Montag, 1. April 2019

Crash der Unternehmenskulturen

Es war nicht mein Plan. Aber was kann man schon planen? Es gab die Gelegenheit, die Punkte zu verbinden, wie das bei Plattformen so ist.  Ich bin zurück aus dem "Digital Lab" beim Hersteller. Zurück in der großen Struktur, im Gesamtprodukt, in das alle Zulieferungen enden sollen.

Perspektivwechsel - ich sagte es- erweitern den Horizont ungemein. Ich habe die Scaled Agile Vorgehensweise nun intus und merke, wie überholt doch die alten Organisationsformen sind. Wofür nur in alles in der Welt brauchen wir so viele untere und mittlere Leitende?

Es dauerte Tage bis ich Zugriff auf alle Systeme hatte, die ich brauche. Und es werden täglich mehr Ordner mit MS Office Dokumenten, die ich kennen soll, aber deren Zugriff mir man verweigert. Abteilungsleiterrituale aus der alten "Wissen-ist-Macht"-Welt.

Wikis haben wir hier auch. Aber auch diese werden gemanagt wie "finalisierte" Management"vorlagen". D. h. wir können hier nichts gemeinsam entwickeln. Man muss irgendwo Entwürfe im Dokumentenmanagement ablegen, die Zugriffe verwalten und dann mit anderen in Versionen besprechen, wo wir hinwollen. Und es dann ins Wiki kopieren.

Für die Diskussion über die Wikiseite oder Fragen+Antworten haben wir dann wieder etwas anderes. Usw.

Ich war ja nur drei Jahre weg. Aber es kommt mir vor wie ein Flashback ins vorige Jahrhundert. Zum Glück gibt es auch viele Gleichgesinnte und wir werden uns schon irgendwie durchkämpfen. Mein Akku ist jedenfalls voll.

Gewachsene Hauptabteilungsleiter leiten "Task Forces" und "Steuerkreise". Nicken viel, kommentieren manches, fragen wenig. Nach der Sitzung dann widerrufen sie ihre Beschlüsse, die sie in der Sitzung nicht verstanden hatten. Was machen wir mit denen? Sie umerziehen?

Nein, die müssen weg.

Aber auch auf der anderen Seite Extrema. Videos von anderen "Labs", die mich wie Kindergarten anmuten. Endzwanzigerinnen, die jede Menge Events erfinden, um die "Happiness" der Entwickler zu erhalten. Wären nicht Selbstverantwortung und Sinngebung die viel besseren Motivationen? Nein, hier bevorzugt man eine Mischung aus "Wir haben hier das Topmanagement mit im Lab." und weil die dann wieder alles bremsen "motivieren wir uns morgens beim gemeinsamen Frühstück".

Außenstehende könnte die Gesamtschau wie eine komische Oper anmuten. Mich hätte so etwas früher aufgeregt. Inzwischen amüsiert es mich.

Und beiden, der Managementlähmschicht und dem Kindergarten, wird es schon bald anders gehen. Wir kommen gerade aus der unbeschwerten Zeit eines langen Aufschwungs und fahren in eine globale Abschwungphase. Die Politik arbeitet nach Kräften daran, unsere Industrie lahm zu legen. Gestern war in der FAZ ein langer Artikel über die Entstehung der NO2 Grenzwerte. Völlig gaga. 40 Mikrogramm - völlig unbegründet, aus dem Bauch geschrieben. "Expertenschätzung" nennt man es, wenn es keine Beweise oder auch nur vermutete Wirkmechanismen gibt. Die Protokolle der entscheidenden Sitzung über die 40 Mikrogramm sollen bei einem Hochwasser vernichtet worden sein... Dazu die Vorgaben über die CO2-Senkung.

Unsere Umweltpolitiker sagen zu allem ja und Amen. Kommen zurück nach Hause und geben kund: "Unseren Ingenieuren wird schon etwas einfallen. Jetzt können die mal zeigen, was sie können." Pustekuchen!

Denn die, die etwas können, bereiten sich gedanklich schon auf Altersteilzeit oder Vorruhestand vor. Haben ihre Bonuszahlungen schon lange in Zeitkarten umgewandelt und sehen das rettende Ufer vor sich. Können sich ein Leben im Garten oder auf Weltreise im Campingbus vorstellen. Und die Lähmschichten, Kindergärtner und Moralapostel einfach mal selbst ranlassen.

Ich komme also zurück aus einer Startup-Kultur und erlebe nun, dass die besten mit Ausstiegsgedanken beschäftigt sind, wenn wir gemeinsam in "Runden" sitzen.

1 Kommentar:

  1. Das Problem sind vielleicht nicht mal die "vielen untere und mittlere Leitenden". Das Problem ist aus meiner Erfahrung heraus, daß eine hochspezielles Fragestellung - etwa im weitesten Sinn aus dem IT-Bereich - in Runden mit solchen Leitenden oft gar nicht verstanden wird, sie langweilen sich schlicht. Hinzu kommen nicht offensichtliche (oft persönliche) Motivationen und natürlich ein oft vorhandenes Mißtrauen gegenüber Nicht-Leitenden. Überwuchert wird all das noch von Bürokratie.

    Dem anderen beschriebenen Punkt stimme ich uneingeschränkt zu: "Labs, die wie ein Kindergarten anmuten." Das beschreibt die Arbeitseinstellung, die sich in den letzten 10 bis 15 Jahren völlig gewandelt hat. Entscheidend ist die persönliche "Happiness", die "Work-Life-Balance", gern auch dafür mit weniger Gehalt, Hauptsache, man ist im privaten Umfeld und kann nach Belieben "abhängen" bzw. "chillen". Wie will man mit solchen Leuten, die vom Zeitgeist und letztlich Egoismus versaut sind, etwas reißen? Die haben keinen Akku, der voll aufgeladen werden kann!

    Danke für des Anreißens der Beschreibung der aktuellen politischen Diskussion rund ums Auto, ausdrücklich "politische" Diskussion mit dem Gedanken an ein Irrenhaus. Die faktische Diskussion wird vorsätzlich verdrängt, zu schwer, zu kompliziert, nirgendwo "Happiness" - die kann nur erreicht werden, wenn man all das, was stört, "abklemmt", und das findet gerade statt, getrieben von der Regierung mitsamt der großen Schar der überaus Unfähigen grünrotschwarzer Couleur. Die Fähigkeit zu sachlichem, nüchternen Denken ist völlig verschwunden. Bei solchen Randbedingungen fällt auch dem fähigsten und besten Ingenieur nichts mehr ein.

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