In meiner beruflichen grauen Vorzeit habe ich mal das Wesen des Verhandeln gelernt. Ich hatte gute Diplomaten und Unterhändler schon lange bewundert und als ich in die Vertriebsunterstützung von IBM einstieg war die Gelegenheit, zu lernen wie man verhandelt.
Als Kernkompetenz ist mir haften geblieben, dass man zwischen Positionen und Interessen unterscheiden soll. Es gibt immer das, was eine Partei als Wille formuliert, und etwas was sie damit erreichen will. (Übrigens ähnlich wie bei der Formulierung von User Stories.)
Egal also, ob man ein Angebot aushandelt oder einen Workshop moderiert. Man wird von den Parteien zunächst hören, was sie wollen. Dann entdeckt man die Widersprüche, die verhindern, dass alle ihren Willen bekommen können.
Dann fragt man nach den dahinter liegenden Interessen und Zielen. Und dann lösen sich die Zielwidersprüche oft auf und entpuppen sich als Antwort auf unbewusste Annahmen.
Ich habe das selbst einmal als Product Owner ausmoderiert und erst damit den Durchbruch in einem IT-Projekt geschafft. Vermeintlich beanspruchten zwei verschiedene Usergruppen das Schreibrecht über technische Inhalte einer Produktbeschreibung. Bei näherem Hinsehen verlangte die eine Gruppe aber kein Schreibrecht im Sinne einer Setzung. Sondern sie war auch schon mit einem Vorschlagsrecht zufrieden.
In der Politik ist Verhandlungsgeschick -die Beherrschung des Diplomatenhandwerks- Voraussetzung für politischen Fortschritt. Und schon länger vermisse ich hier Diplomaten alter Schule. Das aktuelle Beispiel hierfür sind die völlig aus dem Ruder gelaufenen Brexit-Verhandlungen.
Hier scheinen sich beide Seiten nicht klar darüber zu sein, was sie wollen. Oder sie sprechen es nicht aus. Klar sind nur die Positionen. Groß Britannien will raus, die EU-Kommission will ein erfolgreiches Exempel eines EU-Austritt verhindern. Welche Interessen die EU-Mitgliedsländern haben, scheint keine Rolle zu spielen.
Aber auch andere Schauplätze schwelen seit Jahrzehnten in Krisen, ohne dass ein kluger Unterhändler ihn einmal zur Lösung bringen würde.
In manchen Fällen fehlt es nicht nur an Diplomatie, sondern schon an integren, mandatierten Repräsentanten. Z. B. in Afrika, wo wir Einfluss auf die ungebremsten Flüchtlingsstrome nehmen müssen.
Nach dem Niedergang der politischen Kulturen in den Ländern (insbesondere den westlichen Demokratien) folgt also nun der Niedergang unseres Standing in der Welt.
Man muß sich nur mal die Bundestagsdebatten anhören, gern aber auch die Ausführungen der Minister/Ministerien, die meist ja fachlich völlig unvorbereitet ihre Ämter übernehmen. Da ist nicht viel los, was mit Sachverstand zu tun hat. Da geht es nur um Machterhalt und persönliche Pfründe, die gestützt und erweitert werden sollen. Das führt etwa dazu, daß die Energie gewendet wird, Technologien "abgeschafft" werden und die Infrastruktur der Landes verlottert. Niedergang überall, wohin man auch immer schaut. Die Kohorten derer, die all das geschenkt bekommen werden, stehen schon bereit bzw. werden kontinuierlich aufgefüllt.
AntwortenLöschenRichtigerweise verliert Deutschland ehemals vorhandenes Standing, und zwar schnell und immer schneller. Viel schlimmer noch: Man macht sich weltweit lustig über die Deutschen, verhöhnt sie, kürzlich besonders prägnant in der New York Times. Als Konsequenz verlassen die Leistungsträger das Land. Wohl dem, der gehen kann!
Letztlich fehlt es an allem, was Deutschland früher ausgezeichnet hatte. Der Ruf nach "integren, mandatierten Repräsentanten" erschallt aus meiner Sicht angesichts der aktuellen und zu erwartenden künftigen Bedingungen im Land zu spät.