Samstag, 9. März 2019

Autokrise, reloaded

Die Automobilbranche ist im Umbruch. Und wer nur sporadisch die Zeitung liest, bekommt den Eindruck, dass die Hersteller inzwischen gar nichts mehr auf die Reihe bekommen. Die Absatzzahlen brechen ein - nicht, weil Kunden nach den Dieselskandalen und Fahrverbotsdesastern keine Autos mehr wollen. Sondern, weil viele Hersteller nicht mehr nachkommen, ihre Autos zugelassen zu bekommen. Schuld daran sei der neue Standard WLTP.

Sich stapelnde Fahrzeuge vor einer Zulassungsbehörde - das gab es doch schon mal? Richtig, Anfang dieses Jahrzehnts bekam das Eisenbahn Bundesamt die Zulassung neuer Zugtypen nicht auf die Reihe und Bahnkunden litten unter Kapazitätsengpässen. Später reagierten Bundesregierung und Bundesverwaltung und ließen die Vergabe der eigentlichen Prüfung an Dritte zu.

Irgendetwas muss auch beim WLTP passieren. Denn anstatt einfach nur den Fahrzyklus ein bisschen realistischer zu machen haben die beteiligten Regierungen (W wie "Worldwide") alles gegeben, um auch die zweite Nachkommastelle bei Verbrauchs- und CO2-Angaben hieb- und stichfest zu machen. Das führt dazu, dass jede bestellbare Ausstattungsvariante eines Autos geprüft werden muss, wenn die hinzugefügte oder geänderte Ausstattung Einfluss auf den Verbrauch hat.

Dies trifft besonders die deutschen Hersteller, weil sie -anders als ihre Wettbewerber- keine festen Ausstattungspakete anbieten und deshalb nicht mit drei Typprüfungen durch sind. Die Deutschen bieten freie Konfigurationen an. 6 Motoren in verschiedenen Leistungsstufen, jeweils mit Hand- oder Automatikschaltung. 2 oder 3 Radgrößen, Anbauteile wie Dachreling.

Hat das irgendetwas mit Infotainment zu tun? Ja hat es, wegen des Stromverbrauchs. Und zwar sowohl beim Betrieb (z. B. Lautsprecherleistungen) als auch wenn das Fahrzeug abgeschaltet ist (Onlineverbindungen für Services).

Die Hersteller müssen Varianten kürzen was das Zeug hält. Und das betrifft so gut wie alle Autoteile, die dem Wind die Stirn bieten, die im Gewicht variieren, die die Kraftstoffeinspritzung und Abgasbehandlung beeinflussen. Oder die Strom verbrauchen.

Es trifft die deutschen Hersteller wieder mal härtesten. Und das ist es, was mich stutzig macht. Wieso hat unsere Regierung nicht rechtzeitig eingegriffen, als die Schieflage bei den Lasten für die Autohersteller entstand?

Eine Antwort liefert vielleicht das Verhalten des Bundesfinanzministeriums:

Der neue Fahrzyklus wird im Ergebnis die Verbrauchsangaben aller Fahrzeuge erhöhen ("näher am realen Verbrauch liegen"). Das gleiche Fahrzeug verbraucht nach neuem Standard de jure mehr als nach altem Standard. Das führt dann zu einer höheren Einstufung bei der Kfz-Steuer. Für das gleiche Fahrzeug kassiert Olaf Scholz demnächst mehr. Bei 60 Mio zugelassenen Fahrzeugen, die über die Jahre ersetzt werden, wird da einiges zusammen kommen.
(Wohlgemerkt: Bereits zugelassene Autos werden nicht höher besteuert, sie haben ihre Einstufung ja hinter sich.)

Hier profitiert unsere Regierung also davon, keine Partei für ihre Industrie und ihre Steuerbürger ergriffen zu haben, als die internationale Regulierung einseitig zulasten ihrer Industrie verschärft wurde.

1 Kommentar:

  1. Die, die schon länger hier regieren, haben natürlich kein Problem damit, wenn eine Schieflage bei den Autobauern eintritt. Denn es wäre ja am besten (z.B. fürs Klima), wenn wir die Städte von den Autos komplett befreiten, den ÖPNV intensivst nutzten und schwere Dinge etwa per Eselkarren anschafften. Ja, die Regierung setzt sich wie immer auf das moralisch besonders hohe Klimaroß und will alles noch deutlich besser machen als andere (s. z.B. Diesel-, Feinstaubdiskussion).

    Wenn als Nebeneffekt noch jede Menge Steuern "abfallen", dann ist das hochwillkommen, muß man doch insbesondere die Klientel der Regierenden bedienen. Und natürlich die, die sich entscheiden, hier zu leben und sich auf Dauer aushalten zu lassen.

    Gaga-Land ist noch gar kein Ausdruck. Respice finem!

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