Semlin ist ein malerischer Ortsteil von Rathenow, Havelland. Den kleinen Dorfkern prägen eine Kirche und -deutscher geht es nicht- ein Denkmal an eine Hexenverbrennung. Das Denkmal, eine Skulptur, die die damalige Angeklagte Anna Rahns zeigt, steht mitten auf einer Wiese, um die sich Wohnhäuser des Dorfes scharen. Wer durch Semlin kommt, kommt am Denkmal der sogenannten "Butterhexe" vorbei.
Voran getrieben wurde die Errichtung dieses Denkmals vor zwanzig Jahren von einem Zugereisten aus dem Sauerland. Wessis zeigten den Osten also nicht nur im Großen, wie Demokratie und Marktwirtschaft gehen. Sie übernahmen hier und da auch moralische Führungsrollen auf dem Land. Und wer schon immer Probleme mit der eigenen Identität hatte, dem liegt es nahe, auch anderen dieses Problem nahe zu bringen. Und dann wühlt man ein bisschen in der Vergangenheit der neuen Heimat. Und das größte Verbrechen, das man da findet erwählt man zur Identitätsstiftung. Kommt einem als Deutscher teilweise bekannt vor.
Kurzum. Der Neu-Semliner aus dem Sauerland brachte nicht nur die sogenannten "Semliner Hefte" heraus, mit der er die Deutungshoheit über das Semliner Geschehen errang. Er schaffte es auch, vis a vis zur Kirche ein Mahnmal an eine Hexenverbrennung errichten zu lassen. Wanderer, kommst Du nach Semlin, dann wisse: Dieser Ort definiert sich über eine Hexenverbrennung vor 300 Jahren. Mehr gibt es aus Sicht der Gemeinde offenbar nicht zu wissen. Been there, done that.
Zur Absicherung seiner Mission band der Neusemliner aber offenbar eine gebürtige Hobbyhistorikerin mit ein. Man will sich ja nichts nachsagen lassen. Viele Ostdeutsche tun sich auch heute schwer, eigene Anliegen zu vermarkten, da ist ein sendungsbewusster Zugereister schon eine gute Ergänzung.
Vor einigen Jahren starb der Neusemliner und die Hobbyhistorikerin forschte weiter in den Archiven. Es fehlte, kleines Detail am Rande, der Beleg, dass die Angeklagte Anna Rahns auch wirklich zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Dass man trotzdem schon ein Mahnmal in Stein meißeln ließ ist schon bemerkenswert genug. Aber jetzt wurde es der Hobbyhistorikerin offenbar immer unwohler. Im Brandenburger Wochenblatt (herausgegeben von der MOZ) stand jetzt ein Artikel, in dem sie darauf hinweist, dass die Grundlage des Mahnmals nicht belegt ist.