Montagmorgen. Ich habe den Gedanken vergessen, den ich aufschreiben wollte. Grund dafür ist die 2-Faktor-Authentisierung, mit der Google mich beim Einloggen in meinen 20 Jahre alten Blog vom Thema abgelenkt hat. Zum Ausgleich gab Google mir dafür das Gefühl, produktiv gewesen zu sein. Ich kenne aus dem Fernsehen, vom Busfahren und von Diskussionen Leute, die das wirklich so empfinden würden.
Charles Chaplin und George Orwell lassen grüßen. Womit Leute sich heutzutage identifizieren, wird immer nichtiger. Aber ihre trotzige Freude darüber immer grotesker. Ich meine da nicht mal Andrea Nahles' "Bämm!", von dem niemand mehr weß, auch Google News nicht, was da der Anlass gewesen war.
Ich meine eher diese pathologischen Reaktionen von Fußballspielern nach einem Tor. Ich erinnere mich noch an die 70er, wenn der Schütze mit einem (senkrecht) nach oben gerecktem Arm auf seine Mitspieler zulief und hoch sprang. Heute läuft das seinen Return on Investment einlösende Asset als erstes zur Kamera, um seine Sichtbarkeit zu verhundertfachen. Sodann springt er einen ebenso sprungbereiten Kollegen so an, dass sie sich mit ihren Brustkörben treffen. So wie es nicht mal Affen tun. Oder die Meisterinnen der Künste (Masters of Arts) auf LinkedIn, wenn sie ein Selfie vom Kaffeetrinken mit de "wunderbaren" Chefin posten.
1913 hieß das Café Reinhard am Ku'damm noch "Café Größenwahn". Regiert heute noch Größenwahn die Bühne oder ist es nicht eher das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom für Erwachsene?
Es gibt doch überhaupt keine Errungenschaften mehr. Wenn man "1998" (als Titel eines Buches, das ich vielleicht mal schreibe) das Handelsblatt aufschlug, wurde man gefesselt von Börsengeschichten, von Interneterfindungen, von Neugründungen und von Liberalisierungen. Heute geht es dort nur noch um die neueste Regulierung, die die Staaten irgendeiner Industrie vorschreiben. Oder darum, wie Staaten gerade die Folgen ihrer Misswirtschaft zu kompensieren gedenken.
Madame Lagarde trägt ein neues Chanelkostüm. Die gelernte Dolmetscherin und Lehrerin Katrin Keller-Sutter verkündet die größte Bankenübernahme in der Geschichte der Schweiz, bei der die zum Zombie gemanagte Credit Suisse von der gesunden UBS aufgekauft werden soll, ohne dass die UBS-Aktionäre gefragt werden. Wer sich für schlauer als den Markt hält, handelt sonntags.
Die meisten "Bämm!s" in der heutigen Geschäftswelt gibt es nicht für Erfindungen, Fortschritte oder gar Ergebnisse. Es gibt sie dann, wenn man dem höher qualifizierten Nebenbuhler einen reingewürgt hat. Wenn man der großen Transformation, zu der man auf LinkedIn gerne steht, mit einer einsamen Entscheidung gehörig Sand ins Getriebe gestreut hat. Wobei auch diese Metapher bald ausrangiert werden muss, denn Getriebe werden bald verboten und der Sand wird auch schon knapp.
Wer sich eher für Krimis interessiert, wird jetzt auch entschädigt. Während man den deutschen Krimi so wie den deutschen Film vergessen kann, bietet einem das echte Leben jetzt viel bessere. So etwa alle drei Tage sterben in Deutschland Unschuldige mal durch ein Messer, mal durch eine Waffe der Moderne. Und genau so abwechselnd fordern Vertreter des Staates mal schärfere Gesetze gegen Waffen, mal eine Generalamnestie für psychisch verwirrte Opfertäter. Ich schaue bei Messeropfern inzwischen immer zuerst nach den Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat des Tatortes. Wenn dort CDU, SPD oder Grüne regieren, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Das ist mein "Bämm!" und es stört mich nicht, wenn es keiner hört.
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