"Teilen" ist so ein Modebegriff geworden, an dem kann man die ganze GroKo aufwickeln. Teilen klingt nach "teil mit deinem Bruder", klingt nach bravem Verhalten. Klingt auch nach christlichem Verhalten, St. Martin teilte ja seinen Mantel. Es klingt also nach moralischem Verhalten, wenn ich etwas "teile". Klingt, als würde ich etwas abgeben von dem was ich habe und anschließend davon selbst weniger haben. Darin lag doch immer das Gute, das Moralische nicht wahr? Weil es selbstlos ist.
Aber es ist nicht das, was die neuen Generationen - wie heißen die jetzt: Y oder schon Z? - darunter verstehen.
Die mögen schon das Moralische am "Teilen", ja. Genauer: Sie mögen es, für moralisch gehalten zu werden, wenn sie sagen "ich teile". Deshalb haben es inzwischen auch die Politiker aufgegriffen, die diese Generation wählt. Frau Göring-Eckardt und Frau Baerbock, die teilen auch sehr viel.
Das Problem ist: Sie teilen gar nich im christlichen Sinne. Sie teilen am liebsten, was sie gar nicht besitzen z. B. die Gehälter anderer Leute. Oder unsere Kultur. Oder "unseren Wohlstand". Auf Wahlplakaten in Kreuzberg werben die Grünen immer mit Plakaten, die aussehen, als hätten sie Kinder gemalt. Kinder in einem Kinderladen. Beaufsichtigt von einer Latzhose. Kinder, schön teilen. Und diese Kitaelternattitüde ist es ja, die hier mitschwingt und die wiedererkannt werden soll.
Teilen ist so magisch. Jesus teilte die Fische, die gar nicht alle wurden. Und Annalena Baerbock teilt den Strom aus dem Blockheizkraftwerk an der polnisch-deutschen Grenze. Der Strom wird ja auch nicht alle, sagt Frau Baerbock - so wie die Fische bei Jesus. Wer "teilt" muss nichts beweisen. Muss auch keine Ahnung haben. Und auch nichts zum teilen. Denn es sind hier nicht die Teilenden, die etwas abgeben.
Vor ein paar Jahren haben die Millenials am liebsten digitale Musik "geteilt". Da waren sie weder Autor noch Komponist. Aber sie "teilten" die Musik mit ihren Freunden. Wir sagten früher verleihen, wenn wir uns eine Platte gekauft hatten und ein Freund eine andere, die wir auch gut fanden und dann haben wir sie anschließend einander geliehen. Auf die Idee, das moralisch aufzuwerten, indem wir es "teilen" nennen, kamen wir nicht.
In den sozialen Netzen teilen Teilende gerne ihre Gedanken. "Teilen" ist hier ein Synonym für "Aufdrängen". So wie ich jetzt hier gerade Euch meine "Gedanken" aufdränge, nein: mit Euch teile. In den beruflichen Netzwerken posten die Postenden gerne Links zu Beiträgen von anderen. Und kriegen prompt Antworten wie: "Danke fürs Teilen!". Or in English: "Thanks for sharing!".
Fazit: "Teilen" steht für das Primat unserer Zeit: die Doppelmoral.
Wie war ich darauf gekommen? Ach ja, Verlust meiner Sprache.
Mehr denn je müssen wir darauf achten, welche oder wessen Sprache wir konsumieren oder gar inhalieren. Man läuft heute leicht Gefahr, sich intellektuell sehr einseitig zu ernähren. Mir ist das jetzt auch bewusst geworden. Ich habe nur noch Zeitungen und Blogs über das Zeitgeschehen gelesen. Wenn ich einen Roman pro Jahr schaffe und wirklich zu Ende, dann war das viel in den letzten Jahren. Und obwohl ich so viel Aktuelles lese, verliere ich die Sprache dafür zu sagen, was ich eigentlich meine ohne das Risiko irgendwo in einer Schublade zu landen.
Ich weiß im Innern, dass meine Sicht, meine Perspektive und meine Meinung, die von meinen Interessen herrührt, berechtigt ist. Aber wie sagen?
Im vorigen Jahrzehnt, mit September 11, George W. Bush und so weiter da habe ich dicke Romane von amerikanischen Autoren gelesen. Jonathan Franzen, Siri Hustvedt, Paul Austen, Euginidis usw. Und amerikanische und europäische Intellektuelle, die hart Stellung gegen Bush, Schröder und Blair bezogen. Sie alle bereicherten nicht nur meinen Horizont sondern auch meinen Sprachraum.
Die Lösung ist also, mir wieder mehr Zeit für Offline Lektüre zu reservieren und Bücher nicht nur zu kaufen - sondern auch lesen - am Stück und zu Ende.
Mir ist bewusst geworden, wie wichtig Literatur und ihre Lektüre sind. Die eigenen Gedanken werden ohne sie Gefangene, die den Kopf nicht mehr verlassen.
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