst.

Hier nun mutet es mich so an, als wisse man lediglich, dass man "irgendwas tun müsse" und dass es mit knappen Fachkräften zu tun hat, die man unbedingt halten muss. Aber weder weiß man, wie man sie steuern muss, noch traut man sich, sie sich selbst steuern zu lassen. Ein El Dorado für Schauspieler.

Aber all das wusste ich vorher. Deshalb bin ich nur über das Ausmaß überrascht. Ich weiß um Pläne, wie man die Lähmschicht loswerden will. Aber die schleppt sich Runde um Runde über die Zeit. Die lokale, ja persönliche Optimierung steht immer noch über allem.

Ich muss an Gorbatschow denken. Der stürzte als "System Owner" seine Domänen Owner ins Unglück, in dem er Verantwortung an sie delegierte. Viele -wie Honnecker- wiesen die Eigenverantwortung empört zurück. Andere, wie Havel und Orban griffen zu. Die aufgestaute Lawine kam schnell ins rutschen und war bald nicht mehr aufzuhalten.

Voranschreiten, helfen, auf Gelegenheiten achten, gemeinsam vorzugehen, das ist mein innerer Modus. Mein direktes Umfeld ist in Ordnung. So werde ich durchhalten. Mein Akku ist immer noch voll. Mein Kompass ist kein reines Konzept mehr, sondern ein verinnerlichter Kompass, der -egal wo die Mächte den geographischen Nordpol hinlegen- sich immer nach dem Magnetfeld richtet. Mein Kompass funktioniert auch im Dunkeln.

Dienstag, 16. April 2019

Die "schwarze Sonne"

Jeder hatte ja so seine eigene, aber gelenkte, Vorstellung von schwarzen Löchern. Meine entstand Ende der 70er, als ich "Mondbasis Alpha1" schaute:



Faszinierend.

Und jetzt haben wir ein echtes Foto von einem. Erstaunlich, zu was wir heute in der Lage sind.



Die Bestätigung einer hundert Jahre alten Theorie.

Wir sollten lernen, diese Beweglichkeit von Raum und Zeit in unser alltägliches Weltbild einzubauen.  Es gibt so etwas wie "Ereignishorizonte", die Welten trennen. Es gibt Singularitäten, in denen alles auf die Spitze getrieben ist.

"Wann stürzen wir in das schwarze Loch unserer Galaxie?" fragte eine Moderatorin von Bayern 2. "Keine Sorge. Zum Glück gibt es die Mechanik der stabilen Kreisbahn, so wie unsere um die Sonne."

Die Linken machten nur Witzchen über das Foto. Weder sahen sie etwas Besonderes darin, noch brachte es sie irgendwie zum Nachdenken.

Mittwoch, 10. April 2019

vorRWEggehen

Rückblickend kann man sagen: RWE hat den Wahnsinn Energiewende selbst mit entfacht. Mit ihren eigenen Werbespots:



Als Ingenieur denke ich bei solchen Aussagen immer: Habe ich in den letzten Wochen etwas verpasst? Das geht doch gar nicht. 100% Stromversorgung mit Erneuerbaren. Man weiß, dass es nicht geht - aber das Versprechen ist doch so (nein: sooo) verlockend. Und die Deutschen hören Märchen sooo gerne.

Rotgrüne Funktionäre kommen aktuell wieder sehr aggressiv daher. Hofreiter fordert "Verbot" (was denn sonst, Verbotspartei?) von Diesel und Benziner. Habeck findet Enteignungen "notfalls ok". Und Baerbock erzählt am liebsten Märchen vom Strom speichernden Netz.

Wo sich Dummheit mit Dreistigkeit paart, da wächst Totalitarismus. Siehe islamische Staaten. Da wird Bildung unterdrückt, Leute in Unmündigkeit gehalten und den ganzen Tag mit Koranritualen beschäftigt. Da entsteht nichts, was die Menschheit weiterbringen könnte. Man sitzt auf Öl, züchtet Ziegen, züchtigt die Frau. Wenn es irgendwo etwas zu holen gibt, dann wandern sie da ganz gerne ein. Und wenn jemand bei ihnen einwandert und die Wüste zum blühen bringt, werden sie rasend vor Neid und Hass. Israel erlebt das tagtäglich.

Natürlich finde ich die Vorstellung auch extrem verlockend, wenn der Verkehr in Berlin Mitte schon bald leise und abgasfrei würde. Und für Fahrten innerhalb von Berlin nutze ich fast ausschließlich S-Bahn und BVG. obwohl der rotgrüne Senat derzeit alles unternimmt beide lahm zu legen.

Denn das kommt auch noch dazu. Sie sind dumm, dreist und machen alles kaputt. Sie sichern sich selbst vor den Folgen ihrer Unfähigkeit ab, in dem sie öffentliche Dienste bevorzugen. Und dann erklären sie uns pendelnden Steuerzahlern den Bürgerkrieg und werfen uns Baustellen, Schienenersatzverkehre, Zugausfälle vor die Füße, wo immer sie können.

Zurück zu RWE. Als ich dort nach meinem Studium einstieg, regierten dort die Controller. Ähnlich wie später bei der Bahn, gingen Betriebswirte durch die Gänge und strichen den Ingenieuren die Budgets für Infrastruktur zusammen. Sie bezeichneten uns hinter vorgehaltener Hand als "Hochspannungsaffen". Die Dummen fühlen sich den Klugen immer überlegen. Denn -um Dieter Bohlen zu zitieren- die Dummen wissen nicht, dass sie dumm sind..

Heute haben die Blockparteien CDUSPDGRÜNE die BWLer abgelöst.

Dienstag, 9. April 2019

Die Bedeutung der System Architekten

Eine der wichtigsten Erkenntnisse meiner Jahre in Labs und Beratung war die Bedeutung der System Architekten in Softwareprojekten.

Davor waren IT-Architekten für mich als Fachprojektleiter oder Product Owner eher eine Hürde, die ich nehmen musste. Man buchte gemäß Projektplan eine Besprechung mit ihm und nahm seinen IT-Projektleiter und den Senior Entwickler aus dem Team mit. Man präsentierte sein Vorhaben und Implementierungsvorschlag. Dann nickte der Architekt oder schüttelte den Kopf - und legte ein oder zwei Implementierungsalternativen fest. Das war es dann. Man hatte gewonnen oder verloren und ging wieder und setzte seine Vorgabe um. Einen Nutzen sah ich in diesem Termin früher nie.

Inzwischen sehe ich das komplett anders.

Der System Architekt ist der ideale Sparringspartner für den (System) Product Owner für die Aufdeckung technischer Abhängigkeiten und Risiken. Ich saß als System Product Owner in einem Großprojekt mit dem System Architekten im gleichen Büro. Wir waren täglich in einem Dialog über die Zusammenhänge von Systemverhalten (funktionale Anforderungen) und der dafür nötigen Struktur (Architektur). Er lernte von mir, welches Systemverhalten ich morgen sehen wollte gemeinsam leiteten wir -zusammen mit den Subarchitekten und Product Ownern der Featureteams die nötigen Systemfähigkeiten ab. Der System Architekt leitete daraus dann eine übergeordnete System Architektur ab, bzw. erweiterte oder aktualisierte diese. Wöchentlich reviewte er mit den Subarchitekten deren Implementierungsvorschläge.

Die Architektur war DER Bezugspunkt, auf den sich alle Entwickler beziehen mussten. Für mich war die Systemarchitektur die Randbedingung, die ich akzeptierte, weil ich aus der Abstimmung darüber wusste, dass sie meine hochpriorisierten Anforderungen unterstützen würde.

Auch dritte Parteien, die die von uns entwickelten Services und Komponenten später nutzen würden, konnten sich früh auf die dokumentierte Architektur ausrichten.

Die beiden Rollen -Architekt und Product Owner- sind wie Gas und Bremse. Der eine sorgt für Traktion, der andere dafür, dass wir nicht aus der Kurve fliegen.

Dienstag, 2. April 2019

Der beste Aprilscherz kam vom Staatssekretär Umwelt

Jochen Flasbarth hat Politologie studiert und ging danach zum NABU. Über Wuppertalinstitut und ZDF Beirat schaffte er es als Staatssekretär ins Bundesumweltministerium. Dort erfand er die elektrische Energieversorgung von Grund auf neu. Z. B. gibt es künftig keine Grundlast mehr. Sondern Speicher und "Lastmanagement" - so nenne man künftig sicher die Lastabwürfe oder Blackouts wenn weder die Sonne scheint noch ein Wind weht...


Hier geht es zum Lebenslauf des deutschen Erfinders aus der Bundesverwaltung:
Lebenslauf Jochen Flasbarth

Montag, 1. April 2019

Crash der Unternehmenskulturen

Es war nicht mein Plan. Aber was kann man schon planen? Es gab die Gelegenheit, die Punkte zu verbinden, wie das bei Plattformen so ist.  Ich bin zurück aus dem "Digital Lab" beim Hersteller. Zurück in der großen Struktur, im Gesamtprodukt, in das alle Zulieferungen enden sollen.

Perspektivwechsel - ich sagte es- erweitern den Horizont ungemein. Ich habe die Scaled Agile Vorgehensweise nun intus und merke, wie überholt doch die alten Organisationsformen sind. Wofür nur in alles in der Welt brauchen wir so viele untere und mittlere Leitende?

Es dauerte Tage bis ich Zugriff auf alle Systeme hatte, die ich brauche. Und es werden täglich mehr Ordner mit MS Office Dokumenten, die ich kennen soll, aber deren Zugriff mir man verweigert. Abteilungsleiterrituale aus der alten "Wissen-ist-Macht"-Welt.

Wikis haben wir hier auch. Aber auch diese werden gemanagt wie "finalisierte" Management"vorlagen". D. h. wir können hier nichts gemeinsam entwickeln. Man muss irgendwo Entwürfe im Dokumentenmanagement ablegen, die Zugriffe verwalten und dann mit anderen in Versionen besprechen, wo wir hinwollen. Und es dann ins Wiki kopieren.

Für die Diskussion über die Wikiseite oder Fragen+Antworten haben wir dann wieder etwas anderes. Usw.

Ich war ja nur drei Jahre weg. Aber es kommt mir vor wie ein Flashback ins vorige Jahrhundert. Zum Glück gibt es auch viele Gleichgesinnte und wir werden uns schon irgendwie durchkämpfen. Mein Akku ist jedenfalls voll.

Gewachsene Hauptabteilungsleiter leiten "Task Forces" und "Steuerkreise". Nicken viel, kommentieren manches, fragen wenig. Nach der Sitzung dann widerrufen sie ihre Beschlüsse, die sie in der Sitzung nicht verstanden hatten. Was machen wir mit denen? Sie umerziehen?

Nein, die müssen weg.

Aber auch auf der anderen Seite Extrema. Videos von anderen "Labs", die mich wie Kindergarten anmuten. Endzwanzigerinnen, die jede Menge Events erfinden, um die "Happiness" der Entwickler zu erhalten. Wären nicht Selbstverantwortung und Sinngebung die viel besseren Motivationen? Nein, hier bevorzugt man eine Mischung aus "Wir haben hier das Topmanagement mit im Lab." und weil die dann wieder alles bremsen "motivieren wir uns morgens beim gemeinsamen Frühstück".

Außenstehende könnte die Gesamtschau wie eine komische Oper anmuten. Mich hätte so etwas früher aufgeregt. Inzwischen amüsiert es mich.

Und beiden, der Managementlähmschicht und dem Kindergarten, wird es schon bald anders gehen. Wir kommen gerade aus der unbeschwerten Zeit eines langen Aufschwungs und fahren in eine globale Abschwungphase. Die Politik arbeitet nach Kräften daran, unsere Industrie lahm zu legen. Gestern war in der FAZ ein langer Artikel über die Entstehung der NO2 Grenzwerte. Völlig gaga. 40 Mikrogramm - völlig unbegründet, aus dem Bauch geschrieben. "Expertenschätzung" nennt man es, wenn es keine Beweise oder auch nur vermutete Wirkmechanismen gibt. Die Protokolle der entscheidenden Sitzung über die 40 Mikrogramm sollen bei einem Hochwasser vernichtet worden sein... Dazu die Vorgaben über die CO2-Senkung.

Unsere Umweltpolitiker sagen zu allem ja und Amen. Kommen zurück nach Hause und geben kund: "Unseren Ingenieuren wird schon etwas einfallen. Jetzt können die mal zeigen, was sie können." Pustekuchen!

Denn die, die etwas können, bereiten sich gedanklich schon auf Altersteilzeit oder Vorruhestand vor. Haben ihre Bonuszahlungen schon lange in Zeitkarten umgewandelt und sehen das rettende Ufer vor sich. Können sich ein Leben im Garten oder auf Weltreise im Campingbus vorstellen. Und die Lähmschichten, Kindergärtner und Moralapostel einfach mal selbst ranlassen.

Ich komme also zurück aus einer Startup-Kultur und erlebe nun, dass die besten mit Ausstiegsgedanken beschäftigt sind, wenn wir gemeinsam in "Runden" sitzen.

Donnerstag, 28. März 2019

Perspektivwechsel

Perspektivwechsel helfen bei der Bewertung einer Situation. Sie helfen mir oft bei der Entscheidungsfindung. Früher nahm ich dazu abwechselnd die Perspektiven der Beteiligten oder "Betroffenen" ein. Inzwischen schaue ich immer öfter "von oben" drauf, bzw. mit viel Abstand.

Das eine half bei der Bewertung, ob wir eine Sache richtig machen. Aber in Zeiten des Wandels ist viel wichtiger, ob wir die richtigen Sachen machen.

Derzeit beschäftigt mich die Unterscheidung von Komplexitätsursachen. Die Komplexität mit der wir zu tun haben, spiegelt oft eine andere Komplexität. Z. B. kann die Komplexität eines Produktes oder eines Prozesses die Komplexität einer Organisations- oder Machtstruktur spiegeln.

Einem Bereichsleiter einer technischen Produktentwicklung kann z. B. daran gelegen sein, seinen Rivalen aus dem Produktmanagement draußen zu halten. Dafür muss er sein Produkt nur kompliziert genug machen um sagen zu können: "Das verstehst Du nicht."

Die Herren Piech und Winterkorn hatten so ein Machtsystem geschaffen. Sie nutzten es aber nicht nur zur Absicherung der Macht ihrer Domäne gegenüber anderen Domänen. Sondern auch um ihre Domäne nach innen zu beherrschen. Am Ende entstand ein nicht mehr zu managendes Konglomerat, in dem es jeder nur noch falsch machen konnte. Der Entwicklungsprozess war vor allem von Angst geprägt. Es brachte den Konzern an den Rand seiner Existenz. Und der Schutz der Täter wirkt bis heute (Link).

Künstlich geschaffene Komplexität erkennt man daran, dass es immer mehr "Taskforces" (Krisenstäbe) gibt, die zu ihrer Beherrschung eingesetzt werden. Altes Denken kommt stets zu dem Schluss: Wir brauchen hier mehr Ressourcen.

Aber brauchen wir nicht mehr Verstand? Mehr Mut zu Entscheidungen? So wie wir im Frühjahr unsere Gartenhölzer schneiden, müssen wir auch unsere Portfolios beschneiden. Und unsere Organisationen. Denn es werden weiter neue Verzweigungen und Äste nachwachsen, wenn wir neue Produktkategorien schaffen.

Aber um zu erkennen, was man wegschneiden sollte, muss man die Perspektive wechseln. Man muss ein paar Schritte vom Strauch zurücktreten um zu erkennen, wo man wegschneiden sollte. Und immer wieder kontrollieren, wie sich das Gesamtbild beim Schneiden verändert.

Montag, 25. März 2019

Freiheit und Akzeptanz

Die Flut an Ratgeberliteratur und YouTube "Influencern" ist ein Zeichen dafür, dass die Leute nicht mit ihrer Freiheit umgehen können. Und die Hochkonjunktur der Unzufriedenheit und Empörung ist ein Zeichen dafür, dass die Leute sich selbst nicht akzeptieren.

Wenn Kinder keine Grenzen aufgezeigt bekommen (anti-autoritäre Erziehung), dann werden sie später unfähig, ihre Chancen zu erkennen und zu nutzen. Denn wie soll ein Kind seine Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen herausfinden, wenn es keine Grenzen erlebt, an denen es wachsen kann? So entsteht keine Auswahl, kein Profil, kein Charakter, keine Beständigkeit. Und kein Durchhaltevermögen. Stattdessen verstärken sich Ichbezogenheit, eine Neigung zum Nörgeln und eine hartnäckige Weigerung, Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen. Davon profitieren Leute und Institutionen, die diesen Leuten dann die Verantwortung für ihr eigenes Leben abnahmen und Ersatzverantwortliche anbieten. Linke z. B. ködern ihre Zielgruppe gerne mit Kritik an der Freiheit, z. B. mit "Wer braucht schon 35 Joghurtsorten?" Oder wie Renate Künast nach der Wende sagte: "Naja, wenn die Wende den Ossis vor allem Hakle feucht gebracht hat..". Mein früherer Sowie-Lehrer (SPD, ÖTV) betonte immer, dass die Raumfahrt dem Westen eigentlich nur die Teflonpfanne gebracht habe..

Es ist natürlich bequemer, sich "Rat" bei anderen zu suchen, seine Verantwortung bei der Regierung abzugeben und fortan nur noch Forderungen an andere zu stellen, und das mit seinem "Sinn für Gerechtigkeit" zu begründen. Der mühsamere, aber lohnendere Weg ist die Arbeit an sich selbst. Mit Mut neue Erfahrungen zu sammeln, um herauszufinden, was man tun will und kann.

Ein anderes stark wachsendes "Beratungsgebiet" ist das, was gerade unter dem Stichwort der sog. "Residenz" und "Achtsamkeit" läuft. Auch das klingt wieder nach Ich-Bezogenheit und Überforderung von der eigenen Freiheit. Ich lasse diese grünen Modewörter mal beiseite und spreche von dem Ringen mancher Leute, endlich im Hier und Jetzt anzukommen. Unzufriedene Leute hadern oft mit der Vergangenheit und beschäftigen sich bis zum Exzess mit Untergangsszenarien in der Zukunft (Klimawandel, Dieseltote, etc.). Dahinter verbirgt sich die Unfähigkeit, Dinge zu akzeptieren wie sie in der Gegenwart gerade sind. Nicht in dem Sinne von Zustimmung, sondern im Sinne von: Realisieren, dass etwas tatsächlich so ist und es anzunehmen. Bequemer sind die Verdrängung der Gegenwart, das Ausweichen in andere Zeiten, um dort die "wahren" Schuldigen für das eigene Schicksal zu suchen, anstatt -siehe oben- Verantwortung zu übernehmen. Aber wer so lebt, wird nie in der Gegenwart ankommen, sondern immer um seine vergangene Gegenwart trauern, die er nicht bewusst erlebt hat. Zu erkennen z. B. an dem Satz: "Ich habe vom Leben doch noch gar nichts gehabt." Manche buchen sich dann in ein Seminar oder Kloster ein um den "Weg in das Hier und Jetzt" zu finden. Aber dieser Weg führt mitten durch die Akzeptanz der Gegenwart.

So gesehen kann man Anhänger des gegenwärtigen linken Zeitgeistes als seelisch krank deuten. Es sind Menschen, die von ihrem eigenen Leben letztlich überfordert scheinen. Die bilden via Facebook und Twitter einen riesigen Stuhlkreis und stellen dann fest, dass alle anderen Schuld an ihrem verkorksten Leben sind. Das ihnen "der Kapitalismus" nur unsinnige Freiheit biete, und dass "alte, weiße Männer" ihnen die Zukunft zerstören -z. B. durch "Zerstörung des Klimas" und die Ursache dafür sei, dass wir aus einer "toxisch-männlich" dominierten Geschichte kämen. Das alles ist natürlich Unsinn. Aber es zahlt sich in Karrieren für die Verführer aus. Karrieren in Parlamenten, Lobbygruppen etc.

Der Vorzug des Bequemen zeichnet diese Leute quer durch alle Altersgruppen aus. Demonstrieren z. B. gehen die Jugendlichen nur, wenn dafür die Schule ausfällt. Die eigene Freizeit am Wochenende dafür zu opfern, das wäre schon zu viel verlangt.

Donnerstag, 14. März 2019

Verlernte Verhandlungskompetenzen

In meiner beruflichen grauen Vorzeit habe ich mal das Wesen des Verhandeln gelernt. Ich hatte gute Diplomaten und Unterhändler schon lange bewundert und als ich in die Vertriebsunterstützung von IBM einstieg war die Gelegenheit, zu lernen wie man verhandelt.

Als Kernkompetenz ist mir haften geblieben, dass man zwischen Positionen und Interessen unterscheiden soll. Es gibt immer das, was eine Partei als Wille formuliert, und etwas was sie damit erreichen will. (Übrigens ähnlich wie bei der Formulierung von User Stories.)

Egal also, ob man ein Angebot aushandelt oder einen Workshop moderiert. Man wird von den Parteien zunächst hören, was sie wollen. Dann entdeckt man die Widersprüche, die verhindern, dass alle ihren Willen bekommen können.

Dann fragt man nach den dahinter liegenden Interessen und Zielen. Und dann lösen sich die Zielwidersprüche oft auf und entpuppen sich als Antwort auf unbewusste Annahmen.

Ich habe das selbst einmal als Product Owner ausmoderiert und erst damit den Durchbruch in einem IT-Projekt geschafft. Vermeintlich beanspruchten zwei verschiedene Usergruppen das Schreibrecht über technische Inhalte einer Produktbeschreibung. Bei näherem Hinsehen verlangte die eine Gruppe aber kein Schreibrecht im Sinne einer Setzung. Sondern sie war auch schon mit einem Vorschlagsrecht zufrieden.

In der Politik ist Verhandlungsgeschick -die Beherrschung des Diplomatenhandwerks- Voraussetzung für politischen Fortschritt. Und schon länger vermisse ich hier Diplomaten alter Schule. Das aktuelle Beispiel hierfür sind die völlig aus dem Ruder gelaufenen Brexit-Verhandlungen.

Hier scheinen sich beide Seiten nicht klar darüber zu sein, was sie wollen. Oder sie sprechen es nicht aus. Klar sind nur die Positionen. Groß Britannien will raus, die EU-Kommission will ein erfolgreiches Exempel eines EU-Austritt verhindern. Welche Interessen die EU-Mitgliedsländern haben, scheint keine Rolle zu spielen.

Aber auch andere Schauplätze schwelen seit Jahrzehnten in Krisen, ohne dass ein kluger Unterhändler ihn einmal zur Lösung bringen würde.

In manchen Fällen fehlt es nicht nur an Diplomatie, sondern schon an integren, mandatierten Repräsentanten. Z. B. in Afrika, wo wir Einfluss auf die ungebremsten Flüchtlingsstrome nehmen müssen.

Nach dem Niedergang der politischen Kulturen in den Ländern (insbesondere den westlichen Demokratien) folgt also nun der Niedergang unseres Standing in der Welt.

Samstag, 9. März 2019

Autokrise, reloaded

Die Automobilbranche ist im Umbruch. Und wer nur sporadisch die Zeitung liest, bekommt den Eindruck, dass die Hersteller inzwischen gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Die Absatzzahlen brechen ein - nicht, weil Kunden nach den Dieselskandalen und Fahrverbotsdesastern keine Autos mehr wollen. Sondern, weil viele Hersteller nicht mehr nachkommen, ihre Autos zugelassen zu bekommen. Schuld daran sei der neue Standard WLTP.

Sich stapelnde Fahrzeuge vor einer Zulassungsbehörde - das gab es doch schon mal? Richtig, Anfang dieses Jahrzehnts bekam das Eisenbahn Bundesamt die Zulassung neuer Zugtypen nicht auf die Reihe und Bahnkunden litten unter Kapazitätsengpässen. Später reagierten Bundesregierung und Bundesverwaltung und ließen die Vergabe der eigentlichen Prüfung an Dritte zu.

Irgendetwas muss auch beim WLTP passieren. Denn anstatt einfach nur den Fahrzyklus ein bisschen realistischer zu machen haben die beteiligten Regierungen (W wie "Worldwide") alles gegeben, um auch die zweite Nachkommastelle bei Verbrauchs- und CO2-Angaben hieb- und stichfest zu machen. Das führt dazu, dass jede bestellbare Ausstattungsvariante eines Autos geprüft werden muss, wenn die hinzugefügte oder geänderte Ausstattung Einfluss auf den Verbrauch hat.

Dies trifft besonders die deutschen Hersteller, weil sie -anders als ihre Wettbewerber- keine festen Ausstattungspakete anbieten und deshalb nicht mit drei Typprüfungen durch sind. Die Deutschen bieten freie Konfigurationen an. 6 Motoren in verschiedenen Leistungsstufen, jeweils mit Hand- oder Automatikschaltung. 2 oder 3 Radgrößen, Anbauteile wie Dachreling.

Hat das irgendetwas mit Infotainment zu tun? Ja hat es, wegen des Stromverbrauchs. Und zwar sowohl beim Betrieb (z. B. Lautsprecherleistungen) als auch wenn das Fahrzeug abgeschaltet ist (Onlineverbindungen für Services).

Die Hersteller müssen Varianten kürzen was das Zeug hält. Und das betrifft so gut wie alle Autoteile, die dem Wind die Stirn bieten, die im Gewicht variieren, die die Kraftstoffeinspritzung und Abgasbehandlung beeinflussen. Oder die Strom verbrauchen.

Es trifft die deutschen Hersteller wieder mal härtesten. Und das ist es, was mich stutzig macht. Wieso hat unsere Regierung nicht rechtzeitig eingegriffen, als die Schieflage bei den Lasten für die Autohersteller entstand?

Eine Antwort liefert vielleicht das Verhalten des Bundesfinanzministeriums:

Der neue Fahrzyklus wird im Ergebnis die Verbrauchsangaben aller Fahrzeuge erhöhen ("näher am realen Verbrauch liegen"). Das gleiche Fahrzeug verbraucht nach neuem Standard de jure mehr als nach altem Standard. Das führt dann zu einer höheren Einstufung bei der Kfz-Steuer. Für das gleiche Fahrzeug kassiert Olaf Scholz demnächst mehr. Bei 60 Mio zugelassenen Fahrzeugen, die über die Jahre ersetzt werden, wird da einiges zusammen kommen.
(Wohlgemerkt: Bereits zugelassene Autos werden nicht höher besteuert, sie haben ihre Einstufung ja hinter sich.)

Hier profitiert unsere Regierung also davon, keine Partei für ihre Industrie und ihre Steuerbürger ergriffen zu haben, als die internationale Regulierung einseitig zulasten ihrer Industrie verschärft wurde.