Dienstag, 9. Februar 2010

Liebe Google-Streetview-Kritiker,

nachdem die Brüder Wright ihre ersten erfolgreichen Flüge geleistet hatten, fiel einigen US-Juristen auf, dass einem Landbesitzer nicht nur die Fläche seines Grundstücks gehörte, sondern auch der Luftraumquader darüber -und zwar bis zum Himmel- und der Kegel darunter - bis zur Erdmitte. Also, so lasen sie das US-Gesetz, würde ein Flugzeugpilot fortan Lizenzen von allen Landbesitzern brauchen würde, die auf seiner Strecke von A nach B lagen. Der US-Kongress erkannte rechtzeitig, dass hier etwas klar gestellt werden musste, sollte diese revolutionäre Erfindung nicht aus juristischen Gründen "auf der Strecke bleiben".

Ein anderes Beispiel:

Nachdem ein gewisser Eastmann einen flexiblen, aufrollbaren und versandfähigen Film für Kodak-Kameras erfunden hatte, entkoppelte er das kreative Hobby der Fotografie von der fachmännischen Arbeit der Filmentwicklung. Fotografieren wurde ein Massenhobby. Die Leute fingen an, durch die Gegend zu fotografieren. Und dies ging schnell einigen anderen Leuten gegen den Strich. So kamen einige Kommunalpolitiker auf die Idee, fortan Lizenzgebühren zu verlangen, wenn man die Wahrzeichen einer Stadt fotografieren wollte. (Auf englisch heißt es ja "to take a photograph", so als würde der Fotograf dem Motiv etwas "wegnehmen", und sei es nur eine Kopie..) Doch die Gerichte sagten: Nein, eine Lizenz ist nicht erforderlich.

Damals wie heute war Leuten, die auf der Straße zufällig mit fotografiert wurden, ein wenig unwohl.

Und heute? Heute haben wir uns daran gewöhnt. Wir werden uns auch an Google Streetview gewöhnen. Was Google hier macht, ist eine Verdichtung von vielen Einzelfotografien, die man auch mühselig als weltweite Community tun könnte. Wenn jeder vor sein Haus ginge und ein Foto von seiner Straße aufnähme und anschließend auf Open Streetmap hochladen würden, wäre der Effekt der gleiche.

Ist das riskant, oder ist es nur ungewöhnlich? Wird die Exposition des Einzelnen nicht dadurch relativiert, dass er nur einer unter Millionen ist? Streetview zeigt doch nur das, was man vor Ort als normaler Passant auch sehen kann. Eine reale Abbildung einer Straße hilft beim Navigieren ungemein. Hilft, eine Hausnummer zu finden, hilft bei der Überlegung, wo man parken könnte. Oder hilft bei der Wohnungssuche, um sich ein Bild zu machen. Usw.

Ich wäre dagegen, hierfür eine Lizenzgebühr zu verlangen...

Link: Lawrence Lessig, "Free Culture"

4 Kommentare:

  1. Für OSM gab es schon einen Versuch: openstreetphoto.

    Ich habe lange über den Datenschutz hierbei nachgedacht und komme zu dem Schluss, dass ich google street view für gefährlich halte: nicht wegen den Einbrechern, die kommen sowieso, nicht wegen den Geheimdiensten, die wissen eh alles. Aber was man mit vernetzten Daten machen kann, ist beeindruckend. Wer's nicht glaubt, sollte in eine ärmere Gegend umziehen und mal einen Kredit beantragen: auch bei gutem Gehalt wird er ganz schön schwitzen müssen - Micro-Geo gehört nämlich schon zum Ranking-Standard. Noch ist natürlich G* nicht soweit, dass man Bilder auch automatisch auswerten kann, klar, aber man kann locker die Höhe der Gebäude und damit die Dichte ablesen - weniger kreditwürdig als bei Reihenhäusern? Schlechtere Herkunft als Ausschlusskriterium bei Bewerbungen oder für die Krankenversicherung? Solange keine Waffengleichheit des Individuums mit den "Auswertern" besteht, solange sollte man es nicht zulassen.

    Open Street Photo liegt übrigens brach: es hat halt keiner Lust dazu.

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  2. Das glaube ich Dir. Ich gebe Dir auch beim Thema Waffengleichheit recht.

    Aber Kredisachbearbeiter beurteilt das doch nicht nach den Street Views sondern nach den Street Names, oder?

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  3. not yet - but in future... Micro-Geografie ist stark im Kommen

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  4. Dazu passt folgendes:

    Das Landgericht (LG) Köln hat eine Klage abgewiesen, mit der sich ein Hauseigentümer gegen das Abfotografieren seines Hauses mit anschließender Veröffentlichung inklusive des Straßennamens und der Hausnummer auf einem Internetportal wehren wollte (Az. 28 O 578/09). In diesem Fall trete das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurück und auch datenschutzrechtliche Belange würden dem Angebot nicht entgegen stehen, befanden die Richter.

    Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Gericht-erlaubt-ungefragte-Bildveroeffentlichung-im-Web-929701.html

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