Freitag, 13. Oktober 2017

Wer (bzw. wo) ist "ich"?

Ich lese mich seit geraumer Zeit durch den Erkenntnisstand der Hirnforschung und -philosophie. Ingenieurswissen hilft beim Verstehen, aber auch beim Nichtverstehen..

Ich fass es mal zusammen:
Intuitiv würden wir den Sitz unseres "ich" - und damit den unserer Seele- irgendwo im Gehirn vermuten, etwa da wo wir "ich" denken. Hirnforscher sagen uns aber, dass sie bei bildgebenden Verfahren viele Verarbeitungsarten unseres Gehirns "korrelieren" (also verorten) können, aber den Sitz eines "ich" finden sie nicht. Aber warum nicht, wenn wir es doch dort denken?

Ich hatte neulich schon darüber geschrieben, aber in dieser Woche eine interessante Diskussion darüber gehabt. Evolutionär kommen wir aus der bildhaften Modellbildung. Wir bilden Vorstellungen und Erwartungen (Modelle) von dem was wir wollen und nicht wollen oder fürchten. Diese Modelle steuern unseren Bewegungsapparat, die Deutung unserer Sinneswahrnehmung, unsere Wünsche etc. Diese Modelle sind bildhaft und konkret. Da ist also ein langer Weg bis zu einem aus Sprache formulierten "ich".

Der Schritt dazwischen ist die Abstraktion. Wenn wir uns von konkreten Vorstellungen lösen und verallgemeinern. Zum Beispiel beim Spurenlesen. Unsere Vorfahren mussten deuten, ob die Spur von einem gefährlichen Tier stammt oder einem Beutetier. Und so begannen sie vielleicht, Gattungen, Abstraktion und Symbole zu bilden. Bis sie beim Alphabet ankamen.

Eine Modellbildung aus abstrakten Symbolen also. Und wie kommt das "ich" darein? - Antwort: Man muss nur sich selbst in diesem Modell ergänzen. So wie es ein Steuerungs- und Regelungsingenieur tut. Die Rückführung des Messwertes ("ich") auf die Regelstrecke und die Bildung einer Abweichung zwischen Ist und Soll führt zum Regelkreis bzw. Selbstbewusstsein.

"Ich" ist all diesen Regelkreisen einerseits gemeinsam. Andererseits sind es immer verschiedene Aspekte von "ich", weil es um unterschiedliche Regelgrößen geht: mal emotional, mal materiell, mal politisch etc. Das könnte ein Grund sein, warum man "ich" nicht fest verorten kann.

Mit dem Entfall von "ich" entfällt aber noch viel mehr. Z. B. die Integrität der Persönlichkeit, die Vorstellung von Seele und Individuum.

Man kann vielleicht sagen, dass wir nicht nur die künstliche Intelligenz in unsere Richtung weiter entwickeln. Die Philosophie entwickelt auch uns in Richtung künstlicher Intelligenz..

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