Sonntag, 16. Mai 2010

Der Selbstbetrug der Mittelschicht



Ulrike Herrmann hat in ihrem Buch "Hurrah wir dürfen zahlen - Der Selbstbetrug der Mittelschicht" einen interessanten Befund der deutschen Gesellschaft entdeckt und beschrieben: Die deutsche Mittelschicht solidarisiert sich lieber mit der Oberschicht und grenzt sich dafür von der Unterschicht ab.

Die Oberschicht macht die Mittelschicht glauben, sie könne jederzeit, kraft ihrer eigenen Leistung zu dieser aufsteigen. Dafür toleriert sie die Privilegien der Oberschicht. Sie toleriert auch Reallohnverluste im Aufschwung. Und sieht eher die Unterschicht kritisch. Die deutsche Oberschicht rechnet sich vor dem Finanzamt arm. Die Mittelschicht hingegen glaubt dem Finanzamt gerne, dass sie schon zu den Reichen gehören - und zahlt irgendwie gerne den Spitzensteuersatz. Die Politiker, die sich als Regierung der "Mitte" ausgeben, rechnen hingegen gerne vor, dass die Unterschicht reich ist.

Was ich schon lange sage: Die Partei, die dieses Denken der Mittelschicht perfekt zum Nutzen der Oberschicht bedient, ist die Westerwelle FPD. Ein Zugbrückenliberalismus: Nachdem das gehobene Bürgertum auf die Burg ziehen durfte, zog es die Zugbrücke hinter sich hoch. Eifersüchtig darauf achtend, dass ihr von unten keine Konkurrenz erwächst. Wettbewerbsdruck? Ja, aber nur für die da unten. Nicht für die gebildeten Stände...

Die FDP sagt, sie wolle die Mittelschicht entlasten. In der Praxis entlastet sie aber nur die Oberschicht (Einführung des Stufentarifs, Ablehnung der Vermögenssteuer...).

Leider haben auch Clement, Schröder und Fischer dieses Denken praktiziert. Schröder und Fischer waren leichte Beute. Die Eliten baten die beiden Aufsteiger an ihren Tisch und legten ihnen ihre Anliegen dar: Senkung des Spitzensteuersatzes und Egalisierung der Kapitalertragsteuer auf niedrigem Niveau. Kurz: eine Umverteilung von unten nach oben. Und ein bisschen mehr Angst und Druck auf die abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen. Zum Dank durften sich Schröder und Fischer fortan an Genossen der Bosse betrachten.

Das Buch ist lesenswert, wenn es auch oft an der Oberfläche bleibt. Ich habe es auf einer Zugfahrt nach Frankfurt/Main durchgelesen bekommen.

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