Freitag, 22. April 2022

Die Deutschen wechseln zu alternativen Antrieben

 Ich habe meinen Dienstwagen jetzt (endlich) von einem reinen Batterieauto zu einem Hybriden tauschen können. Warum "endlich"? Weil ich in dem Jahr gelernt habe, dass das reine Batterieauto (mit 58kWh Kapazität und 350-440km Reichweite, abhängig von den Außentemperaturen) sehr geeignet ist für Stadt- und Regionalverkehr. Aber nicht für Langstrecken, wie z. B. die 500km zu den Eltern.

Freunde und Verwandte fragten mich dann, warum ich ausgerechnet jetzt, da die Benzinpreise durch die Decke gehen, wieder zu Benzin wechsle. Meine Antwort: Weil ich nicht nur an die Benzinpreise sondern auch die Fähigkeit zur Flucht, wenn es mal sein muss, denke. Gerade die 500km, die ich näher an der Ukraine bin, als Westfalen, machen mir das bewusst. Wie sollte man mit meinem Batterieauto vor den Vandalen flüchten können...?

So wie ich denken offenbar viele Deutsche. Das zeigt die Neuzulassungsstatistik des Kraftfahrt Bundesamt KBA (Pressemitteilung). 45% der Neuzulassungen im ersten Quartal 2022 hatten einen alternativen Antrieb. Aber Vorsicht: das ist nicht gleichzusetzen mit "elektrischem Antrieb". So aber lesen sich viele Zeitungsmeldungen und Pressemitteilungen interessierter Kreise. Das KBA hat aber eine gesonderte Statistik für elektrische Antriebe (Batterie und Hybrid) veröffentlicht. Und demnach waren nur 24% der Neuzulassungen mit elektrischem Antrieb. 

Viele Deutsche suchen also nach Alternativen, sind aber noch nicht vom elektrischen Antrieb überzeugt. Und dies trotz massiver staatlicher Förderung. Es ist halt in der Praxis immer noch eine Sache für Überzeugungstäter. Es beginnt mit der Möglichkeit und Erlaubnis (von der Hausverwaltung, der Eigentümergemeinschaft, der Stadtverwaltung), vor der eigenen Haustüre eine Ladebox zu installieren, die die 11kW auch wirklich ausnutzt. Es geht dann weiter mit Ladestationen beim Arbeitgeber und entlang der Langstrecken, die zum eigenen Leben gehören. Und selbst wenn hier eine Versorgung gegeben ist, hat man unterwegs immer die Frage: Sind die Ladestationen frei und in Betrieb, wenn ich dort ankomme?

Ein Freund von mir hatte sich zeitgleich mit seinem Wechsel zum Batterieauto eine mobile Ladestation gekauft, die er immer im Kofferraum dabei hat. Der Reserveakku quasi.

Der Vorteil der eigenen Ladestation ist natürlich: Ich hatte ein Jahr lang keine Tankstelle gesehen (außer zum Waschen) und hatte die Benzinpreise irgendwann nicht mehr im Blick. Habe das Auto immer zu Hause geladen. Die eigene Box ist immer frei und zu Hause hat man meistens Zeit zum Laden.

Aber dann kamen immer wieder die Langstrecken zu den Eltern oder Freunden. Anfangs haben wir uns Zugtickets gebucht. Aber fast jedesmal erlebten wir mit der Deutschen Bahn unterwegs einen Liegenbleiben. Einmal sogar 2 Liegenbleiben auf der gleichen Reise. Dazu kamen die 3-4h Zugfahrt mit Maske - was gänzlich unzumutbar ist. 

Danach mieteten wir uns jedesmal einen Mietwagen mit Dieselantrieb. Und voila: Statt 350km hatte ich wieder 890km Reichweite. Da fragte ich mich schon, warum ich diesen "Sch***" eigentlich mitmache?

Der Kompromiss lautete für mich: Umstieg auf Hybrid. Am liebsten auf einen Dieselhybrid, aber die haben wir nicht im Angebot. Der Diesel braucht mehr Bauraum als der Benziner und ist schwerer. Und das Gewicht eines Hybridfahrzeugs steigt wegen der Batterie eh schon erheblich.

Ich nutze die Ladestation jetzt weiterhin und fahre rein elektrisch in die Stadt und zurück. Z. B. zum Großeinkauf. Ich habe das beigelegte Ladekabel auch noch nie gebraucht. Aber das heißt nicht, dass ich nicht elektrisch fahre. Es ist eine Legende von Robert Habeck, dass die Leute den Hybrid nur kaufen, um die Förderung abzugreifen. Die meisten Stationen haben ein eigenes Ladekabel.

Ich schaffe die Strecke ins Ruhrgebiet auch jetzt ohne Nachzutanken, wenn ich mit vollem Tank und voller Batterie losfahre. Aber mit dem Diesel hätte ich noch den halben Weg wieder zurückfahren können, bis der Tank leer ist.

Was die Käufer sicher auch abschreckt, sind die rapide steigenden Strompreise. Der Staat kassiert ja auch hier kräftig ab. Im ersten Jahr meines Batterieautos habe ich es sehr deutlich gemerkt, dass die Verbrauchskosten mit einem Elektroautos weniger als die Hälfte von dem eines Diesel oder Benziner betragen. Aber die Strompreise steigen inzwischen und keiner weiß, wo es noch endet. 

Und dazu kommt auch: Je mehr Batterieautos in einer Siedlung geladen werden sollen, desto mehr werden die Netzbetreiber mitreden wollen, Irgendwann müssen sie entweder die Lasten steuern wollen oder die Mehrkosten für die Netzverstärkung umwälzen müssen. Das wird in einigen Jahren so kommen.

Und dann wird es mit dem Laden immer komplizierter und wird zur Planwirtschaft. Schon heute muss man darauf achten, dass man die Batterie nur zu 80% lädt, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen. Man kann per App einstellen, wann man losfahren will, und dann lädt die Station erst kurz vor der Abfahrt auf 100% State of Charge. Das ist im Alltag natürlich lästig. Und die meisten werden sich nicht daran halten. 

Wenn die Stromversorger dann auch noch Anreize setzen, die Batterie als Speicher für das Netz bereit zu stellen, wird es noch komplizierter.

Mein Hybrid lädt statt mit 11kW nur mit 4kW und belastet das Ortsnetz und meinen Hausanschluss entsprechend weniger. Auch hier bin ich von den gerade beschriebenen Zusammenhängen weitgehend entlastet. Für mich spricht derzeit das meiste für einen Hybrid.

1 Kommentar:

  1. David24.4.22

    Überzeugend. Die Entfernung ist das schlagende Argument. Die Betriebskosten eine e-Autos sind aber mit Gewißheit nicht geringer als die für einen Benziner. Wenn eines Tages der Strom rationiert werden wird, sieht es sowieso zappenduster aus, auch bei der normalen Tankstelle.

    Wenn dann das Auto in die Jahre kommt und die Batterie nachläßt, wie sie das halt immer macht, dann komen weitere überzeugende Argumente hinzu.

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