Sonntag, 30. Mai 2010

Beyond BP

Wie ein Boomerang kehrt sich die auf Öl und Spekulation basierende Doktrin der USA binnen zehn Jahren nun zum vierten mal gegen sie selbst. Und jeder Boomerang attackierte eine andere Dimension ihrer Politik:

Der 11. September war der Boomerang für die langfristig angelegte eurasische Geostrategie des Sicherheitsberaters Brzinsky: Einflussnahme auf die Region mit den größten Öl- und Gaslagerstätten. Zu Zeiten des kalten Krieges unterstützten sie die Mudschahedin gegen die Sowjets. Seit deren Niederlage nahmen die USA direkten Einfluss. Den Rebound des 11. September nahmen sie nur noch zum Anlass, einmal voll aufzudrehen und offen militärisch zu operieren. Dass dabei die Machtstrukturen der amerikanischen Öldynastien sichtbar wurden, nahmen diese achselzuckend hin. Von außen kann ihnen militärisch niemand zu nahe rücken. Und dass es innenpolitisch eine riesige Umverteilung darstellt, Ölkriege aus Steuergeldern der schwindenden Mittelschicht, aber vor allem aus Anleihen zu finanzieren, nur um private Profite der großen Ölgesellschaften zu finanzieren, ja da könnte sich der eine oder andere proviziert fühlen. Deshalb war es notwendig, gleichzeitig eine beispiellose Big-Brother Gesetzgebund auf den Weg zu bringen. Ebenfalls vom Steuerzahler finanziert und die Freiheit dieser Steuerzahler einschränkend. Und zum Wohle der großen IT-Konzerne.
Die USA leisteten sich unter Bush eine Administration, deren Mitglieder aus der Ölindustrie rekrutiert wurden. Nach einer von ihnen, der ehemaligen Chevrondirektorin Condoleeza Rice, ist sogar ein Tanker benannt. Und Sir Lou Gerstner wechselte vom IBM Chefsessel ins Board der auf Rüstungsfirmen spezialisierten Private Equity Gesellschaft Carlyle Group. Aus der Krise vom 11. September ging die Schicht, deren Interessen vorübergehend angegriffen wurden, gestärkt hervor..

2005 kam Hurrikan Katrina auf die Südküste der USA. Als der Grüne Politiker Trittin dies als Rebound der amerikanischen CO2-Emissionen bezeichnete, wurde er dafür -auch von deutschen- Politikern scharf angegriffen. Aber ist dieser Zusammenhang so abwegig?
Immerhin traf es die ärmeren Staaten der Südküste. Texas blieb verschont. Deshalb musste man Präsident Bush auch erst zum Mississippi tragen, um dort mal "Flagge" zu zeigen. Ein wirtschaftliches Interesse hatte er dort, anders als am Golfkrieg, nicht. Ein Symbol dafür, wer für den CO2-bedingten Klimawandel, wenn es ihn gibt, bezahlt und wer von ihm nur profitiert.

2007 und 2008 geriet das Finanzsystem der USA ins Wanken. Just, als sich der nach oben spekulierte Ölpreis auf einem historischen Höhepunkt befand, drohte das Spielhöllensystem einzubrechen. Der Dollar verlor an Vertrauen. Dabei ist ein hoher Dollar die Grundlage dafür, weltweit billig einkaufen zu können und sich dafür auch noch billig verschulden zu können. Aber damit ist Schluss, wenn jemand den Stecker rauszieht und dem Dollar den Saft abdreht, aus dem dieser seine Stärke bezieht. Solange es weltweit eine Nachfrage nach Dollars gibt, können sich die vereinigten Staaten eine gewisse Übertreibung ihrer Schuldenpolitik leisten. Doch wenn jemand auf die Idee kommt, den Dollar als offizielles Zahlungsmittel nicht mehr zu akzeptieren, würde dies die Nachfrage nach Dollars reduzieren. Und wenn ein erdölexportierender Staat vorschlägt, dass Öltanker künftig nicht mehr in Dollar sondern in EURO bezahlt werden, dann hört der Spass auf. Dann wird fehlendem Vertrauen mit etwas Strategie nachgeholfen. Welch ein Glück, dass auch andere starke Länder abhängig vom Dollar sind, und diese Flauseln wieder ausgetrieben werden konnten. Solange Öltanker in Dollars bezahlt werden, ist der Dollar mit einem Realwert gedeckt.

All diese Attacken auf den Dollar, und damit den Wohlstand der USA, waren gerade pariert, da passierte es ausgerechnet dem schwarzen Schaf der britischen Krone für eine neue Herausforderung zu sorgen. Die seit ihrer Gründung glückloseste Ölfördergesellschaft BP hat geschafft, was Katrina und Alkaida nicht geschafft haben: Die USA von der gesamten Südflanke her zu destabilisieren. Ein dilletantischer Stoß in eine tief liegende Öllagerstätte genügte dafür. Hierfür arbeiten drei Unternehmen zusammen: BP als Auftraggeber und Leasingnehmer für die Bohrplattform Deepwater Horizon. Die Plattform ist ein Entwurf der texanischen Firma Falcon. Gebaut hat sie Hyundai, Korea. Später wurde Falcon von Transocean übernommen. Und, also starring: Halliburton als Auftragnehmer von Transocean.

Die Vorgeschichte:
BP exploriert Ölfelder in den Tiefen des mexikanischen Golfes und wird fündig. Doch BP wäre nicht BP, wenn nicht wieder etwas schief laufen würde. Die Horizon Plattform muss außerplanmäßig eine beschädigte Plattform ersetzen. Zumindest für die Durchstoßbohrung. Und hier treten Probleme auf. Die berüchtigte Dienstleistungsfirma Halliburton wird mit der Abdichtung des Borhlochs beauftragt. Halliburton meldet an Transocean: "Bohrloch ist dicht." Transocean meldet an BP: "Dicht." Doch Drucktests bestätigen dies nicht. Gas dringt ins Bohrrohr. Doch eine Reparatur würde mehrere Millionen Dollar kosten. BP beschließt, das Druckrohr ohne Reparatur abzuziehen...
Gas steigt auf. Weil der Datenschreiber ausfällt, bekommt dies niemand mit. Wenig später kommt es zu zwei Explosionen, mit vielen Todesopfern. Bereits zu diesem Zeitpunkt wäre eine Klage gegen das BP-Management gerechtfertigt, weil sie aus Kostengründen das Leben ihrer Mitarbeiter riskiert haben.

Dann gibt es eine dritte Explosion, in deren Folge die Plattform sinkt, und das Bohrrohr abgerissen wird. Weil daraufhin der BP-Aktienkurs ebenfalls in die Tiefe zu sinken beginnt, fangen die Manager in der BP-Hauptverwaltung an, sich um das Problem zu kümmern: SIe verbieten den von einem Versorgungsschiff geretteten Mitarbeitern der Dienstleistungsunternehmen den Kontakt zur Außenwelt.
Am 14. Mai eine weitere Maßnahme: BP Chef Tony Hayward sagt in einem Interview, der Ölteppich sei im Vergleich zum großen Ozean eher winzig. Alle Maßnahmen, die er befiehlt, scheitern in der Praxis. Wegen des Pfingswochenendes unterbricht BP seine Maßnahmen übers Wochenende. BP will erst einmal Kassensturz machen: Die Maßnahmen haben bereits eine dreiviertel Milliarde Dollar gekostet. Die Quartalsdividende ist gefährdet!

Gestern Abend meldete BP, auch die "letzte" Maßnahme sei gescheitert..Jetzt weiß keiner mehr, was man noch probieren könnte. Bei BP überlegt man, ob es nicht besser wäre, Insolvenz anzumelden. Der Vorteil wäre, dass die Kosten für das Abdichten des Bohrlochs und die Reinigungsarbeiten beim US-Steuerzahler hängen bleiben würden. (An die Sozialisierung privater Risiken sind die Amerikaner inzwischen gewöhnt.) Danach könnte man BP neu gründen. Sozusagen unvorbelastet.

Wahnsinn.

Der Unterschied zwischen den Al Kaida Funktionären und dem CEO von BP ist: Der Angriff von BP ist nachhaltiger.

1 Kommentar:

  1. Alrik2.6.10

    Zum 11. September, Afghanistan und Ölinteressen:

    Zu Zeiten des kalten Kriegs kann man in Afghanistan beim Besten willen nicht von Ölinteressen der USA sprechen.
    Dafür gibt es in Afghanistan zuwenig Öl- und Gaslagerstätten.

    Reicht die Denkweise des Kalten Krieges nicht aus, um Interessen der USA zu finden die es rechtfertigen den damaligen Widerstand gegen die Sowjetische Besatzung Waffen zu liefern ?
    Braucht man da umbedingt Öl & Gas ?
    Im Endeffekt haben die USA damals die Lektion aus Vietnam auf die UDSSR angewandt:
    Ein Guerrilakrieg der von einer Großmacht durch Waffenlieferungen unterstütz wird kann nicht gewonnen werden.
    Eine Niederlage der USDSSR in Afghanistan lag damals aber in Interesse der USA, da sie den Konkurrenten schadet und denunziert.
    Nach dem Ende des kalten Kriegs haben die USA diese Region übrigens fast vollkommen fallen gelassen, mit dem Ergebniss das Pakistan auf eigene Faust die Taliban losgeschickt hat - auch hier nicht aus Ölinteressen, sondern um für Ruhe im eigenen Hinterhof zu sorgen.

    Inwiefern war eigentlich 9/11 ein Angriff auf die Interessen der amerikanischen Öldynastien ?
    Weder im WTC noch im Pentagon sitzen Ziele die besonders mit der Ölindustrie verbunden sind.
    Angriffe auf Raffinerien, Ölterminals ( in den USA, aber auch in Saudi Arabien ) wären dazu wesentlich besser geeignet gewesen und in der Durchführung einfacher.

    Sowohl Pentagon als auch WTC wurden wegen ihrer Medialen Wirkung angegriffen.
    Einstürzende, einzigartige Hochhäuser sind unvergesslich.
    Wenn man jetzt davon ausgeht das 9/11 kein Inside Job war, sondern eine Aktion der AlKaida muß man sich nur die anderen Aktionen und die Rechtfertigungen dazu anschauen.
    Als Feindbild dient dabei nicht die Ölindustrie, sondern der dekadente und korrupte Westen, in dem z.B. Frauen in der Werbung als Sexsymbole eingesetzt werden und das dann auch noch als Freiheit verkauft wird.
    Als Gegenbild dazu dient ein Islam auf dem Fundament des Korans, in dem Frauen durch den Schleier und der Sharia vor sexueller Ausbeutung geschützt werden.

    Zu Katerina, dem Öl und dem verspäteten(?) Besuchs Buschs:
    Katrina hat die Ölindustrie der USA schwer getroffen, da an den Küsten des Golfs Raffinerien, Pipelines und Ölterminals direkt oder indirekt (Stromausfälle) betroffen gewesen sind.
    Insbesondere das billige Öl aus Venezuela konnte dadurch nicht auf dem amerikanischen Markt kommen.
    Im übrigen ist die USA ein Bundesstaat wie die BRD, und Katastrophenschutz ist Sache der Einzelstaaten.
    Hätte Busch schon früher das Katastrophengebiet besucht hätte man ihn vermutlich vorgeworfen das nur zu tun um auf Kosten der Anstrengungen der Gouverneurin Punkte machen zu wollen, oder man hätte ihn "wirtschaftliche Interessen (Öl!)" unterstellt.

    Zur Finanzkrise 2007/2008:
    Die ging nicht vom hohen Ölpreis, sondern vom Platzen der Immobilienblase aus.
    Die Blase kam zum Einen dadurch zustande das eine Menge Geld zum Investment zur Verfügung stand (wenn man so will die Dividende des Friedens nach dem kalten Krieg), zum Anderen dadurch das in den 90er die Banken von der damaligen Bundesregierung dazu motiviert worden sind auch solchen Leuten Kredite zum Erwerb von Immobilien zur Verfügung zu stellen die sich das eigentlich nicht leisen konnten.
    Oh, und wenn die Nachfrage nach Dollars abnimmt, weil man Öl (wie in Venezuela, oder dem Iran ) mit Euro zahlen kann dann steigt auch der Kurs des Euros. Es gibt ja mehr Nachfrage nach Euro.
    Starke Euro / schwacher Dollar gut für die einheimische Industrie der USA, weil Exporte billiger werden.
    Wie z.B. texanisches Öl...

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