Freitag, 15. Dezember 2017

Wie unterscheidet man Uran-Zentrifugen für Waffen und Kraftwerke?

Unser Werkstoffkundeprof an der Uni Dortmund hatte Anfang der Neunziger kein Problem damit, Skizzen von Atombomben an sein Vorlesungsskript über "Radioaktivität" zu hängen. Auf Nachfrage sagte er: Bei der Atombombe sei nicht die Konstruktion das Problem, sondern das hochangereicherte Uran zu bekommen.
Da war gerade die Mauer gefallen und islamistischer Terror war noch weit weg.

Trotzdem hatte er wohl im Grunde recht. Es ist schon aufwendig genug, das natürliche Uran so "anzureichern", dass man es für einen Kraftwerksreaktor nutzen kann. Man schleudert das Uran in Zentrifugen so lange im Kreis, bis sich die Uranisotope gemäß ihrer Gewichte verteilt haben. Dann greift man die schweren ab und verarbeitet sie weiter. Man braucht einen Anteil von 5 bis 10 Prozent der schweren Uranisotope im Kernbrennstoff für eine kontrollierbare Kettenreaktion.
Für eine typische Atombombe, die über Raketen ans Ziel gebracht und in hunderten Metern Höhe gezündet wird, braucht man mindestens auf 80 Prozent angereichertes Uran.

Wie erkennt ein Kontrolleur der Atomenergiebehörde nun, ob eine Anreicherungsanlage für Kraftwerke oder Bomben genutzt wird? Zu allererst an ihren Dimensionen. Anlagen für Bomben sind wesentlich kleiner, weil man weniger Menge braucht. Sie muss ja nur einmal zünden, ein Kraftwerk wird auf Dauer betrieben und braucht ständig Nachschub.
Allerdings kann ein Betreiber eine kleine Anlage auch damit rechtfertigen, dass er nur Forschung betreibe. Wer über Luftaufklärung herausfinden will, ob der Iran Waffen- oder Kraftwerksuran anreichert, kann zu Fehlurteilen gelangen. Man muss die Anlagen selbst beurteilen und natürlich das Uran, das mit ihnen produziert wurde.

Dazu müsste der Iran die IAEA Kontrolleure ins Land, in die Anlagen lassen. Damit aber würde er bekannt geben, wo er seine Anlage betreibt. Das will er seinen "Feinden" nicht sagen, weil er dann gezielte Angriffe fürchtet. Außerdem besteht für die IAEA das Risiko, dass ihm nur Showrooms gezeigt werden.

Das zweite Unterscheidungsmerkmal sind die Durchmesser der Zentrifugen. Je höher die Anrricherung, desto größer muss der Durchmesser sein.

Dienstag, 5. Dezember 2017

"Diversity" und Softwarequalität

Wir sind im Zeitalter der Denunziation angekommen. In den Kreativindustrien Silicon Valley und  Hollywood genügen inzwischen Verleumdungen, Vorwürfe, Andeutungen um erfolgreiche Leute aus der Bahn zu stoßen.

So hat Netflix bereits auf die Vorwürfe gegen und Einlassungen von Kevin Spacey reagiert und die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Die finale Staffel von House of Cards wird ohne ihn gedreht (Link). (Wir Kunden und Abonennten von Netflix haben es übrigens selbst in der Hand zu sagen, was wir davon halten.) Manche andere Karriere wurde in den letzten Tagen beendet.  

Wohlgemerkt: All das, bevor irgendwelche Verfahren auch nur eröffnet wurden. Das Schmeißen mit Dreck genügt.

Und es betrifft nicht nur die öffentlichkeitssüchtige Filmindustrie. Unter #WomenInTech laufen längst sexistische Kampagnen gegen "weiße Männer", die es gewagt haben Technologieunternehmen zu gründen und gleichzeitig ein Mann zu sein. 

Ideologie schafft neue Vorstandsressorts - nur für Frauen

Das bleibt nicht ohne Folgen für männliche Führungskräfte und im Prinzip jeden, der als überlegener Nebenbuhler empfunden wird. Vorstände müssen dem Vorwurf von Sexismus -aber auch Rassismus- vorbeugen. Sie müssen glaubhaft machen, kein Rassist und kein Sexist zu sein. Es hilft, wenn man selbst einer Minderheit angehört. Noch mehr aber hilft es den Public Relations, Geld in die Hand zu nehmen, die Bürokratie auszubauen und Vice Presidents für "Diversity" und "Social Initiatives" zu erfinden. Was die den ganzen Tag machen? Nun, sie berichten. Direkt an Tim Cook. Denn er will es so. 

Lisa zum Beispiel berichtet Tim über ihre Fortschritte bei der Erziehung der Apple Mitarbeiter: "Education policy programs". Früher war Lisa bei der EPA, der nationalen Umweltagentur, die u. a. Volkswagen in den USA zur Strecke gebracht hat. Barack Obama hatte sie seinerzeit von New Jersey's Governor Jon Corzine abgeworben. Immerhin, Lisa hat früher mal Chemitechnik studiert. Hatte ich erwähnt, dass sie bei der Clinton Foundation im Board sitzt? (Link).

Denise hingegen hat Organisationsmanagement studiert und arbeitete als Beraterin für Personalabteilungen, u. a. Kleiner Perkins. Bei Apple ist sie VP für "Inclusion and Diversity". Denise führt Apples "globale Bemühungen um eine inklusive Kultur, die repräsentativ und umarmend für alle Diversitäten" ist.. (Link).

Apples Qualitätsprobleme

Was diese Umschichtung von Budgets von Produkt- und Qualitätsthemen hin zu sog. "sozialen" Themen -und eine Änderung der damit einhergehenden Personalauswahl- bewirkt, erfahren Apple Kunden in diesem Jahr schmerzhaft: Sowohl Mac OS X High Sierra als auch iOS 11 haben den Mac und das iPhone teilweise unbenutzbar gemacht. Sicherheitslücken, Batterieprobleme, Kompatibilitätsprobleme haben zu einer merklichen Akzeptanzabkühlung bei der früher so begeisterten Fangemeinde geführt. Tim Cook konterte schnell. Aber nicht durch eine Wiederherstellung der bewährten Prioritäten, sondern durch Erhöhung des Updatezwangs für Benutzer und Entwickler. So penetrant wie derzeit wurden mir Betriebssystem Updates früher nicht aufgedrängt. Es kostet mich wiederkehrenden Aufwand, die automatischen Updates zu verhindern. Eine gute Zusammenfassung von Apples Qualitätsproblemen gibt es bei heises "Mac & i" (Link).

Aber Vorsicht, wenn Du jetzt überlegst, ob Du etwas tun solltest. Schließlich bedeutet der Beschluss, mehr Diversität einzuführen immer auch, andere Einstellungs- und Beförderungskriterien als Leistung und Kompetenz heranzuziehen und die Geeignetsten am Ende zu benachteiligen, nur weil sie ein falsches Geschlecht oder Hauptfarbe haben. Die bewusste Benachteiligung weißer Männer ist beides: Sexismus und Rassismus.

Das abschreckende Beispiel James Damore

Aber pass auf, wenn Du etwas unternimmst. Sonst geht es Dir wie dem inzwischen entlassenen Google Entwickler James Damore. Als er über die Unterschiede von Frauen und Männern bloggte, blieb das den hauptberuflichen Diversity-Managerinnen, Journalistinnen und Politikerinnen, deren Hauptaufgabe die Überwachung des Internets ist, nicht lange verborgen (Link). Damore fasste einige wissenschaftliche Studien zusammen, die über den einen oder anderen Unterschied zwischen den Geschlechtern berichteten. Und jedenfalls zu dem Schluss kamen, dass Männer und Frauen nicht gleich sind. Damore schickte seinen Beitrag zuerst an Googles Diversity-Abteilung (!). Die wusste aber -unsicher wie alle anderen- nicht, was sie damit tun sollte und stellte sich tot. Daraufhin verteilte Damore seine Erkenntnisse selbst im Unternehmen. Das war sein Fehler. Zwei Tage später wurde er entlassen. Damore wurde nicht wissenschaftlich widerlegt. Die von ihm zitierte Autorin Hakim bestätigte sogar, dass Damore ihre Aussagen richtig wiedergegeben habe. Allerdings, so zitiert sie der Standard, sei es unzulässig, dies mit dem Berufsleben zu verknüpfen. Das sei "biologistisch". "Unzulässig"? Wohl eher: verboten. "Biologistisch"? - Das kommt mir vor wie ein Kampfbegriff mittelalterlicher Missionare gegen die Aufklärung.

Washington Post

Das Leib- und Magenblatt der neuen Denunzianten predigt, was über Damores Blogpost zu denken ist: 
"Vielleicht hat Damore von dem Zorn nichts gelernt, den er mit seiner Behauptung, biologische Unterschiede seien für die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen verantwortlich. Aber noch wahrscheinlicher ist, dass es ihm egal ist."

Die WP geht noch weiter und tritt nach, weil Damore es gewagt hat, seine Entlassung zu kommentieren und seinen Kritikern "Moralismus" vorzuwerfen. Eines der schwersten Geschütze gegen das "humanistische" Denunziantentum ist der Vorwurf, zu moralisieren statt zu argumentieren (z. B. wissenschaftlich). "Ja richtig, Amerikaner haben auch gewalttätigen Rassismus moralisiert. Und das ist eine gute Sache." - Was in Deutschland die Nazikeule, ist in den USA die Rassismuskeule. Es geht um die Deutungshoheit, wie Diskurse zu führen sind. Das eine gute Sache falsch wird, wenn sie von den falschen gesagt wird. Und umgekehrt. 

Denunziantentum ist eine Domäne des Neides. Der sich unterbewertet fühlenden, nie etwas gewagt habenden. Die den Lottogewinn erwarten, ohne für einen Lottoschein zu bezahlen. Die den Bonus wollen, weil sie sich sonst "diskriminiert" fühlen.

Als Liberaler vertraue ich auf die selbstzerstörerische Kraft solch einer Kultur. Sie wird die Falschen auswählen, unter der schlechten Führung leiden, am Ende schrumpft der zu verteilende Kuchen. In einer Zwischenphase werden sie von der verbliebenen Substanz immer mehr fordern. Sie halten sich ja schon heute an die, die noch leisten können: an uns. Und unsere "starken Schultern" geraten allmählich selbst in die Minderheit.

Wichtig ist, solche "humanistischen" Domänen zu meiden. Konformismus ist für mich ein Kontraindikator für Erfolg. Siehe DDR, siehe UdSSR, siehe Chinas großer Sprung, siehe Volkswagen.

Aber eine DDR light haben sie schon erreicht, diese Ladies, die als Schülerinnen Mathe und Physik abgewählt haben, die Nerds mieden, außer wenn sie von ihnen Hausaufgaben abschreiben wollten. Die sich auf der Uni für seichte Themen einschrieben und die wie zugegebenermaßen lange nicht ernst nahmen. Die nach dem Diplom oder Master in soziale Programme gingen, dann in Parteien und dort die Ortsvereinssitzungen dominierten. Sie marschierten buchstäblich durch die Instanzen und lebten dabei nicht schlecht von den Ernten, die die von ihnen verachteten Nerds einfuhren. Sie erfanden Steuern und Abgaben. Aber irgendwann genügte ihnen auch das nicht mehr und sie fragten sich, warum "er" auf dem Vorstandssessel sitzt, und nicht "sie". Und dann erfanden sie Gesetze gegen Diskriminierung und forderten von Unternehmen Berichte ein. Wie schön, wenn man dazu die Opfer von Sklaverei, Rassismus und Holocaust nicht mehr befragen kann, ob sie mit ihrer Zweitverwertung zum Wohle liberaler Bürgerkinder einverstanden sind. Ich bin sicher, sie wären es nicht. Ihnen bleibt nur, im Grabe zu rotieren.

Donnerstag, 23. November 2017

Gute Kollegen

Es gibt sie noch, die Kollegen mit denen man sich normal unterhalten kann. Die ihre Emails mit "Hallo Projektkollegen" beginnen, statt mit "Liebe Mitstreitenden", Die bei der Wahl des Restaurants keine langen Ausschlusslisten aufsagen, die von "nicht vegan" bis "Kinderarbeit im Kongo" reichen. Die sogar bayerisch essen gehen. Die in Workshops und Telefonkonferenzen direkt zur Sache kommen und Klartext reden und verstehen, worum es geht. Und sich vor allem nicht aus der Affäre ziehen wollen. Die sich Vorsprung mit Substanz erarbeiten und nicht mit Informationsfilterung. Die nicht korrekt sind, sondern anständig. Und die gleiche Moral für alle -inklusive sich selbst- gelten lassen. Die anderen Kollegen nicht die Arbeit zuschanzen mit der Floskel, dieser habe schließlich die nötige "Passion". "Passion" ist -ähnlich wie "disruptiv" und anderen- ein Modewort derjenigen, die überall mitmischen und gesehen werden wollen, aber von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.

Mit guten Kollegen kommt man dreimal so schnell voran und etwaige Korrekturwege im Rückwärtsgang sind nur einen Bruchteil so lang.

Mit solchen Kollegen macht die Zusammenarbeit Spaß. Aber sie sind halt in der Minderheit. Vielleicht sind sie auch die Mehrheit - dann allerdings eine schweigende. Weil sie Qualität für selbstverständlich halten.

Diese Kollegen sind auch ausgeglichener, weil sie abends in der Regel pünktlich nach Hause gehen.Und dort ein Partner oder gar Familie auf sie wartet. Sie gehen halt nicht in NGOs oder Parteien, in denen sie sich mit anderen um noch mehr Publizität und noch weniger Substanz kloppen. Denn die guten Kollegen konnten schon tagsüber was sie sollten, und sollten was sie konnten. Und sprachen natürlich mit darüber, was wichtig ist und was nicht.

Die Welt wird von denen verkompliziert, die nicht wissen wer sie sind und was sie wollen. Und die ihre ureigenen seelischen Probleme auf ihre Umgebung projizieren und zu Popanzen aufblasen.

Donnerstag, 9. November 2017

Wissenschaftsjournalismus auf dem Abstieg

Zehn Jahre lang las ich begeistert und neugierig den Wissenschaftsteil der F.A.Z., auch auf FAZ-Online. Und genau so gerne hörte ich Wissenschaftspodcast von Bayern 2 (IQ Wissenschaft) und SWR2-Wissen. Leider haben beide im Verlaufe dieses Jahres stark nachgelassen - was Qualität der Recherche und was die Trennung von Meinung und Fakten betrifft.

Zwei Tendenzen stören mich da vor allem:

1. Die FAZ schreibt zunehmend emotional, moralisch oder reisserisch wo wissenschaftliche Nüchternheit herrschen sollte. Beispiele hierfür sind die Autoren Joachim Müller-Jung (hier, oder hier) und Sibylle Anderl (hier).

Begriffe wie "Dreckschleudern", "Klimasünder", "herumtrampeln" und "Moral" als Leitmotiv im Artikel "Moral der Dreckschleudern" haben nichts mit Wissenschaft zu tun. Die Rubrik "Alles im grünen Bereich" von Jörg Albrecht kommt sprachlich und grafisch wie ein Kinderbuch ("Kleiner Garten, großer Zwerg") oder Tagebuch eines Schülers daher. Sibylle Anderl hingegen kommt als Ferienbericht daher. "Die Wolken hängen tief über Grenoble an diesem kühlen Herbsttag".  Wenn ein Artikel über ein Observatorium so beginnt, weiß ich wie lange das Licht unterwegs sein wird, bis es auf meine Netzhaut trifft...

2. Bayern 2 nimmt zunehmend Reportagen in die Sendung, in denen Behauptungen nicht belegt und Quellen nicht hinterfragt werden. Letztes Beispiel war Miriam Stumpfe mit ihrem Beitrag über die "Flucht vor dem Klimawandel" (Link). Es vergeht kaum noch eine Woche, in der IQ Wissenschaft darüber "berichtet", wie schädlich Donald Trump für US-amerikanische Wissenschaftler ist. Auslöser dafür sind bekanntermaßen Trumps Einreisestopps für Terrorländer, seine gesunde (aufklärerische) Skepsis gegenüber Modethemen, die sich die Politik von der Wissenschaft angeeignet hat. Und weil er seine Schlüsse daraus zieht und bestehende Regeln und Vereinbarungen in Frage stellt. Berichte über die Folgen des Klimawandels leiden hingegen an einem Mangel von Logik, Belegen und der Bewertung von Quellen, wie z. B. der "Union of concerned Scientists" (Vereinigung besorgter Wissenschaftler). Während "besorgt" als Haltung kritischer Bürger in Deutschland selbst inzwischen denunziert wird, hält man die "besorgten Wissenschaftler" aus den USA hoch. Denn die haben sich 1969 als Umweltschützer am MIT gegründet und verstehen sich seitdem als grüner Lobbyverein. Diese Lobby unterstellte Trump, er würde nach seiner Wahl alle missliebigen Wissenschaftsberichte von öffentlichen Servern entfernen lassen und erstellten schnell Sicherungskopien. Ob die Befürchtung zurecht war, lässt die Journalistin offen, sie fragt nicht nach. Aber sie lässt die Lobbyistin sagen, warum es unmoralisch wäre, WENN er es TÄTE: "Die Berichte gehören den Steuerzahlern, die sie bezahlt haben." - Selten hört man von grünen Wissenschaftlern und Klimalobbyisten das offene Bekenntnisse, dass sie von Steuerzahlern bezahlt werden. Aber ich nutze die Gelegenheit, das zu den Akten zu nehmen.
Dann die Überraschung - die quasi der Gegenbeweis zum Verdacht gegen Trump ist: Er ließ einen Klimabericht veröffentlichen, der gegen seine politische Linie sei. Und dann der Skandal: Trump spielte öffentlich die Bedeutung dieses Berichtes herunter. - Empöörend. So etwas hat es ja noch nie gegeben, dass eine Regierung den Bericht eines WIssenschaftlers herunterspielt. Unsere Regierung würde das z. B. niemals mit dem Bericht der Wirtschafts"weisen" tun.
Interessant wäre doch mal zu hören, welche Wissenschaftler in den USA wovor genau Angst haben? Sind es die Naturwissenschaftler, Mikrobiologen, Ingenieure und Informatiker? Oder eher die Genderforscherinnen, Politologen, Soziologen die derzeit unsere Gesellschaften spalten und zu Konformismus erziehen wollen?

In der gleichen Sendung behauptet ein Potsdamer Klimaforscher, dass der Anstieg des Meeresspiegels nicht langsam daher komme, so dass wir "allmählich immer nassere Füße kriegen". Sondern es immer häufiger starke Überschwemmungen gebe, die die Bewohner nachhaltig in die Flucht treiben. Und besonders seien Bewohner von Flussdeltas betroffen. Und dann der Satz, dass diese schon immer als erste und am stärksten betroffen gewesen seien, denn schon früher hätten die Bewohner dort "zu viel Grundwasser entnommen". - Zack! Hier wird mal eben von einer gleichen Wirkung (Überschwemmung) auf eine gleiche Ursache (menschengemacht) und schließlich auf ein großes moralisch-politisches Thema geschlossen (Flucht). Sorry, so geht es nicht.
In einem anderen Interview geht es -ein Jahr nach seiner Wahl (nicht Amtszeit!) um Trump und die Wissenschaft. "Durchhalten ist die Parole von Wissenschaftlern in den USA. Alle vernünftigen Menschen wissen ja inzwischen, dass sich die Erde erwärmt, und zwar menschengemacht." sagt die Moderatorin Birgit Magira. Miriam Stumpfe interview -als Warm-up- eine Ärztin in Bangladesch, die die Folgen des Klimawandels "erforscht". Zusammengefasst kündigt diese Ärztin einen Migrationsdruck aus Bangladesch an. Denn, " die Menschen landen in den Slums von Bangladesch". - Hier könnte man fragen, warum es in Bangladesch so schlimme oder viele Slums gibt. Aber man kann natürlich auch einen politischen Anspruch an uns ableiten, denn wir sind ja Schuld, wenn wir das Klimaziel nicht einhalten. Und Bangladesch ist - Gott gegeben- ein armes Land, dass sich Migration im eigenen Land "nicht leisten kann". - Ihr Fazit: "Klimawandel findet statt, und wir sind betroffen." - Was fehlt: der Nachweis, dass er menschengemacht ist.

Au diesem Niveau reiner Propaganda begründete schon George W. Bush sein Urteil über Saddam Hussein als Terrorist: Nachdem sich Bush vom Anschlag auf den 11. September erholt hatte, zeigt ihm jemand ein Foto auf dem Saddam abgebildet war. Nicht etwa Saddam wie er sich mit Terroristen trifft, oder am Tatort oder etwas vergleichbares. Nein, stattdessen galt als Beweis, dass das Foto ja echt sei.

Dienstag, 7. November 2017

Lächle, wie die Comicfiguren auf dem Konferenz-Flipchart :-)

Auf Fachkonferenzen über Anforderungsmanagement, Architekturmanagement oder agile Methoden irritiert mich seit längerem diese dargestellte Verspieltheit der Protagonisten.

Bei denen das Projektleben eine Art Comic aus lächelnden, einfachen Akteuren ist. Die Kunden bzw. Anwender als "Reisende" ansehen, unterwegs auf dem Globus wie Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer.

Die Botschaft (die bei mir ankommt): Probleme kennen wir nicht. Wenn du welche kennst, muss das an dir liegen. Mach dich locker.

Ich habe diese Lockerheit erst einmal in eigenen Projekten erlebt. Und dieses Projekt war auch prompt erfolgreich. Wir konnten locker sein, weil unsere Klientel nach mehreren Misserfolgen so verzweifelt war, dass sie sich hüteten, uns unter Druck zu setzen. Diese Freiheit nutzten wir, um das System so nützlich wie möglich zu machen.

Und Erfolg ist eine Aufwärtsspirale. Hast du Erfolg und gibt man dir Freiheit, aktiviert das immer mehr Ressourcen in dir und erweitert deinen Blick. Du verstehst immer mehr und das Produkt wird immer besser. So will man arbeiten.

Aber nach meiner Überzeugung gibt es noch weitere wichtige Erfolgsfaktoren. Und dazu gehört das gute Zusammenspiel von Anforderungsmanager (Product Owner) und Architekt. Unsichere (alte und junge) Akteure neigen bei Unsicherheit zu Rückzug und Distanzierung. Anstatt "ans Netz" zu gehen, versteifen sie sich auf Grundlinienduelle und warten auf die Fehler des "Gegners". Aber so kommt das Projekt nie vernünftig in Gang.

Vielmehr müssen beide ihre Rollen und Aufgaben anerkennen und ihr Zusammenspiel verstehen. Das "Was?" (Anforderungen) und das "Wie?" (Architektur) müssen auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Dabei müssen sie die Randbedingungen des anderen verstehen und in die Lage kommen, vernünftige Kompromisse zu schließen. Keiner sollte seinen Stakeholdern Versprechungen machen, die der andere nicht einhalten kann.

In der öffentlichen Verwaltung läuft dieses Spiel noch überhaupt nicht. Der Grund dafür ist -nach meiner Beobachtung und Erfahrung- das unterentwickelte Anforderungsmanagement. Aber auch populäre Missverständnisse von "Architektur".

IT ist in der Verwaltung gewachsen wie in jedem komplexeren Unternehmen: Dezentral. Jeder Bereich hat über die Jahre sein Ökosystem entwickelt. Fachbereiche haben bestellt und installiert oder gar selbst entwickelt. Die Begründung war stets: Keiner versteht uns. Und wenn, liefern sie zu langsam. - Das Ergebnis: Mit der Zeit gibt es für gleiche Aufgaben immer mehr verschiedene Systeme.

Und der CIO beschließt: Standardisierung!

Das Ziel: Aus 16 mach (maximal) 2 Lösungen.
Die Aufgabe: Finde heraus, welche 2 das Optimum für die 16 bilden.
Die Vorgabe: Mach es ohne Anforderungsmanagement.

Inzwischen kenne ich mehrere Projekte die für die gesamte Verwaltung (Bundesressorts, Länder, Kommunen) eine Lösung gestalten sollen und die in Frage kommenden Lösungen werden gleich mit vorgegeben. Und was immer mit vorgegeben wird: Du kannst keinen Standard durchsetzen oder beschließen - sondern du musst dir die Zustimmung von allen Beteiligten abholen.

Es kommt auch vor, dass dir der CIO gerade erst die Lösung vorgeschrieben hat. Und er wendet sich von dir ab und der Presse zu und verkündet, wann die Sache produktiv gesetzt werden wird. Und weil er so ehrgeizig ist, legt er noch eins drauf und verkündet einen Leistungsumfang, der über die gesetzlichen Anforderungen hinausgeht. Er wird vor der Presse von modernen Lösungen und agilen Methoden sprechen. Aber für die entscheidende Frage, was das System können muss, um die Aufgaben des Fachbereichs für die Erfüllung des Gesetzes umsetzen zu können, wird keine Zeit eingeräumt.
Und hinter den Kulissen werden sich Fürsten um ihre Einflussnahme kloppen und deine dringenden Entscheidungen bis in den roten Bereich rauszögern. Am Ende wird sich einer durchsetzen und die Verlierer nicht mitspielen.

Was hat das mit den lächelnden Comicfiguren auf deiner Konferenz zu tun? Was leistet der Comic anderes als ein Klima von Konformismus, in der alle so tun als wären sie frei und glücklich aber an ihrem Schreibtisch haben sie keine Ahnung, wie sie ihre Vorgaben umsetzen sollen? Sollst du die Konflikte und Widersprüche ansprechen, sobald du sie erkennst?

Ich war neulich in einer großen Runde, in der ein Staatssekretär ausdrücklich dazu aufforderte, mal "offen aus der Praxis" zu berichten, was wir in den Projekten so erleben. Und keiner traute sich. Doch, einer traute sich dann schon. Und das war ich. Ich benannte die Hindernisse der Hierarchie, die Fokussierung auf Vorschriften statt auf Ergebnisse. Die Unmöglichkeiten, moderne und bewährte Methoden umzusetzen mit Rollen, die sich nicht jede Entscheidung einmal im Quartal genehmigen lassen müssen.

Der StS. nickte und sagte, dass es so sein könne, dass Gesetzesänderungen dafür nötig seien - und das s auch das möglich sei. Ich war ihm schon dankbar, dass er auf meine Worte einging. Was mich aber irritierte war das völlige Desinteresse der großen Runde. Während und auch nach der Sitzung. In diesem Moment verstand ich, wie tief der Konformismus inzwischen sitzt. Und zwar selbst dann, wenn zu Non-Konformismus aufgerufen wird. Die Comicfiguren auf den Flipcharts sind am Ende freiwillige Konformisten. Sie bekennen sich nicht nur zu äußeren Zielen und "Werten". Inzwischen lebt der Konformismus in den tieferen Schichten der Psychologie - im Prinzip so, wie von Huxley in der "Schönen neuen Welt" beschrieben. Wer nicht lächelt, hat ein Problem. Und Probleme wollen wir auf der Bühne nicht sehen. Hinter den Kulissen aber und unterm Tisch tragen wir sie um so härter aus.


Mittwoch, 18. Oktober 2017

"Kulturgeschichte des Klimas", Wolfgang Behringer

Das Klima wandelt sich - schon immer
Ich habe Wolfgang Behringers' Buch "Kulturgeschichte des Klimas" (Link) 2013 gelesen und sehe seitdem klarer. Was ich bereits ahnte oder halb wusste: das Klima auf Erden wandelt sich von Beginn an. Und: der Menschheit ging es in den Warmzeiten meist besser als in den Eiszeiten.

Die Frage, woher Grönland seinen Namen hat, stellt man ja schon als Schüler. Dass die nördliche Linie, bis zu der man in Europa Wein anbauen konnte, mal auf den britischen Inseln lag, wissen aber schon deutlich weniger. Heute verläuft diese Linie durch Halle/Saale (Unstrut).

Schlechtes Wetter verhagelt die Ernte
Viel wichtiger als die Frage, ob und wie schnell wir wohl gerade in eine Klima"katastrophe" reinlaufen ist, wie gut wir darauf vorbereitet sind. Denn an Wetter und Klima hängt auch heute unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wenn der Winter hart und lang war -z. B. nach einem Vulkanausbruch oder einer verminderten Sonnenaktivität-, die Schneeschmelze Auen und Weiden überflutete waren zuerst die Äcker dahin und etwas später das Vieh, denn Hochwasser brachte oft Seuchen mit sich. Statt Hochwasser war auch Hagel stets eine Bedrohung für das auf dem Acker stehende Getreide.

Die Folge: Ausfälle von Ernten, Milch und Fleisch.

Nach dem Hunger die Seuchen
Jahre, in denen so etwas mehrmals hintereinander wiederholte, waren dramatisch. Unser Vorfahren wurden geschwächt von Hunger und Kälte. Eine ideale Voraussetzung für Seuchen wie die Pest oder Cholera.

Der Übergang von Mono- zu Dreifelderkulturen machte die Menschen im Mittelalter etwas weniger abhängig. Als die Kartoffelfäule in Europa tobte, war Irland besonders betroffen, weil ausser der Kartoffel kein anderes Grundnahrungsmittel anbaute. Und heute sind wir abermals weiter, Nahrungsmittel importieren wir zu einem großen Teil.

Aber die Ursache-Wirkungskette muss man sich merken:
Vulkanausbruch/Sonnenaktivität -> Abkühlung -> Harter Winter -> Schneeschmelze -> Überflutung -> Ernteausfall, Viehseuchen -> Hunger -> Krankheiten/Epidemien -> Aufstände / Systemwechsel.

Warmzeit -> Reiche Ernte -> Lange schöpferische Jahresphasen -> Blüte der Kultur

Französische Revolution
Politiker und Regierungen, die also ernsthaft an einen bevorstehenden Klimawandel glauben, sollten froh sein, dass wir mit steigenden und nicht fallenden Temperaturen zu rechnen haben. Vor allem aber sollten sie Pläne für die Sicherung unserer Lebensmittelversorgung entwickeln.

Das ist auch in ihrem eigenen Interesse. Der französischen Revolution voraus gingen nämlich drei harte Jahre, in denen das Wetter einen Strich durch die Nahrungsmittelversorgung gemacht hatte. Den Rest gab das Ancient Regime, als es den feudalen Großgrundbesitzern erlaubte, die verbliebenen Ernten im Ausland verkaufen zu dürfen - die Kaufkraft des Plebs im eigenen Land war ja durch Hunger und Krankheit deutlich gesunken..

Was jetzt: Eiszeit oder Erwärmung?
Übrigens glaubten westliche Politiker vor vierzig Jahren noch, dass wir nicht vor einer globalen Erwärmung stehen sondern einer neuen Eiszeit. Von 1940 bis 1980 sank die Durchschnittstemperatur. Das ist der Grund, warum sich unsere Eltern an knackige Winter mit weißer Weihnacht erinnern.. Die Temperatur war gefallen, trotz massiv ausgedehnter Industrialisierung und Ausstößen von CO2. Danach sprach man plötzlich von globaler Erwärmung. Als es dann wider Erwarten doch wider Eis und Schnee in Deutschland gab, formulierte man vorsichtiger: "Klimawandel".

Interessant in dem Buch fand ich auch die ideologisch-religiösen Begleiterscheinungen von wettergemachten Katastrophen. Wo die Menschen auf höhere Kräfte angewiesen sind, suchen sie den guten Draht zu ihnen. Wer das Wetter deuten konnte, genoss Ruhm und Ansehen bei Hofe und im Volk. Wer das Wetter machte, musste sich vorsehen. Vor allem, wenn Sündenböcke für verhagelte Ernten und Überschwemmungen gesucht wurden. Aus dieser Zeit stammt die Hexenverfolgung.

Hexenverfolgung
Notiz am Rande: Es war nicht die Kirche, die die Hexenverfolgung forcierte. Denn die Kirche war (und ist) eher darauf bedacht, dass Verhalten eines jeden zu beeinflussen. In einer Sündenbockkultur aber, muss man das eigene Verhalten nicht ändern, wenn man jemand Drittes als Opfer darbringen kann..

Wetterpropheten und Klimapharisäer
Dass Klima- und Wetterpropheten hohen Einfluss auf uns haben, wissen wir. Aus dem Wetterbericht macht man heute eine Wettershow. Einige Meteorologen haben es zu Showmasterehren gebracht. Noch machtvoller ist aber die Rolle der Klimaforscher. Sie können Regeln in die Welt setzen, die die Regierungen gefälligst umzusetzen haben - uns zur Belästigung und den Politikern zu Ehren.

Heute sind also die Menschen die neuen Sündenböcke, die im Winter die Heizung aufdrehen und im Auto mit Kraft-Wärme-Kopplung fahren. Wer CO2 ausstößt, sündigt.

Die Ent-findung des Feuers..
Man könnte überspitzt aber auch sagen: Die Klimaforscher in Potsdam und anderswo versuchen die Geschichte unserer Technologie zurückzudrehen. Die Erfindung des Feuers, also die erste emanzipatorische Erfindung der Menschheit, muss rückgängig gemacht werden. Das gilt auch für das Feuer im Brennraum eines Automotors.

Gäähn...
Wahrscheinlich müssen wir einfach nur abwarten und brauchen unser Verhalten überhaupt nicht zu ändern. Meine Erinnerung an Politik ist eine Folge einander abwechselnder Apokalypsephantasien anmaßender Politiker: Waldsterben, Ozonloch, Wassermangel usw.

Freitag, 13. Oktober 2017

Wer (bzw. wo) ist "ich"?

Ich lese mich seit geraumer Zeit durch den Erkenntnisstand der Hirnforschung und -philosophie. Ingenieurswissen hilft beim Verstehen, aber auch beim Nichtverstehen..

Ich fass es mal zusammen:
Intuitiv würden wir den Sitz unseres "ich" - und damit den unserer Seele- irgendwo im Gehirn vermuten, etwa da wo wir "ich" denken. Hirnforscher sagen uns aber, dass sie bei bildgebenden Verfahren viele Verarbeitungsarten unseres Gehirns "korrelieren" (also verorten) können, aber den Sitz eines "ich" finden sie nicht. Aber warum nicht, wenn wir es doch dort denken?

Ich hatte neulich schon darüber geschrieben, aber in dieser Woche eine interessante Diskussion darüber gehabt. Evolutionär kommen wir aus der bildhaften Modellbildung. Wir bilden Vorstellungen und Erwartungen (Modelle) von dem was wir wollen und nicht wollen oder fürchten. Diese Modelle steuern unseren Bewegungsapparat, die Deutung unserer Sinneswahrnehmung, unsere Wünsche etc. Diese Modelle sind bildhaft und konkret. Da ist also ein langer Weg bis zu einem aus Sprache formulierten "ich".

Der Schritt dazwischen ist die Abstraktion. Wenn wir uns von konkreten Vorstellungen lösen und verallgemeinern. Zum Beispiel beim Spurenlesen. Unsere Vorfahren mussten deuten, ob die Spur von einem gefährlichen Tier stammt oder einem Beutetier. Und so begannen sie vielleicht, Gattungen, Abstraktion und Symbole zu bilden. Bis sie beim Alphabet ankamen.

Eine Modellbildung aus abstrakten Symbolen also. Und wie kommt das "ich" darein? - Antwort: Man muss nur sich selbst in diesem Modell ergänzen. So wie es ein Steuerungs- und Regelungsingenieur tut. Die Rückführung des Messwertes ("ich") auf die Regelstrecke und die Bildung einer Abweichung zwischen Ist und Soll führt zum Regelkreis bzw. Selbstbewusstsein.

"Ich" ist all diesen Regelkreisen einerseits gemeinsam. Andererseits sind es immer verschiedene Aspekte von "ich", weil es um unterschiedliche Regelgrößen geht: mal emotional, mal materiell, mal politisch etc. Das könnte ein Grund sein, warum man "ich" nicht fest verorten kann.

Mit dem Entfall von "ich" entfällt aber noch viel mehr. Z. B. die Integrität der Persönlichkeit, die Vorstellung von Seele und Individuum.

Man kann vielleicht sagen, dass wir nicht nur die künstliche Intelligenz in unsere Richtung weiter entwickeln. Die Philosophie entwickelt auch uns in Richtung künstlicher Intelligenz..

Freitag, 29. September 2017

Von Ressourcen und Fähigkeiten

Der gesellschaftliche -in einigen Branchen auch der unternehmerische- Umgang mit "Diversität" ist voller Widersprüche, ich könnte auch sagen: hirnrissig.

Einerseits betonen Politiker den Wert von Diversität als Quelle der Inspiration.
Andererseits betonen sie dass Diversität kein Anlass für unterschiedliche Behandlung sein darf, vielmehr müsse alles gleichgemacht werden - der "Gerechtigkeit" wegen.
Unter Gerechtigkeit verstehen Politiker nicht, dass in einer Gruppe von Diversen alle mal zum Zug kommen, jeder sich an gewisse Standards halten muss, dass Stärken genutzt werden. Stattdessen verstehen sie darunter stets den kleinsten gemeinsamen Nenner. In der Berufswelt kennt man das als Ressortabstimmung oder "konzernweite Harmonisierung". Je geringer das Verhandlungsgeschick der Unterhändler, desto weniger Substanz wird im Ergebnis enthalten sdin.

Als sich mehr als eine Million Flüchtlinge auf den Weg nach Deutschland machten, sprachen Regierung und Konzernsprecher unisono von der "einmaligen Chance" unseren "Fachkräftemangel" zu entschärfen - und unseren demographischen Faktor zu korrigieren. Auch der Chef der Arbeitsagentur Frank Weise sprach so. Sie alle sprachen so, bevor sie irgendetwas über die Skillprofile der Flüchtlinge wussten. Sie dachten nur in Ressourcenknappheit und Ressourcenangebot, wie ein Disponent der das Leergut eines Güterbahnhofs verwaltet.

Der frühere Chef der IBM Consulting Group Deutschland, Michael Diemer, führte seinen Bereich auch so. Als die Qualifizierungsmängel seiner Berater längst offensichtlich waren, investierte er nicht in Qualifizierung sondern suchte konzernweit nach unbeschäftigten Beratern - nach "Ressourcen". Er schickte grundsätzlich jeden Verfügbaren in jedes Projekt. Sein strategisches Ziel lautete: "Auslastung".  Diese sog. Strategie scheiterte krachend, genauso wie inzwischen Merkels, Weises etc. Strategie gescheitert ist.

Das Blöde daran ist, dass das nicht von den Strategen ausgebadet wird, sondern von den Regierten. Die Flüchtlinge finden keine Arbeit, viele von ihnen toben ihren Frust aus, und Merkel, Weise und Genossen deklarieren es als "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" und schieben das Problem ab. Und zwar am liebsten dahin, wo es eh schon "Erfahrung" mit "robusten Parellelgesellschaften" gibt.

Alle Sonntagsreden von der Wissensgesellschaft, von Digitalisierung, Zukunftsfähigkeit entpuppen sich als intellektueller Müll, wenn es zurück ans Tagesgeschäft geht. Da werden Ressourcen immer noch wie Fließbandkräfte oder Rohmaterial betrachtet, das in Bruttoregistertonnen zu messen ist.

Donnerstag, 28. September 2017

modernRE

Zurück auf den Boden der Tatsachen. Zurück ins IT-Geschäft. Zwei Tage Konferenz "Modern RE" (Requirements Engineering) liegen hinter mir. Mein Versuch, ein Fazit für mich zu ziehen:

1. Motivation zur Teilnahme
Wie machen es die anderen? Was erleben andere, welche Probleme müssen sie lösen und wie tun sie es? Seitdem es jede Rolle in einer Organisation nur noch einmal gibt, ist man mehr denn ja auf Austausch mit Externen angewiesen. Und dafür hat sich die Teilnahme gelohnt.

2. Triff die Experten, die Autoren, die Berater
Auch im Anforderungsmanagement gilt: Sich auf die anerkannten Experten zu berufen, bietet Sicherheit. Wehe dem, der so denken muss anstatt selbst zu denken.
Von der Prominenz habe ich hier am wenigsten gelernt, außer, dass es ok ist, ruhig einmal Tacheles zu sprechen. Tacheles wirkt echt.
Am meisten lernte ich von den Product Ownern und Scrum Mastern, die diese Rolle im (Kunden-) Unternehmen ausüben, gerne übrigens seit länger als einem Jahr. Mit denen kann man ganz konkret Dinge besprechen.

3. Mentalität
Deutschland ist gut im Maschinenbau und in Fabrikarbeitsketten. Aber wehe, man braucht Leute für einen Invest, um mal auszuprobieren, wie es besser gehen könnte. Die Wissensträger, die verfügbar und zusätzlich bereit sind, repräsentativ für ihre Gruppe zu sprechen, sind sehr rat gesät. Lieber spricht man nach der Umsetzung hundertmal über Schuldzuweiseungen, als einmal einen Experten für 1 oder 2 Wochen herzugeben.

"Flache" Hierarchien sind nur mit fachlich qualifizierten und selbstverantwortlich denkenden Kollegen möglich. Das gilt noch mehr in Projekten mit vielen Externen. Projekte, in denen externe Berater und Dienstleister gegeneinander ankonkurrieren funktionieren nicht. Manager, die sich für "Strategen" halten, weil sie weder operativ noch fachlich etwas beitragen können, wirken bremsend und stiften Verwirrung. Hingegen Kollegen, die echte Expertise und Erfahrung beisteuern und mit Unsicherheiten und Unkenntnis offen umgehen, wirken beschleunigend, risikosenkend und qualitätstreibend.

Ich arbeite nun seit einem Jahr als Berater für Anforderungsmanagement in einer Bundesbehörde und kann nur ein ernüchterndes Fazit ziehen: Mir ist sonnenklar, warum in der Verwaltung IT-Projekte grandios scheitern.

Woher stammen unsere Spiegelneuronen?

Empathie ist nicht Mitleid

Unsere Empathiefähigkeit führen Gehirnforscher auf die sog. Spiegelneuronen zurück, und damit auf eine angeborene Fähigkeit. Lange galt Empathie als erlernbare Kompetenz, weil offensichtlich sehr viele Menschen ohne sie zurecht kommen. In der dargestellten Öffentlichkeit und Politik gilt Empathie, bzw. Mitleid, als höchste Tugend. Und da beginnt das Missverständnis..
Denn Forscher sagen, dass jeder -auch Soziopathen- empathisch sind, aber andere Schlüsse aus ihrer Erkenntnis ziehen als Menschen, die Mitleid oder Mitfreude zeigen. Manche Menschen nutzen ihre empathischen Fähigkeiten, um aus erkanntem Leid einen Nutzen zu ziehen. Der Nutzen kann materiell sein, aber auch psychologisch. Die meisten Flüchtlingshelfer und sog. Seenotretter handeln demnach weniger aus Mitleid sondern für das persönliche Renommee, das sie aus ihren Aktionen glauben erwirtschaften zu können. Wäre Mitleid ihr Motiv, würden sie nicht so viel Getöse um ihre Aktionen machen. Ein anderes Motiv von Jugend rettet ist das Syndrom, das einige Kritiker des Roten Kreuzes als "Helfen ist Herrschen" bezeichnen.

Zurück zur Naturwissenschaft.

Evolution

Man könnte fragen, worin der Nutzen von Empathie in der Evolution gelegen haben mag. Eine Antwort könnte sein, dass Empathie die Überlebensfähigkeit von Menschen (und Primaten) erhöhte und die Grundlage für Gruppenarbeit gewesen ist.

Da sich evolutionäre Entwicklung aber immer -wie Hoimar von Ditfurth sagte- an der "Kontur" einer Spezies entwickelt, könnte man fragen, aus welcher vorher bereits dagewesenen Kontur sich Empathie entwickelt hat.

Innere Modellbildung

Meine Theorie ist, dass sich Spiegelneuronen aus der "inneren Modellbildung" der Welt entwickelt haben könnte. Wir nehmen die Welt ja nicht nur einfach wahr, sondern wir deuten sie. Was wir sehen, hören, riechen ordnen wir hinterlegten Mustern zu um zu erkennen, was es ist. Hierzu brauchen wir einen Speicher und ein Deutungsmuster bzw. eine Begriffsbildung.

Der "nächste Schritt" (im wahrsten Sinne) kann die Modellbildung gewesen sein, die uns bei der Bewegung im Raum unterstützt. Wenn wir gehen, bilden wir im Gehirn ein Modell vom Gehen nach, dass unserem realen Gehen etwas vorausberechnet und uns überhaupt erst ermöglicht, aufrecht zu gehen ohne dauernd zu fallen. Bewusst wird unsere Vorausberechnung z. B. wenn wir Stolpern, oder wenn wir auf eine Rolltreppe treten, die außer Betrieb ist. Unsere Augen sehen die Rolltreppe, unser Modell sagt, "bewegliche Treppe" und unser Modell ermöglicht uns eine Vorausberechnung für das Betreten einer Stufe in Bewegung.

Empathie

Empathie wäre dann die Hinzunahme von Beobachtungen anderer Personen und die Anwendung unserer inneren Modellbildung auf diese andere Person. Wenn sie sich z. B. nach einem Gegenstand streckt, an den sie nicht herankommt, visualisiert unser Gehirn eine Streckbewegung und gibt uns einen entsprechenden inneren Impuls. Und lässt uns am Ende eingreifen und versuchen, selbst an den Gegenstand heranzukommen.

Phantomschmerz

Ein weiterer Fall sind die sog. Phantomschmerzen. Hier bildet unser Gehirn ein Modell mit Gliedmaßen, die wir gar nicht mehr haben. Unsere Wahrnehmung von Realität bezieht sich also grundsätzlich auf Modelle. Und die Modelle können auf unseren eigenen Körper angewandt werden, aber im Prinzip auch auf andere.

Nostalgie

Mit einem ähnlichen Ansatz erkläre ich mir auch das Phänomen Nostalgie: Hier fasziniert uns die gespeicherte Wahrnehmung (oder ein Modell) unserer Vergangenheit. Liegt diese schon soweit zurück, dass sich unsere Zellen seitdem alle einmal runderneuert haben, waren es materiell gesehen, gar nicht wir, die diese Vergangenheit eingespeichert haben. Die Faszination, die Nostalgiker empfinden könnte also darauf beruhen, dass wir hier auf ein Gedächtnis zugreifen, dass sozusagen von unserem materiellen Vorgänger eingespeichert wurde. Darauf könnte diese eigenartige Gefühlsmischung aus Bekanntheit und Entdecken beruhen.

Montag, 18. September 2017

Nicolae Ceausescus letzte Rede - Ein "Buh"-Rufer war sein Ende...

Seele und Geist - Konstrukt und Illusion

In the order of appearance: Jorge Luis Borges, Richard Dawikins, Thomas Metzinger, Yuval Noah Harari  und auch (mit Einschränkung) Carlo Strenger- um nur einige zu nennen.

Sie alle analysierten unsere Vorstellungen von Geist und Seele und kamen zu dem Schluss: Da ist nichts. Da ist nicht nur nichts nachweisbar, da ist auch nichts zu postulieren.

Unser "ich" ist ein Konstrukt unseres Gehirns. Ein Modell von der Realität, in dem der Denkende selbst vorkommt. So entsteht die Illusion von Selbstbewusstsein. Viele Erfahrungen oder Beobachtungen, mit denen wir einen "begeisterten" Mensch postulieren, lässt sich ebenso für höher entwickelte (Säuge-)tiere postulieren. Den Strom der Erfahrung, Beobachtung, des Willens, des Strebens nach Vorteil.

Die Seele, die neben oder in unserem Geist wohnen soll und unsterblich sein soll, halten die Genannten auch für eine Illusion. Aber die meisten Menschen halten an ihr fest wie an einem letzten Strohhalm.

Die Konstruktion mehrerer Ichs (Schizophrenie) wird als Geisteskrankheit bezeichnet, oder als intellektuelle Leistung - je nach Blickwinkel. Aber warum soll dann nicht schon das erste Ich eine Konstruktionsleistung sein?

Die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit und der unserer nächsten Verwandten ist zunächst ein Schock. Nach dem Berappeln bewirkt sie plötzlich Freiheitsgefühle. Alles eine Stufe tiefer hängen, nichts ist so wichtig wie der momentane Genuss des Lebens selbst.

Warum nicht den Schritt weitergehen und anerkennen: Da ist auch kein "Ich"? Die relativierende Wirkung dieser Erkenntnis halte ich für genau so befreiend wie die der eigenen Sterblichkeit. Da ist kein "ich" das unbedingt nach optimiertem Glück streben muss und ständig Angst haben muss, eine Optimierung zu verpassen. Da ist auch kein "ich", dass mit Niederlagen fertig werden muss. Schmerz ist schlimm, ja. Verlust ist schlimm. Aber das ich das so denkt ist ein Konstrukt. Und die Seele, die dieses Konstrukt heilig spricht, ist eine Illusion.