Jetzt war ich endlich in meiner anvisierten Rolle angekommen: Im Programm-Management für die IT-Systeme unserer Projekt- und Produktdaten. Endlich konnte ich meinen Methodikvorschlag anbringen und umsetzen. Künftig würden wir ausgehend von fachlichen Prioritäten übergreifend vorausplanen. Anforderungen aufnehmen, in den Zusammenhang stellen, Abhängigkeiten erkennen und zu einer halbwegs vernünftigen Vorausplanung unserer Facharchitektur kommen. Schnittstellen zum Beispiel sollten künftig nicht an ihren beiden Enden in unterschiedlichen Quartelen oder gar Jahren eingeplant werden.
Freudig gingen wir in die Umsetzung. "Die IT" steuerte sogar ein Architekturmanagement Tool, das wie ein Wiki organisiert ist. Systeme werden dokumentiert und mit technischen und fachlichen und Statusattributen versehen. Als wir den ersten Stand hatten, generierte uns das Tool auf Basis einer ausgewählten Vorlage, vor allem aber auf Basis der gepflegten Attribute eine Facharchitektur, die man für verschiedene Blickwinkel filtern kann. Mal stehen die Farben der Boxen für den Finanzierungsstatus, mal für den Umsetzungsstatus, mal für die Geschäftskritkalität, mal für den erreichten Stand im Lebenszyklus.
"Mein" IT-Architekt und ich wollten gerade mit der ersten Planung beginnen und den dazu gehörenden Budgetanträgen, da wurden wir von oben gebremst:
- Der neue Vorstand für neue Geschäftsfelder (ein Maschinenbauer) gab uns eine Setzung für Tools rein, die er mit Unternehmensberatern erarbeitet hatte. Auf der letzten Folie stand: "Umsetzung erfolgt durch die Steuerungen der Fachdomänen".
- Diese von der Seite kommenden Setzungen sind nicht budgetiert.
- Von der anderen Seite kam eine Targetsetzung, unser IT-Budgetdeckel. Gegenüber dem Vorjahr abermals hart reduziert.
- Und von oben kam die Ankündigung, die Organisation der Fachdomänen abermals umorganisieren zu wollen.
Seitdem:
- Kümmern sich unsere Manager nur noch darum, in der künftigen Organisation auch ein Kästchen belegen zu können. Plötzlich sind sie alle "Business" oder "Product Owner".
- Niemand interessiert sich mehr für unsere fachliche oder Budgetplanung bottom up.
- Das einzige was wir von ihnen empfangen ist Termindruck für die Einstellung unserer Budgetanträge ins System.
Unsere Motivation fiel auf Null. Methodisch waren wir am Ziel. Als Berater hätten wir uns schon zurückziehen können. Aber wir wollen ja auch erleben, dass es fliegt.
In meiner vorherigen Rolle hatte ich all die Aufgaben, um die sich jetzt Manager kloppen, alleine inne. Und zwar als Ehrenamt nebenbei, ohne Mandat. Und ohne Interesse des oberen Management. Und trotzdem schaffte ich es mit einigen anderen Systemverantwortlichen wenigstens einige Schnittstellen besser zu planen.
Und ein übergreifendes Datenmodell einzuführen, das unserem Projektsteuerungsmodell entspricht. Und auf das wir uns über mehrere Systeme hinweg beziehen.
Um mich herum ist keiner mehr ansprechbar. Die süddeutschen Marken haben dauernd Feiertage, lange Wochenenden und Urlaub. Meine Manager sind unentwegt in Meetings. Der zugeordnete IT-Vertreter fragt mich, ob der Portfoliomanager, der zu seinem Team gehört (!), schon eine Urlaubsvertretung hat, um die Budgetzahlen rechtzeitig einzugeben.
Ich empfinde das als dermaßen niveaulos. Für Ärger habe ich keine Muße mehr. Ich passe nur stets auf, dass ich nicht zu sehr verdumme und demotiviert werde. Wenn ich dann höre, dass von ganz, ganz oben "Effizienzprogramme" und "Entbürokratisierung" starten sollen, kann ich nicht einmal mehr lachen.. Ich weiß so viel: Ich muss das Ganze nicht ernster nehmen als meine Manager..