Samstag, 6. Februar 2010

Unterschätzt und unterbewertet: Arbeitnehmererfindungen

Ich bin einem typisch deutschen Missstand auf der Spur: Unvergüteten Arbeitnehmererfindungen. Oder mit anderen Worten: Zuviel Bescheidenheit bei den Wertschöpfenden.

Was sind "Arbeitnehmererfindungen"?
Angestellte eines Unternehmens sind verpflichtet, ihrem Arbeitgeber Erfindungen, die sie erdacht haben, zu melden. Erfindungen sind: Ideen für neue oder verbesserte Produkte oder Verfahren. Nur so kommen Unternehmen überhaupt zu Patenten: Weil ihre Mitarbeiter diese melden, so dass das Unternehmen diese zum Patent anmelden kann.
Mitarbeiter sind zur Meldung von "Diensterfindungen" sogar gesetzlich verpflichtet: §5, Arbeitnehmererfindungsgesetz

Nach Eingang der Erfindungsmeldung kann der Arbeitgeber entscheiden, ob er die Erfindung "in Anspruch nimmt" oder sie "frei gibt". Wenn er sie frei gibt, kann der Arbeitnehmer damit machen, was er will. Z.B. sie selbst zum Patent anmelden.

Wenn der Arbeitgeber sie in Anspruch nimmt, kann er sie zum Patent anmelden. Der oder die Erfinder haben das Recht, in der Patentschrift als Erfinder genannt zu werden. Das dient z.B. dem Rennommee eines Erfinders in seinem Fachgebiet.

Vergütungsanspruch und Erfolgsbeteiligung
Was viele Arbeitnehmer wissen oder bereits erfahren haben: Es gibt einen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber direkt nach dessen Inanspruchnahme. Meistens sind es mehrere hundert Euro. Diese Höhe empfinden die Mitarbeiter meistens als fair. Wer in der Entwicklung arbeitet und mehrere Erfindungsmeldungen im Jahr schreibt, der verdient sich hier einen nennenswerten Obulus dazu. Doch das ist noch nicht alles, auf was Erfinder einen Anspruch haben - und das wissen oft nur wenige:

Das Arbeitnehmererfindungsgesetz verweist zusätzlich auf eine Richtlinie des Gesetzgebers für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen, auf die der Erfinder Anspruch hat, wenn seine Erfindung vom Arbeitgeber "verwertet" wird. Die Richtlinie beschreibt Vorgehensweisen für die Vergütung von patentfähigen und gebrauchsmusterfähigen Erfindungen sowie technischen Verbesserungsvorschlägen. Diese Richtlinien sind allerdings nicht zwingend 1:1 genau so umzusetzen, insbesondere dann nicht, wenn es bereits eine Regelung gibt, die den Erfinder besser stellt, als es diese Richtlinie täte. Aber laut Arbeitnehmererfindungsgesetz hat der Erfinder einen Anspruch auf eine Erfolgsbeteiligung.

Somit haben sie zusätzlich und laufend ein Anrecht auf eine Vergütung, wenn die Erfindung in den Betrieb oder an den Markt geht. Und wenn es um große Summen gehen sollte, kann richtig etwas zusammen kommen. Wir haben im Fernstudium einige Praxisfälle gerechnet, bei denen ich gerne der Erfinder gewesen wäre ;-)

Doch nicht alle Angestellten wissen davon. Und nicht alle, die es wissen, machen ihren Anspruch geltend. Hier gibt es zu viel Bescheidenheit. Z.B.: "Es gehört zu meinem Job, Erfindungen zu machen. Ich werde bereits gut bezahlt, meine Erfindungen sind hier eingerechnet." Das kann natürlich sein. Aber warum auf die Motivation einer Erfolgsbeteiligung verzichten? Liegt nicht hier genau der Reiz, Ingenieur zu werden? Einmal den ganz großen Treffer zu landen? Oder viele kleine? Die Vergütung läuft so lange, wie das Produkt am Markt Umsätze erzielt.

Könnte man sich soviel Bescheidenheit von einem -sagen wir:- Investmentbanker oder Konzernvorstand vorstellen? Das wäre unwahrscheinlich. Aber gerade in von Venture Capitalists gehaltenen Unternehmen gibt es eine große Affinität für solche Erfolgsbeteiligungen. VCs sind sehr an Patenten ihrer Portfoliounternehmen interessiert, weil sie den Unternehmenswert erhöhen oder stützen. In vielen Unternehmen hingegen werden kreative Angestellte nicht angemessen am Erfolg ihrer Erfindungen beteiligt, obwohl diese einen gesetzlichen Anspruch darauf hätten. Es wäre interessant, hierzu mal eine Studie zu erstellen.

Großes Win-Win-Potenzial
Doch der Misstand setzt eigentlich noch weiter vorne an: In vielen Unternehmen gibt es gar keine "Erfindungskultur" in dem Sinne, dass gute Ideen regelmäßig gemeldet und patentiert werden. Dabei entstehen hier die wettbewerbsrelevanten Unterscheidungsmerkmale und Vorsprünge durch Technik. Es sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben, oder davon abhängen, dass der Mitarbeiter irgendwann die Zeit findet, ein Formular für die Erfindungsmeldung auszufüllen. Hierzu sollte regelmäßig motiviert werden. Davon profitiert auch das Unternehmen.

Erfindungsmeldungen sind ein vergleichsweise einfacher Weg, kreativ zu sein und mit guten Ideen Erfolg zu haben.
Ich kann jedem Entwickler also nur empfehlen, wenigstens einmal im Quartal Zeit dafür einzuplanen, um Ideen in Erfindungsmeldungen zu gießen. Es kann sich lohnen.

Hinweis:
Dies ist keine Rechtsberatung und ich biete diese auch nicht für Einzelfälle an. Hierzu sollte man sich im Zweifel an das Patentwesen bei seinem Arbeitgeber, seinen Betriebsrat oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.

Links:
Arbeitnehmererfindungsgesetz,
Vergütungsrichtlinie

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